OGH 4Ob128/20g

OGH4Ob128/20g20.10.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin W***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in Graz, gegen den Beklagten T***** H*****, vertreten durch Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 50.000 EUR), über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. April 2020, GZ 40 R 52/20y‑44, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 3. Dezember 2019, GZ 5 C 240/17i‑39, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00128.20G.1020.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 2.234,70 EUR (darin enthalten 372,45 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Beklagte war Eigentümer einer Liegenschaft in einer Wiener Geschäftsstraße. Die Klägerin ist Mieterin von Geschäftsflächen in diesem Haus. Im Jahr 2012 erfolgte bei der Klägerin ein Machthaberwechsel iSd § 12a MRG, der mit 1. 8. 2012 wirksam wurde. Dieser wurde von der Klägerin dem Vermieter nicht angezeigt. Der Beklagte veräußerte die Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 10. 1. 2014 an einen Dritten. Mit einem Schreiben vom 29. 3. 2017 begehrte der Beklagte von der Klägerin Schadenersatz in Höhe von 6,5 Mio. EUR mit der Begründung, dass der auf der Grundlage der Hauptmietzinse ermittelte Kaufpreis für die gesamte Liegenschaft zum Zeitpunkt der Veräußerung aufgrund der Verletzung der Anzeigepflicht durch die Klägerin zu niedrig gewesen sei.

[2] Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass dem Beklagten keine derartigen Schadenersatzansprüche zustünden, in eventu dass ihm allenfalls zustehende Schadenersatzansprüche aufgrund seines überwiegenden Mitverschuldens um 99,9 % zu mindern seien. Sie brachte vor, dass es am Rechtswidrigkeitszusammenhang ihrer Pflichtverletzung mit dem eingetretenen Vermögensnachteil des Beklagten fehle. Dem Beklagten sei spätestens seit Herbst 2016 bekannt gewesen, dass er einen höheren Kaufpreis hätte verlangen können. Dem Käufer sei der Machthaberwechsel aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 30. 6. 2015 bekannt gewesen. Der Beklagte hätte den Kaufvertrag wegen gemeinsamen Irrtums anfechten müssen. Er habe sich auch nicht um die Abgabe eines Verjährungsverzichts durch den Käufer bemüht. Er habe durch diese Unterlassungen gegen die Obliegenheit jedes Geschädigten, den Schaden zu minimieren, verstoßen. Es liege ein derart krasser Verstoß vor, der eine Schadensminderung auf null rechtfertige.

[3] Der Beklagte bestritt und wendete im Wesentlichen ein, dass der Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben sei. Zur Schadensminderung führte er aus, er habe erstmals im Herbst 2016 erfahren, dass der Käufer mit der Klägerin über einen Mietzinsanhebungsanspruch verhandle; er habe sich mit diesem Thema aber nicht weiter befasst. Die dreijährige Frist zur Geltendmachung eines Irrtums sei am 9. 1. 2017 abgelaufen. Er hätte daher binnen kurzer Zeit weitreichende Entscheidungen treffen müssen. Ein eindeutiger und unstrittiger Fall sei nicht vorgelegen, zumal schon die Frage, ob der Irrtum nicht bloß als Wertirrtum angesehen werden müsse, unklar sei. Ihm sei daher die Einbringung einer Irrtumsanfechtungsklage gegen den Käufer nicht zumutbar gewesen. Ebenso wenig sei es ihm möglich gewesen, dem Käufer einen Verjährungsverzicht abzuringen. Zu diesem Zeitpunkt seien die Verhandlungen zwischen dem Käufer und der Klägerin noch nicht abgeschlossen gewesen. Außerdem habe er kein Druckmittel gegen den Käufer in der Hand gehabt, das diesen zur Abgabe eines Verjährungsverzichts hätte bewegen können.

[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren und das Eventualbegehren ab. § 12a MRG sei ein Schutzgesetz zugunsten des Vermieters iSd § 1311 ABGB. Die in § 12a MRG normierte Anzeigepflicht solle den jeweiligen Vermieter vor Vermögensschäden infolge unterlassener Anhebung des Mietzinses auf den angemessenen Mietzins bewahren. Der beim Beklagten eingetretene Schaden sei durch die Unterlassung der Anzeige kausal herbeigeführt worden. Die übertretene Norm bezwecke auch den Schutz vor dem dem Beklagten bei Veräußerung der Liegenschaft erlittenen Schaden. Der Rechtswidrigkeitszusammenhang sei zu bejahen. Die Parteien des Kaufvertrags hätten ihren Berechnungen des Kaufpreises die aktuellen Mietzinslisten zugrunde gelegt und seien einem gemeinsamen Irrtum unterlegen, der eine Anfechtung oder Anpassung des Vertrags rechtfertigen könnte. Dem Beklagten könne jedoch nicht abverlangt werden, im Verlauf von nur etwa zwei Monaten sämtliche Folgen der Unterlassung der Klägerin zu erfassen und eine Entscheidung zur Prozessführung zu treffen; dies vor allem angesichts der mit einem Streit über 6 Mio EUR verbundenen hohen Kosten und des mit einer Irrtumsanfechtung stets verbundenen Risikos. Solches würde die Schadensminderungspflicht des Beklagten überspannen.

[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, indem es ebenfalls den Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Verletzung des § 12a Abs 3 MRG und dem gegenständlichen Schaden bejahte. Zweck der normierten Anzeigeverpflichtung sei der Schutz des Vermieters vor allen Vermögensnachteilen, die mit der Verletzung der Anzeigeverpflichtung und der Unterlassung der Mietzinsanhebung im Zusammenhang stehen. § 12a MRG gewähre dem Vermieter zum Ausgleich für den Eintritt eines neuen Mieters, dem in Abs 3 dieser Bestimmung die entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in einer juristischen Person oder einer unternehmerisch tätigen eingetragenen Personengesellschaft gleich gehalten werde, das Recht, die Erhöhung des Hauptmietzinses auf den angemessenen Mietzins zu begehren. Die Anzeigeverpflichtung des Mieters solle dem Vermieter die Durchsetzung dieses Rechts erleichtern. Er müsse nicht ständig prüfen, ob ein Sachverhalt verwirklicht wurde, der ihn zur Anhebung des Mietzinses berechtigt bzw wäre ihm oft eine solche Prüfung gar nicht möglich. Eine vergleichbare Situation sei auch bei der Veräußerung der Liegenschaft gegeben. Den Vermieter treffe keine Nachforschungspflicht, ob bei einem seiner Mieter Änderungen eingetreten seien, die eine Anhebung des Mietzinses erlauben; vielmehr dürfe er davon ausgehen, dass die Mieter ihren Anzeigeverpflichtungen nachkommen. Der Wert einer Liegenschaft bestimme sich ua auch durch die erzielbaren Mieterträgnisse. Diese seien somit im Fall der Veräußerung der Liegenschaft für den Kaufpreis relevant. Eine unterlassene Anhebung des Mietzinses nach § 12a MRG aufgrund einer Anzeigepflichtverletzung durch den Mieter stehe somit in einem engen Zusammenhang mit dem bei Veräußerung der Liegenschaft erzielbaren Kaufpreis. Die Verhinderung eines solchen Schadens sei aufgrund dieser Erwägungen jedenfalls vom Normzweck des § 12a Abs 3 MRG, nämlich dem Schutz des Vermieters vor Vermögensnachteilen durch eine Verletzung der Anzeigepflicht, umfasst.

[6] Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht des Beklagten durch Unterlassung der Irrtumsanfechtung des Kaufvertrags sei zu verneinen, weil fraglich sei, ob ein Geschäftsirrtum oder bloß ein Motivirrtum vorgelegen sei, und der Beklagte bei einem Streitwert von über 6 Mio EUR einem sehr hohen Kostenrisiko ausgesetzt gewesen wäre, aber nicht verpflichtet sei, derart hohe Risiken einzugehen, um den Schaden für die rechtswidrig und schuldhaft handelnde Klägerin möglichst gering zu halten.

[7] Das Berufungsgericht bemaß den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte die Revision für zulässig, weil zur Frage, ob ein teilweiser Entgang des Kaufpreises als Folge einer Anzeigepflichtverletzung nach § 12a Abs 3 MRG vom Schutzzweck der Norm umfasst sei, keine oberstgerichtliche Judikatur vorliege.

[8] Die Klägerin beantragt mit ihrer – vom Beklagten beantworteten – Revision, der Klage stattzugeben. Ein Kaufpreisschaden sei nach bisheriger Rechtsprechung nicht im Rahmen des § 12a Abs 3 MRG ersetzbar, diese Bestimmung bezwecke nur den Ersatz der Mietzinsdifferenz gegenüber dem Neu- und dem Alt-Vermieter. Im Übrigen sei anlässlich des Verkaufs der Liegenschaft die Kalkulation offengelegt worden. Daher sei ein gemeinsamer Geschäftsirrtum vorgelegen, den der Beklagte zur Schadensminderung der Klägerin gegenüber dem Käufer geltend machen hätte müssen, wobei ihm eine Klagsführung zumutbar gewesen wäre.

[9] Die Revision ist zur Klärung der im Zulassungsausspruch genannten Rechtsfrage zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[10] 1.1. Gemäß § 12a Abs 3 MRG sind die vertretungsbefugten Organe der juristischen Person des Hauptmieters einer Geschäftsräumlichkeit verpflichtet, dem Vermieter entscheidende Änderungen der rechtlichen oder wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten an der Mietergesellschaft unverzüglich anzuzeigen.

[11] 1.2. Auch die Mietergesellschaft selbst trifft die Pflicht, den Vermieter über Umstände zu informieren, die diesen zur Mietzinsanhebung gemäß § 12a Abs 3 MRG berechtigen (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 12a MRG Rz 51, Schauer in GesRZ 2011, 310 [311]). Die Anzeigepflicht nach § 12a Abs 3 MRG ist eine aus dem Bestandvertrag abgeleitete Nebenpflicht des Mieters. Der Schadenersatzanspruch gegen die Gesellschaft, der aus der Verletzung dieser Pflicht abgeleitet wird, ist daher vertraglicher Natur (1 Ob 73/10g; 8 Ob 4/11p; 1 Ob 125/14k).

[12] 2.1. Soll das Zuwiderhandeln gegen ein Gesetz einen Schadenersatzanspruch auslösen, muss es jene Interessen verletzen, deren Schutz die Rechtsnorm bezweckt (RS0031143). Das Wesen des Rechtswidrigkeits-zusammenhangs liegt darin, dass aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens nur für jene verursachten Schäden zu haften ist, die die übertretene Verhaltensnorm nach ihrem Schutzzweck gerade verhindern sollte (RS0022933; RS0027553). Bei Vertragsverletzungen ergibt sich der Rechtswidrigkeitszusammenhang aus den Interessen, die der Vertrag schützen soll. Wer eine Vertragspflicht verletzt, haftet nur insofern, als jene Interessen verletzt sind, deren Schutz die übernommene Vertragspflicht bezweckt (Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1295 Rz 8b).

[13] 2.2. Die Anzeigepflicht des Mieters nach § 12a Abs 3 MRG soll Gestaltungsmöglichkeiten eines Mieters, Mietzinsanhebungen zu vermeiden, hintanhalten ( Würth in Rummel 3 § 12a MRG Rz 2). Sie regelt (wie viele andere Bestimmungen des MRG) in Einschränkung der Privatautonomie (vgl Lovrek/Stabentheiner in Geko Wohnrecht I § 16 MRG Rz 1 zum Preisschutz) das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien des Bestandvertrags und ist darauf gerichtet, den Vermieter vor Vermögensschäden in Form von Mietzinsausfällen zu bewahren.

[14] Hier ist die Frage zu klären, ob die Anzeigepflicht nach der genannten Norm darüber hinaus auch den (weiteren) Zweck hat, Kaufpreisschäden des Vermieters wegen unterlassener Anzeige seitens des Mieters zu verhindern. Schon an dieser Stelle ist darauf zu verweisen, dass es für die Bejahung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs genügt, dass die Verhinderung des konkret eingetretenen Schadens bloß mitbezweckt ist (vgl RS0027553 [T17]).

[15] 2.3. In der Entscheidung 4 Ob 220/08v, die die Haftung eines Geschäftsführers für uneinbringliche Mietzinsforderungen des Vermieters gegen die Mietergesellschaft wegen der unterlassenen Anzeige des Machtwechsels zum Gegenstand hat, wurde ausgesprochen, dass die Anzeigepflicht des § 12a Abs 3 MRG den Schutz des jeweiligen Vermieters bezweckt, der vor Vermögensschäden infolge unterlassener Anhebung des Mietzinses auf den angemessenen Mietzins bewahrt werden soll (vgl auch RS0124474).

[16] 2.3.1.  Vonkilch (in wobl 2009/120) weist in einer Glosse zu dieser Entscheidung darauf hin, dass die Schädigung des Liegenschaftsveräußerers weit über die Unterlassung der Einhebung eines angehobenen Mietzinses für die Zeit bis zur Veräußerung der Liegenschaft hinausgehe. Denn hätte der Veräußerer den Mietzins entsprechend anheben können, so hätte ihm das nach den einschlägigen Markt- und Preisbildungsmechanismen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch einen erheblich höheren Kaufpreis beschert. Diesen tatsächlich nicht lukriert zu haben, zwinge den Veräußerer dazu, sich in vollem Umfang an demjenigen schadlos zu halten, der ihm durch die Unterlassung der gebotenen Anzeige über den Machtwechsel diesen Vermögensschaden zugefügt habe.

[17] 2.3.2. Friedl (in ecolex 2009, 656) vertritt demgegenüber in einer Besprechung der genannten Entscheidung die Ansicht, dass es am Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung (Unterlassung der Anzeige) und dem eingetretenen Vermögensnachteil fehle. Der Zweck, der mit dem primären Normgehalt der Pflicht zur Anzeige verfolgt werde, sei nicht einmal die objektive Möglichkeit, den Mietzins anzuheben, sondern dem Vermieter Kenntnis über Umstände zu verschaffen, zu deren Erforschung er sonst keine unmittelbare Veranlassung hätte. Ein veräußerungswilliger Vermieter habe aber Anlass, die für die Kaufpreisgestaltung maßgeblichen Umstände – den Ertragswert – zu erforschen.

[18] 2.4. Nach Auffassung der Revision liegt der Zweck der Regelung des § 12a Abs 3 MRG darin, zu verhindern, dass durch gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten mehrheitlich andere Personen als der bisherige Mieter von einem günstigen Mietrecht zum Nachteil des Vermieters profitierten, wie dies etwa in den Entscheidungen 5 Ob 51/01p und 6 Ob 79/01p zum Ausdruck komme, damit sei der ausschließliche Schutzzweck des § 12a MRG umschrieben. Diese Ausführungen überzeugen nicht.

[19] 3.1. § 12a Abs 3 MRG will verhindern, dass durch gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten mehrheitlich andere Personen als der bisherige Mieter von einem günstigen Mietentgelt zum Nachteil des Vermieters profitieren. Die Anzeigepflicht soll den Vermieter deshalb in die Lage versetzen, sein ihm zum Ausgleich für die „aufgedrängte“ Nutzung durch andere Personen gewährtes Mietzinsanhebungsrecht auszuüben und ihm auf diese Weise vermögensrechtliche Vorteile verschaffen.

[20] Mit den erhöhten Mietzinsen ist aber unmittelbar auch der weitere (vermögensrechtliche) Vorteil verbunden, dass der Ertragswert der betreffenden Liegenschaft steigt. Die Anzeigepflicht dient deshalb nicht nur dazu, es dem Vermieter zu ermöglichen, von seinem Mietzinsanhebungsrecht Gebrauch zu machen, sondern sie dient auch seiner Information über die sonstigen mit einer Mietzinsanhebung verbundenen vermögensrechtlichen Folgen. So bietet ihm die Anzeige bei einer künftigen Verwertung oder Verpfändung der Liegenschaft eine Kalkulationsgrundlage für die Ermittlung des richtigen Ertragswerts. Dass Zinshäuser veräußert oder verpfändet werden und dafür der Ertragswert der Liegenschaft maßgeblich ist, ist (im Sinn fehlender Adäquanz) auch nicht unvorhersehbar, sondern kommt regelmäßig vor.

[21] 3.2. Dass die Höhe der vereinnahmten Mietzinse unmittelbar den Wert eines Hauses beeinflusst, stellt auch die Revision nicht in Abrede. Um den angemessenen Mietzins lukrieren zu können, ist aber die Anzeige eines Machtwechsels Voraussetzung. Entgegen der Meinung von Friedl (Pkt 2.3.2) hat der Vermieter im berechtigten Vertrauen auf die Rechtsmäßigkeit des Verhaltens seiner Mieter auch bei einer beabsichtigten Veräußerung der Liegenschaft keinen besonderen Anlass, in der Sphäre seiner Mieter nach Umständen betreffend einer möglichen Verwirklichung von Mietzinsanhebungstatbeständen zu forschen. Der Vermieter kann sich in so einer Situation vielmehr auf die Vertragstreue seines Mieters jedenfalls solange verlassen, als ihm nicht gegenteilige Umstände zur Kenntnis gelangt sind. Bestehen für den Vermieter daher keine Anhaltspunkte für einen Machtwechsel, ist der Mieter für den aus der Unterlassung der Anzeige resultierenden (und vom Veräußerer zu beweisenden) Mindererlös beim Verkauf eines Zinshauses haftbar.

[22] Besonders dann, wenn – wie hier – die Mietergesellschaft Teil eines internationalen Konzerns ist, fehlt dem Vermieter bei Machtwechseln innerhalb der Mietergesellschaft häufig die Möglichkeit, komplizierte Umgründungsvorgänge zu erforschen. Die Beschränkung des Schutzzwecks des § 12a MRG auf die Vereinnahmung des angemessenen Mietzinses ist daher zu eng, nicht sachgerecht und würde eine Rechtsschutzlücke hinterlassen.

[23] 3.3. Es gilt daher zusammenfassend, dass die Anzeigepflicht des § 12a Abs 3 MRG den Schutz des jeweiligen Vermieters bezweckt, der vor Vermögensschäden infolge unterlassener Anhebung des Mietzinses auf den angemessenen Mietzins bewahrt werden soll. Es handelt sich dabei um eine aus dem Bestandvertrag abgeleitete (von der genannten Norm näher determinierte) Nebenpflicht des Mieters, dem Vermieter anhebungsrelevante Tatbestände mitzuteilen. Ein Kaufpreisschaden, der unmittelbar aus zu geringen Mieterlösen herrührt, weil ein Machtwechsel vom Mieter nicht mitgeteilt wurde, liegt im Schutzbereich des § 12a MRG, weil durch diese Bestimmung die Möglichkeit der Einhebung eines angemessenen Mietzinses und der „Einpreisung“ des dadurch erhöhten Ertragswerts der Liegenschaft bei deren Verwertung gewährleistet werden soll.

[24] 3.4. Im vorliegenden Fall stehen dem Beklagten daher dem Grunde nach Ansprüche auf Ersatz des Kaufpreisschadens gegen die Klägerin wegen ihrer Verletzung der Anzeigepflicht nach § 12a Abs 3 MRG zu. Dies hat die Abweisung des gegenteiligen Feststellungsbegehrens zur Folge.

[25] 4.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Geschädigter entsprechend der sich ua aus § 1304 ABGB ergebenden Schadensminderungspflicht verhalten, seinen Schaden möglichst gering zu halten, wenn und soweit ihm ein konkretes (jedoch unterlassenes) Verhalten zugemutet werden kann (RS0109225). Der Schädiger kann aber nicht verlangen, dass der Geschädigte zwecks Behebung des durch den Schädiger verschuldeten Schadens auf sein Risiko und auf seine Kosten ihm nicht zumutbare Schritte unternimmt (RS0027173). Die Behauptungs- und Beweislast für eine solche Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Geschädigten trifft den beklagten Schädiger (RS0027129).

[26] 4.2. Auch im Nichtergreifen eines Rechtsmittels oder der Unterlassung einer Prozessführung kann eine Verletzung der Schadensminderungspflicht liegen (8 Ob 85/06t). Wird allerdings ein risikobehafteter Rechtsweg deshalb nicht beschritten, weil die Rechtslage problematisch ist, liegt keine Verletzung der Schadensminderungspflicht vor (8 Ob 10/16b; 6 Ob 31/08i).

[27] 4.3. Letzteres ist hier der Fall: Strittig ist nämlich, ob im Anlassfall nicht nur ein bloßer Motivirrtum vorliegt, der nicht zur Anfechtung des Kaufvertrags berechtigt (vgl RS0014904 zum Kalkulationsirrtum). Auch wenn – wie festgestellt – der Käufer im Zuge der Kaufvertragsverhandlungen vom Beklagten eine Mietzinsliste erhalten hat, ergibt sich daraus noch nicht zwingend, dass die Kalkulation des Beklagten zum Inhalt des Geschäfts mit dem Käufer gemacht wurde. Die Ansicht des Berufungsgerichts ist daher zu teilen, dass von einer Prozessführung, deren Erfolg mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit feststand, keine Rede sein kann.

[28] 4.4. Darüber hinaus wäre der Beklagte bei einem Streitwert von über 6 Mio EUR einem sehr hohen Kostenrisiko ausgesetzt gewesen, welcher Umstand ebenfalls gegen eine Obliegenheit des Beklagten zu einer schadensmindernden Klagsführung – noch dazu innerhalb einer (wegen drohender Verjährung) relativ knapp bemessenen Überlegungsfrist – spricht. Der Revision ist damit insgesamt nicht Folge zu geben.

[29] 5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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