OGH 6Ob109/23g

OGH6Ob109/23g26.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*gesellschaft mbH, FN *, vertreten durch CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. H* H*, geboren *, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 2.000.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. März 2023, GZ 2 R 187/22t‑59, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00109.23G.0426.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Beklagte hielt Gesellschaftsanteile an der Klägerin und zwei weiteren Gesellschaften deren Unternehmensgruppe. Aufgrund persönlicher Differenzen zwischen dem Beklagten und den übrigen Gesellschaftern der Klägerin einigte man sich auf einen Ausstieg des Beklagten aus allen drei Gesellschaften. Der Rahmenvertrag, mit dem dieser Ausstieg geregelt wurde, enthielt folgende Konkurrenzklausel:

„[Der Beklagte] verpflichtet sich, für die Dauer von zwei Jahren ab Eintragung der in diesem Vertrag vereinbarten nicht verhältniswahrenden Abspaltung in das Firmenbuch weder auf eigene noch auf fremde Rechnung Geschäfte im Geschäftszweig der [Klägerin und der beiden weiteren Gesellschaften] auf den Gebieten der gänzlichen oder teilweisen Herstellung von Gleisbau- und/oder Gleisinstandhaltungsmaschinen zu machen, noch sich bei einer anderen Gesellschaft des gleichen Geschäftszweiges als persönlich haftender Gesellschafter oder sonstwie als Gesellschafter zu beteiligen oder eine Stelle im Vorstand, im Aufsichtsrat, als Geschäftsführer, als leitender Angestellter oder als Konsulent zu bekleiden. Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Konkurrenzklausel verpflichtet sich [der Beklagte], je Verstoß eine schadens‑ und verschuldensunabhängige Konventionalstrafe im Betrag von je EUR 1.000.000,-- (Euro eine Million) an die [Klägerin] als Anspruchsberechtigte zu bezahlen. Festgehalten wird, dass jede bloße Beteiligung als Gesellschafter bzw. Aktionär an Kapitalgesellschaften mit einer Beteiligung von weniger als 49 % des Stamm‑ oder Grundkapitals von diesem Konkurrenzverbot ausgenommen ist.“

[2] Die Klägerin begehrte den Klagsbetrag als Konventionalstrafe, weil sich der Beklagte in einer mehrfach gegen die vereinbarte Konkurrenzklausel verstoßenden Weise am Konkurrenzunternehmen S* GmbH (im Folgenden S‑GmbH) beteiligt und über dieses im Geschäftszweig der Klägerin Geschäfte gemacht habe.

[3] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren mangels Verstoßes gegen das Konkurrenzverbot ab.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

[5] 1.1. Konkurrenzklauseln sind mangels besonderer Interpretationsregeln nach den Bestimmungen der §§ 914 ff ABGB auszulegen (7 Ob 20/23a [ErwGr 3.2.]; vgl RS0111387 [T1]). Bei Auslegung einer Willenserklärung nach den §§ 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen (RS0017915).

[6] Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936; RS0042871). Dies gilt auch für die Auslegung einer Konkurrenzklausel (RS0101811 [T1]). Ein unvertretbares Auslegungsergebnis zeigt die Revision im vorliegenden Fall nicht auf.

[7] 1.2. Nach den Festellungen finanzierte der Beklagte die S‑GmbH durch Eigenkapital in Form indirekt über Treuhänder gehaltener Geschäftsanteile von insgesamt 48,9 % des Stammkapitals und durch Fremdkapital in Form von Gesellschafterkrediten, wobei er sich während der Laufzeit der Konkurrenzklausel nicht in die Geschäftsführung einmischte.

[8] Das Berufungsgericht war der Ansicht, die gegenständliche Konkurrenzklausel, die das Ergebnis von Verhandlungen beider Parteien gewesen sei und den wechselseitigen Interessen Rechnung tragen habe sollen, weiche von den sonst üblichen Konkurrenzverboten ab. Für die Auslegung der Klausel sei es unbeachtlich, ob die Klägerin bereits von der Existenz bzw der Beteiligung des Beklagten an der S‑GmbH gewusst habe. Die vom Beklagten in die Konkurrenzklausel hinein reklamierte Ausnahme für Beteiligungen unter 49 % an Konkurrenzunternehmen habe deutlich gemacht, dass der Beklagte ein Interesse an solchen Beteiligungen gehabt habe. Einem GmbH‑Gesellschafter müsse es neben der Beteiligung von weniger als 49 % des Grundkapitals gestattet sein, Handlungen zu setzen, die üblicherweise mit Beteiligungen dieser Größenordnung verbunden sind; dazu gehörten auch die Mitwirkung an Gesellschafterbeschlüssen und die Gewährung von Darlehen an die Gesellschaft als Fremdkapitel. Für die von der Klägerin gewünschte Auslegung, die auch die Gewährung von Fremdkapital insoweit dem Konkurrenzverbot unterstellen wolle, als die Höhe der Beteiligung an der Gesamtfinanzierung der Konkurrenzgesellschaft durch den Beklagten 49 % nicht überschreiten dürfe, bestehe kein Anlass. Die Wendung „bloße“ Beteiligung sei in Bezug auf gesellschaftsrechtliche Funktionen, etwa als Geschäftsführer oder Aufsichtsrat, zu verstehen, nicht aber auf zusätzliche Krediteinräumungen, welche keine (weiteren) Gesellschafterrechte verschafften.

[9] Damit hat das Berufungsgericht seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Ob die Rechtsansicht, Konkurrenzklauseln seien wegen des Prinzips der Vertragsfreiheit im Zweifel einschränkend auszulegen (RS0016612), in dieser Allgemeinheit zutrifft (vgl 2 Ob 336/01b), kann vorliegend dahingestellt bleiben. Ein übereinstimmender (abweichender) Parteiwille (vgl RS0043422 [T6, T13]), wie ihn die Revision ihrer Argumentation teilweise zugrunde legt, steht ebenso wenig fest wie eine Verletzung des neben der Konkurrenzklausel vereinbarten Abwerbeverbots.

[10] Nur ergänzend sei festgehalten, dass der von der Klägerin in einem weiteren Prozess vom Beklagten begehrte Schadenersatz, weil die Klägerin bei Kenntnis der vom Beklagten vor und bei Abschluss der Abschichtungsvereinbarung nicht offengelegten Beteiligung an der S‑GmbH den Abschichtungsvertrag anders geschlossen hätte, mangels bestehender Aufklärungspflicht des Beklagten rechtskräftig abgewiesen wurde.

[11] 2.1. Um dem mit der Klägerin vereinbarten Konkurrenzverbot zu entsprechen, reduzierte der Beklagte vor Eintritt dessen Wirksamkeit seine indirekt über eine Treuhänderin gehaltene Beteiligung an der S‑GmbH auf insgesamt 48,9 %. Dazu wurden mittels Abtretungs- und Treuhandvertrag die diese Beteiligungsquote übersteigenden indirekt gehaltenen Gesellschaftsanteile des Beklagten an zwei bisherige Mitgesellschafter übertragen (die auch zu Geschäftsführern bestellt wurden), die diese Anteile in der Folge zusätzlich zu ihren bisherigen Anteilen unmittelbar selbst hielten. Weiters wurde in § 3 dieses Vertrags hinsichtlich der vom Beklagten indirekt gehaltenen nunmehr 48,9 % der Anteile ein teilweiser Treuhänderwechsel auf die beiden Mitgesellschafter als (neue) Treuhänder vereinbart. In § 3 Abs 3 dieses Vertrags verpflichteten sich die beiden Mitgesellschafter „als Treuhänder“ gegenüber dem Beklagten „als Treugeber“ unter anderem unter lit c), bei Beschlussfassung der Gesellschafter „nur entsprechend den Aufträgen des Treugebers das Stimmrecht auszuüben“.

[12] Es war allen Parteien bekannter und ausdrücklich durch Wiedergabe der Konkurrenzklausel angeführter Zweck der Abtretungs‑ und Treuhandvereinbarung, damit die Einhaltung der Konkurrenzklausel durch den Beklagten zu gewährleisten, und war dies dem Beklagten auch sehr wichtig. Er war – wie beabsichtigt – von Anfang an reiner Investor, mischte sich auch in der Folge nicht in die Geschäfte der S‑GmbH ein und ließ den Geschäftsführern freie Hand, ohne Weisungen an diese als Treuhänder betreffend die Stimmabgabe zu erteilen. Die Investition in die S‑GmbH war für den Beklagten nur eine Geldanlage von mehreren.

[13] 2.2. Das Berufungsgericht war der Auffassung, zwar fände sich in § 3 Abs 3 lit c) des Abtretungsvertrags hinsichtlich der Ausübung der Stimmrechte keine explizite Einschränkung auf die treuhändig gehaltenen Anteile, während dies beispielsweise in lit b) bei der Weiterleitung des Bilanzgewinns sehr wohl der Fall sei. Daraus sei aber nicht zwingend abzuleiten, dass die beiden Mitgesellschafter, die nur einen Teil ihrer Anteile treuhändig für den Beklagten hielten, für alle ihre Anteile im Auftrag des Beklagten stimmen müssten. Denn der gesamte § 3 Abs 3 betreffe die Pflichten der beiden Gesellschafter als Treuhänder gegenüber dem Beklagten als Treugeber, woraus sich ergebe, dass diese Verpflichtung nur die treuhändig gehaltenen Anteile betreffe.

[14] Darin ist keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken. Dazu kommt, dass nach den Feststellungen ohnehin auch sämtliche Vertragsparteien des Abtretungs‑ und Treuhandvertrags über den Inhalt der Vereinbarung einig waren (dazu Punkt 3.2.).

[15] 3.1. Nach ständiger Rechtsprechung kann das Stimmrecht für einen Geschäftsanteil grundsätzlich nur einheitlich ausgeübt werden. Ein ungeteilter Geschäftsanteil gewährt in der Regel ein ungeteiltes und unteilbares Stimmrecht (6 Ob 154/18t [ErwGr 5.2.]; RS0127332). Ob im Fall einer bloß treuhändigen Innehabung eines Teils eines Geschäftsanteils eine gespaltene Stimmrechtsausübung zulässig ist, wurde vom Obersten Gerichtshof bisher offen gelassen (vgl 6 Ob 154/18t [ErwGr 5.2.]).

[16] 3.2. Nach den Feststellungen waren sich sämtliche Vertragsparteien des Abtretungs‑ und Treuhandvertrags darüber einig, dass die darin vereinbarte Bindung an Weisungen des Beklagten nur das Stimmrecht der treuhändig zu haltenden Gesellschaftsanteile betreffen sollte und dass die beiden Gesellschafter betreffend jene Gesellschaftsanteile, die sie (auch wirtschaftlich) selbst hielten, nicht an Weisungen des Beklagten gebunden sein sollten. Die Beteiligten gingen von der Zulässigkeit dieser Regelung aus.

[17] 3.3. Das Berufungsgericht war der Ansicht, dies sei daher auch Vertragsinhalt geworden, außer es wäre damit gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen worden. Es gelangte nach Analyse der diesbezüglichen Literatur zur Ansicht, die solcherart vereinbarte gespaltene Stimmrechtsausübung sei hier zulässig und der Vertrag daher wirksam.

[18] Dem hält die Revision lediglich entgegen, dass die in der Literatur für eine gespaltene Stimmrechtsausübung geforderten Voraussetzungen gegenständlich nicht vorlägen.

[19] 3.4. Im Sinne dieser Ausführungen hätte die von der Revision geforderte Unzulässigkeit einer gespaltenen Stimmrechtsausübung zur Folge, dass die von den Parteien vereinbarte Regelung rechtlich nicht möglich wäre (vgl 6 Ob 202/10i). Die Revision legt aber nicht dar, welche Auswirkungen diese teilweise Unmöglichkeit oder eine von ihr postulierte teilweise Gesetzwidrigkeit des Abtretungs‑ und Treuhandvertrags auf dessen (restliche) Wirksamkeit hätte. Insbesondere ist ihren Ausführungen nicht zu entnehmen, weshalb sich daraus die behauptete Folge ergäbe, dass die bisherigen Gesellschafter deshalb künftig auch betreffend ihre auch wirtschaftlich eigenen, nicht treuhändig gehaltenen Gesellschaftsanteile entsprechend den Weisungen des Beklagten abzustimmen hätten.

[20] Ginge man solcherart von einer Teilunwirksamkeit des Abtretungs‑ und Treuhandvertrags aus, läge angesichts der gegebenen Interessenlage im vorliegenden Fall auch nicht auf der Hand, ob und allenfalls mit welchem (verbleibenden) Inhalt die Vertragsparteien den Abtretungs- und Treuhandvertrag auch ohne die unwirksame Stimmrechtsspaltung abgeschlossen hätten (vgl RS0109230; RS0025085; vgl zur Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung im Fall einer Teilunmöglichkeit RS0016415), zumal der teilweise Treuhänderwechsel auf die beiden bisherigen Gesellschafter für die Einhaltung der Konkurrenzklausel gar nicht mehr nötig war.

[21] Damit versäumt es die Revision aber, die Relevanz (vgl 7 Ob 27/22d [ErwGr 2.3]) der von ihr behaupteten fehlerhaften Beurteilung einer erheblichen Rechtsfrage darzulegen. Soweit sie in diesem Zusammenhang darauf hinweist, selbst wenn eine solche Vereinbarung im Sinne des Berufungsgerichts getroffen worden wäre, läge ein Umgehungsgeschäft vor, weshalb die wirklich gewollte Stimmrechtsbindung hinsichtlich der gesamten Geschäftsanteile gelte, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt. Sämtliche Revisionsausführungen zu diesem Punkt betreffen tatsächliche Umstände, die aber den Feststellungen widersprechen, und versuchen daher in unzulässiger Weise, inhaltlich die Beweiswürdigung der Vorinstanzen anzugreifen.

[22] 4. Auch soweit die Revision eine Verletzung der Konkurrenzklausel erneut mit einem Syndikats‑ bzw Stimmbindungsvertrag argumentiert bzw eine während der Geltungsdauer des Konkurrenzverbots erfolgte Rangrücktrittserklärung oder Patronatserklärung durch den Beklagten behauptet, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (RS0043312; RS0043603).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte