European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00014.24A.1105.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Suchtgiftdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * D*jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 4 Z 3 und Abs 5 SMG, § 15 StGB (I./) und nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 und Abs 5 StGB (II./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in W* und andernorts als führend tätiges Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung nachgenannter Straftaten, nämlich einer auf mehr als ein Jahr eingerichteten kriminellen Vereinigung, der neben ihm unter anderem die 30 im Urteil namentlich Genannten sowie eine Vielzahl von durch die Benützung bestimmter ANOM-Mobiltelefone und SKY ECC‑Mobiltelefone spezifizierten Personen (US 81 f) angehörten und die auf den regelmäßigen Import und das gewinnbringende Überlassen von Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) weit übersteigenden Menge ausgerichtet war,
I./ von Jänner 2020 bis Juni 2021 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut mit zumindest 0,4 % Reinsubstanz Delta‑9‑THC und 4,6 % Reinsubstanz THCA, Kokain mit zumindest 60 % Reinsubstanz Cocain und Heroin mit zumindest 25 % Reinsubstanz Diacetylmorphin, in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) weit übersteigenden Menge anderen überlassen, verschafft oder dies versucht, indem er das Suchtgift an die Abnehmer übergab oder Mittäter beauftragte, es an die Abnehmer zu übergeben, wobei er die Suchtgiftlieferungen nach Österreich, die Übernahme des gelieferten Suchtgifts und den Vertrieb des eingeführten Suchtgifts organisierte, Mittäter rekrutierte, deren Einreise und Bezahlung organisierte, sie einschulte und ihnen Wohnungen, Mobiltelefone und gefälschte Dokumente beschaffte, den Suchtgifthandel organisierte und überwachte, Rechtsanwälte für die Mitglieder der kriminellen Vereinigung beschaffte, die Angehörigen von Mitgliedern der kriminellen Vereinigung unterstützte, Anweisungen an festgenommene Mitglieder der kriminellen Vereinigung erteilte, Suchtgifterlöse einsammelte und weiterleitete sowie Fehlverhalten von Mitgliedern der kriminellen Vereinigung sanktionierte, und zwar in den im Urteil zu den Punkten 1./ bis 333./ (darin nicht enthalten die Punkte 50./, 124./, 282./ und 301./) genannten Angriffen betreffend insgesamt mehr als 70 Kilogramm Heroin, mehr als 340 Kilogramm Kokain und fünf Kilogramm Cannabiskraut (US 83 bis 151);
II./ von 26. März 2020 bis 17. Mai 2021 zur vorschriftswidrigen Ausfuhr von Suchtgift aus anderen Ländern in einer insgesamt das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich von Kokain mit zumindest 60 % Reinsubstanz Cocain und Heroin mit zumindest 25 % Reinsubstanz Diacetylmorphin, und zur anschließenden Einfuhr des Suchtgifts nach Österreich beigetragen, indem er mit Mittätern die Suchtgiftschmuggelfahrten nach Österreich organisierte, die Übernahme des gelieferten und den Vertrieb des eingeführten Suchtgifts organisierte, Mittäter rekrutierte, deren Einreise und Bezahlung organisierte, sie einschulte und ihnen Wohnungen, Mobiltelefone und gefälschte Dokumente beschaffte, den Suchtgifthandel organisierte und überwachte, Rechtsanwälte für die Mitglieder der kriminellen Vereinigung beschaffte, die Angehörigen von Mitgliedern der kriminellen Vereinigung unterstützte, Anweisungen an festgenommene Mitglieder der kriminellen Vereinigung erteilte, Suchtgifterlöse einsammelte und weiterleitete sowie Fehlverhalten von Mitgliedern der kriminellen Vereinigung sanktionierte, und zwar in den im Urteil zu den Punkten 1./ bis 20./ genannten Angriffen betreffend insgesamt mehr als 35 Kilogramm Heroin und 140 Kilogramm Kokain (US 152 bis 156).
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Der Beschwerdeführerkritisiert zunächst die Abweisung (ON 383 S 34 f) seines in der Hauptverhandlung am 20. September 2023 gestellten Antrags „auf Unterlassung der Vorführung (§ 258 StPO), somit der Verlesung (sowie des Vorhalts inner- und außerhalb des Beweisverfahrens) des gesamten, den Angeklagten belastenden und die Anklage stützenden schriftlichen, analogen und digitalen Datenmaterials betreffend die Krypto-Messenger-Dienste ANOM und SKY ECC“ (ON 383 S 8 ff).
[5] Der Antragsteller legte – für die Messenger-Dienste ANOM und SKY ECC jeweils gesondert – detailliert dar, warum aus seiner Sicht eine Verwendung des Datenmaterials „gegen einfach- und verfassungsgesetzliche Vorschriften und Grundsätze der Verteidigung, des fairen Verfahrens, der Verhältnismäßigkeit sowie gegen primäres und sekundäres EU‑Recht“ verstoßen würde, wobei im Wesentlichen argumentiert wurde, dass die Überwachung verschlüsselter Kommunikation in Österreich nicht gesetzlich vorgesehen, eine Entsprechendes vorsehende Bestimmung in der Vergangenheit sogar vor ihrem Inkrafttreten vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben worden sei und dass im Zuge der Überwachung durch ausländische Behörden sowie der Übermittlung der Ergebnisse an österreichische Behörden (insbesondere Verständigungspflichten normierende) Gesetze verletzt worden seien.
[6] Der Antragsteller bezeichnete dabei konkrete Ordnungsnummern (nämlich ON 2, 55, 56, 58, 103, 104, 113 bis 115, 128 bis 130, 198 bis 211), die aus seiner Sicht in der Hauptverhandlung nicht vorkommen dürften, mit Ausnahme der ON 2 verschriftlichte Überwachungsergebnisse aber gar nicht enthalten. Indem er somit nicht deutlich und bestimmt (vgl RIS‑Justiz RS0118060) erkennen lässt, warum diese Aktenteile (mit Ausnahme der ON 2) infolge eines behaupteten Beweisverwendungsverbots nicht Eingang in die Hauptverhandlung finden sollten, geht die Verfahrensrüge in diesem Umfang von vornherein ins Leere.
[7] Dem Beschwerdevorbringen zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags aber ohnehin nicht Gesetze oder Verfahrensgrundsätze, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften (insb Art 6 MRK) oder sonst durch das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten ist, hintangesetzt.
[8] Voranzustellen ist, dass sich die inländischen Verfahrensgesetze nicht auf – ohne Veranlassung österreichischer Strafverfolgungsorgane entfaltete – Tätigkeiten ausländischer Behörden beziehen und sich die StPO nur an österreichische Strafverfolgungsorgane als Normadressaten wendet (vgl RIS‑Justiz RS0119110). Ebenso voranzustellen ist, dass es in der StPO keine generellen Verwendungsbeschränkungen für Beweismittel gibt, die ausländische Behörden (ohne Veranlassung österreichischer Strafverfolgungsorgane) durch Ermittlungsmaßnahmen – gleich ob nach österreichischem Recht vorgesehen oder nicht – erlangt haben.
[9] Demnach unterliegen (etwa) Ergebnisse einer nicht durch österreichische Strafverfolgungsbehörden veranlassten Überwachung verschlüsselter Kommunikation durch ausländische Behörden – womit ein Verstoß eines Normadressaten der StPO gegen diese (auch nicht durch Umgehung) gar nicht in Rede steht – nicht schon allein deshalb einem Verwendungsverbot, weil die Anordnung einer solchen Maßnahme nach österreichischem Recht nicht zulässig gewesen wäre (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 65, 337; 13 Os 19/23b [Rz 17]).
[10] Nach ständiger Rechtsprechung steht die Verletzung eines Beweiserhebungsverbots im Ermittlungsverfahren ebenso wie die Gewinnung von Beweisen ohne (innerstaatliche) gesetzliche Regelung – also entgegen dem aus § 5 Abs 1 erster Satz StPO abzuleitenden Analogieverbot für Grundrechtseingriffe – einer Vorführung in der Hauptverhandlung so lange nicht entgegen, als nicht gerade in der Vorführung selbst eine Grundrechtsverletzung liegt (RIS‑Justiz RS0124162, RS0125172; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 65, 368).
[11] Diese restriktive Handhabung von Beweisverwendungsverboten resultiert daraus, dass jede Nichtberücksichtigung tatsächlich vorhandener Beweise zu einer Einschränkung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit (§ 3 StPO) unter amtswegiger (§ 2 StPO) Berücksichtigung aller Tatsachen und Beweise, die für die Sache von Bedeutung sind, führt. Ein mit der Beweisgewinnung (ausnahmsweise) einhergehendes Beweisverwendungsgsverbot liegt aber vor, wenn bei der Beweiserhebung ein fundamentaler Verfahrensgrundsatz – etwa durch eine gravierende Menschenrechtsverletzung (insbesondere einen Verstoß gegen Art 3 MRK) – verletzt wurde, sodass der Ausschluss des Beweises für eine deutliche Distanzierung vom erfolgten Verstoß und dessen Wiedergutmachung unerlässlich ist (vgl Kirchbacher/Sadoghi, WK‑StPO § 246 Rz 59 f, Rz 113 ff, Rz 163; Schmoller, WK‑StPO § 3 Rz 64, 70 f, 74; ders, JBl 2023, 739 [747]; Michel‑Kwapinski, WK‑StPO § 166 Rz 19).
[12] Ein Beweisverwendungsverbot für durch ausländische Behörden (ohne Veranlassung österreichischer Strafverfolgungsorgane) erlangte Beweismittel ist daher – unter Berücksichtigung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung – gegeben, wenn bei oder durch die Beweisermittlung gegen rechtsstaatliche Mindeststandards (insb Verstoß gegen den ordre public) oder völkerrechtlich verbindliche und dem Individualrechtsgüterschutz dienende Garantien (etwa Art 3 MRK) verstoßen wurde und ein Ausschluss der Beweise – nach Maßgabe einer auf den konkreten Fall bezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung – zur Gewährleistung eines fairen Strafverfahrens unerlässlich ist.
[13] Der diesbezügliche Grundrechtsschutz des Angeklagten (vgl Art 13 MRK) wird im Hauptverfahren durch die Verfahrensrüge (hier:) des § 345 Abs 1 Z 5 StPO gewährleistet, denn der Angeklagte kann einer (wie hier) nicht unter ausdrücklicher Nichtigkeitssanktion stehenden Verwendung von ausländischen Behörden gewonnener Beweisergebnisse durch eine auf die Sicherung eines fairen Verfahrens im Sinn des Art 6 MRK abzielende Antragstellung entgegentreten (RIS‑Justiz RS0119110). Der Erfolg einer solchen Rüge setzt aber (unter anderem) die Argumentation voraus, dass der ins Treffen geführte Verstoß gegen Gesetze oder Verfahrensgrundsätze, dem der Antrag entgegenwirken hätte sollen, jenen annähernd gleichwertig ist, an welche das Gesetz ausdrücklich eine Beweisverbotskonsequenz knüpft (RIS‑Justiz RS0124168, RS0125172 [T3]; Kirchbacher/Sadoghi, WK‑StPO § 245 Rz 75 und § 246 Rz 163; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 337 mwN). Maßstab für die Gleichwertigkeitsprüfung sind somit in erster Linie die mit den angeblich verletzten Gesetzesbestimmungen oder Verfahrensgrundsätzen im Systemzusammenhang stehenden, mit ausdrücklicher Nichtigkeitsdrohung ausgestatteten Vorschriften (RIS‑Justiz RS0119111 [T5]).
[14] Gegenstand der Verfahrensrüge (hier: Z 5) ist (nur) die Behauptung der unrichtigen Lösungeiner – einer prozessleitenden Anordnung zugrunde liegenden – Rechtsfrage auf Basis jener Sachverhaltsgrundlage, welche (hier:) der Schwurgerichtshof in freier Beweiswürdigung festgestellt hat. Bei der Prüfung der Berechtigung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrags sindnurdiebei der Antragstellung vorgebrachten Argumente heranzuziehen (vgl RIS‑Justiz RS0099618), eine amtswegige Überprüfung, ob dem Antrag aus anderen als den vorgebrachten Gründen stattzugeben gewesen wäre, findet hingegen nicht statt. Weiters erfolgt eine Überprüfung der Sachverhaltsgrundlage durch den Obersten Gerichtshof nur dann, wenn sie durch den Beschwerdeführer nach Maßgabe der Kriterien des § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO infrage gestellt wird (RIS‑Justiz RS0118977, RS0118016; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 40 ff). Ist dieseandererseits nicht (ausreichend) erkennbar, sind Bezugspunkt für die rechtsrichtige Lösung der Verfahrensfrage die vom Obersten Gerichtshof in freier Beweiswürdigung des Akteninhalts festgestellten prozessualen Tatsachen bezogen auf den Zeitpunkt der bekämpften Verfügung (RIS‑Justiz RS0118977 [T14]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 46 und 51).
[15] Vorliegend ging der Schwurgerichtshof – anders als das Antragsvorbringen – davon aus, dass es „sich bei den Chats der Krypto-Messenger-Dienste 'SKY ECC' und ANOM um Erhebungsergebnisse ausländischer Ermittlungsbehörden und nicht um Ergebnisse einer nach dem 5. Abschnitt des 8. Hauptstücks der StPO angeordneten Ermittlungsmaßnahme“ handelt. Es gebe „keine Hinweise darauf, dass österreichische Strafverfolgungsbehörden in der Erhebung und Gewinnung dieser Daten über ANOM und 'SKY ECC' involviert gewesen wären“, oder darauf, „dass die Chats bzw. die elektronische Kommunikation manipuliert worden sei“ (ON 383 S 34 f).
[16] Weiters führte der Schwurgerichtshof aus, dass „der Umstand, dass es möglicherweise zu Gesetzesverstößen ausländischer Strafverfolgungsbehörden gekommen ist und diese sohin ein Beweiserhebungsverbot verletzt haben“, nicht per se dazu führe, „dass die im Rechtshilfeweg beigeschafften bzw. übermittelten Beweise einem Beweisverwertungs- oder Beweisverwendungsverbot unterliegen“ würden (ON 383 S 35).
[17] Darüber hinaus geht der Oberste Gerichtshof von folgendenprozessualen Tatsachenaus:
‑ Das US-amerikanische Federal Bureau of Investigation (FBI) schleuste 2018 in einer Testphase („Betatest“) in Zusammenarbeit mit der Australian Federal Police (AFP) mit der Verschlüsselungssoftware ANOM versehene Mobiltelefone als (vermeintlich) abhörsicher in mutmaßlich kriminelle Organisationen – zunächst in Australien – ein. Die Verschlüsselungssoftware war mit einem sogenannten „Master Key“ ausgestattet, der es dem FBI – von den Nutzern unbemerkt – ermöglichte, die über diese Mobiltelefone abgewickelte Kommunikation zu entschlüsseln. Die Software erlaubte die verschlüsselte Übermittlung von Text-, Bild-, Audio- und Videonachrichten (nicht hingegen Telefonate) an andere ANOM-Mobiltelefone. Jedem ANOM-Mobiltelefon war eine eindeutige, unveränderbare Kennung (Jabber Identification [JID]) zugewiesen. Die Verschlüsselungssoftware erlaubte der AFP, die über diese Geräte abgewickelte Kommunikation – mit Bewilligung australischer Gerichte – abzuhören. Die australischen Behörden berichteten dem FBI nur die Art der Gespräche, das Datenmaterial selbst wurde nicht weitergegeben. Es zeigte sich, dass 100 % der Nutzer die Geräte für kriminelle Aktivitäten verwendeten.
[18] Im Jahr 2019 begann das FBI basierend auf einer Rechtshilfevereinbarung (Mutual Legal Assistance Treaty [MLAT]) eine Kooperation mit einem unbekannten „Drittland“. Dieses installierte einen (außerhalb der USA befindlichen) „iBot-Server“ zwecks Erlangung der ANOM-Kommunikationsinhalte und übermittelte – auf Basis eines Gerichtsbeschlusses des „Drittlandes“ – davon angefertigte Datenkopien (bis 7. Juni 2021) ungesichtet dem FBI. Einvernehmlich ausgenommen von der Datenübermittlung durch das „Drittland“ waren Kommunikationsinhalte, die Geräte mit US-amerikanischer Länderkennung (MCC = Mobile Country Code) betrafen. Die Inhalte der auf den Geräten abgewickelten verschlüsselten Kommunikation wurden vom FBI (mit am Standort des sogenannten „iBot-Servers“ erwirkter gerichtlicher Bewilligung) überwacht, gespeichert und ausgewertet. Im März 2021 informierte das FBI das österreichische Bundeskriminalamt über die Nutzung solcher ANOM-Mobiltelefone in Österreich und ermöglichte eine Sichtung (historischer, vom FBI vorausgewählter) Daten, die von in Österreich aufhältigen Nutzern begangene Verbrechen zum Inhalt hatten. Diese Daten wurden von der Staatsanwaltschaft Wien im Rechtshilfeweg beigeschafft (ON 206 [iVm ON 204], 208, 211 [iVm ON 210], 307, 319). Durch Auswertung dieser Daten wurde der Beschwerdeführer als Inhaber und Nutzer von ANOM-Mobiltelefonen ausgeforscht.
‑ Der Kommunikationsanbieter SKY ECC stellte seinen Kunden Mobiltelefone mit einer Verschlüsselungssoftware zur Verfügung, mit denen Sprachmitteilungen, Nachrichten, Notizen, Fotos und Videos verschickt werden konnten (Telefonate waren nicht möglich) und die eine Ende-zu-Ende‑Verschlüsselung aufwiesen. Jedem Mobiltelefon war eine unveränderbare Identifikationsnummer (PIN) zugeordnet. Eine gemeinsame Ermittlungsgruppe französischer, belgischer und niederländischer Strafverfolgungsbehörden (Joint Investigation Team [JIT]) stellte im März 2021 in Frankreich den Server des Krypto-Messenger-Dienstes SKY ECC sicher, womit die über diesen abgewickelten Kommunikationen zugänglich wurden. Die so erlangten (entschlüsselten) Kommunikationsdaten wurden– koordiniert von Europol – anderen europäischen Ermittlungsbehörden, unter anderem dem österreichischen Bundeskriminalamt, (vorab) zur Verfügung gestellt und sodann von der Staatsanwaltschaft mittels Europäischer Ermittlungsanordnung (EEA) zur Verwendung in Strafverfahren beigeschafft (vgl ON 2, 55, 58, 103, 115, 130, 201, 319). Durch die Datenauswertung wurde (auch) der Angeklagte als Inhaber und Nutzer vonSKY ECC-Mobiltelefonen ausgeforscht.
‑ Die zuvor dargestellten Ermittlungsmaßnahmen in Betreff der Messenger-Dienste ANOM und Sky ECC erfolgten weder über Veranlassung österreichischer Strafverfolgungsorgane noch unter deren Beteiligung, vielmehr haben die österreichischen Strafverfolgungsorgane bereits vorhandene Beweisergebnisse beigeschafft (vgl dazu auch 14 Os 106/22b, 14 Os 35/24i, 15 Os 101/23a).
‑ Es gibt keine Hinweise darauf, dass der Angeklagte die Mobiltelefone mit den Technologien ANOM und SKY ECC nicht freiwillig benützt hat, dass dem Inhalt der aufgezeichneten Kommunikation ein von behördlicher Seite veranlasster Zwang oder ein sonstiges (etwa listiges) Einwirken staatlicher Behörden auf den Angeklagten zugrunde liegt, dass im Zuge der Ermittlungsmaßnahmen durch in- oder ausländische Behörden auf die Freiheit der Willensentschließung oder -betätigung des Angeklagten eingewirkt worden wäre, oder dass der Angeklagte durch Strafverfolgungsorgane (oder durch von diesen beauftragte Dritte) zur Begehung von Straftaten verleitet worden wäre.
Zum den Messenger-Dienst ANOM betreffenden Antragsvorbringen:
[19] Voranzustellen ist, dass die Beschwerde die oben wiedergegebenen Sachverhaltsannahmen des Schwurgerichtshofs, welche dieser im Rahmen der in der Hauptverhandlung erfolgten Begründung für die Antragsabweisung offengelegt hat (ON 383 S 34 f; vgl zur dadurch eröffneten Möglichkeit ergänzender Antragstellung RIS‑Justiz RS0098221 [T3]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 315 f), nicht (nach Maßgabe der Kriterien des § 281 Abs 1 Z 5 oder 5a StPO) in Frage stellt. Insbesondere durch die eigenständige Darstellung der Entwicklung und Verbreitung der ANOM-Handys und deren Auswertung durch das FBI, weil die in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft enthaltene Sachverhaltsdarstellung „unzutreffend bzw unvollständig“ sei, wird Willkür bei der Schaffung der angesprochenen prozessualen Tatsachen nicht aufzeigt; ebenso wenig werden erhebliche Bedenken dagegen geweckt. Gleiches gilt für die bloß auf Medieninformationen des Bundesministeriums für Inneres vom 9. Juni 2021 und des Bundeskriminalamts vom 1. Jänner 2022 gestützte Behauptung, das Bundeskriminalamt habe im Rahmen polizeilicher Kooperation nicht bloß die Übermittlung aus der Überwachungsmaßnahme bereits gewonnener Daten vereinbart und diese sodann ausgewertet, sondern sei an den Überwachungsmaßnahmen beteiligt gewesen.
[20] Auf Basis der vom Schwurgerichtshof und dem Obersten Gerichtshof angenommenen prozessualen Tatsachen gelangt der Oberste Gerichtshof in einer Gesamtbetrachtung der Argumente des Antrags zu dem Schluss, dass dieser das Vorliegen eines Beweisverwendungsverbots nicht aufgezeigt hat.
[21] Entgegen dem – auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 11. Dezember 2019, VfGH G 72/2019 ua (VfSlg 20.356) Bezug nehmenden – Antragsvorbringen ist – wie oben dargestellt – allein der Umstand, dass eine Überwachung verschlüsselter Nachrichten in der österreichischen Rechtsordnung – wenngleich infolge Aufhebung einer solchen Bestimmung durch das zuvor zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs – nicht vorgesehen ist, nicht geeignet, ein Beweisverwendungsverbot zu begründen. Durch Zusammenfassung einiger Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs für die Aufhebung der die Überwachung verschlüsselter Nachrichten regelnden (noch nicht in Kraft gewesenen) Gesetzesbestimmungen in der StPO, die Behauptung, dass aus Sicht des Verfassungsgerichtshofs ein Beweisverwertungsverbot iSd § 140 StPO den Schutz der Rechte Betroffener nur begrenzt sicherzustellen vermöge, sowie durch die Kritik, der Oberste Gerichtshof nehme „mittels restriktiver Auslegung der Beweisverwertungsvorschriften Grundrechtsverstöße in Kauf“ und gehe „nicht ausreichend auf grundrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Verwertbarkeit der betreffenden Daten“ ein, zeigt der Antrag (schon) im Ansatz ein Beweisverwendungsverbot nicht auf.
[22] Gleiches gilt für die – die zuvor dargestellte Judikatur nicht berücksichtigende – Überlegung, aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs sei zu schließen, dass die durch ausländische Strafverfolgungsbehörden erfolgte Vornahme der Ermittlungsmaßnahme „Überwachung von verschlüsselten Nachrichten“ jedenfalls einem „strafrechtswidrigen Verfassungsbruch“ gleichkomme, weshalb solcherart gewonnene Beweisergebnisse unter keinen Umständen in inländischen Strafverfahren verwendet werden dürften.
[23] Soweit der Antragsteller im Übrigen darauf verweist, dass der Verfassungsgerichtshof die „Eingriffsintensität in die durch Art 8 MRK und § 1 Abs 1 DSG geschützte Privatsphäre“ bemängelt habe, und daraus (ersichtlich) den Schluss zieht, die verfahrens-gegenständlichen Ermittlungsergebnisse würden (auch) aus diesem Grund einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, vernachlässigt er die Besonderheiten des gegenständlichen Sachverhalts. Die ANOM-Mobiltelefone wurden nämlich – wie oben dargelegt – (ohne Veranlassung oder Beteiligung österreichischer Strafverfolgungsorgane) nur in mutmaßlich kriminelle Organisationen eingeschleust, um von Mitgliedern dieser Zusammenschlüsse für kriminelle Tätigkeiten benützt zu werden. Damit war einerseits die Ausgabe der ANOM-Telefone an mutmaßliche Mitglieder krimineller Organisationen nicht mit gesonderten Grundrechtseingriffen verbunden und waren andererseits die Rechte von (an der Straftat) unbeteiligten Dritten nicht in einer Dichte betroffen, wie sie mit der Überwachung verschlüsselter Nachrichten in für jedermann zugänglichen Computersystemen einhergeht. Mit Blick auf den (zuvor in Australien ausgetesteten) Verwendungszweck der Geräte zielte die Ermittlungsmaßnahme auch nicht darauf ab, Daten aus dem persönlichen Lebensbereich von außerhalb der kriminellen Organisationen stehenden Personen zu erlangen. Darüber hinaus war die Art der erlangbaren Daten durch die eingeschränkten Möglichkeiten der Kommunikation mit den genannten Geräten begrenzt. Unter diesen Prämissen tritt vorliegend der erfolgte Eingriff in das Recht des Angeklagten auf Achtung seines Privatlebens hinter das öffentliche Interesse an der Aufklärung derartiger Formen von (mutmaßlicher) Schwerkriminalität (hier: der führenden Tätigkeit des Angeklagten innerhalb einer international tätigen Verbindung einer größeren Zahl von Menschen im Rahmen des organisierten Handels von Suchtgift in exorbitanten Mengen [Strafdrohung von zehn bis zu zwanzig Jahren oder lebenslange Freiheitsstrafe]) deutlich zurück.
[24] Das Bestehen eines Beweisverwendungsverbots wird auch nicht mit der Behauptung aufgezeigt, das FBI habe durch „gezielte und rechtswidrige Umgehung der grundrechtlichen Schutzstandards“ „Befugnis-Shopping“ betrieben, indem es den Server, von dem die Daten abgegriffen wurden, außerhalb der USA platzierte, weil die Durchführung solcher Maßnahmen innerhalb der USA ebenso wie die Überwachung von US-amerikanischen Staatsbürgern mit den dort geltenden Rechtsvorschriften nicht vereinbar gewesen sei. Gleiches gilt für das Vorbringen, der Beschwerdeführer sei mangels Einräumung von rechtlichem Gehör von vornherein an jeder Verteidigungsmöglichkeit sowie an der Erhebung eines wirksamen Rechtsbehelfs gehindert gewesen (zu Art 6 MRK und den [ungenützten] Möglichkeiten des Beschwerdeführers, die Integrität und inhaltliche Richtigkeit des übermittelten Beweismaterials im gegenständlichen Strafverfahren in Frage zu stellen, vgl auch unten).
[25] Eine unrichtige Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage zeigt die Beschwerde weiters nicht mit denallgemeinen Ausführungenzu den Grundsätzen der gegenseitigen Anerkennung und des „ordre public“ auf.Warum die Beweisgewinnung in Form der Überwachung verschlüsselter Kommunikation per se und unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung sowie losgelöst vom konkreten Fall gegen unverzichtbare allgemeine rechtsstaatliche Grundsätze der österreichischen Rechtsordnung verstoßen sollte, lässt der Antrag im Übrigen (abermals) offen. Gleiches gilt für die bloß allgemeinen Ausführungen zum Schutz der territorialen Souveränität eines Landes.
[26] Die (theoretischen) Überlegungen zur Verhinderung von „Befugnis-Shopping“ durch eine „hypothetische Zulässigkeitsprüfung“ im Rahmen eines Ersuchens eines Staates um Vornahme von nach dem Recht des ersuchenden Staates unzulässigen Maßnahmen nimmt nicht Bezug auf den gegenständlichen Sachverhalt, nämlich die Beischaffung von ohne Beteiligung oder Einbindung österreichischer Strafverfolgungsbehörden erlangten Ermittlungsergebnissen ausländischer Behörden durch österreichische Organe.
[27] Mit der Behauptung, die Chatprotokolle seien „den nationalen Ermittlungsbehörden (…) noch vor Übermittlung diesbezüglicher Rechtshilfeersuchen an die amerikanischen Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt“ worden, wird ein – ein Beweisverwendungsverbot nach sich ziehender – Verstoß gegen österreichische Verfahrensbestimmungen bei der Übermittlung des (bereits vorhandenen) Datenmaterials nicht aufgezeigt. Im Übrigen ist aus einer Datenbereitstellung vor offizieller Anforderung im Rechtshilfeweg weder auf eine illegitime Überwachungstätigkeit österreichischer Polizeiorgane noch auf eine Veranlassung der Ermittlungen durch österreichische Behörden zu schließen (13 Os 19/23b [Rz 16]).
Zum den Messenger-Dienst SKY ECC betreffenden Antragsvorbringen:
[28] Eingangs festzuhalten ist, dass die (im Rahmen der Antragsabweisung offengelegten) Tatsachenannahmen des Schwurgerichtshofs – soweit sie den Messenger-Dienst SKY ECC betreffen – von der Beschwerde nicht (nach den zuvor dargestellten Kriterien des § 281 Abs 1 Z 5 oder 5a StPO) infrage gestellt werden.
[29] Auch hier hat der Antrag – unter Zugrundelegung der vom Schwurgerichtshof und dem Obersten Gerichtshof angenommenen prozessualen Tatsachen – das Vorliegen eines Beweisverwendungsverbots nicht aufgezeigt.
[30] Die Behauptung, die – beruhend auf Art 7 RB‑Informationsaustausch – durch Europol spontan vor Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung an die französischen Strafverfolgungsbehörden erfolgte Übermittlung „umfangreicher Datenpakete“ sei mit europäischem Recht unvereinbar, weil die Daten keinen Bezug zu konkreten Einzeltaten aufweisen würden und der Vertrauensgrundsatz „bei offensichtlichen Fehlern“ nicht unbegrenzt gelte, zeigt einen den oben dargestellten Kriterien annähernd entsprechenden (und ein Beweisverwendungsverbot allenfalls begründenden) Verstoß nicht auf. Im Übrigen wird nicht dargelegt, weshalb sich aus dem übermittelten Datenmaterial nicht der Verdacht einer Vielzahl von konkreten Straftaten – wenngleich zu diesem Zeitpunkt noch gegen unbekannte Personen gerichtet – ergeben sollte.
[31] Die in diesem Zusammenhang aufgestellte These, die österreichischen Behörden hätten „in jedem Fall (...) bei Erlass der EEA, mit der gemäß Art 1 Abs 4 RB‑Informationsaustausch um die Zustimmung zur Verwendung der übermittelten Daten in Strafverfahren zu ersuchen wäre, wiederum Art 6 Abs 1 RL‑EEA [Richtlinie 2024/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen] befolgen müssen“, was jedoch nicht geschehen sei, lässt nicht erkennen, welche Verstöße bei der – hier den Bezugspunkt des Art 6 Abs 1 lit b RL‑EEA (arg „in der EEA angegebene Ermittlungsmaßnahme“) darstellenden – „Erlangung von Beweismitteln, die sich bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats befinden“ (Art 1 Abs 1 zweiter Satz RL‑EEA), im Rahmen des Erlasses der EEA erfolgt sein sollen (vgl im Übrigen EuGH 30. 4. 2024, C‑670/22 [Rz 91 ff]).
[32] Die im Punkt „1.2 Einpassungsfähigkeit der französischen Rechtsordnung in die innerstaatliche und Grenzen durch das ordre public-Prinzip“ allgemein gehaltene Kritik an der Argumentation des Obersten Gerichtshofs in ähnlich gelagerten Fällen ist einer Erwiderung ebenso wenig zugänglich wie theoretische Ausführungen zur französischen und österreichischen Rechtslage im Zusammenhang mit der Kommunikationsüberwachung. Soweit daraus abgeleitet werden soll, dass die Überwachung verschlüsselter Nachrichten „mit grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen“ unvereinbar sei, weil sie in der StPO nicht vorgesehen ist und eine derartige Gesetzesbestimmung bereits einmal durch den Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig angesehen wurde, ist – unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen zum Messenger-Dienst ANOM – abermals festzuhalten, dass das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs nicht den Schluss zulässt, die Vornahme der Ermittlungsmaßnahme „Überwachung von verschlüsselten Nachrichten“ wäre unabhängig von ihrer Ausgestaltung jedenfalls verfassungswidrig und – wie vom Antragsteller abermals behauptet – „mit grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen“ unvereinbar. Die erneut aufgestellte These, solcherart von ausländischen Behörden – ohne Beteiligung österreichischer Strafverfolgungsbehörden – gewonnene Beweisergebnisse dürften jedenfalls nicht in inländischen Strafverfahren verwendet werden, ist daher nicht zutreffend.
[33] Aus den Ausführungen zu einer behaupteten „tiefgreifende[n] Unvereinbarkeit“ der französischen und der österreichischen Rechtsordnung, welche der Antrag (bloß) aus dem Umstand ableitet, dass den Strafverfolgungsbehörden in Frankreich im strafprozessualen Verfahren weiterreichende Ermittlungsbefugnisse zur Verfügung stehen als in Österreich, lässt sich nicht annähernd eine Beweisverbotskonsequenz ableiten. Dass die französischen Behörden im Zuge der Ermittlungen rechtsstaatliche Mindeststandards nicht eingehalten hätten, behauptet der Antrag im Übrigen ohnehin nicht.
[34] Der spekulative und ohne weitere Präzisierung erhobene Einwand, es fehle „eine ausreichende Vertrauensgrundlage“, wenn „französische Gerichte aufgrund der Einstufung der Ermittlungstechnik als militärisches Staatsgeheimnis nicht in der Lage sind, ihre rechtsstaatliche Kontrollfunktion wahrzunehmen“, stellt die (widerlegbare) Vermutung rechtmäßigen Handelns der französischen Strafverfolgungsorgane nicht in Frage und ist damit einer Erwiderung nicht zugänglich (zum Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen im Zusammenhang mit Europäischen Ermittlungsanordnungen vgl im Übrigen EuGH 30. 4. 2024, C‑670/22 [Rz 99 f]).
[35] Mit der unter Verweis auf Art 6 Abs 1 und Abs 3 lit a MRK, Art 47 zweiter Satz EU‑GRC und auf § 5 Abs 2, §§ 6, 7, 13, 49 ff, 238 StPO erhobenen Behauptung der Verletzung rechtlichen Gehörs durch die französischen Strafverfolgungsbehörden infolge des Unterbleibens einerseits der Verständigung des Beschwerdeführers über die eingriffsintensive Ermittlungsmaßnahme, andererseits der Zustellung der bezughabenden Anordnungen und Gerichtsbeschlüsse der französischen Behörden, des Beschlusses über die Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung sowie einer Rechtskraftbestätigung, wobei „dieses (…) behördliche Verhalten“ dem österreichischen Staat zuzurechnen sei, werden keine Sachverhalte aufgezeigt, die eine Beweisverbotskonsequenz zur Folge haben (vgl 13 Os 19/23b [Rz 18] und 15 Os 13/23k [Rz 31]).
[36] Der Einwand, die ausländischen Strafverfolgungsbehörden hätten entgegen Art 31 RL‑EEA die österreichischen Behörden nicht von der (auch) im Hoheitsgebiet Österreichs erfolgten Überwachung verschlüsselter Kommunikation unterrichtet, woraus „ein schwerwiegender Verstoß gegen grundlegende Wertungen der österreichischen Rechtsordnung“ resultiere, der „zur Unverwertbarkeit der gegenständlichen Daten“ führe, versagt. Zutreffend weist der Antrag zwar darauf hin, dass Art 31 RL‑EEA nicht nur die Achtung der Souveränität des unterrichteten Mitgliedstaats gewährleisten, sondern auch sicherstellen soll, dass der in diesem Mitgliedsstaat garantierte Grundrechtsschutz nicht unterlaufen wird. Art 31 RL‑EEA dient daher auch dem Schutz der Rechte der von einer solchen Maßnahme betroffenen Person im unterrichteten Mitgliedstaat (vgl EuGH 30. 4. 2024, C‑670/22 [Rz 120 ff]). Durch bloße Bezugnahme auf die nicht unmittelbar anwendbaren Art 30 und 31 RL‑EEA und die allgemein gehaltenen Ausführungen zum Schutz der territorialen Souveränität wird aber ein im konkreten Fall mit Beweisverbotskonsequenz verknüpfter Verstoß gegen Gesetze oder Verfahrensgrundsätze nicht aufgezeigt. Im Übrigen nimmt zwar eineVerletzung der Verständigungspflicht nach Art 31 Abs 1 RL‑EEA durch die französischen Behörden den österreichischen Behörden die Möglichkeit, Überwachungsmaßnahmen auf österreichischem Hoheitsgebiet zu unterbinden (vgl § 55d Abs 7 EU‑JZG). Ein Verbot der Verwendung dadurch erlangter Beweismittel im gegenständlichen Strafverfahren hätte daraus jedoch bei Gesamtbetrachtung des konkreten Falls und unter Berücksichtigung, dass der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit auch die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege umfasst, nicht abgeleitet werden können (vgl zur Vorgangsweise bei Verstößen gegen Vorschriften des Unionsrechts EuGH 30. 4. 2024, C‑670/22 [Rz 126 ff]). Wie bereits oben ausgeführt behandelt das gegenständliche Strafverfahren einen Fall schwerster Kriminalität im Bereich des international agierenden Drogenhandels, dessen Aufklärung großes öffentliches Interesse zukommt, aber ohne Verwendung von Beweisergebnissen wie den vorliegenden wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre. Die Sicherstellung sowie Entschlüsselung der Daten erfolgte weder durch noch unter Beteiligung österreichischer Strafverfolgungsorgane und zielte nicht darauf ab, Daten aus dem Kernbereich privater Lebensführung von außerhalb krimineller Machenschaften stehenden Personen zu erlangen. Der Antragsteller hatte im gegenständlichen Strafverfahren sowohl im Ermittlungs- als auch im Hauptverfahren die Möglichkeit, sachgerecht zu sämtlichen Beweisergebnissen Stellung zu beziehen und die Authentizität sowie inhaltliche Richtigkeit der Überwachungsergebnisse in Frage zu stellen. Eine allfällige Verletzung der Verständigungspflicht des Art 31 Abs 1 RL‑EEA hätte den Angeklagten jedenfalls nicht daran gehindert, auf den Gang und das Ergebnis des Strafverfahrens in Übereinstimmung mit Art 6 MRK einzuwirken und seine Verteidigungsrechte umfassend wahrzunehmen, wobei die Verwendung und Verwertung der (bereits) entschlüsselten Überwachungsergebnisse auch nicht unverhältnismäßig in die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten eingegriffen hat.
[37] Das weitere Antragsargument eines Verstoßes gegen (den nicht unmittelbar anwendbaren) Art 6 Abs 1 RL‑EEA geht (abermals) daran vorbei, dass von den österreichischen Behörden nicht um die Durchführung von Überwachungsmaßnahmen betreffend verschlüsselte Nachrichten, sondern um die Übermittlung ohne Mitwirkung österreichischer Behörden sichergestellter (nicht [mehr] verschlüsselter) Daten des Servers des Krypto-Messenger-Dienstes SKY ECC betreffend bestimmte Nutzer ersucht wurde („Beweistransfer“ nach § 56 Abs 1 erster Satz EU‑JZG; vgl dazu Art 1 Abs 1 zweiter Satz RL‑EEA; siehe auch 13 Os 19/23b [Rz 20]). Aus diesem Grund geht auch der Einwand des „Befugnis-Shopping[s]“, der entgegen den Sachverhaltsannahmen des Schwurgerichts eine Veranlassung bereits der ursprünglichen Datenerlangung durch österreichische Strafverfolgungsbehörden unterstellt, ins Leere. Dass Gegenstand der Erwirkung der Übermittlung von Ermittlungsergebnissen solche sind, die durch in Österreich gesetzlich nicht vorgesehene Ermittlungsmaßnahmen erlangt wurden, steht dem Erlass einer Ermittlungsanordnung übrigens nicht per se entgegen, sofern die ausländische Ermittlungsmaßnahme nicht im Widerspruch zu grundlegenden rechtsstaatlichen Garantien steht und zum anderen die in § 56 Abs 1 zweiter Satz EU‑JZG normierten Kriterien der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit vorliegen (vgl dazu auch § 5 Abs 1 und 2 StPO [iVm § 1 Abs 2 EU‑JZG iVm § 9 Abs 1 ARHG]; Schmoller, JBl 2023, 739 [747]; siehe auch EuGH 30. 4. 2024, C‑670/22 [Rz 91 ff]).
[38] Zu den die Ermittlungsergebnisse beider Messenger-Dienste ansprechenden Behauptungen, die österreichischen Strafverfolgungsbehörden hätten es unterlassen, „ihrer Pflicht zur Achtung und Einhaltung der Grundrechte im Strafverfahren zu entsprechen“, weswegen ihnen auch die (mehrfachen) ausländischen, eine wirksame Verteidigung verhindernden Gesetzesverletzungen zuzurechnen seien, ist lediglich anzumerken, dass eine Verantwortlichkeit Österreichs für das Agieren fremder Staatsorgane unter dem Aspekt des Art 6 MRK nicht besteht.
[39] Zu den – aus Z 5 ohnehin nicht relevanten – Vorwürfen, der Beschwerdeführer habe „im Ermittlungs-verfahren keine effektive Möglichkeit gehabt, seine prozessualen Rechte wahrzunehmen und Eingriffe der (auch ausländischen) Strafverfolgungsorgane abzuwehren, weiters hätten die österreichischen Strafverfolgungsbehörden Verständigungspflichten verletzt und gegen Art 6 MRK verstoßen, ist im Übrigen Folgendes festzuhalten:
[40] Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist mit der Stellung als Beschuldigter verknüpft, welche (faktisch) die – hier erst im Inlandsverfahren erfolgte – Identifikation der Person voraussetzt (vgl Wiederin, WK‑StPO § 6 Rz 16 und 145; 15 Os 13/23k [Rz 32]). Der Beschwerdeführer wurde entgegen seinem – der Sache nach eine weiterhin andauernde Verletzung des § 50 StPO relevierenden – Vorbringen (bereits) bei seiner ersten Vernehmung als Beschuldigter anlässlich seiner Festnahme im Inland über den gegen ihn bestehenden Tatverdacht sowie die ihm zustehenden (Verteidigungs-)Rechte belehrt (ON 20 S 185) und es wurde ihm auch Akteneinsicht gewährt (ON 1 S 33 und 87), weswegen der Einwand, er sei mangels Einräumung rechtlichen Gehörs von vornherein an jeder Verteidigungsmöglichkeit gehindert gewesen, nicht zutrifft.
[41] Die antragsgegenständlichen Beweisergebnisse – die übrigens dem Beschwerdeführer in gleicher Weise wie der Anklagebehörde zur Verfügung standen – wurden in der Verhandlung unter Wahrung der Äußerungsrechte des Beschwerdeführers vorgeführt, wobei er die Integrität der durch die Überwachungsmaßnahme erlangten Daten in Frage stellen und zum Inhalt derselben (insbesondere zu deren Richtigkeit und Vollständigkeit) sachgerecht Stellung nehmen konnte. Dass der Angeklagte durch in- oder ausländische Strafverfolgungsbehörden zur Begehung von Straftaten oder bestimmten (aufgezeichneten) Äußerungen veranlasst worden wäre, wurde ohnehin nicht einmal vom Angeklagten behauptet.
[42] In Betreff der Ermittlungsergebnisse zum Messenger-Dienst SKY ECC ist schließlich zu berücksichtigen, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung im Anwendungsbereich der RL‑EEA eine Prüfung durch den ersuchenden Staat, ob der ersuchte Staat bereits vorhandene Beweismittel nach dem Maßstab seiner eigenen nationalen Verfahrensregeln rechtmäßig erlangt hat, grundsätzlich nicht zulässt (EuGH 30. 4. 2024, C‑670/22 [Rz 100]; siehe auch Erwägungsgrund 19 RL‑EEA).
[43] In der Hauptverhandlung am 12. Oktober 2023 „ergänzte und erweiterte“ der Beschwerdeführer seinen „Antrag auf Unterlassung der Vorführung“ und beantragte „die Unterlassung der Verwertung aller bisher vorgetragenen Aktenteile“ (zur Verwertbarkeit bis dahin vorgekommener Beweismittel vgl aber Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 223) sowie die Unterlassung der weiteren Verlesung des – im Einzelnen (nunmehr abweichend) bezeichneten – ANOM- und SKY ECC-Datenmaterials (ON 401 S 4 ff). Auch gegen die Abweisung dieses Antrags (ON 401 S 24 ff) wendet sich die Verfahrensrüge (Z 5).
[44] Soweit der Antrag (abermals) die Bestimmungen über die Überwachung von Nachrichten (§§ 134 ff StPO) ins Treffen führt und aus diesen die Unzulässigkeit der Verwendung des gegenständlichen Datenmaterials ableitet, weil das Vorgehen der ausländischen Strafverfolgungsbehörden durch die StPO nicht gedeckt wäre, kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Gleiches gilt für den neuerlichen Hinweis auf Berücksichtigung des (unter anderem in § 2 ARHG normierten) „ordre public“, die Behauptung, die amerikanischen Strafverfolgungsbehörden hätten „gezieltes sowie bewusstes und sohin rechtswidriges 'Befugnis shopping' betrieben“ und die Forderung der Wahrung menschenrechtlicher und rechtsstaatlicher Mindeststandards durch die österreichischen Strafverfolgungsbehörden. Im Übrigen stand vorliegend – entgegen dem Antrag betreffend die ANOM-Daten – die Leistung von Rechtshilfe durch Österreich aufgrund eines Ersuchens der amerikanischen Behörden – und damit allenfalls auch deren Verweigerung aus Gründen des „ordre public“ (§ 2 ARHG) – gar nicht in Rede.
[45] Abermals ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass eine Verantwortlichkeit Österreichs für selbständiges (ohne österreichische Veranlassung erfolgtes) Agieren fremder Staatsorgane grundsätzlich nicht besteht (vgl Ratz, Beweisverbote und deren Garantien durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Strafsachen, RZ 2005, 106 [107 f]; aA Reindl‑Krauskopf, WK‑StPO § 140 Rz 31). Eine Möglichkeit der effektiven Unterbindung von im Ausland gesetzten Überwachungsmaßnahmen (vergleichbar mit Art 31 Abs 3 lit a RL‑EEA [umgesetzt durch § 55d Abs 7 EU‑JZG {nur} in Bezug auf die Verweigerungsgründe des § 55a Abs 1 Z 1 bis 5, 8 und 13 EU‑JZG]) sieht weder das ARHG noch der Vertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Rechtshilfe in Strafsachen (BGBl III 1998/107) vor.
[46] Im Antrag enthaltene Überlegungen zu § 56 Abs 6 EU‑JZG in Betreffder SKY ECC-Daten gehen ins Leere, weil die Bestimmung den Fall betrifft, dass auf Anordnung einer österreichischen Strafverfolgungsbehörde die Überwachung von Nachrichten von im Vollstreckungsstaat aufhältigen Zielpersonen ohne dessen technische Hilfe durchgeführt wird. Gleiches gilt für § 56b EU‑JZG betreffende Argumente, weil die Bestimmung die Vernichtung bereits übermittelter Ergebnisse regelt, wenn einerseits die Vollstreckung einer (österreichischen) Europäischen Ermittlungsanordnung oder die Durchführung der in ihr genannten Maßnahme im Vollstreckungsstaat nachträglich für unzulässig erklärt wurde, oder andererseits eine vollstreckende Behörde aus Anlass einer Mitteilung der österreichischen Strafverfolgungsbehörden gemäß § 56 Abs 6 Z 2 EU‑JZG mitteilt, dass eine Überwachung zu beenden ist. Dass einer der genannten Fälle gegenständlich vorliegt, behauptet der Antrag ohnehin nicht, weshalb auch die theoretischen Ausführungen zu Art 100 der französischen Strafprozessordnung keiner Erwiderung bedürfen.
[47] Die Entscheidung des EGMR vom 26. 9. 2023, 15669/20, Yüksel Yalcinkaya/Türkei, referierend behauptet der Antragsteller weiters einen Verstoß gegen Art 6 Abs 1 MRK und daraus abgeleitet die Unverwertbarkeit des Datenmaterials betreffend die Messenger-Dienste ANOM und SKY ECC, weil gegenständlich keine den Kriterien des EGMR entsprechende Glaubwürdigkeitsprüfung der elektronischen Beweismittel stattgefunden habe. So sei die Integrität, Authentizität und Zuverlässigkeit der Daten zu keinem Zeitpunkt überprüft und festgestellt worden, sondern beruhe die persönliche Zuordnung der Daten zum Angeklagten lediglich auf Annahmen von in den Datenauswertungsprozess eingebundenen Polizeibeamten. Die Zuverlässigkeit der Beweismittel sei nicht gegeben, „weil es sich insbesondere bei den Audiodateien um ein Endprodukt eines unbekannten umfangreichen Datenverarbeitungsprozesses“ gehandelt habe und die Durchführung von „Stimmenabgleichungen bzw. Stimmengegenüberstellungen“ im „Verfahrensakt nicht objektiviert“ sei. Da „die Auswertungen derChatnachrichten bis dato anhalten“, könne „insgesamt die Zulässigkeit, die Zuverlässigkeit, die Vollständigkeit oder eine ausreichende Beweiskraft dieses Materialsschon denklogisch nicht vorliegen“. Darüber hinaus hätten das FBI zu den ANOM-Daten jede weitere Unterstützung und Information abgelehnt und sich die französischen Strafverfolgungsbehörden bezüglich der SKY ECC-Daten „auf ein militärisches Staatsgeheimnis“ berufen, sodass weder die Entstehung der Beweismittel bekannt sei noch die Art und Weise ihrer Verarbeitung. Im Ergebnis könne „den gegenständlichen ANOM- und SKY ECC-Daten kein Beweiswert zugemessen werden“, „da die Authentizität der Daten völlig offen“ sei und „Bedenken aus dem Bereich der Sicherheit des Datentransfers“ unberücksichtigt geblieben seien.
[48] Mit diesem – im Wesentlichen nur eigenständig Beweiswürdigung anstellenden – Vorbringen zeigte der Antrag keinen Sachverhalt auf, aus dem eine Beweisverbotskonsequenz in Betreff des – gegenständlich von ausländischen Strafverfolgungsbehörden und somit staatlich erhobenen – Datenmaterials resultieren würde.
[49] Zum behaupteten Verstoß gegen Art 6 MRK ist jedoch anzumerken, dass nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR die Würdigung von Beweismitteln grundsätzlich den nationalen Gerichten vorbehalten ist (zur Frage der Beurteilung mangelnden Beweiswerts vgl auch Kirchbacher/Sadoghi, WK‑StPO § 246 Rz 103 ff) und dieser lediglich prüft, ob die Beweisaufnahme (wozu auch die Zulassung von Beweisen zählt) und die Beweiswürdigung in einer Weise vorgenommen wurden, die das gesamte Verfahren unfair erscheinen lässt (RIS‑Justiz RS0120958; Grabenwarter/Pabel, EMRK7 § 24 Rz 69).
[50] Anzumerken ist daher, dass es dem Beschwerdeführer gegenständlich frei stand, zu den (einzeln) vorgeführten Beweisen, die ihm während des gesamten Strafverfahrens unter den gleichen Bedingungen wie der Staatsanwaltschaft zur Verfügung standen, jeweils gesondert Stellung zu beziehen (§ 308 Abs 1 iVm § 245 Abs 1, § 248 Abs 3, § 252 Abs 3 StPO) und deren Integrität, Authentizität und Zuverlässigkeit – trotz Vertraulichkeit einiger technischer und rechtlicher Grundlagen, welche die Überwachungsmaßnahmen ermöglicht haben – durch geeignete Anträge zu thematisieren (§ 302 Abs 1 iVm § 238 StPO). Gegen die Abweisung oder das Unterbleiben der Erledigung von auf die Erschütterung der Beweiskraft der SKY ECC- und ANOM-Kommunikation abzielenden Anträgen wäre die Geltendmachung von Nichtigkeit aus § 345 Abs 1 Z 5 StPO offen gestanden, wobei der Beschwerdeführer diese Möglichkeit gegenständlich nicht aufgegriffen hat.
[51] Der in der Hauptverhandlung am 1. Dezember 2023 (ON 413 S 4 f) gestellte Antrag auf Verlesung des Urteils des Landgerichts Memmingen „zu 1 Kls 401 Js 10121/22 vom 11.10.2023“ sowie des Beschlusses des Oberlandesgerichts München „zu 1 Ws 525/23 vom 23.10.2023“, zum Beweis, dass das FBI eine über die Übermittlung der Daten hinausgehende „Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden anderer Länder“ ablehne, eine Rechtmäßigkeitskontrolle des amerikanischen Ermittlungsverfahrens daher nicht stattfinden könne und den US-amerikanischen Behörden eine Umgehung nationaler Vorschriften vorzuwerfen sei, verfiel zu Recht der Abweisung (ON 413 S 6 f). Denn er erklärt nicht, weshalb die Begründungen der genannten deutschen Urteile für die Lösung der gegenständlichen Schuld- oder Subsumtionsfrage von Bedeutung sein sollten (RIS‑Justiz RS0118444 [T2]).
[52] Zutreffend abgewiesen wurde auch der unter einem gestellte Antrag auf Verlesung des Urteils des EGMR „vom 23.10.2014 zu 54648/9“ zum Beweis, dass es der Staatsanwaltschaft obliege, nachzuweisen, dass rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt wurden und kein Beweisverwertungsverbot vorliegt. Denn die angesprochene Beurteilung stellt eine Rechtsfrage dar, die als solche einer Beweisaufnahme entzogen ist (RIS‑Justiz RS0099342 [T6]).
[53] Die ergänzenden Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Fundierung der beiden zuletzt genannten Anträge unterliegen dem Neuerungsverbot.
[54] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1, § 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i, § 344 StPO).
[55] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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