European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00130.25M.1111.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Grundrechte, Persönlichkeitsschutzrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden hinsichtlich der Entscheidung über das Begehren auf Feststellung des Eigentums der Klägerin an dem in Beilage ./A dargestellten Trennstück 1 sowie über das Begehren auf Einwilligung der beklagten Partei in die Teilung ihres Grundstücks * in dieses und das Trennstück 1, dessen Abschreibung vom Gutsbestand der EZ *, Zuschreibung zum Gutsbestand der EZ * und Vereinigung des Trennstücks 1 mit dem Grundstück *, KG *, sowie im Kostenpunkt aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind insoweit weitere Verfahrenskosten.
Im Übrigen – hinsichtlich der Abweisung des Unterlassungsbegehrens – wird die angefochtene Entscheidung bestätigt, sodass sie als Teilurteil lautet:
„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, es zu unterlassen, in dem beim Magistrat * anhängigen Bauplatzänderungsverfahren (AZ *) und Baubewilligungsverfahren (AZ *) sowie in den beim Landesverwaltungsgericht * diesbezüglich anhängigen Beschwerdeverfahren zu behaupten, dass der beklagten Partei die Eigentumsrechte an dem in Beilage ./A dargestellten Trennstück 1 zustehen würden, wird abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.“
EntscheidungsgründeundBegründung:
[1] Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks *, die Beklagte des Nachbargrundstücks *. Beide Grundstücke sind nicht im Grenzkataster eingetragen. Die Klägerin erwarb ihr Grundstück im Jahr 2008 von ihrem Vater, der es 1986 und 1989 je zur Hälfte von seinen Eltern erwarb, die seit 1954 dessen Eigentümer waren. Die Beklagte erwarb ihr Grundstück im Jahr 2022. Sie beabsichtigt, darauf ein Gebäude mit mehreren Wohnungen zu errichten und leitete beim Magistrat * zu AZ * ein Bauplatzänderungsverfahren und zu AZ * ein Baubewilligungsverfahren ein.
[2] Auf dem Grundstück der Beklagten wurde Anfang der 1970iger‑Jahre eine Garage errichtet. Die Klägerin und die Voreigentümer ihres Grundstücks – also ihr Vater sowie dessen Eltern – gingen jeweils davon aus, dass die Rückseite der Garagenmauer unmittelbar an der Grundgrenze errichtet wurde. Tatsächlich befindet sich die (oberirdische) Mauer der Rückseite der Garage ca 30 cm von der Grundgrenze entfernt auf dem nunmehrigen Grundstück der Beklagten. Der hinter der Garage gelegene – ca 30 cm breite – Streifen ihres Grundstücks (nachfolgend auch als „Trennstreifen“ bezeichnet) kann nur vom Grundstück der Klägerin, nicht jedoch vom restlichen (Haupt‑)Teil des Grundstücks der Beklagten betreten werden, weil man um die darauf errichtete Garage nicht – zu deren Rückseite – herumgehen kann. Eine neben der Garage befindliche schmale Fläche zwischen dieser Garage und einer auf einem Nachbargrundstück eines Dritten errichteten Mauer – über die ein solcher Zugang seitlich an der Garage vorbei zu deren Hinterseite an sich möglich wäre – ist durch ein Gitter versperrt.
[3] An der Grenze der Grundstücke der Klägerin und der Beklagten befindet sich im Bereich der Rückseite der Garagenmauer ein Grenzstein, der den Grenzverlauf markiert.
[4] Die Lage der Grundstücke der Klägerin und der Beklagten stellt sich bildlich wie folgt dar (Bestandteil von Beilage ./A):
[5] Die Klägerin begehrt die Feststellung, Eigentümerin des an ihr Grundstück angrenzenden Trennstreifens zu sein, die Einwilligung der Beklagten zur Teilung ihres Grundstücks, Abschreibung des Trennstreifens von diesem und Zuschreibung zum Grundstück der Klägerin, sowie die Unterlassung der Behauptung der Beklagten in dem von dieser beim Magistrat * zu AZ * geführten Bauplatzänderungsverfahren und dem zu AZ * anhängigen Baubewilligungsverfahren sowie in den dazu beim Landesverwaltungsgericht * anhängigen Beschwerdeverfahren, Eigentümerin dieses Trennstreifens zu sein.
[6] Sie habe das Eigentum am Trennstreifen ersessen, weil sie und ihre Rechtsvorgänger im Eigentum an ihrem Grundstück (ihr Vater sowie dessen Eltern) diese Grundfläche über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren mit der Überzeugung, dass auch diese Fläche zu ihrem Grundstück gehöre, als Garten genutzt und bewirtschaftet hätten. Die Beklagte habe das Eigentum an diesem Trennstreifen nicht gemäß § 1500 ABGB im guten Glauben auf den Grundbuchstand erworben. In den von der Beklagten geführten Bauplatzänderungs- und Baubewilligungsverfahren sei die Behörde zu Unrecht davon ausgegangen, dass diese Eigentümerin des Trennstreifens sei.
[7] Die Beklagte bestritt eine Ersitzung des Eigentums am Trennstreifen durch die Klägerin und ihre Rechtsvorgänger, weil diesen der tatsächliche Grenzverlauf aufgrund des an der Grenze der beiden Grundstücke befindlichen Grenzsteins bekannt gewesen sei, jedenfalls aber bekannt sein musste. Selbst wenn die Klägerin Eigentum am Trennstreifen ersessen hätte, hätte die Beklagte daran gemäß § 1500 ABGB im Vertrauen auf den Grundbuchstand gutgläubig Eigentum erworben. Aufgrund der eingeschränkten Nutzung des Trennstreifens (der geringen Bewirtschaftungsintensität) durch die Klägerin und ihre Rechtsvorgänger hätte eine allfällige (bestrittene) Ersitzung auch bloß zum Erwerb einer Dienstbarkeit und nicht zum Erwerb von Eigentum führen können.
[8] Das Erstgericht gab dem auf Einwilligung in die Teilung des Grundstücks der Beklagten, Abschreibung des Trennstreifens von diesem und Zuschreibung zum Grundstück der Klägerin gerichteten Begehren sowie dem Unterlassungsbegehren Folge und wies das Feststellungsbegehren ab.
[9] Zwar seien die Großeltern der Klägerin als ursprüngliche Eigentümer deren (nunmehrigen) Grundstücks nicht gutgläubig gewesen, weil sie den Grenzverlauf aufgrund des an der Grundstücksgrenze befindlichen Grenzsteins erkennen hätten können. In der Folge sei dieser Grenzstein aber „verwachsen“ und weder für den Vater der Klägerin noch für diese erkennbar gewesen. Beide hätten den Trennstreifen mit der Überzeugung genutzt, dessen Eigentümer zu sein, weil sie geglaubt hätten, die Grundgrenze verlaufe unmittelbar entlang der (rückseitigen) Mauer der auf dem Grundstück der Beklagten errichteten Garage. Da sowohl die Klägerin als auch ihr Vater redlich gewesen seien, habe die 30‑jährige Ersitzungsfrist mit Erwerb des Grundstücks durch diesen im Jahr 1989 begonnen und sei 2019 abgelaufen. Da die Klägerin und ihr Rechtsvorgänger den Trennstreifen in einer Art und Weise genutzten hätten, wie ihren sonstigen Garten, hätten sie an dieser Grundfläche nicht bloß eine Dienstbarkeit sondern Eigentum ersessen.
[10] Die Beklagte habe den von der Klägerin ersessenen Trennstreifen nicht im Vertrauen auf den – im Hinblick auf diese Ersitzung unvollständigen – Grundbuchstand gemäß § 1500 ABGB gutgläubig erworben, weil ihrem Geschäftsführer bei einer Besichtigung ihres nunmehrigen Grundstücks (vor Abschluss des Kaufvertrags) aufgefallen sei, dass man um die Garage nicht (zum Trennstreifen) herumgehen könne und sich die „Situation in natura nicht so darstellte, wie auf den [dem Erwerb des Grundstücks durch die Beklagte zugrundeliegenden] Plänen“.
[11] Der Klägerin stehe daher ein Anspruch auf Einwilligung der Beklagten in die Abschreibung des Trennstreifens von deren Grundstück und Zuschreibung zum Grundstück der Klägerin – somit also auf Einverleibung ihres Eigentums am Trennstreifen – zu. Da das diesem Anspruch stattgebende Urteil die Feststellung des Eigentumsrechts der Klägerin an dieser Grundfläche beinhalte, komme ihr kein rechtliches Interesse an der angestrebten Feststellung zu.
[12] Das Unterlassungsbegehren sei berechtigt, weil die Beklagte „rechtswidrig behauptet habe“, dass der streitgegenständliche Trennstreifen in ihrem Eigentum stehe, was sie im Verfahren auch nicht bestritten habe.
[13] Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, dass es sämtliche Klagebegehren abwies.
[14] Aus den erstinstanzlichen Feststellungen ergebe sich, dass weder die Klägerin noch ihr Vater den Trennstreifen (insbesondere im Bereich des Grenzsteins) selbst bewirtschaftetet (gärtnerisch gepflegt) hätten. Vielmehr hätten sie (auch in diesem Bereich) Dritte mit Pflanzungs- und (Garten-)Pflegemaßnahmen beauftragt gehabt. Diese hätten den Grenzstein – wenn sie in dessen Nahebereich gearbeitet hätten – leicht erkennen können. Da der Klägerin und ihrem Vater die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis dieser – mit Gartenarbeiten beauftragten – Dritten vom Grenzstein, aus dessen Lage sich der tatsächliche Grenzverlauf ergebe, als Besitzmittler bzw Besitzdiener zuzurechnen sei, fehle es an der für die Ersitzung notwendigen Redlichkeit der Klägerin und ihres Rechtsvorgängers.
[15] Die Beklagte hätte das Eigentum am Trennstreifen im Übrigen – selbst wenn dieses von der Klägerin ersessen worden wäre – nach § 1500 ABGB gutgläubig erworben. Allein daraus, dass für ihren Geschäftsführer bei der Besichtigung des Grundstücks erkennbar gewesen sei, dass die hinter der Garage gelegene Grundfläche vom übrigen Teil des Grundstücks (nunmehr) der Beklagten nicht zugänglich sei (sondern nur vom Grundstück der Klägerin), habe dieser nicht auf eine – im Grundbuch nicht ersichtliche – Ersitzung des Eigentums an dieser Fläche durch die Eigentümer des Grundstücks der Klägerin schließen müssen.
[16] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils – also hinsichtlich jedes Klagebegehrens – 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die Entscheidung von den Umständen des Einzelfalls abhänge und daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufwerfe.
Rechtliche Beurteilung
[17] Die dagegen erhobene – von der Beklagten beantwortete – außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig, weil das Berufungsgericht (unter anderem) die Frage der Redlichkeit der Klägerin und ihres Rechtsvorgängers unrichtig beurteilt hat. Das Rechtsmittel ist mit seinem hilfsweisen Aufhebungsantrag auch teilweise – nämlich hinsichtlich des Feststellungsbegehrens sowie des Begehrens auf Einwilligung der Beklagten in die Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin am Trennstreifen – berechtigt. Hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens ist die Revision nicht berechtigt.
I. Zum Feststellungsbegehren und zum Begehren auf Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin:
[18] 1. Vorauszuschicken ist, dass sich die Klägerin in erster Instanz auch auf einen „Verzicht“ der Voreigentümer des Grundstücks der Beklagten auf ihr Eigentum an dem hinter der Garage gelegenen Trennstreifen berufen hat. Da sie darauf in dritter Instanz nicht mehr zurückkommt, ist auf diese Anspruchsgrundlage nicht mehr einzugehen (RS0041570 [insb T3, T6]).
2. Zur behaupteten Ersitzung durch die Klägerin:
[19] 2.1. Ersitzung ist der Erwerb eines Rechts durch qualifizierten Besitz und dessen Ausübung während der gesetzlich bestimmten Zeit. Die Ersitzung des Eigentumsrechts erfordert alleinigen Sachbesitz (RS0009792; RS0010117 [T3]). Dieser setzt die tatsächliche Gewahrsame (Innehabung; § 309 Satz 1 ABGB) sowie Besitzwillen voraus. Die Gewahrsame ist nicht bloß räumlich‑körperlich zu verstehen, vielmehr handelt es sich dabei um die äußere Erscheinung der Herrschaft über den Gegenstand nach Maßgabe der Verkehrsauffassung (RS0010104; vgl auch RS0010108). Der Besitzwille setzt für die Ersitzung von Eigentum in der Regel ein Verhalten voraus, wie es der Eigentümer als Sachbesitzer typischerweise setzt (1 Ob 10/15z [Pkt II.4.]). Auch unselbständige Teilflächen eines Grundstücks können, sofern dieses – wie hier – nicht im Grenzkataster eingetragen ist (vgl dazu § 50 VermG), ersessen werden (RS0011696 [T1, T5]).
[20] 2.2. Die „eigentliche“ (kurze) Ersitzung erfordert rechtmäßigen (§ 316 ABGB), redlichen (§ 326 ABGB) und echten (§ 345 ABGB) Besitz. Für die hier in Frage kommende „uneigentliche“ (lange) Ersitzung ist gemäß § 1477 ABGB die Rechtmäßigkeit des Besitzes nicht erforderlich, vielmehr setzt diese – neben dem Zeitablauf – nur die Echtheit und Redlichkeit des Besitzes voraus (RS0034087; RS0034138 [T3]).
[21] 2.3. Für die Redlichkeit gelten im Ersitzungsrecht die allgemeinen sachenrechtlichen Grundsätze (Gusenleitner‑Helm in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ [2012] § 1463 ABGB Rz 1). Redlicher Besitzer ist gemäß § 326 ABGB, wer aus wahrscheinlichen Gründen die Sache, die er besitzt, für die seinige hält. Unredlicher Besitzer ist, wer weiß oder aus den Umständen vermuten muss, dass die in seinem Besitz befindliche Sache einem anderen gehört. Bereits leichte Fahrlässigkeit bei der Beurteilung der Frage, ob ein Besitzerwerb (eine Besitzausübung) in fremde Rechte eingreift, schließt den guten Glauben (die Redlichkeit) aus (RS0010189; 5 Ob 324/00h = RS0010184 [T5]). Maßgeblich ist, ob bei gehöriger Sorgfalt erkennbar gewesen wäre, dass das in Anspruch genommene Recht nicht zusteht (RS0010189 [T9]), ob also ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer (vgl RS0010189 [T4] zum Maßstab durchschnittlicher Sorgfalt) die in seiner (Besitz‑)Ausübungshandlung gelegene Rechtsverletzung erkennen hätte können (RS0034103 [T3]). Die Redlichkeit des Besitzes als selbständiges Ersitzungserfordernis (RS0034191) muss während der gesamten Ersitzungszeit bestehen (RS0010175). Durch nachträgliche Schlechtgläubigkeit wird die Ersitzung unterbrochen (RS0034103). Wenngleich die Behauptungs- und Beweislast für die Ersitzungsvoraussetzungen grundsätzlich den Ersitzungsbesitzer trifft (RS0034237), muss der Ersitzungsgegner die Unredlichkeit des Ersitzenden behaupten und beweisen, weil die Redlichkeit des Besitzers gemäß § 328 ABGB im Zweifel vermutet wird (RS0034237 [T5, T6]; RS0034251).
[22] 2.4. Die Besitzergreifungshandlung und der Besitzwille bestimmen den Inhalt des Besitzes und damit das Ausmaß des zu ersitzenden Rechts (RS0010145 [T3]; RS0011702). Die Besitzausübung muss die volle Zugehörigkeit der Sache zum Ausübenden sichtbar zum Ausdruck bringen (RS0010101). Typische Arten der Ausübung des – für den Eigentumserwerb maßgeblichen – Sachbesitzes an unbeweglichen Sachen sind nach § 312 ABGB etwa das Betreten, Verrainen, Einzäunen, Bezeichnen oder Bearbeiten (vgl RS0009792 [T9]). Die Rechtsprechung bejahte eine Eigentumsersitzung etwa bei einer forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung einer Grundfläche „wie [ein] Eigentümer“ (7 Ob 528/86; vgl auch [12. 7. 2000] 9 Ob 26/00i [Durchforstungsarbeiten]), bei Befahren und Ausmähen eines Weges (9 Ob 2020/96s) oder beim Pflanzen von Gehölzen (konkret: Weiden) und deren regelmäßigem „Zuschnitt“ (4 Ob 115/24a [Rz 25]). Bei bloß geringer(er) Bewirtschaftungsintensität nimmt die Judikatur nur die Ersitzung einer Grunddienstbarkeit an (RS0010142 [T2]; RS0009792 [T10]).
[23] 2.5. Der zur Ersitzung führende Besitz kann auch durch Stellvertreter, Boten oder andere Besitzmittler ausgeübt werden (RS0011655 [T1]), wobei sowohl für den Erwerber als auch für den Besitzmittler (Besitzdiener) Gutgläubigkeit gefordert wird (RS0010174 [T1]). Ein Besitzmittler oder Besitzdiener muss zwar nicht die Absicht haben, ein Recht für eine bestimmte andere Person zu besitzen (1 Ob 10/15z [Pkt II.5.]), er muss aber die Gewahrsame an der zu ersitzenden Sache für diese ausüben (vgl RS0010114 [„im Tatsächlichen“]; s auch Iro, Besitzerwerb durch Gehilfen [1982] 53, wonach die Mittelsperson beim einseitigen Besitzerwerb der Verschaffung und dem Erhalt der realen Sachherrschaft dient). Die Rechtsprechung qualifizierte etwa (unter bestimmten Voraussetzungen) Mieter (8 Ob 504/78, SZ 51/64) und Pächter (RS0034597; generell zu Bestandnehmern RS0010141), Familienmitglieder oder Gäste (1 Ob 41/08y [Pkt 2.]; 1 Ob 10/15z [Pkt II.5.: Kinder auf Geheiß von Erwachsenen, in der Regel ihrer Eltern]), Kunden (1 Ob 542/93) oder – insbesondere bei einer Ersitzung durch eine Gemeinde – Touristen (vgl RS0011542) als Besitzmittler.
[24] 2.6. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht – auf Basis der bisher getroffenen Feststellungen – zu Unrecht eine Ersitzung des Eigentums an dem hinter der Garage gelegenen Teil des Grundstücks (nunmehr) der Beklagten (also dem Trennstreifen) durch die Klägerin verneint.
[25] 2.6.1. Aus dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass es sich bei jenen Dritten, die von der Klägerin und ihrem Vater als Voreigentümer ihres Grundstücks (auch im Bereich des hinter der Garage gelegenen Trennstreifens) mit gärtnerischen Arbeiten beauftragt wurden, um Werkunternehmer (Gärtner) handelte.
[26] 2.6.2. Ein mit der Vornahme von Gartenarbeiten beauftragter Werkunternehmer hat aber keine Gewahrsame (Innehabung) an jenem Grundstück, auf dem er seine Arbeiten verrichtet. Wie dargelegt, ist diese nicht bloß räumlich-körperlich zu verstehen, sondern als Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft über eine Sache. Die von der Klägerin und ihrem Vater beauftragten Gärtner übten aber zweifellos keine faktische Sachherrschaft über den zu ersitzenden Grundstücksteil (den Trennstreifen) aus. Weder bestehen Anhaltspunkte dafür, dass sie über diesen – im Sinn der in § 312 ABGB genannten Besitzausübungshandlungen – tatsächlich verfügen konnten, noch kann nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung von der Ausübung einer realen Verfügungsmacht über die fragliche Grundfläche ausgegangen werden.
[27] 2.6.3. Somit kommt es – entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts – nicht darauf an, ob die mit Gartenarbeiten beauftragten Dritten bei ihren Arbeiten die bestehende Grundstücksgrenze erkennen konnten. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob dies auf die Klägerin und ihren bücherlichen Vormann (ihren Vater) zutraf.
[28] 2.6.4. Zu 1 Ob 7/80 (RS0013873) legte der Oberste Gerichtshof (im Zusammenhang mit § 1500 ABGB) dar, dass Grenzsteine (typischerweise) einen eindeutigen Hinweis auf eine Eigentumsgrenze liefern, wenn diese bei Aufwendung der üblichen Sorgfalt wahrgenommen werden können. Für die Erkennbarkeit eines Grenzsteins kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (so zutreffend Gusenleitner‑Helm in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ [2012] § 1500 ABGB Rz 21). Für die Redlichkeit der Klägerin und ihres Vormanns ist demnach entscheidend, ob diese den Grenzstein – und damit den durch diesen markierten Grenzverlauf – bei entsprechender Sorgfalt erkennen hätten können.
2.6.5. Für die Beurteilung dieser Frage fehlen bisher klare und widerspruchsfreie Feststellungen:
[29] Weder traf das Erstgericht konkrete Feststellungen zur Größe und konkreten Beschaffenheit des Grenzsteins (insbesondere dazu, ob und wie weit dieser über das Bodenniveau hinausragt), noch zum konkreten Pflanzenbewuchs in dessen Nahebereich und somit insgesamt zu dessen „Sichtbarkeit“. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich zwar, dass an der Hinterseite der Garage eine Hecke gepflanzt wurde, wobei diese zuletzt zwei bis drei Meter hoch war. Dies lässt aber weder den Umfang (Durchmesser) noch die „Dichte“ der einzelnen Sträucher im unmittelbaren Bereich des Grenzsteins erkennen. Auch zur (allenfalls) sonst in diesem Bereich bestehenden Vegetation (die Klägerin behauptete einen Bewuchs mit Gras) fehlen Feststellungen. Es steht auch nicht fest, ob die Sträucher (der Hecke) im Winter ihre Blätter verloren und der Grenzstein daher jedenfalls in dieser Jahreszeit sichtbar war, und ob sich die Hecke im Verlauf der Ersitzungszeit in ihrem „Umfang“ geändert hat.
[30] 2.7. Als Zwischenergebnis ergibt sich somit, dass derzeit noch nicht beurteilt werden kann, ob der Grenzstein bei gehöriger Aufmerksamkeit für die Klägerin und ihren Vater (als Voreigentümer ihres Grundstücks) erkennbar war, wovon die Beurteilung ihrer Gut- oder Schlechtgläubigkeit und somit die Frage der Ersitzung entscheidend abhängt.
3. Zum Einwand des gutgläubigen Eigentumserwerbs der Beklagen gemäß § 1500 ABGB:
[31] 3.1. Die Klägerin wendet sich zu Recht auch gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die Beklagte jedenfalls – also selbst wenn die Klägerin Eigentum am Trennstreifen ersessen hätte – gemäß § 1500 ABGB gutgläubig Eigentum an diesem Grundstücksteil erworben hätte.
[32] 3.2. Gemäß § 1500 ABGB kann das aus einer Ersitzung oder Verjährung erworbene Recht demjenigen, der im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher noch vor Einverleibung dieses Rechts eine Sache oder ein Recht an sich gebracht hat, zu keinem Nachteil gereichen. Dabei handelt es sich um die negativen Seite des Publizitätsprinzips. Geschützt wird das Vertrauen auf die Vollständigkeit des Grundbuchs (RS0034739). Eine nicht im Grundbuch ersichtlich gemachte, außerbücherliche Rechtsänderung ist gegenüber dem gutgläubigen Erwerber unbeachtlich (Gusenleitner‑Helm in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1500 ABGB Rz 2 mwN). Der Erwerb im Vertrauen auf das Grundbuch macht auch eine vollendete Ersitzung wirkungslos (RS0012151 [T2]). § 1500 ABGB ermöglicht auch einen gutgläubigen Eigentumserwerb in dem Fall, dass der bücherliche Vormann des Erwerbers eines Grundstücks an einem Teil dieses Grundstücks durch einen außerbücherlichen Vorgang – insbesondere die Ersitzung eines Dritten – das Eigentum verlor (vgl etwa 9 Ob 244/97s; siehe auch Ehgartner/Winkler in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 [2021] § 1500 ABGB Rz 3; M. Bydlinski/Thunhart in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 [2024] § 1500 ABGB Rz 2). Die Bestimmung schützt das Vertrauen auf den Grundbuchstand unabhängig davon, ob das ersessene Recht den Grundbuchskörper, einzelne Grundstücke oder – wie hier – nur einen Teil eines Grundstücks betrifft (RS0034959).
[33] 3.3. Damit der Liegenschaftserwerber nach § 1500 ABGB geschützt wird, ist es erforderlich, dass ihm sowohl im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs als auch bei Antragstellung auf Einverleibung seines Eigentumsrechts eine vom Grundbuchstand abweichende wahre Sachlage unbekannt war (RS0034776 [T1]). Er wird nicht geschützt, wenn seine irrige Vorstellung auf – auch bloß leichter – Fahrlässigkeit beruht (RS0034776 [T4, T11, T23]). Zwar dürfen die Sorgfaltsanforderungen nicht überspannt werden (RS0034776 [T3]), weshalb ein den guten Glauben des Erwerbers ausschließendes Verschulden nicht schon angenommen werden kann, wenn er es unterließ, die Richtigkeit des Grundbuchstands durch eigene Nachforschungen zu überprüfen (RS0034776 [T2]). Für den Vorwurf der Fahrlässigkeit genügt aber die Kenntnis einer nicht völlig geklärten Rechtslage (RS0034776 [T9; vgl auch T12, T14]; RS0079884 [T1]). Ergeben sich – insbesondere bei Besichtigung der Liegenschaft (vgl Ehgartner/Winkler in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1500 ABGB Rz 18) – Bedenken, dass die tatsächlichen Besitzverhältnisse nicht dem Grundbuchstand entsprechen könnten, löst dies Nachforschungspflichten des Erwerbers aus (RS0034776 [T22]).
[34] 3.4. Solche Bedenken wurden von der Rechtsprechung etwa angenommen, wenn der Erwerber einer Liegenschaft bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen hätte können, dass ein Teil eines von ihm erworbenen Grundstücks durch den Nachbarn bebaut wurde und dieser dadurch (durch seine Bauführung) Eigentum an dieser Grundfläche erworben hat (4 Ob 266/97i),oder wenn ein Teil des erworbenen Grundstücks eingezäunt ist und somit in der Natur der Nachbarliegenschaft zugehört (9 Ob 244/97s, wobei dort zusätzlich ein Grenzüberbau zu beurteilen war).
[35] 3.5. Davon ausgehend wäre hier – hätte die Klägerin Eigentum am Trennstreifen ersessen – ein Gutglaubenserwerb der Beklagten nach § 1500 ABGB zu verneinen:
[36] Aus den erstinstanzlichen Feststellungen ergibt sich, dass der Geschäftsführer der Beklagten bei Abschluss des Kaufvertrags – aufgrund eines ihm vorliegenden Plans – davon ausging, dass die hinter der Garage gelegene Grundfläche (der Trennstreifen) zum zu erwerbenden (erworbenen) Grundstück gehört. Bei Besichtigung des Grundstücks bemerkte er aber, dass man (auch aufgrund der Absperrung der schmalen Fläche neben der Garage und der Mauer auf dem Nachbargrundstück eines Dritten) um die Garage nicht zum dahinter gelegenen Trennstreifen herumgehen kann. Für den Geschäftsführer der Beklagten stellte sich die Situation daher in natura so dar, als würde die Grundstücksgrenze (unmittelbar) entlang der (hinteren) Mauer der Garage verlaufen, weil der dahinter befindliche Trennstreifen nur vom (fremden) Grundstück der Klägerin betreten werden konnte. Dieser Grundstücksteil musste ihm also objektiv als zu diesem Nachbargrundstück zugehörig erscheinen. Damit musste er aber konkrete Bedenken an dessen Zugehörigkeit zum zu erwerbenden Grundstück der Beklagten haben, was jedenfalls eine entsprechende Nachforschungspflicht auslöste. Dieser kam die Beklagte jedoch nicht nach. Damit könnte sie das Eigentum an dem hinter der Garage gelegenen Trennstreifen – wäre dieses zuvor von der Klägerin ersessen worden – nicht gemäß § 1500 ABGB gutgläubig erworben haben.
[37] 4. Zusammengefasst hängt die Beurteilung der Frage, wer Eigentümer des Trennstreifens ist, also nur mehr (zum Einwand der Ersitzung einer bloßen Dienstbarkeit siehe unten Pkt I.5.) davon ab, ob die Klägerin das Eigentum an diesem Grundstücksteil ersessen hat, weil – wobei es sich um eine abschließend beurteilte Rechtsfrage handelt (vgl RS0042031) – jedenfalls kein gutgläubiger Eigentumserwerb durch die Beklagte nach § 1500 ABGB erfolgt wäre. Da die bisherigen Feststellungen für eine Beurteilung dieser Frage nicht ausreichen, kann derzeit weder über das Begehren auf Feststellung des Eigentumsrechts der Klägerin an diesem Grundstücksteil, noch über ihr Begehren auf Einwilligung der Beklagten in eine Teilung ihres Grundstücks, Abschreibung des Trennstreifens von diesem und Zuschreibung zum Grundstück der Klägerin (wobei die Verknüpfung beider Begehren – entgegen der Beurteilung des Erstgerichts – zulässig ist; vgl 2 Ob 36/03p) entschieden werden. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher hinsichtlich dieser beiden Klagebegehren zur Verfahrensergänzung aufzuheben.
[38] 5. Sollte sich im (insoweit) fortgesetzten Verfahren ergeben, dass die Klägerin und ihr bücherlicher Vormann während der gesamten (30‑jährigen) Ersitzungszeit redlich gewesen wären (weil sie den Grenzstein auch bei gehöriger Sorgfalt nicht erkennen konnten), wäre noch auf den Einwand der Beklagten einzugehen, dass am Trennstreifen nur eine Dienstbarkeit und nicht Eigentum ersessen worden wäre. Auch dieser Einwand kann schon abschließend beurteilt werden. Ausgehend von der Feststellung, dass auch der Trennstreifen (von der Klägerin und ihrem Vater selbst oder durch von ihnen beauftragte Dritte) wie ihr eigener Garten bewirtschaftet (also gärtnerisch ausgestaltet und laufend gepflegt) wurde, wäre – insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung zu 4 Ob 115/24a (Eigentumserwerb durch das Pflanzen und den laufendem Rückschnitt von Gehölzen) – von einer Ersitzung des Eigentums und nicht bloß eines beschränkten dinglichen Nutzungsrechts auszugehen.
II. Zum Unterlassungsbegehren:
[39] 1. Die Klägerin hat kein Sachvorbringen erstattet, das eine Anspruchsgrundlage für ihr Begehren erkennen ließe, der Beklagten zu verbieten, in den von ihr geführten Baubewilligungs- und Bauplatzänderungsverfahren zu behaupten, Eigentümerin des fraglichen Trennstreifens zu sein. Sie hat nicht einmal vorgebracht, inwieweit sich die Beklagte bei ihrer Rechtsverfolgung in diesen Verfahren konkret (etwa in ihrem Vorbringen, ihrer Aussage oder in von ihr vorgelegten Plänen) darauf gestützt hätte, Eigentümerin des fraglichen Grundstücksteils zu sein, bezog sie sich doch in diesem Zusammenhang nur auf eine unrichtige Beurteilung dieser Frage durch die Behörde. Auch die Vorinstanzen haben sich mit der Anspruchsgrundlage des von der Klägerin erhobenen Unterlassungsbegehrens nicht auseinandergesetzt.
[40] 2. Bei der im Revisionsverfahren gebotenen allseitigen rechtlichen Beurteilung der angefochtenen Entscheidung (vgl RS0043352) ergibt sich aber, dass dem Unterlassungsbegehren jedenfalls – unabhängig von der in Betracht kommenden und von der Klägerin angezogenen Anspruchsgrundlage – kein Erfolg zukommen kann, sodass es vom Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht abgewiesen wurde.
[41] 3. Mit dem Verbot der Vornahme bestimmter Verfahrenshandlungen in anderen Verfahren hat sich die Rechtsprechung bisher vor allem im Zusammenhang mit der Frage befasst, ob Prozessbehauptungen und Aussagen in einem (anderen) Gerichtsverfahren untersagt werden können. Der Oberste Gerichtshof erachtet dies im Interesse einer ordnungsgemäßen Rechtspflege als unzulässig, also auch eine objektiv unrichtige Behauptung in einem (anderen) Gerichtsverfahren als gerechtfertigt, sofern diese nicht vorsätzlich unrichtig erfolgt (RS0022784 [insb T6, T8, T11, T15]; vgl RS0114015 [T10]). Dahinter steht der Gedanke, dass es für eine funktionierende Rechtspflege geboten ist, die Parteien eines Verfahrens nicht mit einer abschreckenden Verantwortlichkeit für ihre Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu belasten (etwa 6 Ob 28/17m [Pkt 3.1.]; 6 Ob 48/22k [Rz 1], jeweils zu Unterlassungsansprüchen nach § 1330 ABGB; zu auf § 7 UWG gestützten Unterlassungsbegehren vgl etwa RS0022784 [T11]). Im Allgemeinen muss daher jedermann die Möglichkeit offen stehen, strittige Rechtsfragen durch ein Gericht oder die sonst zuständige Behörde klären zu lassen, ohne eine solche Verantwortung für seine Verfahrenshandlungen befürchten zu müssen (3 Ob 194/22h [Rz 20 mwN; dort zu § 1295 Abs 2 ABGB]). Dies gilt aber eben nur insoweit, als es sich nicht um wider besseres Wissen falsche und somit (rechts-)missbräuchliche Behauptungen in einem Verfahren handelt, weil wissentlich unrichtige Behauptungen nicht mit dem Interesse am Funktionieren der Rechtspflege gerechtfertigt werden können (RS0022784 [T6, T8]).
[42] 4. Zu einem Begehren, dem Prozessgegner zu verbieten, in einem Verwaltungsverfahren bestimmte Verfahrenshandlungen vorzunehmen, legte der Oberste Gerichtshof zu 4 Ob 233/99i sowie zu 4 Ob 234/99m dar, dass durch ein solches Verbot nicht in die hoheitliche Tätigkeit der Verwaltungsbehörde eingegriffen werde, sondern lediglich in die Rechtsposition der Partei (des Prozessgegners im Unterlassungsverfahren), weshalb der Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung (Art 94 Abs 1 B‑VG) nicht verletzt werde und ein solches Verbot zulässig sei. Auch in älteren Entscheidungen ging er (jedenfalls im Ergebnis) von der Zulässigkeit eines Begehrens aus, mit dem einer Partei bestimmte Handlungen in einem Verwaltungsverfahren aufgetragen oder verboten werden sollen, ohne dies jedoch näher zu begründen (vgl etwa 3 Ob 270/25, SZ 7/139 [zum Verbot, eine Konzession in einem Verwaltungsverfahren zurückzulegen]; 2 Ob 406/50, SZ 23/203 [zu einem Begehren, dem Verfahrensgegner in einem gewerberechtlichen Verfahren eine bestimmte Verfahrenshandlung aufzutragen, wobei dort ein Eingriff in die Kompetenz der Verwaltungsbehörde als „abwegig“ angesehen wurde]; 8 Ob 293/67 und 4 Ob 527, 528/84 [jeweils zur Verpflichtung des Prozessgegners zur Erstattung bestimmter Mitteilungen an eine Behörde]).
[43] 5. Zuletzt setzte sich der Oberste Gerichtshof zu 4 Ob 244/05v – zu einem auf § 1295 Abs 2 ABGB und § 1 UWG gestützten Unterlassungsbegehren – näher mit der Frage auseinander, ob dem Prozessgegner vom Gericht verboten werden könne, in einem Verwaltungsverfahren bestimmte Verfahrenshandlungen vorzunehmen (etwa bestimmte Einwendungen zu erheben). Der 4. Senat nahm zunächst auf jene Rechtsprechung Bezug, wonach ein Verbot von Prozessbehauptungen und Aussagen dann zulässig ist, wenn es sich um vorsätzlich falsche Behauptungen handelt, die nicht mit dem Interesse am Funktionieren der Rechtspflege gerechtfertigt werden können. Ob dies gleichermaßen für den Fall gelte, dass sich das Verbot gegen Vorbringen und Aussagen in einem Verwaltungsverfahren richtet, sei bisher nicht zu entscheiden gewesen (vgl aber oben unter Punkt II.4.). In der Folge legte der Oberste Gerichtshof in der genannten Entscheidung – unter Bezugnahme (vor allem) auf deutsche Lehre und Rechtsprechung – dar, dass das Verbot von Prozessbehauptungen in einem anderen (insbesondere Verwaltungs‑)Verfahren einen unzulässigen Übergriff auf dieses fremde Verfahren darstellen würde, weil die Frage, ob Verfahrenshandlungen, die in einem anderen Verfahren der Rechtswahrung dienten, unzulässig (also rechtsmiss-bräuchlich) seien, (nur) in diesem (anderen) Verfahren zu beurteilen sei (vgl in diesem Sinn auch 4 Ob 232/15v [Pkt 5.] mit Verweis auf 4 Ob 244/05v). Dies müsse umso mehr gelten, wenn bestimmte Handlungen in Verwaltungsverfahren verboten werden sollen, weil einem solchen Verbot auch der Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung gemäß Art 94 Abs 1 B‑VG entgegenstehe, würde das Gericht damit doch über die Zulässigkeit einer Verfahrenshandlung im Verwaltungsverfahren entscheiden.
6. Beurteilung des vorliegenden Falls:
[44] 6.1. Unabhängig davon, auf welche (theoretisch) in Betracht kommende Anspruchsgrundlage die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren stützen will, könnte der Beklagten jedenfalls – wenn überhaupt – nur dann verboten werden, in den von ihr geführten Verwaltungsverfahren zu behaupten, Eigentümerin des Trennstreifens zu sein, wenn diese Behauptung wissentlich unrichtig wäre, diese also wider besseres Wissen erhoben wurde (oder die ernstlich drohende und unmittelbar bevorstehende Gefahr bestünde, dass sie diese Behauptung wider besseres Wissen erheben wird; vgl RS0009357 [insb T14, T18, T21]). Die Frage, ob die Klägerin das Eigentum am Trennstreifen ersessen hat, oder ob die Beklagte (mangels solcher Ersitzung) dessen Eigentümerin ist, kann derzeit aber noch nicht abschließend beurteilt werden. Solange diese Rechtsfrage im vorliegenden Verfahren nicht (rechtskräftig) geklärt ist, kann der Beklagten aber keinesfalls vorgeworfen werden, sie würde in den von ihr geführten Verwaltungsverfahren wider besseres Wissen behaupten, Eigentümerin dieses Grundstücksteils zu sein. Damit ist ihr schon aus diesem Grund zuzugestehen, diesen Rechtsstandpunkt auch in diesen Verfahren einzunehmen, sodass dem Unterlassungsbegehren unabhängig davon, auf welcher Rechtsgrundlage dieses erhoben wurde, keine Berechtigung zukommen kann.
[45] 6.2. Ob das Unterlassungsbegehren im Hinblick auf die Entscheidung zu 4 Ob 244/05v auch schon deshalb unzulässig wäre, weil durch das angestrebte Verbot in die von der Beklagten geführten Verwaltungsverfahren unzulässig eingegriffen würde und die Entscheidung über die Zulässigkeit der in diesen Verfahren vorzunehmenden Verfahrenshandlungen (insbesondere eines dort zu erstattenden Vorbringens) durch das Gericht gegen den Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung gemäß Art 94 Abs 1 B‑VG verstieße, muss im vorliegenden Fall nicht beurteilt werden.
[46] 7. Zusammengefasst ist die angefochtene Entscheidung insoweit, als das Berufungsgericht das Unterlassungsbegehren abwies, im Ergebnis zu bestätigen.
[47] III. Die Kostenentscheidung beruht in Bezug auf das Teilurteil auf § 52 Abs 4 ZPO und in Bezug auf den Aufhebungsbeschluss auf § 52 Abs 1 Satz 3 ZPO.
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