Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 10.665,-- bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin S 1.777,50 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Im Jahr 1970 waren die Klägerin und ihr damaliger Ehegatte Josef B***** je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaften EZ ***** mit dem Grundstück ***** und EZ ***** mit dem Grundstück *****, je Grundbuch K*****. Gemeinsam errichteten sie auf der Liegenschaft EZ ***** das Haus P*****; dabei überbauten sie aber auch die Grenze zu ihrer Liegenschaft EZ *****.
Am 31.5.1985 wurde die Ehe einvernehmlich geschieden. Aus diesem Anlaß schlossen die Eheleute eine gerichtliche Vereinbarung, deren hier maßgebliche Punkte wie folgt lauten:
"...
II.
Die Ehewohnung im Haus P*****, verbleibt ... der
Zweitantragstellerin.
...
III.
...
Josef B***** ... überträgt hiermit seinen Hälfteanteil an der EZ
***** KG K***** an Frau Ilse B***** ...
Frau Ilse B***** ... überträgt hiermit ihren Hälfteanteil an der EZ
***** KG K***** an Herrn Josef B***** ...
...
Herr Josef B***** ... räumt hiermit Frau Ilse B***** ... als
Eigentümerin des Grundstückes ***** der EZ ***** KG K***** und dem jeweiligen Eigentümer dieses Grundstückes die Dienstbarkeit ein, das Grundstück ***** Baufläche/Garten der EZ ***** KG K***** entlang eines 3 m breiten Streifens an der Grenze zwischen diesem Grundstück und dem Grundstück ***** der EZ ***** KG K***** zu Erhaltungsarbeiten des Hauses P***** und der vorhandenen Steinmauern im erforderlichen Umfang zu betreten, dort Gerüste anzubringen und die erforderlichen Arbeiten durchzuführen. Im Falle geschlossener Verbauung des Grundstückes ***** (unmittelbar angrenzend an das Haus P*****) entfällt diese Dienstbarkeit im Umfange der Verbauung.
..."
Mit Kaufvertrag vom 2.8.1990 verkaufte Josef B***** die Liegenschaft EZ ***** samt allen damit verbundenen Rechten und Pflichten an die Beklagte. Laut Punkt 4. dieses Vertrages haftet der Verkäufer weder für ein bestimmtes Ausmaß noch für eine bestimmte Beschaffenheit oder einen bestimmten Kulturzustand der Liegenschaft. Aufgrund dieses Kaufvertrages ist nunmehr die Beklagte grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** KG K*****.
Die Klägerin begehrt die Beklagte schuldig zu erkennen, alle erforderlichen Erklärungen abzugeben und Urkunden zu unterfertigen und dadurch ihre Einwilligung in die grundbücherliche lastenfreie Abschreibung des in der Vermessungsurkunde des Dipl.Ing.M*****, Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen, ***** mit Trennstück Nr 1 bezeichneten Teiles im Ausmaß von 122 m2 des Grundstückes ***** vom Gutsbestand der der Beklagten eigentümlichen Liegenschaft EZ ***** GB K***** und Zuschreibung zu der der Klägerin eigentümlichen Liegenschaft EZ ***** GB K***** unter Vereinigung mit dem Grundstück ***** zu erteilen. Die überbauten Flächen des Grundstückes ***** gehörten zum Haus P***** und somit zum Besitzstand des Grundstückes Nr *****. Aufgrund des Überbaus auf die eigene Liegenschaft seien Grenzkataster und Grundbuchsmappe gemäß § 44 Abs 1 VermG iVm § 418 ABGB richtigzustellen. Im Scheidungsvergleich sei man eindeutig davon ausgegangen, daß auch die Terrasse und alle vorhandenen Stein- und Stützmauern zum Haus P***** gehörten. Die Beklagte habe anläßlich des Kaufes des Grundstückes die tatsächliche Eigentumsgrenze in der Natur, die anhand der Stützmauern ersichtlich sei, besichtigt und zur Kenntnis genommen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Da die Bauführung vor Abschluß des im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse eine Novation bildenden Scheidungsvergleiches stattgefunden habe, sei kein Raum für die Anwendung des § 418 ABGB. Mit dem Scheidungsvergleich seien sämtliche Rechtsverhältnisse in Ansehung der beiden Grundstücke verglichen und erledigt. Die Klägerin sei nicht redlicher Bauführer. Sie habe konsenslos und im Wissen über die Grundstücksgrenze auf ein anderes Grundstück gebaut; sie hätte sich vergewisseren müssen, wo sie hinbaut. Überdies sei die Beklagte gutgläubiger Erwerber des gesamten Grundstücks Nr *****. Das Grundstück der Beklagten sei mit einem Bescheid der Landeshauptstadt L***** vom 5.1.1994 in seinem Umfang laut Grundbuchsstand rechtskräftig zum Bauplatz erklärt worden. Gemäß § 9 der oö BauO 1994 bedürfe die Abschreibung und Zuschreibung von Grundstücksteilen vom oder zum Gutsbestand einer Grundbuchseinlage sowie die Teilung oder Vereinigung von Grundstücken im Gutsbestand einer Grundbuchseinlage bei Grundstücken, die zu einem im Grundbuch ersichtlich gemachten Bauplatz gehören oder aber, ohne diese Voraussetzung zu erfüllen, bebaut sind, einer Bewilligung der Baubehörde. Dem Urteilsbegehren stünden daher schon öffentlich-rechtliche Hindernisse entgegen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. § 418 ABGB sei auf einen Miteigentümer, der mit eigenen Materialien auf dem gemeinschaftlichen Grund baue, nicht anwendbar. Dem Miteigentümer, der wisse, daß er nicht Alleineigentümer sei, könne niemals der gute Glaube zugesprochen werden, sofern er nicht die Zustimmung der anderen Teilhaber zum Bau eingeholt habe. Selbst wenn eine solche Zustimmung vorläge, ergebe dies nur eine einverständliche Benützungsregelung an der gemeinsamen Sache. Nur wenn die anderen Teilhaber gleichzeitig mit der Zustimmung zum Bau auch ihre Zustimmung zur Eigentumsübertragung an dem verbauten Grund gegeben hätten, würde der Miteigentümer (alleiniges) Eigentum an dem überbauten Grundstück erwerben. In diesem Fall wäre aber der Titel der Eigentumsübertragung nicht die Bestimmung des § 418 ABGB, sondern der Vertrag auf Übertragung des Eigentumsrechtes. Das ausschließlich auf § 418 ABGB gestützte Klagebegehren sei demnach abzuweisen, weil ein vertraglicher Anspruch gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des früheren Miteigentümers Josef B***** nicht geltend gemacht worden sei. Ein solcher wäre nach den Feststellungen auch nicht gegeben.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf, trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die Entscheidung SZ 49/31 = EvBl 1976/211 sei auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt durchaus anwendbar. Demnach könne der Eigentümerwechsel an einem von zwei ursprünglich demselben Eigentümer gehörenden Grundstücken eine Eigentumsveränderung im Sinn des § 418 Satz 3 ABGB zur Folge haben. Dort habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, es sei nicht zweifelhaft, daß ein rechtsgeschäftlicher Erwerber des Grundstückes mit dem in den Nachbargrund hineinragenden Gebäudeteil auch ohne ausdrückliche Regelung über die Abschreibung der am Nachbargrund überbauten Teilfläche die Zuschreibung dieser Teilfläche des Nachbargrundes im Sinn des § 418 Satz 3 ABGB durchsetzen könne, zumal die Überbauung in Anbetracht der damals gegebenen Eigentümeridentität der benachbarten Grundstücke "redlich" erfolgt sei. Erwerbe ein Dritter (auch wenn dieser gutgläubig sei) die teilweise überbaute Liegenschaft vom ursprünglich einheitlichen Eigentümer beider benachbarter Grundstücke, so sei der überbaute Teil vom Erwerb nicht umfaßt. Für den vorliegenden Fall bedeute dies, daß die Beklagte, selbst wenn sie beim Kauf der Meinung gewesen sein sollte, den mit dem Nachbarhaus und der dazugehörigen Terrasse überbauten Teil des gekauften Grundstückes miterworben zu haben, den überbauten Teil tatsächlich nicht erworben habe, weil er noch während der bestehenden Eigentümeridentität durch die einvernehmliche und damit im Sinn des § 418 Satz 3 ABGB redliche Bauführung der Klägerin und ihres damaligen Ehegatten dem benachbarten Grundstück, auf welchem der überwiegende Teil des Bauwerkes stehe, zugewachsen sei. An dieser Rechtslage habe sich auch durch den nachfolgenden Scheidungsvergleich nichts geändert. Die Parteien dieses Vergleiches seien sich nach dessen eindeutigem Wortlaut darüber vollkommen einig gewesen, daß die Klägerin das gesamte Haus samt Terrasse und zugehörigen Stützmauern und samt dem mit diesen Gebäudeteilen überbauten Grund erhalten sollte. Das gehe aus der Formulierung der Dienstbarkeit zu Lasten des dem geschiedenen Ehegatten verbliebenen Grundstückes zweifelsfrei hervor. Auch wenn sich die Parteien des Vergleiches offensichtlich darüber geirrt hätten, daß diese Gebäudeteile nicht zur Gänze auf dem Grundstück Nr ***** lagen, könne nicht angenommen werden, daß der Klägerin bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht dennoch die fraglichen Gebäudeteile aus dem benachbarten Grundstück in ihr alleiniges Eigentum übertragen worden wären. Schließlich habe die Beklagte redlicherweise nicht davon ausgehen dürfen, daß sie offensichtlich zum Gebäude auf dem benachbarten Grundstück gehörende Teile oder den darunter befindlichen Grund ohne Absprache mit dem Verkäufer miterwerben sollte. Bei Zugrundelegung dieser Rechtsansicht hafteten dem angefochtenen Urteil Stoffsammlungs- und sekundäre Feststellungsmängel an, deretwegen mit einer Aufhebung vorgegangen werden müsse. Insbesondere fehlten Feststellungen darüber, ob das mit der Klage in Anspruch genommene Trennstück tatsächlich im vollen Ausmaß im Sinne des § 418 ABGB bebaut worden sei. Nach der Vermessungsurkunde beanspruche das eigentliche Gebäude nur einen ganz kleinen Teil des strittigen Trennstückes. Ob und in welchem Ausmaß auf der restlichen strittigen Fläche zum Grundstück Nr ***** gehörende Bauwerke im Sinn des § 418 ABGB stehen, werde erst eine Beweisaufnahme, insbesondere ein Ortsaugenschein, ergeben können.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluß erhobene, nach den §§ 502 Abs 1, 519 Abs 2 ZPO zulässige Rekurs der Beklagten ist nicht berechtigt.
Nach Meinung der Beklagten könne § 418 Satz 3 ABGB hier schon deshalb nicht angewendet werden, weil zur Zeit der Überbauung beide Grundstücke im Eigentum derselben Personen gestanden waren. Diese Bestimmung setze aber eine Willensdiskrepanz zwischen Grundeigentümer und Bauführer voraus; die Unredlichkeit des Grundeigentümers, der den Bauführer gewähren lasse, obwohl er wisse oder wissen müsse, daß dieser auf fremden Grund baue, sei für den Eigentumserwerb durch den redlichen Bauführer entscheidend. Bei Eigentümeridentität könne jedoch nicht gleichzeitig Redlichkeit des Bauführers und Unredlichkeit des Grundeigentümers vorliegen. Bei Wissen und Zustimmung des Grundeigentümers und redlicher Bauführung läge aber eine Vereinbarung vor, welche § 418 Satz 3 ABGB unanwendbar mache.
Hiezu hat der erkennende Senat erwogen:
Nach § 418 Satz 3 ABGB kann der Eigentümer eines Grundes, der von der Bauführung gewußt, sie aber nicht sogleich dem redlichen Bauführer untersagt hat, nur den gemeinen Wert für den Grund fordern. Nach herrschender Auffassung tritt unter diesen Voraussetzungen - als eine der Ausnahmen vom Eintragungsgrundsatz des § 431 ABGB (Spielbüchler in Rummel ABGB2, Rz 2 zu § 431) - außerbücherlicher Eigentumserwerb des Bauführers an der Baufläche ein (Spielbüchler aaO Rz 4 zu § 418 mwN aus der Rechtsprechung). Dieser hat zur Voraussetzung, daß der Grundeigentümer vom Bau (oder der Absicht zu bauen) Kenntnis hat, den Bau vorwerfbar nicht untersagt (sich also verschweigt) und der Bauführer redlich ist (Spielbüchler aaO). Abweichende Vereinbarungen sind freilich zulässig, weil die besonderen subjektiven Voraussetzungen für den außerbücherlichen Erwerb abdingbar sind (Spielbüchler aaO Rz 7 zu § 418). Nach ständiger Rechtsprechung ist § 418 Satz 3 ABGB nicht anwendbar, wenn zwischen Grundeigentümer und Bauführer eine Vereinbarung besteht; es hängt dann allein von der Vereinbarung ab, ob das Bauwerk dem Grundeigentümer oder der Grund dem Bauführer zusteht (SZ 50/141 mwN; SZ 58/12; SZ 59/38; SZ 60/247; JBl 1989, 582 ua; Ostheim, Zum Eigentumserwerb durch Bauführung nach der Rechtsprechung des OGH 51).
In der Entscheidung SZ 49/31 = EvBl 1976/211 war die Durchführbarkeit der Zwangsversteigerung der Liegenschaft des Verpflichteten nach dessen Auffassung zu verneinen, weil ein auf dieser Liegenschaft errichteter Hotelrohbau zu einem geringen Teil (73 m2 bei 665 m2 bebauter Fläche) auf die angrenzende Liegenschaft hinüberreichte, die demselben Verpflichteten gehörte, aber nicht verpfändet und daher auch nicht in die Zwangsversteigerung einbezogen worden war; auf dieser Liegenschaft war ein Belastungs- und Veräußerungsverbot einverleibt. Der Oberste Gerichtshof bejahte die Durchführbarkeit der Zwangsversteigerung der Hotelliegenschaft und meinte, daß der Ersteher mit dem Zuschlag zufolge § 418 Satz 3 ABGB auch Eigentum an der bebauten Teilfläche der Nachbarliegenschaft - gegen zusätzliche Entrichtung ihres gemeinen Wertes an den Verpflichteten - erwerbe. Das Belastungs- und Veräußerungsverbot stehe dem kraft Gesetzes eintretenden Eigentumserwerb nach § 418 Satz 3 ABGB nicht entgegen. Die Voraussetzungen des § 418 Satz 3 ABGB seien erfüllt, weil der Verpflichtete in seiner Eigenschaft als Eigentümer des Nachbargrundstückes von der Bauführung gewußt und auch zugestimmt habe und in seiner Eigenschaft als Eigentümer der Hotelliegenschaft redlicher Bauführer gewesen sei. Diese Eigentumsveränderung im Sinne des § 418 Satz 3 ABGB trete aber erst mit dem Eigentümerwechsel ein, so wie auch eine Dienstbarkeit dadurch entstehen könne, daß der Eigentümer zweier Grundstücke das offenkundig dem anderen dienende Grundstück einem anderen Eigentümer übertrage. Es könne auch kein Zweifel sein, daß ein rechtsgeschäftlicher Erwerber der Hotelliegenschaft auch ohne ausdrückliche Regelung über die Abschreibung der Teilfläche die Zuschreibung der Teilfläche von 73 m2 im Sinn des § 418 Satz 3 ABGB durchsetzen könnte.
Der Beklagten ist darin zuzustimmen, daß § 418 Satz 3 ABGB auf den Fall, daß der Eigentümer die Grenze zweier eigener Liegenschaften (Grundstücke) überbaue ("Eigengrenzüberbau") jedenfalls nicht unmittelbar anzuwenden ist. Tatsächlich fehlen hiefür die einzelnen Tatbestandsmerkmale (Jabornegg, Der Grenzüberbau im österreichischen Recht, in FS Eichler 287 ff [295]), insbesondere das Auseinanderfallen der Person des Grundeigentümers und derjenigen des Bauführers. Das schließt aber nicht aus, dennoch für den Fall des Eigengrenzüberbaues aus dem Rechtsgedanken des § 418 Satz 3 ABGB und anderer Bestimmungen einen außerbücherlichen Eigentumserwerb abzuleiten:
Wie Jabornegg (aaO 306) überzeugend darlegt, darf die Vorschrift des § 418 Satz 3 ABGB "keinesfalls als nicht weiter erklärbare Ausnahme vom Intabulationsprinzip angesehen werden, sondern muß als Ausfluß einer ganz bestimmten Konzeption des Bestandteilsrechtes des ABGB im Bereich der Bauführung auf fremden Grund verstanden werden: Der Eigentümerkonflikt wird hier - sofern kein Superädifikat vorliegt - grundsätzlich und ausnahmslos so gelöst, daß das Eigentum am Grund mit dem am Gebäude zusammenfällt. Dabei gilt entweder - und das ist gemäß § 418 Satz 1 ABGB die Regel - der Grundsatz 'superficies solo cedit' oder - und das ist gemäß § 418 Satz 3 ABGB die Ausnahme - das umgekehrte Prinzip. Soweit das Gebäudeeigentum dem Grundeigentum folgt, bereitet das Intabulationsprinzip keinerlei Schwierigkeiten, soweit jedoch dem Gebäudeeigentümer ausnahmsweise eine Eigentumsposition am bebauten Grundstück eingeräumt werden soll, durchbricht das Gesetz den Eintragungsgrundsatz. Daraus ist zu folgern, daß nach gesetzlicher Wertung das Postulat korrespondierender Eigentumsverhältnisse an Grund und Gebäude im Konfliktsfall dem Intabulationsprinzip vorgeht. Wenn daher im Fall des Grenzüberbaues eine Lösung nach dem Grundsatz superficies solo cedit nicht in Betracht gezogen werden kann und deshalb bei der Miteigentumslösung des § 415 ABGB angesetzt werden muß, so geht auch hier die materielle sachenrechtliche Zuordnung dem Eintragungsgrundsatz vor. Die Annahme außerbücherlichen Miteigentums ist daher nur folgerichtige Weiterführung positivierter Wertungen."
Ist die vom Bauführer in Anspruch genommene fremde Grundfläche wertmäßig im Vergleich zum gesamten Gebäude und der eigenen Grundfläche kaum von Gewicht, so erwirbt der Bauführer nach Jabornegg (aaO 312 f) - auch bei Unredlichkeit - analog zu § 416 ABGB schon mit der Bauführung auch das Eigentum an der fremden Grundfläche. Das Ergebnis der Entscheidung SZ 49/31 hätte - nach Jabornegg (aaO 313) - bei analoger Heranziehung des § 416 ABGB überzeugender begründet werden können.
Auch Spielbüchler (aaO Rz 10 zu § 418) vertritt die Auffassung, daß dann, wenn der Eigentümer die Grenze zweier eigener Liegenschaften (Grundstücke) überbaut und die überbauten Teile zueinander im Verhältnis des § 416 ABGB stehen, Grenzkataster und Grundbuchsmappe richtigzustellen seien (§ 44 Abs 1 VermG) und die überbaute Fläche dem "Hauptteil" zuwachse.
Der erkennende Senat schließt sich dieser Meinung an. Von dem hier nicht vorliegenden Fall des Superädifikates abgesehen, hat das Eigentum am Grundstück und an einem Gebäude zusammenzufallen. Die von der Beklagten angestrebte Lösung, daß im Falle des Eigengrenzüberbaues der spätere Erwerber der Liegenschaft, von welcher ein Randstreifen für ein Gebäude verwendet wurde, das zum weitaus überwiegenden Teil auf der Nachbarliegenschaft steht, auch Eigentümer des überragenden Gebäudeteils werden sollte, widerspräche den Wertungen des Gesetzes, wie sie in § 416 ABGB zum Ausdruck kommen. Nach dieser Bestimmung fällt, wenn fremde Materialien nur zur Ausbesserung einer Sache verwendet werden, die fremde Materie dem Eigentümer der Hauptsache zu. Diese Regelung paßt nicht nur für die Ausbesserung, sondern auf jede Verbindung sehr ungleichwertiger Sachen (Spielbüchler aaO Rz 1 zu § 416).
Mit Recht hat daher das Berufungsgericht den außerbücherlichen Eigentumserwerb der Klägerin bejaht, der freilich erst mit dem Wegfall der zur Zeit der Bauführung noch bestandenen Eigentümeridentität eintreten konnte. Der Scheidungsvergleich, in welchem die Parteien erkennbar davon ausgingen, daß die Klägerin mit dem Erwerb des zweiten Hälfteanteils an der Liegenschaft EZ ***** GB K***** auch das Eigentum am ganzen Haus P***** erlange, entsprach somit der sachenrechtlichen Situation. Vertragsrechtlich von Bedeutung war nur die Übertragung der Liegenschaftshälfte des Mannes an die Klägerin. Hätten etwa die Klägerin und ihr früherer Gatte gemeinsam die nun dem Mann gehörige Liegenschaft verkauft, dann wäre davon auch nur die Liegenschaft abzüglich der vom Nachbarhaus überbauten Fläche umfaßt gewesen. Der Umstand, daß ein Teilstück einer Liegenschaft für die Errichtung eines auf der Nachbarliegenschaft errichteten Gebäudes herangezogen wird, führt nur dann, wenn die Liegenschaften verschiedenen Personen gehören, sofort zum Eigentumserwerb des Eigentümers der Hauptliegenschaft; diese Konsequenz tritt notwendigerweise bei zunächst vorhandener Eigentümeridentität erst bei deren Wegfall ein.
Von einer novierenden Wirkung des Scheidungsvergleiches kann insoweit keine Rede sein. Darin liegt auch keine Vereinbarung, die eine Anwendung der sachenrechtlichen Normen ausschlösse. Die Klägerin hat sich im Sinne der Entscheidung SZ 49/31 auf § 418 ABGB gestützt. Damit hat sie sich aber nicht auf diesen Tatbestand so eingeengt, daß eine analoge Anwendung (auch) des § 416 ABGB zu ihren Gunsten unzulässig wäre.
Soweit sich die Beklagte darauf beruft, daß sie im Vertrauen auf das Grundbuch gutgläubig das Eigentum auch an der nach dem Klagevorbringen überbauten Fläche erworben habe, kann ihr nicht gefolgt werden:
Nach § 1500 ABGB kann das aus der Ersitzung oder Verjährung erworbene Recht demjenigen, der im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher noch vor dessen Einverleibung eine Sache oder ein Recht an sich gebracht hat, zu keinem Nachteil gereichen. Dieser Tatbestand gilt über Ersitzung und Verjährung hinaus sinngemäß auch in anderen Fällen außerbücherlichen Erwerbs (2 Ob 535/85; Schubert in Rummel, ABGB2 Rz 1 zu § 1500). Diese Bestimmung schützt aber nicht das Vertrauen in die Grundbuchsmappe (EvBl 1967/101; SZ 60/2 mwN), weil die Grundbuchsmappe außerhalb des Geltungsbereiches des Vermessungsgesetzes lediglich zur Veranschaulichung der Lage der Liegenschaft dient und daher keinen Beweis über die Größe und Grenze der Grundstücke macht (SZ 51/64; SZ 60/2 uva). Die hier zu behandelnden Grundstücke sind aber nicht im Grenzkataster enthalten, sodaß § 49 VermG nicht heranzuziehen ist. Auch wenn man mangels eines gegenteiligen Vorbringens der Klägerin von der Behauptung der Beklagten ausgeht, daß sie nach dem Inhalt ihres Kaufvertrages mit dem geschiedenen Ehemann der Klägerin dessen Liegenschaft nicht ohnehin von Anfang an ohne den überbauten Teil, sondern die ganze Liegenschaft, deren Lage in der Mappe veranschaulicht wird, erworben hat und daher der wahre (ursprüngliche) Grenzverlauf zu prüfen ist (SZ 56/141; Spielbüchler, Grundbuch und Grenze, JBl 1980, 169 ff), so ist daraus für die Beklagte doch nichts zu gewinnen. Der Vertrauensgrundsatz kommt nämlich dem nicht zugute, der bei gehöriger Aufmerksamkeit die Abweichung des Buchstandes von der wahren Rechtslage erkennen konnte; fahrlässige Unkenntnis wird nicht geschützt (Schubert aaO Rz 3 mwN aus der Rechtsprechung). Erwirbt jemand eine Liegenschaft, auf welcher sichtbare Anlagen oder sonstige Einrichtungen oder Vorgänge zu erkennen sind, die das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen, dann ist der Erwerber zu Nachforschungen verpflichtet (SZ 57/38; SZ 63/35 ua). Das gleiche muß erst recht dann gelten, wenn der Erwerber einer Liegenschaft bei gehöriger Aufmerksamkeit entdecken müßte, daß sich das Nachbarhaus teilweise auf den erworbenen Grund erstreckt. In diesem Fall kann der Käufer ohne entsprechende Nachforschungen nicht als selbstverständlich davon ausgehen, daß ihm auch die überbaute Fläche gehören werde.
Es hat daher bei der Aufhebung und der vom Berufungsgericht angeordneten Verfahrensergänzung zu verbleiben.
Auf den Einwand der Beklagten, daß die von der Klägerin begehrte Abschreibung von der Liegenschaft der Beklagten und Zuschreibung zu ihrer Liegenschaft nach § 9 oö BauO LGBl 1994/66 der baubehördlichen Bewilligung bedürfe, weil das Grundstück der Beklagten im Grundbuch als Bauplatz ersichtlich gemacht und das Grundstück der Klägerin bebaut sei, ist im Zivilverfahren nicht einzugehen. Hier kommt es allein darauf an, ob die Beklagte privatrechtlich zu den von ihr verlangten Erklärungen verpflichtet ist. Allenfalls erforderliche verwaltungsbehördliche Bewilligungen werden erst für das Grundbuchsverfahren von Bedeutung sein.
Dem Rekurs war somit ein Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1, 52 ZPO.
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