OGH 15Os119/24z

OGH15Os119/24z13.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Sadoghi sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Wachter in der Strafsache gegen * A* und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2 und 3, Abs 4 erster Fall FPG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * A* und * Al * gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 6. August 2024, GZ 15 Hv 29/24a-163, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00119.24Z.1113.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Schlepperei/FPG

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * A* eines Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2 und 3, Abs 4 erster Fall FPG und * Al *eines Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG schuldig erkannt.

[2] Danach haben sie am 8. Juli 2023 in N* als Mitglieder einer aus ihnen, * Als* und weiteren unbekannten Tätern bestehenden (US 3) kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Ein‑ und Durchreise von 46 Fremden, nämlich syrischen Staatsangehörigen, die keinen Einreise‑ oder Aufenthaltstitel für die Europäische Union aufwiesen und die in ihrem Heimatland mehrere tausend Euro für ihre Schleppung an die Organisation zu bezahlen hatten (US 4), in sowie durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem A* als Beifahrer des vonAls* über seinen Auftrag gelenkten LKW, in welchen die Fremden aufgenommen worden waren, und Al * als Lenkerin mit einem Vorausfahrzeug fungierten, um Als* beim Transport von der serbisch‑ungarischen Grenze nach Österreich vor Polizeikontrollen zu warnen und ihm die aktuelle Schlepperroute mitzuteilen, wobei A* die Tat aufgrund der mehrstündigen Beförderung der Fremden auf engstem Raum bei großer Hitze (US 5 f) auf eine Art und Weise beging, wodurch 45 Fremde längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich die von A* auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO und von Al * auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, denen keine Berechtigung zukommt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A*:

[4] In der Hauptverhandlung beantragte der Angeklagte mit dem Ziel, die Glaubwürdigkeit des Zeugen Als* zu erschüttern und einen Grund für eine Falschbelastung darzustellen, die Beischaffung eines Ermittlungsaktes der deutschen Polizei zum Beweis dafür, dass er, A*, „Als* bei den deutschen Behörden wegen Problemen bei einem Kfz‑Verkauf angezeigt hat“, sowie eines weiteren Ermittlungsaktes der deutschen Behörden zum Beweis dafür, dass der Zeuge „als Reaktion darauf, dass er vermutete, dass ihn der Erstangeklagte wegen Schlepperei angezeigt hat, [ihn] erstmals im Dezember 2023 belastete und über unbekannte dritte Personen ... erpresste bzw bedrohte und den Auftrag gab, ihm Reisepass, Bankomatkarte, Goldring und wichtige Dokumente aus seiner Wohnung zu stehlen“ (ON 162 S 57 f).

[5] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung dieser Beweisanträge Verteidigungsrechte nicht geschmälert.

[6] Die Beweisanträge waren grundsätzlich auf eine erhebliche Tatsache gerichtet, weil die Beweisführung zur Beweiskraft von – wie hier – schulderheblichen Beweismitteln ihrerseits für die Schuldfrage von Bedeutung ist (RIS‑Justiz RS0028345; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 340, 350), berechtigt wäre ein solcher Antrag aber nur dann, wenn sich aus dem Antragsvorbringen konkrete Anhaltspunkte für die Annahme ergäben, der betreffende Zeuge habe in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt (RIS‑Justiz RS0120109 [insbesondere T3]). Diesem Erfordernis werden die gegenständlichen Beweisanträge nicht gerecht.

[7] Soweit die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) eine offenbar unzureichende Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite der Tatbegehung nach § 114 Abs 3 Z 3 FPG behauptet und die Erwägungen des Schöffengerichts zu dem der Schleppung vorangegangenen Telefonat und einem Gespräch vor der österreichischen Grenze zwischen dem Rechtsmittelwerber und dem genannten Zeugen (US 15) als nicht überzeugend erachtet, bekämpft sie bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung, zeigt aber keine Nichtigkeit auf (RIS‑Justiz RS0118317 [T9]).

[8] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bringt vor, die Tatrichter hätten bei den Feststellungen zur subjektiven Tatseite bloß die verba legalia angeführt, erklärt jedoch nicht, welcher weiterer Konstatierung es bedurft hätte (vgl RIS‑Justiz RS0095939 [T1]) und weshalb den – keineswegs den bloßen Gesetzestext wiedergebenden – Urteilsannahmen (US 6 f) dererforderliche Sachverhaltsbezug fehlen sollte (RIS‑Justiz RS0119090 [T2], RS0099810).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Al *:

[9] Auf die Abweisung von Beweisanträgen, die der Angeklagte A* stellte, denen sich die Beschwerdeführerin aber nicht angeschlossen hat, kann die Verfahrensrüge (Z 4) nicht gestützt werden (RIS‑Justiz RS0119854, RS0099244 [T6, T10]).

[10] Das Vorbringen, das Erstgericht habe nicht erörtert, warum es den Aussagen der Angeklagten keinen Glauben schenke, spricht keine der Anfechtungskategorien des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (Z 5) an; es erschöpft sich vielmehr in unzulässiger Beweiswürdigungskritik nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (vgl RIS-Justiz RS0106588).

[11] Betreffend die Feststellungen zum Wissensstand der Angeklagten hat das Erstgericht der weiteren Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider die Ausführungen des Zeugen Als* sehr wohl berücksichtigt und sich dabei auch mit Widersprüchen in dessen Aussagen auseinandergesetzt (US 12).

[12] Indem die weitere Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) behauptet, die Tatrichter hätten die Aussage des als Zeugen vernommenen Polizeibeamten * M* übergangen, wonach es mit Ausnahme der Angaben des genannten Zeugen keine die Angeklagte belastenden Beweisergebnisse gäbe (ON 162 S 52), verkennt sie, dass subjektive Beweiswerteinschätzungen und Schlussfolgerungen nicht erörterungsbedürftig sind (RIS-Justiz RS0097545 [T17 und T18]).

[13] Der eine offenbar unzureichende Begründung behauptenden Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider begegnet die Ableitung des Bereicherungsvorsatzes aus dem objektiven Tatgeschehen unter Berücksichtigung der angespannten finanziellen Situation der Angeklagten (US 14) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken (RIS‑Justiz RS0116882, RS0118317).

[14] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[15] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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