European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0170OB00005.24W.0904.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Unternehmensgegenstand der Schuldnerin, einer GmbH, war die Herstellung und der Handel mit Aluminium- und Edelstahlprodukten wie Zäunen, Carports und Überdachungen sowie Aluminium-Konstruktionen.
[2] Über ihr Vermögen wurde mit Beschluss vom 31. 5. 2021 ein – nunmehr als Konkursverfahren weitergeführtes – Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung iSd § 167 IO eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
[3] Die Beklagte war die „Hausbank“ der Schuldnerin. Bereits im Jahr 2016 hatten beide eine Globalzession aller bestehenden und künftigen Forderungen aus dem Geschäftsbetrieb zur Sicherstellung vereinbart. Weiters räumte die Schuldnerin der Beklagten im Jahr 2016 eine Höchstbetragshypothek auf ihrer Betriebsliegenschaft ein.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die gegen die überwiegende Stattgebung der Klage durch das Berufungsgericht gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten zeigt das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht auf:
[5] 1. Die Beklagte vertritt weiterhin die Ansicht, dass der Zweck von § 9 Abs 1 2. COVID-19-JuBG (idF BGBl I Nr 48/2021), laut dem bei einer im Zeitraum von 1. 3. 2020 bis 30. 6. 2021 eingetretenen Überschuldung keine Verpflichtung des Schuldners bestand, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, auch eine Aussetzung der Gläubigergleichbehandlungspflicht erfordere.
[6] Darauf muss jedoch – worauf die Vorinstanzen bereits hinwiesen – schon deswegen nicht eingegangen werden, weil die Überschuldung hier bereits mit Jahresende 2019 eintrat und im November 2020 überdies Zahlungsunfähigkeit.
[7] Weiters behauptet die Beklagte, dass ihre anfechtungsrechtlichen Sorgfalts- und Prüfpflichten im Hinblick auf diese Einschränkung der Insolvenzantragspflicht sowie „pandemiebedingt“ herabgesetzt gewesen seien. Auch dabei lässt sie jedoch die Feststellungen außer Betracht, nach denen sie am 22. 2. 2021 sogar proaktiv von der neuen Geschäftsführung der Schuldnerin über ein negatives Eigenkapital zum 31. 12. 2019, die Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung nach § 36 Abs 2 GmbHG sowie das allfällige Vorliegen von insolvenzrechtlichen Tatbeständen und Malversationen informiert wurde. Indem die Vorinstanzen weiters auf die umfassenden vertraglichen Auskunfts- und Einsichtsrechte der Beklagten, ihre Stellung als „Hausbank“ sowie die (tatsächlich nicht gestundeten) Forderungen des Finanzamts und der ÖGK abstellten und davon ausgehend zumindest eine fahrlässige Unkenntnis der Beklagten bejahten, bewegen sie sich innerhalb des ihnen im Einzelfall notwendiger Weise zukommenden Beurteilungsspielraums (vgl RS0064794).
[8] 2.1. Globalzessionen künftiger Forderungen zugunsten einer Bank werden von der Rechtsprechung als Sicherungszessionen behandelt, selbst wenn durch sofortige Verwendung von Zahlungseingängen daraus Befriedigung erlangt werden soll (vgl 3 Ob 246/09m, 17 Ob 3/22y). Die Wirksamkeit einer Sicherungszession hängt von der Beachtung der für eine Pfandrechtsbegründung hinreichenden Publizitätsakte ab (RS0011386, RS0032577). Nach ständiger Rechtsprechung ist die notwendige Publizität einer Sicherungszession bei einem (EDV-mäßig erfassten) Buchvermerk aber nur dann gegeben, wenn dieser sowohl bei den Kundenkonten als auch in der OP-Liste aufscheint (vgl RS0108639, 7 Ob 9/20b, 17 Ob 22/23v).
[9] Im vorliegenden Fall behauptet die Beklagte nicht einmal, dass die anfechtungsgegenständlichen Geschäftsfälle zum Zeitpunkt des Abschlusses der Globalzessionsvereinbarung im Jahr 2016 zumindest dem Grunde nach angelegt waren. Selbst wenn im Sinn der Revisionsausführungen bereits 2016 ein (globaler) Buchvermerk gesetzt worden wäre, änderte dies nichts daran, dass sich dieser – anders als in den Entscheidungen in 6 Ob 116/05k und 10 Ob 29/07y – nicht auf eine eindeutig identifizierte Geschäftsbeziehung gegen einen bereits individualisierten Geschäftspartner beziehen konnte (vgl RS0032827 [insb T6]).
[10] 2.2. Da für die hier bejahte Anfechtung nach § 30 Abs 1 Z 3, § 31 Abs 1 Z 2 1. Fall IO wegen zumindest fahrlässiger Unkenntnis einer Begünstigungsabsicht und Zahlungsunfähigkeit eine Kongruenz iSd § 30 Abs 1 Z 1 IO unerheblich ist (vgl RS0064527, RS0050757), können die diesbezüglichen Revisionsausführungen dahingestellt bleiben.
[11] 2.3. Die Anfechtung des – einheitlich zu betrachtenden – revolvierenden Zessionskredits kommt nach § 31 Abs 1 Z 1 und 2, jeweils erster Fall, KO (IO) insoweit in Frage, als die Bank ihre Position bei Konkurseröffnung gegenüber jener bei Beginn der kritischen Frist verbessert hat. Insoweit hat sie die Tilgungen und Besicherungen nicht Zug-um-Zug gegen eine Wiederausnutzung erhalten. Der Anfechtungsgegner hat daher jenen Betrag an die Masse zu leisten, um den sich der Kredit im Zeitpunkt der Konkurseröffnung gegenüber dem Höchststand während der kritischen Zeit vermindert hat (vgl 4 Ob 306/98y, RS0111461, RS0117945).
[12] Die Revision setzt sich weder mit dieser bereits vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung noch mit der konkreten Höhe der Begehren näher auseinander, sondern geht von der unzutreffenden Prämisse anfechtungsfester Zessionen aus. Soweit sich die Beklagte auf eine angeblich durchgehende „Unterdeckung“ beruft, ist dem entgegenzuhalten, dass nach den Feststellungen der Vorinstanzen der Debetsaldo innerhalb der kritischen Frist deutlich reduziert wurde. Dass darin eine Besserstellung der Beklagten im Vergleich zu anderen Gläubigern liegt, kann keinem Zweifel unterliegen. Gegenteiliges kann auch nicht aus der Abhandlung von Rebernig/Shamiyeh, Anfechtungsumfang beim zessionsbesicherten Kontokorrentkredit, ÖBA 2018, 479, auf die sich die Beklagte beruft, abgeleitet werden. Vielmehr vertreten diese Autoren zwar eine von der herrschenden Auffassung abweichende Berechnungsmethode; diese führt aber zum selben Ergebnis wie diejenige der herrschenden Auffassung (Rebernig/Shamiyeh aaO 482 f; vgl auch König/Trenker, Anfechtung6 Rz 11.42). Auch damit wird sohin keine Rechtsfrage der von § 502 ZPO geforderten Qualität aufgezeigt.
[13] 3. Unter dem Schlagwort „keine Befriedigungstauglichkeit“ argumentiert die Beklagte weiters, dass sie bei pflichtgemäßer Verwertung des schuldnerischen Unternehmens keinen Schaden erlitten hätte. Insofern geht die Revision jedoch nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und ist damit nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RS0043312).
[14] 4. Letztlich rügt die Beklagte die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die auf der Betriebsliegenschaft gelagerten Warenvorräte seien nicht von ihrem vertraglichen Pfandrecht mitumfasst gewesen.
[15] Steht die Auslegung einer Pfandbestellungsurkunde durch die Vorinstanzen mit den Grundsätzen von Lehre und Rechtsprechung im Einklang, liegt darin jedoch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0042776 [T19]).
[16] Soweit die Revision mit Rechtsprechung argumentiert, wonach das Warenlager Zubehör eines Unternehmens sei (vgl RS0009913, RS0009899), ist ihr entgegenzuhalten, dass nach dem – mangels Nachweises einer abweichenden Parteienabsicht allein maßgeblichen (vgl RS0017834) – Wortlaut des Pfandbestellungsvertrags ausdrücklich und ausschließlich eine „Liegenschaft“ samt Inventar und Zubehör verpfändet wurde und weder auf das Unternehmen der Schuldnerin noch auf eine Nutzung als Betriebsliegenschaft abgestellt wurde. Zubehör einer Liegenschaft sind nach ständiger Rechtsprechung jedoch körperliche Sachen, die, ohne Bestandteil des unbeweglichen Gutes zu sein, nach dem Gesetz oder dem Willen des Eigentümers zum anhaltenden fortdauernden Gebrauch der Hauptsache bestimmt sind (vgl RS0003765, RS0003679). Die Annahme der Vorinstanzen, bei Warenvorräten für Kundenbestellungen fehle insbesondere die Zweckwidmung für die Liegenschaft, ist sohin jedenfalls vertretbar.
[17] Auch die von der Revision ins Treffen geführte Entscheidung 3 Ob 105/91 (vgl auch RS0003724, RS0003705) steht mit der Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht in Widerspruch, weil dort die Zulässigkeit einer Exekutionsführung nach § 252 Abs 1 EO zu beurteilen und kein Vertrag auszulegen war.
[18] 5. Weitere Argumente gegen die Anfechtungs- und das Zahlungsbegehren werden in der Revision nicht mehr geltend gemacht, sodass diese mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen ist.
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