European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00007.24Y.0522.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Konsumentenschutz und Produkthaftung
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 602,54 EUR (darin 100,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Beklagte ist ein Elektrizitätsunternehmen und die Betreiberin jenes Verteilernetzes, an welches das Mehrparteienhaus, in dem die Wohnung der Klägerin liegt, angeschlossen ist. Die Klägerin hatte mit der Beklagten für diese Wohnung einen Netznutzungsvertrag und einen Stromliefervertrag abgeschlossen.
[2] Die Beklagte informierte die Klägerinmit Schreiben vom 15. 11. 2021, dass der Arbeitspreis für elektrische Energie von netto 6,20 Cent/kWh auf netto 7,10 Cent/kWh, und mit Schreiben vom 2. 5. 2022, dass der Arbeitspreis für elektrische Energie von netto 7,10 Cent/kWh auf netto 10,81 Cent/kWh erhöht werden müsse, weil die Beschaffungspreise für elektrische Energie durch die Entwicklungen der internationalen Börsenpreise stark gestiegen seien; dies werde mittels österreichischem Strompreisindex (ÖSPI) dargestellt; der monatliche Grundpreis von netto 1,33 EUR werde nicht erhöht.
[3] Die Beklagte teilte der Klägerinmit Schreiben vom 27. 7. 2022 mit:
„Kündigung Ihres bisherigen Stromliefervertrages – Angebot zum Abschluss eines neuen Liefervertrages
[…]
Der Strommarkt ist derzeit großen Umwälzungen unterworfen. Trotz aller Bemühungen können wir unsere bisherigen Tarife in diesem Marktumfeld nicht mehr anbieten. Wir nehmen die derzeitige Situation zum Anlass, unsere Produkte zu vereinheitlichen und besser auf einen wechselhaften Energiemarkt anzupassen.
Wir möchten Sie gerne als Kundin bzw Kunden behalten und Sie weiterhin mit elektrischer Energie beliefern.
Aus rechtlichen Gründen ist uns dies nicht anders möglich, als hiermit Ihren bestehenden Vertrag mit Wirksamkeit 30. September 2022 zu kündigen und Ihnen anzubieten, mit 1. Oktober 2022 auf das neue Produkt w*STROM umzusteigen.
Unter nachfolgendem Link finden Sie Ihren Vertrag für das Produkt w*STROM ab 1. Oktober 2022, das Preis- und Produktblatt sowie unsere Allgemeinen Lieferbedingungen.
[…]
Damit der Übergang zum neuen Produkt reibungslos funktioniert, bitten wir Sie, wenn Sie das Angebot annehmen wollen, dem neuen Vertrag bis spätestens 1. September 2022 zuzustimmen.
Wichtiger Hinweis: Aus rechtlichen Gründen gilt der neue Vertrag nicht automatisch. Sie müssen dem Angebot ausdrücklich zustimmen.
Sollten Sie unserem Angebot nicht zustimmen, müssen wir die Stromlieferungen mit Ende Ihres bisherigen Stromliefervertrages, also ab 1. Oktober 2022, einstellen. Selbstverständlich können Sie auch einen Vertrag bei einem anderen Anbieter abschließen. Sollten Sie aber nicht spätestens bis 30. September 2022 einen neuen Stromliefervertrag – mit uns oder einem anderen Lieferanten – abgeschlossen haben, so tritt ein vertragsloser Zustand ein und Sie werden nicht mehr mit Strom beliefert. Ihr Anschluss müsste in weiterer Folge vom Netz getrennt werden.
[…]“
[4] Das Angebot der Beklagten zum Abschluss eines neuen Liefervertrags beinhaltete einen monatlichen Grundpreis von netto 5 EUR und einen Arbeitspreis von netto 24,50 Cent/kWh. Das Angebot beinhaltete das Produkt- und Preisblatt der Beklagten.
[5] Im Stadtgebiet von W* gibt es zwei Netzbetreiber. Die Kunden können unabhängig vom Netzbetreiber ihren Stromlieferanten frei wählen. Die Beklagte ermöglicht jedem Drittstromlieferanten einen diskriminierungsfreien Systemzugang zur Lieferung von elektrischer Energie an ihre Kunden. Die Netzgebühren sind unabhängig vom Anbieter elektrischer Energie immer gleich hoch. Die von anderen Energielieferanten angebotenen Preise (für die Lieferung von elektrischer Energie an ihre Kunden im Stromleitungsnetz der Beklagten) werden nicht von der Beklagten beeinflusst und stehen in keinem Zusammenhang mit dem Stromleitungsnetz der Beklagten.
[6] Im Wirtschaftsjahr 2021/22 lieferte die Beklagte 64.178.397 kWh an elektrischer Energie an ihre Kunden. Davon lieferte sie 76,63 % an ihre Kunden im eigenen Netzgebiet, 23,37 % ihrer Energielieferungen gingen an Kunden anderer in ganz Österreich verteilter Netzbetreiber. Im selben Wirtschaftsjahr wurden 79.125.897 kWh an elektrischer Energie im Netz der Beklagten an Kunden im Stadtgebiet von W* geliefert, wobei die Beklagte davon 62,20 % an ihre Kunden lieferte und 37,80 % von 62 anderen Energielieferanten geliefert wurden. Die von der Beklagten im selben Wirtschaftsjahr an ihre Kunden in Österreich gelieferte elektrische Energie von 64,18 GWh entspricht einem Marktanteil der Beklagten von ca 0,09 % des Gesamtstromverbrauchs in Österreich.
[7] Eine Anfrage über den Tarifkalkulator der E‑Control vom 12. 8. 2022 ergab, dass 53 Angebote von Lieferanten für die Lieferung von elektrischer Energie unter Nutzung des Netzes der Beklagten an das Wohnhaus der Klägerin abgegeben wurden.
[8] Die Klägerin schloss den von der Beklagten angebotenen Neuvertrag online am 26. 9. 2022 ab. Mit Schreiben des Klagevertreters vom 3. 10. 2022 widerrief die Klägerin, welchem Widerruf die Beklagte mit Schreiben ihres Vertreters vom 5. 10. 2022 nicht zustimmte.
[9] Am 18. 10. 2022 schloss die Klägerin einen neuen Stromliefervertrag mit einem anderen Anbieter ab.
[10] Der Netznutzungs- bzw Netzzugangsvertrag wurde von der Beklagten nicht gekündigt.
[11] DieKlägerin begehrte die Feststellung, dass die von der Beklagten erfolgte Aufkündigung ihres Stromliefervertrags zum 30. 9. 2022 rechtsunwirksam sei und der Stromliefervertrag weiter aufrecht bestehe, in eventu, dass zwischen ihr und der Beklagten ein aufrechter Stromliefervertrag bestehe. Zusätzlich erhob sie ein Begehren auf Feststellung der Haftungfür alle Schäden aus derBelieferungseinstellung. Sie brachte zusammengefasst vor, die Beklagte habe mittels einer Änderungskündigung eine Erhöhung des Grund- und des Arbeitspreises vorgenommen, die beim Arbeitspreis eine Erhöhung um 245,07 % innerhalb eines Zeitraums von neun Monaten bedeute. Dies sei sittenwidrig, weil die Beklagte von ihrem Kündigungsrecht aus unsachlichen Motiven Gebrauch gemacht habe. Der von der Beklagten verkaufte Strom komme zu 100 % aus Österreich und stamme zu 83,39 % aus Wasserkraft; die Beklagte dürfe nicht sofort die Preise exorbitant erhöhen, wenn es im Ausland zu Preisanstiegen bei aus Erdgas produziertem Strom komme, die Beklagte aber keinen Strom aus Erdgasproduktion verkaufe. Das Neuvertragsangebot sei gröblich benachteiligend, weil die Bruttobelastung für die Stromversorgung im Verhältnis zum Einkommen der Klägerin steige. Die Beklagte habe auf dem Gebiet der Stromversorgung in der Stadt W* auf Anbieterseite eine Monopolstellung, sei marktbeherrschend und keinem wirksamen Wettbewerb ausgesetzt. Dagegenseiender Klägerin weder vergleich- noch vertretbare alternative Angebote zur Verfügung gestanden. Die Vertragskündigung sei sachlich nicht gerechtfertigt, insbesondere nicht durch die Gestehungskosten der Beklagten bedingt. Diese verkaufe günstig aus Wasserkraft und erneuerbaren Quellen produzierten Strom und versuche durch Änderungskündigungen Lieferverpflichtungen aus langjährigen Kundenverträgen loszuwerden, um die dadurch frei werdende Strommenge teuer zu verkaufen. Die Beklagte müsse verbundene Unternehmen finanzieren und versuche den aus diesen unternehmerischen Fehlentscheidungen resultierenden Finanzierungsbedarf durch Strompreiserhöhung zu decken. Die neu angebotene Wertsicherungsklausel (Preisbestimmungsmodel) sei außerdem sitten- und gesetzwidrig, bestehe doch für die Anwendung des von der Beklagten einseitig gewählten Sonderindex („W*-Strom-Index“) keine Notwendigkeit. Die Kündigung sei auch wegen Verletzung der gesetzlichen Regeln zur Vertragsbeendigung unwirksam. Die Vertragsbeendigung durch den Stromlieferanten dürfe nur nach dem Prozedere gemäß § 82 Abs 3 ElWOG erfolgen. Die Änderungskündigung der Beklagten sei eine unzulässige Umgehung der gesetzlich zwingenden Vorgaben des Preisänderungsrechts nach § 80 Abs 2a ElWOG, weil demnach eine Preiserhöhung in einem angemessenem Verhältnis zu dem für die Änderung maßgebenden Umstand stehen müsse. Dagegen sei der Neuvertrag(‑svorschlag) sittenwidrig, weil die Beklagte das Marktversagen am Strommarkt ausnütze, um gegenüber den auf die Stromversorgung dringend angewiesenen Kunden trotz nicht gestiegener eigener Beschaffungs- und Produktionskosten einen im Vergleich zu diesen Kosten exorbitant höheren Strompreis zu lukrieren. Es liege keine „ordentliche“ Kündigung vor, weil die erklärte Änderungskündigung nicht auf die Beendigung des Stromliefervertrags, sondern primär darauf abziele, die Vertragsbedingungen inhaltlich, insbesondere den Strompreis, neu zu gestalten. Schließlich habe die Beklagte auf ein allfälliges Kündigungsrecht stillschweigend verzichtet, weil sie seit vielen Jahren nie von einer Kündigungsmöglichkeit zur Preiserhöhung Gebrauch gemacht habe.
[12] Die Beklagte beantragte Klageabweisung und erwiderte, dass sie von ihrem Recht auf ordentliche Kündigung nach § 76 Abs 1 ElWOG Gebrauch gemacht habe. § 80 Abs 2a ElWOG beschränke nicht das Recht eines Stromlieferanten, bestehende Verträge zu kündigen. Der Beklagten komme weder rechtlich noch faktisch eine marktmächtige Position oder gar eine Monopolstellung zu. Zum Zeitpunkt der Kündigung des Stromliefervertrags der Klägerin habe es für diese 52 weitere Angebote zur Versorgung mit Strom gegeben, unter denen sie hätte auswählen können. Außerdem stehe es ihr frei, sich gegenüber einem Stromhändler oder Lieferanten auf die sogenannte Grundversorgung gemäß § 77 ElWOG zu berufen. Es bestehe daher für die Klägerin keine Gefahr, dass die Stromversorgung unterbrochen werde und siesei auch nicht auf die Belieferung durch die Beklagte angewiesen. Die Beklagte habe eine unbedingte Kündigung und keine Änderungskündigung ausgesprochen. Im Übrigen sei die Kündigung auch sachlich gerechtfertigt, weil sie den überwiegenden Teil ihres Bedarfs an den Großhandelsmärkten decken müsse und deshalb die Kundenverträge trotz (teilweiser) Eigenproduktion defizitär seien. Die Einhaltung des bisherigen Vertrags mit der Klägerin wäre der Beklagten daher selbst im Fall einer (nicht vorliegenden) Monopolstellung unzumutbar gewesen. Das neue Angebot der Beklagten sei ebenfalls nicht sittenwidrig, sondern vor dem Hintergrund der derzeitigen Marktsituation kompetitiv niedrig.
[13] Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab (ein von der Beklagten anerkanntes Leistungsbegehren ist nicht mehr Gegenstand des Verfahrens). Die Beklagte verfüge über keine marktbeherrschende oder Monopolstellung, unterliege daher keinem Kontrahierungszwang und müsse deshalb auch eine von ihr vorgenommene Vertragsauflösung nicht sachlich rechtfertigen. Die Beklagte habe das ihr nach § 76 Abs 1 Satz 2 ElWOG zustehende Kündigungsrecht ausgeübt, welches durch die zwingende Entgeltänderungsregelung des § 80 Abs 2a ElWOG nicht beschränkt werde. Eine unzulässige Umgehung dieser Bestimmung liege nicht vor. Da die Beklagte den Vertrag mit der Klägerin durch eine ordentliche Kündigung beendet habe, sei die Beklagte auch nicht zur Durchführung eines Mahnverfahrens nach § 82 Abs 3 ElWOG verpflichtet gewesen. Auch Sittenwidrigkeit oder eine gröbliche Benachteiligung der Klägerin seien im Vorgehen der Beklagten nicht zu erkennen, weil der von der Beklagten für den Fall eines neuen Vertragsabschlusses angebotene Energiepreis immer noch deutlich niedriger sei als die von anderen Energielieferanten angebotenen Preise. Die Kündigung sei daher nicht sittenwidrig gewesen. Die Beklagte habe auf ihr Kündigungsrecht nicht stillschweigend verzichtet und § 15 Abs 1 KSchG normiere nur eine Kündigungsmöglichkeit zu Gunsten des Verbrauchers, nicht aber eine Beschränkung der freien Kündbarkeit eines Stromliefervertrags durch den Lieferanten. Die Kündigung des Stromliefervertrags durch die Beklagte sei somit insgesamt rechtswirksam erfolgt.
[14] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Abgrenzung zwischen einer Kündigung gemäß § 76 Abs 1 ElWOG und einer Preis- oder Vertragsänderung gemäß § 80 ElWOG sei danach zu treffen, ob das Vertragsverhältnis bei Untätigkeit des Verbrauchers ende. Sei dies der Fall, liege eine Kündigung vor, andernfalls eine Preisänderung. Nach dem Schreiben der Beklagten vom 27. 7. 2022 ende der Vertrag und eine weitere Belieferung erfordere einen neuen Vertragsabschluss, weshalb eine Kündigung und keine Preisänderung vorgelegen sei. Aus 3 Ob 90/22i sei abzuleiten, dass nur vereinbarte Preisanpassungsklauseln in den Anwendungsbereich des § 80 Abs 2a ElWOG fielen, weshalb diese Bestimmung für die hier erfolgte Kündigung durch den Energieversorger keine Bedeutung habe. Da dieKlägerin das Neuvertragsangebot der Beklagten nicht angenommen habe, müsse auch nicht geprüft werden, ob dieses den Informations- und Begründungspflichten des § 80 Abs 2a ElWOG entspreche, sitten- oder gesetzwidrig sei oder eine gröbliche Benachteiligung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB begründe. Die Beklagte habe keine marktbeherrschende Stellung. In der Stadt W* gebe es nämlich einen zweiten Netzbetreiber und die Beklagte habe in ihrem Netz nur einen Lieferanteil von 62,20 %, während 37,80 % auf 62 andere Energielieferanten entfielen. Die Beklagte ermögliche außerdem jedem Energielieferanten, in ihrem Netz Kunden mit elektrischer Energie zu beliefern, und sie beeinflusse auch den Strompreis der anderen Energielieferanten nicht. Selbst im Fall eines Kontrahierungszwangs könne dieser nur zu angemessenen Bedingungen, also zu marktüblichen Preisen, angenommen werden, welche die Beklagte im Vergleich zur Bandbreite der Alternativangebote ohnehin anbiete. Aus diesem Grund liege auch keine rechtsmissbräuchliche (sittenwidrige) Kündigung vor. Aus der allfälligen Vornahme von Preiserhöhungen auf der Grundlage des ÖSPI lasse sich kein stillschweigender Kündigungsverzicht ableiten. Im Ergebnis sei daher von einer rechtswirksamen Kündigung des Stromliefervertrags durch die Beklagte auszugehen.
[15] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert seines Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob § 80 Abs 2a ElWOG auch dann (analog) anzuwenden sei, wenn der Energieanbieter die einseitige Kündigung des bisherigen Energieliefervertrags ausspreche und gleichzeitig ein Angebot zum Abschluss eines Neuvertrags mit höheren Preisen unterbreite.
[16] Gegen diese Entscheidung richtet sich die RevisionderKlägerin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Stattgebung des Klagebegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[17] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihrnicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[18] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
[19] I.1. Die von der Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung unter Hinweis auf die Differenz zwischen den jährlichen Kosten des gekündigten Vertrags von rund 1.000 EUR und dem günstigsten zur Auswahl stehenden Alternativangebot von rund 2.600 EUR behauptete offenkundige Überbewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht liegt nicht vor:
[20] I.2. Der Bewertungsausspruch der zweiten Instanz ist – wie die Beklagte selbst einräumt – grundsätzlich unanfechtbar und auch für den Obersten Gerichtshof bindend (RS0042515), es sei denn, das Berufungsgericht hätte zwingende Bewertungsvorschriften verletzt (RS0042385 [T8]) oder den ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessensspielraum überschritten (RS0042385 [T22]; RS0042515 [T8]) und eine offenkundige Unter- oder Überbewertung vorgenommen (RS0109332 [T1]).
[21] Dies ist hier nicht der Fall, weil es – selbst wenn man auf die von der Beklagten ins Treffen geführte Preisdifferenz abstellen wollte – nicht allein auf einen Jahresdifferenzbetrag ankommen kann, handelt es sich doch bei Energielieferungsverträgen um sogenannte Sukzessivlieferungsverträge mit einem häufig längerfristigen Zeithorizont (vgl RS0025878 [T2]). Eine offenkundige Überbewertung liegt daher nicht vor.
[22] II. Der Behandlung der Revision der Klägerin ist vorauszuschicken, dass sich der Oberste Gerichtshof jüngst – zu 3 Ob 7/24m vom 17. 4. 2024 – mit einer praktisch identen Klage und einer nahezu völlig textidenten Revision eines anderen Kunden der Beklagten ausführlich auseinandergesetzt hat, welche gegen – unter Zugrundelegung eines im Kern ebenfalls identen Sachverhalts – inhaltsgleich wie hier getroffene Entscheidungen der Vorinstanzen erhoben worden war.
[23] Der erkennende Senat teilt uneingeschränkt die dort geäußerte Auffassung des 3. Senats und die daraus folgende Beurteilung des Sachverhalts, sodass der Revision der Klägerin auch hier zusammengefasst das Folgende zu erwidern ist:
[24] II.1. Der Oberste Gerichtshof hat die von der Klägerin behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens geprüft; sie liegen nicht vor:
[25] II.1.1.1. Die Klägerin bezieht sich auf ihre Berufungsausführungen, wonach das Vorgehen der Beklagten als bedingte Kündigung für den Fall zu werten sei, dass die Klägerin nicht binnen gesetzter Frist ihr Einverständnis mit der angestrebten Preisänderung und der Änderung der Preisanpassungsklausel erkläre. Das Berufungsgericht habe nach Ansicht der Klägerin diesen von Beginn an eingenommenen Standpunkt irrig als unzulässige Neuerung und als Entfernung vom festgestellten Sachverhalt angesehen und nicht berücksichtigt. Tatsächlich stelle diese Bewertung des Vorgehens der Beklagten eine Frage der rechtlichen Beurteilung dar.
[26] II.1.1.2. Das Berufungsgericht hat – entgegen der Ansicht der Klägerin – die besagte Rechtsansicht nicht als unzulässige Neuerung gewertet, sondern ist sinngemäß zum Schluss gekommen, dass die von der Klägerin vorgenommene Auslegung des Schreibens der Beklagten vom 27. 7. 2022 im festgestellten Inhalt keine Deckung finde. Die Auslegung einer nach Form und Inhalt unbestrittenen Urkunde ist aber eine Frage der rechtlichen Beurteilung (RS0043422 [T1]), sodass in diesem Zusammenhang kein Mangel des Berufungsverfahrens vorliegen kann.
[27] II.1.2. Das Berufungsgericht hat es aus rechtlichen Erwägungen für nicht relevant erachtet, ob die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 27. 7. 2022 den Informations- und Begründungspflichten gemäß § 80 Abs 2a ElWOG und den verpflichtenden Vorgaben der Aufsichtsbehörde in deren Musterformulierungen entsprochen habe und deshalb einen sekundären Feststellungsmangel verneint. Vermeintliche sekundäre Feststellungsmängel sind aber qualitativ der Rechtsrüge zuzuordnen (RS0043304 [T6]) und begründen – selbst gegebenenfalls – keinen Verfahrensmangel (vgl 7 Ob 25/17b).
[28] II.1.3.1. Die Klägerin behauptet weitere (sekundäre) Feststellungsmängel zur fraglichen marktbeherrschenden Stellung der Beklagten und zur möglichen Valorisierung des Strompreises auf Grundlage des ÖSPI (Österreichischer Strompreisindex).
[29] II.1.3.2. Auch dazu genügt der Hinweis, dass ein vermeintlicher sekundärer Feststellungsmangel keine Verfahrensmängel begründet (Punkt II.1.2.).
[30] II.2. Die Klägerin setzt sich in ihrer Rechtsrüge in erster Linie mit der Frage der Abgrenzung der Anwendungsbereiche des § 80 Abs 2a ElWOG einerseits und des § 76 Abs 1 ElWOG andererseits auseinander und vertritt die Ansicht, dass jede Preisänderung dem Regime des § 80 ElWOG unterliege. Es komme nach Ansicht der Klägerin – entgegen der Meinung des Berufungsgerichts – nicht darauf an, ob das Vertragsverhältnis durch Untätigkeit des Verbrauchers ende. Vielmehr könne nur maßgeblich sein, ob der Versorger eine Preisänderung zu einem unbefristeten Vertrag bezwecke, den bestehenden Kunden weiterhin als Kunden behalten wolle, das laufende Stromlieferverhältnis „ohne Wenn und Aber“ beenden oder dieses unter geänderten Bedingungen fortsetzen wolle, und ob es der Verbraucher letztentscheidend in der Hand habe, ob das Vertragsverhältnis beendet werde oder er eine Entgeltänderung oder ein Neuvertragsangebot akzeptiere.
Dazu ist auszuführen:
[31] II.2.1. Der hier relevante Teil des § 76 ElWOG lautet in der bereits seit BGBl I 2013/174 geltenden Fassung wie folgt:
„Verfahren für Wechsel, Anmeldung, Abmeldung und Widerspruch
(1) Verbraucher im Sinne des § 1 Abs 1 Z 2 KSchG und Kleinunternehmen können Verträge mit ihrem Lieferanten unter Einhaltung einer Frist von zwei Wochen kündigen, ohne einen gesonderten Kündigungstermin einhalten zu müssen. Lieferanten können Verträge mit Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs 1 Z 2 KSchG und Kleinunternehmen nur unter Einhaltung einer Frist von zumindest acht Wochen kündigen. Sind Bindungsfristen vertraglich vereinbart, so ist die ordentliche Kündigung spätestens zum Ende des ersten Vertragsjahres und in weiterer Folge für Verbraucher im Sinne des § 1 Abs 1 Z 2 KSchG und Kleinunternehmen unter Einhaltung einer Frist von zwei Wochen sowie für Lieferanten unter Einhaltung einer Frist von zumindest acht Wochen möglich.
[…]“
[32] II.2.2. § 80 Abs 2a ElWOG beruht – so wie auch Abs 5 leg cit – auf der Novelle BGBl I 2022/7, die am 15. 2. 2022 in Kraft getreten ist; die zuletzt erfolgte Änderung durch BGBl I 2023/145 betrifft nur Abs 4a ElWOG.
[33] II.2.3. Die hier relevanten Teile des § 80 ElWOG lauten:
„Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Belieferung mit elektrischer Energie
(1) (Grundsatzbestimmung) Versorger haben Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Belieferung mit elektrischer Energie für Kunden, deren Verbrauch nicht über einen Lastprofilzähler gemessen wird, zu erstellen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie ihre Änderungen sind der Regulierungsbehörde vor ihrem In-Kraft-Treten in elektronischer Form anzuzeigen und in geeigneter Form zu veröffentlichen.
(2) Änderungen der Geschäftsbedingungen und der vertraglich vereinbarten Entgelte sind dem Kunden schriftlich in einem persönlich an ihn gerichteten Schreiben oder auf dessen Wunsch elektronisch mitzuteilen. In diesem Schreiben sind die Änderungen der Allgemeinen Bedingungen nachvollziehbar wiederzugeben. Gleichzeitig ist der Kunde darauf hinzuweisen, dass er berechtigt ist, die Kündigung des Vertrags binnen vier Wochen ab Zustellung des Schreibens kostenlos und ungeachtet allfälliger vertraglicher Bindungen zu erklären.
(2a) Änderungen der vertraglich vereinbarten Entgelte von Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs 1 Z 2 KSchG und Kleinunternehmern mit unbefristeten Verträgen müssen in einem angemessenen Verhältnis zum für die Änderung maßgebenden Umstand stehen. Bei Änderung oder Wegfall des Umstands für eine Entgelterhöhung hat eine entsprechende Entgeltsenkung zu erfolgen. Verbraucher und Kleinunternehmer müssen über Anlass, Voraussetzung, Umfang und erstmalige Wirksamkeit der Entgeltänderungen auf transparente und verständliche Weise mindestens ein Monat vor erstmaliger Wirksamkeit der Änderungen schriftlich in einem persönlich an sie gerichteten Informationsschreiben oder auf ihren Wunsch elektronisch informiert werden. Gleichzeitig sind Verbraucher und Kleinunternehmer darauf hinzuweisen, dass sie berechtigt sind, die Kündigung des Vertrags binnen vier Wochen ab Zustellung des Schreibens kostenlos und ungeachtet allfälliger vertraglicher Bindungen zu erklären. Versorger haben dabei von der Regulierungsbehörde zur Verfügung gestellte Musterformulierungen zu verwenden.
[…]
(5) Durch die Regelungen der Abs 1 bis 4 bleiben die Bestimmungen des ABGB unberührt. Vorbehaltlich des Abs 2a bleiben auch die Bestimmungen des KSchG unberührt.“
[34] II.2.4. § 80 Abs 2a ElWOG soll nach den Materialien (Abänderungsantrag AA‑217 BlgNR 27. GP 7) mit Art 10 Abs 4 der Elektrizitätsbinnenmarkt‑RL 2019/944/EU im Einklang stehen; diese Bestimmung lautet:
„KAPITEL III STÄRKUNG UND SCHUTZ DER VERBRAUCHER
Artikel 10 Grundlegende vertragliche Rechte
[…]
(4) Die Kunden müssen rechtzeitig über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen und dabei über ihr Recht, den Vertrag zu beenden, unterrichtet werden. Die Versorger unterrichten ihre Kunden direkt und auf transparente und verständliche Weise über jede Änderung des Lieferpreises und deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang, zu einem angemessenen Zeitpunkt, spätestens jedoch zwei Wochen, im Fall von Haushaltskunden einen Monat, vor Eintritt der Änderung. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es den Endkunden freisteht, den Vertrag zu beenden, wenn sie die neuen Vertragsbedingungen oder Änderungen des Lieferpreises nicht akzeptieren, die ihnen ihr Versorger mitgeteilt hat.
[…]“
[35] II.2.5. Aus der wiedergegebenen Rechtslage folgt, dass § 76 Abs 1 ElWOG – schon seinem klaren Wortlaut nach – von der Zulässigkeit einer Vertragskündigung („ordentliche Kündigung“) durch den Lieferanten ausgeht, von dem er bei Verträgen mit Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs 1 Z 2 KSchG und mit Kleinunternehmen die Einhaltung einer Frist von zumindest acht Wochen verlangt. § 80 Abs 2 und Abs 2a ElWOG betreffen dagegen – wiederum schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut und überdies im Einklang mit Art 10 Abs 4 der Elektrizitätsbinnenmarkt‑RL 2019/944/EU – einseitige „Änderungen der […] vertraglich vereinbarten Entgelte“ im aufrechten Vertragsverhältnis (vgl 3 Ob 90/22i), nach welchen der Kunde berechtigt ist, die „Kündigung des Vertrags […] kostenlos und ungeachtet allfälliger vertraglicher Bindungen zu erklären“. Folgerichtig hat die Novelle BGBl I 2022/7, mit der § 80 Abs 2a ElWOG eingeführt wurde, die – einen anderen Regelungsinhalt betreffende – Bestimmung des § 76 ElWOG unberührt gelassen.
[36] II.2.6. In diesem Zusammenhang spielen auch die von der Klägerin ins Treffen geführten Grundsätze lex posterior derogat legi priori und lex specialis derogat legi generali keine Rolle, regeln doch § 76 ElWOG und § 80 ElWOG unterschiedliche Tatbestände (Kündigung einerseits und Vertragsanpassung andererseits), weshalb sie zueinander nicht im Verhältnis der Spezialität stehen. Bei der ordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses handelt es sich schon begrifflich nicht um eine einseitige Änderung der vertraglichen Leistungen (vgl 8 Ob 38/23f Rz 24; 3 Ob 131/23w Rz 27) und insbesondere auch nicht um eine einseitige Entgelterhöhung bei Weiterbestand des Vertrags. Daraus folgt, dass § 80 Abs 2a ElWOG auf eine unbedingte ordentliche Kündigung nicht anzuwenden ist. An diesem Befund ändert sich auch nichts dadurch, dass der Lieferant mit der ordentlichen Kündigung den – von einem Tätigwerden des Konsumenten abhängigen – Abschluss eines neuen Vertrags anbietet, selbst wenn es – wie die nunmehrige Revision an mehreren Stellen hervorhebt – im Schreiben vom 27. 7. 2022 hieß, es werde gekündigt und der Klägerin werde ein Angebot gemacht. Auch in diesem Fall besteht nämlich grundsätzlich kein Bedarf nach der (ausschließlichen oder ergänzenden) Anwendung von Vorschriften, die sich allein auf die einseitige Änderung von Vertragspflichten bei aufrecht bleibendem Vertragsverhältnis beziehen, unterliegt doch der Neuabschluss eines Vertrags ohnehin der dafür – insbesondere zum Schutz des Verbrauchers – vorgesehenen Geltungs- und Inhaltskontrolle.
[37] II.2.7. Die von der Klägerin gegen diese Rechtsansicht und für die Anwendung des § 80 Abs 2a ElWOG ins Treffen geführte Entscheidung 9 Ob 16/18w betrifft eine spezifisch abweichende gesetzliche Regelung, nämlich § 29 Abs 1 (aF) bzw § 50 Abs 1 ZaDiG (idgF), dessen Z 2 den – hier nicht vorliegenden – Fall einer vereinbarten Zustimmungsfiktion betrifft. Diese Entscheidung ist daher nicht einschlägig.
[38] II.2.8. Die Beklagte hat mit ihrem Schreiben vom 27. 7. 2022, das – entgegen den untauglichen gegenteiligen Auslegungsversuchen der Klägerin – keinem anderen Verständnis zugänglich ist, keine Änderungen des vertraglich vereinbarten Entgelts bei weiter bestehendem Vertragsverhältnis und keine bloß bedingte, sondern die unbedingte ordentliche Kündigung des damals mit der Klägerin bestandenen Stromliefervertrages vorgenommen. Daraus folgt als Zwischenergebnis, dass aus § 80 Abs 2a ElWOG nicht die Unwirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung oder das unveränderte Fortbestehen des seinerzeitigen Vertragsverhältnisses abgeleitet werden kann. § 80 Abs 2a ElWOG ist nicht auf eine unbedingte ordentliche Kündigung anzuwenden, und zwar auch dann nicht, wenn damit ein Angebot auf Abschluss eines neuen Vertrags zu geänderten Bedingungen verbunden wird, was ohnedies als solches einer eigenständigen Geltungs- und Inhaltskontrolle unterliegt. Dass der – entgegen der Ansicht der Klägerin – nicht durch § 80 ElWOG verdrängte § 76 Abs 1 ElWOG, der die Kündigung durch den Lieferanten betrifft, eine hier relevante Einschränkung dieses Kündigungsrechts vorsehe, behauptet auch die Klägerin nicht.
[39] II.3. Soweit sich die Ausführungen der Klägerin, wonach jede Preisänderung zu einem unbefristeten Stromliefervertrag in den Anwendungsbereich des § 80 ElWOG falle, (auch) gegen das neue Vertragsanbot der Beklagten richten sollte, welches die Klägerin auch für intransparent sowie sitten- und gesetzwidrig hält, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin das Anbot der Beklagten auf Abschluss eines neuen Vertrags mit einem höheren Strompreis letztlich nicht angenommen hat und dies auch mit ihrem Klagebegehren nicht anstrebt. Ob dieses Anbot den dafür maßgeblichen gesetzlichen Anforderungen oder den von der Klägerin dazu verlangten Informationen (vgl oben Punkt II.1.2.) entsprochen hat, bedarf daher keiner Überprüfung.
[40] II.4.1. Die Klägerin verweist darauf, dass nach der Rechtsprechung nicht nur Monopolisten, sondern auch Unternehmen der öffentlichen Hand zur Daseinsvorsorge einem „allgemeinen“ oder „mittelbaren“ Kontrahierungszwang unterliegen würden. Betreffend die Tätigkeit der Beklagten als Unternehmen der öffentlichen Hand im Bereich der Daseinsvorsorge mit Strom lägen sekundäre Feststellungsmängel vor.
[41] II.4.2. Zunächst gilt im Schuldrecht als Ausdruck des allgemeinen Gedankens der Privatautonomie das Prinzip der Vertragsfreiheit, also auch der Entscheidungsfreiheit, ob und mit wem ein Vertrag geschlossen wird (RS0013940). Eine Einschränkung des Grundsatzes der Privatautonomie wird nur bei Vorliegen besonderer Umstände zur Lösung schwerwiegender Interessenkollisionen in Kauf genommen, wie etwa im Fall monopolartiger Betriebe, denen Kontrahierungszwang zu angemessenen Bedingungen auferlegt wird (RS0113652). Ein Kontrahierungszwang ist überall dort anzunehmen, wo die faktische Übermacht eines Beteiligten bei bloß formaler Parität diesem die Möglichkeit der „Fremdbestimmung“ über Andere gibt (RS0016744). Die Pflicht zum Vertragsschluss wird aber auch dort bejaht, wo ein Unternehmen eine Monopolstellung innehat und diese Stellung durch Verweigerung des Vertragsabschlusses sittenwidrig ausnützt (RS0016762). Ansonsten besteht Kontrahierungs- oder Abschlusszwang als Ausnahme vom Prinzip der Abschlussfreiheit nur in den vom Gesetz geregelten Fällen (RS0016805).
[42] II.4.3. Es entspricht gesicherter Rechtsprechung, dass für einen Monopolisten Kontrahierungszwang zu angemessenen Bedingungen besteht (RS0030805 [T1]). Der Inhaber einer Monopolstellung muss, wenn ihm ein Vertragsabschluss zumutbar ist, einen guten (sachlichen) Grund für die Verweigerung eines Vertragsabschlusses haben (RS0016745 [T10]). Allerdings darf selbst ein Unternehmen aus dem Bereich der Daseinsvorsorge ein Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund mittels außerordentlicher Änderungskündigung beenden, um mit den betroffenen Kunden neue Verträge mit angemessenen Bedingungen abzuschließen, die dem Monopolisten einen kostendeckenden Betrieb ermöglichen (vgl 6 Ob 182/13b mwN).
[43] II.4.4. Für die hier vorliegende Konstellation der Stromversorgung steht es dem Verbraucher infolge Liberalisierung des Strommarktes allerdings ohnehin frei, aus verschiedenen Stromanbietern zu wählen (vgl 6 Ob 277/08s). Der einfache Umstieg zwischen verschiedenen Stromanbietern (Wechselmöglichkeit) wird durch §§ 76 ff ElWOG sichergestellt. Demnach liegt in diesem Bereich keine Fremdbestimmtheit der Klägerin vor, weil sie als Verbraucherin ein echtes Wahlrecht unter verschiedenen Anbietern hat. Es besteht aber auch keine marktbeherrschende Stellung der Beklagten für die Stromlieferung, hat doch das Erstgericht ohnehin zahlreiche Angebote anderer Lieferanten festgestellt, die unter Nutzung des Netzes der Beklagten für die Lieferung von elektrischer Energie an das Wohnhaus der Klägerin zur Verfügung stehen und aus denen sich keine Hinweise ergeben, dass der Tarif der Beklagten nicht marktkonform wäre. Es liegt demnach kein Fall einer Marktbeherrschung vor, der die Kündigung der Beklagten als unwirksam erweisen und diese zur Weiterbelieferung nach den seinerzeitigen Konditionen verpflichten könnte.
[44] II.5.1. Die Klägerin behauptet noch sekundäre Feststellungsmängel betreffend die Strompreiserhöhungen durch die Beklagte im Zeitraum vom seinerzeitigen Vertragsabschluss bis 2. 5. 2022 sowiedie Möglichkeit der Beklagten einer Strompreiserhöhung auf Grundlage des ÖSPI zum 1. 10. 2022 und den von der Beklagten dafür herangezogenen Preisanpassungsklauseln. Erst nach ergänzenden Feststellungen zu diesen Themenbereichen könne die Frage beantwortet werden, ob es zwischen den Streitteilen zu einem konkludenten Kündigungsverzicht zur Erreichung einer Strompreiserhöhung gekommen sei.
[45] II.5.2. Dem ist zu entgegnen, dass ein – redlicher – Erklärungsempfänger (vgl dazu RS0014160 [insb T24]; RS0014205 [insb T2, T18]) selbst wiederholte Preiserhöhungen nicht als einen (schlüssigen) Verzicht auf das Recht zur ordentlichen Kündigung verstehen könnte.
[46] II.6.1. Zusammengefasst sind die Vorinstanzen zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass § 80 ElWOG nicht auf die von der Beklagten vorgenommene unbedingte ordentliche Kündigung anzuwenden ist und dieser Kündigung auch nicht die weiteren von der Klägerin dagegen ins Treffen geführten Gründe entgegenstehen. Mangels marktbeherrschender Stellung der Beklagten und im Hinblick auf die zu marktkonformen Bedingungen bestehenden Wechselmöglichkeiten trifft die Beklagte kein die Kündigung unwirksam machender Kontrahierungszwang. Das neue Angebot war inhaltlich nicht zu prüfen. Ein schlüssiger Kündigungsverzicht lag nicht vor. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.
[47] II.6.2. Die Kostenentscheidung gründet in §§ 41, 50 ZPO.
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