OGH 1Ob125/14k

OGH1Ob125/14k23.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** P*****, vertreten durch die Proksch & Partner Rechtsanwälte OG, Wien, gegen die beklagte Partei C***** K*****, vertreten durch die K‑B‑K Kleibel Kreibich Bukovc Hirsch Rechtsanwälte GmbH, Salzburg, sowie die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert Hübel und andere, Rechtsanwälte in Salzburg, und 2. Dr. P***** H*****, wegen 401.268,87 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. März 2014, GZ 4 R 34/14v‑25, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 16. Dezember 2013, GZ 3 Cg 37/13t‑19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Die Klägerin ist Vermieterin, die Erstnebenintervenientin Mieterin eines Geschäftslokals. Im Oktober 2000 kam es zu einer Änderung in der Gesellschafterstruktur der Erstnebenintervenientin. Neben der früheren Alleingesellschafterin, einer Aktiengesellschaft, die in der Folge nur noch mit 1 % an der GmbH beteiligt war, hielten drei Privatstiftungen jeweils 33 % der Stammanteile. Zum Zeitpunkt des Gesellschafterwechsels war die Beklagte Geschäftsführerin der Erstnebenintervenientin. Die Klägerin wurde weder von der Beklagten, noch von anderen Vertretern der GmbH über die Änderungen informiert.

Die Klägerin brachte nun im Wesentlichen vor, es sei im Oktober 2000 aufgrund der Änderungen innerhalb der Mietergesellschaft ein „Machtwechsel“ eingetreten, welcher sie gemäß § 12a MRG zur Erhöhung des damaligen Mietzinses auf den angemessenen Mietzins berechtigt hätte. Die Beklagte als vertretungsbefugtes Organ habe es pflichtwidrig unterlassen, diesen Machtwechsel bekannt zu geben; die Klägerin habe davon erst im April 2012 erfahren. Da die Beklagte ein Schutzgesetz zugunsten der Vermieterin verletzt habe, sei sie schadenersatzrechtlich verantwortlich. Der Schaden bestehe darin, dass die Vermieterin an der rechtzeitigen Erhöhung des Mietzinses gehindert gewesen sei. Die Erstnebenintervenientin als Mieterin habe sich geweigert, die von der Klägerin vorgenommene Mietzinsanhebung auf den angemessenen Mietzins anzuerkennen und die Differenzbeträge nachzuzahlen. In einem anhängigen Außerstreitverfahren zur Feststellung des angemessenen Mietzinses bestreite sie nicht, dass ein Machtwechsel eingetreten ist, sondern lediglich die Höhe der geforderten Mietzinse. Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin die von ihr berechneten Differenzbeträge zwischen dem ihrer Ansicht nach angemessenen und dem von der Mieterin bezahlten Mietzins für die Monate November 2000 bis Oktober 2012 samt staffelweisen monatlichen Zinsen in unterschiedlicher Höhe (zwischen 8,38 und 12,25 % pa); im Rahmen eines Eventualbegehrens begehrt sie die Feststellung, dass die Beklagte für jeden Schaden, der der Klägerin aus der unterbliebenen Anzeige des Machtwechsels erwachsen ist und der nicht durch die Erstnebenintervenientin bezahlt wird, haftet.

Die Beklagte und die auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten wandten im Wesentlichen ein, durch die Umstrukturierungen sei es zu gar keinem anzuzeigenden Vorgang nach § 12a MRG gekommen, weil sich der Einfluss der früheren Gesellschafter auf die Bestandnehmerin nicht entscheidend geändert habe. Von der Mieterin sei ohnehin stets ein (zumindest) angemessener Mietzins bezahlt worden, sodass eine Erhöhung auch aus diesem Grund nicht in Betracht gekommen wäre. Die nunmehr vorgeschriebenen Beträge seien weit überhöht. Der Klägerin sei auch kein Schaden entstanden, habe sie doch gegebenenfalls Ansprüche gegen die Mieterin auf die Differenzbeträge. Eine mangelnde Einbringlichkeit habe die Klägerin nicht behauptet. Die Beklagte als Geschäftsführerin könne aus rechtlichen Gründen auch nur eine subsidiäre Ersatzpflicht treffen. Dem eventualiter erhobenen Feststellungsbegehren mangle es am Feststellungsinteresse.

Das Erstgericht wies sowohl das Haupt‑ als auch das Eventualbegehren ab. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Mieterin nach rechtskräftiger Feststellung der Berechtigung einer rückwirkenden Mietzinsanhebung durch die Klägerin seit November 2000 wirtschaftlich nicht in der Lage oder willens wäre, die sich daraus ergebenden Mietzinsdifferenzen auf einen angemessenen Mietzins für die Vergangenheit zu zahlen. Beim sachlich zuständigen Bezirksgericht sei ein (außerstreitiges) Verfahren über die Berechtigung der Klägerin zur Anhebung des Hauptmietzinses anhängig. Das Verfahren gegen die Erstnebenintervenientin als Beklagte über die von der Klägerin begehrte Zahlung der von ihr errechneten Mietzinsdifferenzen von insgesamt 401.268,87 EUR samt Zinsen sei bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Außerstreitverfahren (über Antrag der Mieterin) unterbrochen. Nach ständiger Rechtsprechung könne ein Geschäftsführer einer GmbH, der ein dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger dienendes Schutzgesetz übertritt, diesen gegenüber persönlich für den durch sein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten verursachten Schaden haftbar gemacht werden, soweit der geschädigte Gläubiger im Rahmen seines Ersatzanspruchs gegen die GmbH nicht voll befriedigt werden könne. Vor diesem Hintergrund sei auch die Bestimmung des § 12a Abs 3 MRG zu sehen, aus dem sich eine bloß subsidiäre persönliche Haftung des Geschäftsführers insoweit ergebe, als der geschädigte Gläubiger im Rahmen seines grundsätzlichen Ersatzanspruchs gegen die (primär haftende) GmbH ‑ etwa zufolge deren Insolvenz ‑ nicht voll befriedigt werden könne. Eine solidarische Haftung der GmbH und ihres Geschäftsführers lasse sich weder aus dem Gesetzestext noch der dazu ergangenen Rechtsprechung ableiten. Hier behaupte die Klägerin nicht einmal, dass ihr Ersatzanspruch gegen die GmbH nicht voll befriedigt werden könne. Angesichts der nur subsidiären persönlichen Haftung der Beklagten lägen die Anspruchsvoraussetzungen für eine Fälligkeit der begehrten Leistungen nicht vor. Auch das in eventu erhobene Feststellungsbegehren sei nicht berechtigt, reiche doch die bloß theoretische Möglichkeit eines Schadenseintritts für das Bestehen eines rechtlichen Interesses nicht aus und sei auch von einer Gefährdung oder Unsicherheit der Rechtsposition der Klägerin mangels Vorbringens nicht auszugehen. Insbesondere drohe nach den Feststellungen eine Verjährung der Forderung gegen die Beklagte nicht. Bei der begehrten Feststellung der von der Beklagten gar nicht bestrittenen subsidiären Haftung handle es sich letztlich nur um die Feststellung der objektiven Rechtslage, die als solche nicht feststellungsfähig sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die Revision für nicht zulässig. Bei schuldhafter Pflichtverletzung durch das vertretungsbefugte Organ werde dieses dem Vermieter gemäß § 12a Abs 3 MRG schadenersatzpflichtig, soweit er im Rahmen seines Ersatzanspruchs gegen die GmbH nicht voll befriedigt werden könne; dabei handle es sich aber nur um eine subsidiäre persönliche Haftung. Eine Solidarhaftung mit der Mietergesellschaft bestehe nicht. Die Klägerin habe lediglich vorgebracht, dass die Mieter‑GmbH die Zahlung der vorgeschriebenen (erhöhten) Mietzinse beharrlich verweigere. Die erstmals in der Berufung aufgestellte Behauptung, es sei unsicher, ob die Mietergesellschaft zur vollständigen Deckung der Forderung in der Lage sei, verstoße gegen das Neuerungsverbot. In erster Instanz sei die Klägerin dem Vorbringen der Beklagten, zu Recht bestehende Nachforderungen könnten bei der Mietergesellschaft einbringlich gemacht werden, nicht entgegengetreten. Ob die Erstnebenintervenientin derzeit während der anhängigen Verfahren die Zahlung verweigere, sei nicht entscheidend; vielmehr komme es darauf an, ob sie zukünftig bei allfälliger rechtskräftiger Feststellung ihrer Nachzahlungspflicht wirtschaftlich zur Zahlung in der Lage sei. Auch das Feststellungsbegehren sei zu Recht abgewiesen worden. Da nicht feststehe, dass ein allfällig zukünftig rechtskräftig festgestellter Ersatzanspruch der Klägerin gegen die Erstnebenintervenientin als Mieterin nicht voll befriedigt werden könne, habe sich der rechtserzeugende Sachverhalt derzeit noch nicht ausreichend konkretisiert, um eine Feststellungsklage rechtfertigen zu können. Es bestehe derzeit auch kein Verjährungsrisiko. Ebensowenig lasse sich die Notwendigkeit einer zeitnahen Klärung bestimmter Umstände erkennen. Eine relevante Verschlechterung der Beweislage der Klägerin durch die Verweisung auf ein erst späteres gerichtliches Vorgehen sei nicht zu erkennen, da ohnedies unstrittig sei, dass die Änderungen auf Gesellschafterebene der Klägerin von der Beklagten nicht angezeigt wurden. Ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung sei auch deshalb zu verneinen, weil die Klägerin lediglich die Feststellung der ohnehin unstrittigen und geregelten objektiven Rechtslage begehre. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der ordentlichen Revision lägen nicht vor, weil die zitierte oberstgerichtliche Rechtsprechung lediglich auf den Einzelfall angewendet worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist zulässig, weil der erkennende Senat Bedenken gegen die Annahme einer bloß subsidiären Haftung des Gesellschaftsorgans bei Verletzung der Pflichten nach § 12a Abs 3 MRG hat, die zudem ‑ als das Entscheidungsergebnis tragende Begründung ‑ erst in einer einzigen höchstgerichtlichen Entscheidung vertreten wurde. Die Revision ist mit ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

Nach § 12a Abs 3 S 2 MRG sind die vertretungsbefugten Organe der juristischen Person als Mieterin verpflichtet, die in S 1 angeführte Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten („Machtwechsel“) dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Dass es sich dabei um eine den betreffenden Organwalter, hier die Beklagte als (damalige) Geschäftsführerin der Mietergesellschaft, persönlich gerichtete Anordnung im Sinne eines Schutzgesetzes handelt, deren Missachtung zu einer persönlichen Haftung führt, ist in Rechtsprechung und Lehre nicht strittig (vgl nur Vonkilch in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³, § 12a MRG Rz 52; 4 Ob 220/08v = wobl 2009/120 [ Vonkilch ] = SZ 2009/8 = Ges 2009, 257 [Förster] = immolex 2009/97, 275 [ Stibl ] mit weiteren Literaturnachweisen; 1 Ob 73/10g = wobl 2010/127, 276 [ Schauer ]; 8 Ob 4/11p = SZ 2011/20 = GesRZ 2011, 310 mit insoweit zustimmender Anmerkung von Schauer ).

Ebenso entspricht es herrschender Auffassung, dass auch die Mietergesellschaft selbst eine entsprechende (vertragliche) Informationspflicht trifft, weshalb auch diese für jenen Schaden ‑ wenn auch nicht aus Schutzgesetzverletzung ‑ ersatzpflichtig wird, der dem Vermieter wegen der Verspätung oder Unterlassung der Anzeige entsteht (1 Ob 73/10g, 8 Ob 4/11p). Wie die Vorinstanzen dargelegt haben, hat sich in letzter Zeit eine Diskussion darüber entwickelt, ob die beiden erwähnten Schädiger, also der Organwalter wegen Verletzung eines Schutzgesetzes und die Gesellschaft wegen einer Vertragsverletzung, für den eingetretenen Schaden solidarisch haften oder ob etwa eine bloß subsidiäre Haftung des Organwalters besteht.

Die letztgenannte Ansicht wurde in der bereits erwähnten Entscheidung zu 4 Ob 220/08v vertreten. Dort wurde ausgeführt, es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass der Geschäftsführer einer GmbH, der ein zumindest überwiegend dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger dienendes Schutzgesetz übertritt, den Gesellschaftsgläubigern persönlich für den Schaden haftet, der durch sein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten verursacht wurde, insoweit der geschädigte Gläubiger „im Rahmen seines Ersatzanspruchs gegen die GmbH“ nicht voll befriedigt werden könne. Der Senat teile die Auffassung der Lehre, dass die vertretungsbefugten Organe persönlich sowie unter eigener Verantwortung und Haftung zur Anzeige verpflichtet seien. Es liege somit ein Schutzgesetz zu Gunsten des Vermieters vor, das die vertretungsbefugten Organe einer Mieterin bei schuldhafter Pflichtverletzung dem Vermieter gegenüber persönlich schadenersatzpflichtig mache, insoweit dieser im Rahmen seines Ersatzanspruchs gegen die GmbH nicht voll befriedigt werden könne. Da diese Haftung auch gegenüber dem neuen Vermieter bestehe, der durch den Erwerb des vermieteten Objekts in den Mietvertrag eingetreten sei, bestehe der geltend gemachte Schadenersatzanspruch dem Grunde nach zu Recht.

Auf diese Entscheidung wurde später im Urteil zu 8 Ob 4/11p Bezug genommen und ausgeführt, dass in der Vorentscheidung keineswegs von einer ausschließlichen Haftung des Geschäftsführers der Mieter‑GmbH gesprochen worden sei. Vielmehr sei die subsidiäre persönliche Haftung des Geschäftsführers für die Schutzgesetzverletzung bejaht worden, soweit der geschädigte Gläubiger im Rahmen seines Ersatzanspruchs gegen die GmbH (etwa zufolge Insolvenz) nicht voll befriedigt werden könne. Eine Verletzung der Anzeigepflicht sei daher „primär“ der Gesellschaft zuzurechnen; aus diesem Grund sei auch die Passivlegitimation der Gesellschaft als primäres Haftungssubjekt evident. In casu spielte die Frage der (allenfalls subsidiären) Haftung des Geschäftsführers keine Rolle, weil die Klage ausschließlich gegen die Mietergesellschaft gerichtet war.

In der Literatur wurde die Annahme einer bloß subsidiären Haftung des Organs der Mietergesellschaft kritisiert. So wies bereits Vonkilch in seiner Entscheidungsbesprechung zu 4 Ob 220/08v (wobl 2009, 324) darauf hin, dass die Pflicht zur Anzeige nicht nur das Organ, sondern ‑ nach allgemeinen Grundsätzen ‑ auch die juristische Person selbst treffe, und sprach die sich aus der solidarischen Haftung ergebenden Rechtsfragen an. An anderer Stelle (in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³ § 12a MRG Rz 52) lehnt er eine subsidiäre Haftung ausdrücklich ab und führt aus, dass die Haftung des Organwalters richtiger Ansicht nach solidarisch mit jener der Mietergesellschaft bestehe. In diesem Zusammenhang zitiert er auch die Ausführungen von Schauer zu 8 Ob 4/11p (GesRZ 2011, 313), der eine Subsidiarität der Haftung mit nach Ansicht des Senats zutreffenden Erwägungen ablehnt, die deshalb wörtlich wiederzugeben sind:

„Welcher Stellenwert sollte dabei der Ansicht zukommen, die persönliche Haftung der Organe sei subsidiär? Die E 4 Ob 220/08v, auf die der OGH sich beruft, spricht nicht von Subsidiarität. Dort heißt es lediglich, dass der Geschäftsführer den Gesellschaftsgläubigern persönlich für den Schaden hafte, der durch sein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten verursacht wurde, insoweit der geschädigte Gläubiger im Rahmen seines Ersatzanspruchs gegen die GmbH nicht voll befriedigt wird (diesen letzten Satzteil übernimmt der OGH auch in der vorliegenden Entscheidung). Die E 4 Ob 220/08v beruft sich hierfür auf die ältere E 8 Ob 29/87 sowie auf RIS‑Justiz RS0023677. In den angeführten Quellen ging es um die Haftung von Gesellschaftsorganen für Schäden der Gesellschaftsgläubiger wegen verschleppter Insolvenzeröffnung. Die insoweit bestehende Haftung der Gesellschaftsorgane hat freilich mit Subsidiarität nichts zu tun. Der Ausfall, den der Gläubiger wegen der Insolvenzverschleppung erleidet, bildet lediglich die Berechnungsgrundlage für den Schaden, den das Organ ersetzen muss. Der Anspruch gegen das Organ besteht nur insoweit, als ein Schaden entstanden ist. Eben dies gilt auch in jenen Fällen, in denen das Organ der Mietergesellschaft wegen unterlassener Anzeige der Einflussänderung in Anspruch genommen wird, weil die Mietzinserhöhung für die Vergangenheit bei der Gesellschaft wegen schlechter Vermögenslage nicht mehr hereingebracht werden kann. Nur soweit dem Gläubiger ein Schaden entstanden ist, kann es zu einer persönlichen Ersatzpflicht der Organe kommen. Von einer Subsidiarität der Haftung oder gar davon, die Gesellschaft sei primäres Haftungsobjekt, sollte idZ nicht gesprochen werden.

... Der Ersatzanspruch kann kumulativ gegen die Gesellschaft und die Organe geltend gemacht [werden]; wegen § 1302 ABGB besteht solidarische Haftung. Für die Annahme, die Haftung der Organe sei gegenüber der Gesellschaft als dem primären Zurechnungssubjekt subsidiär, besteht kein Anhaltspunkt.“

Diesen Erwägungen tritt der erkennende Senat im Grundsätzlichen bei. Haften zwei Personen ‑ wenn auch aufgrund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen ‑ für den Ersatz desselben Schadens, tritt regelmäßig eine solidarische Zahlungspflicht iSd § 1302 Satz 2 zweiter Fall ABGB ein, sofern das Gesetz nicht ausnahmsweise etwas anderes anordnet (vgl nur die Nachweise bei Danzl in KBB 4 § 1301 ABGB Rz 1). Gründe, aus denen es im vorliegenden Zusammenhang sachlich gerechtfertigt sein sollte, den Organwalter, dem allein das Gesetz ausdrücklich eine (persönliche) Handlungspflicht zum Schutz des Vermieters auferlegt, von einer primären Haftung zu entbinden, sind nicht zu erkennen.

Insbesondere vermag der erkennende Senat den zu 4 Ob 220/08v angenommenen Gleichklang mit den Fällen der Geschäftsführerhaftung wegen „Insolvenzverschleppung“ nicht zu sehen. Dort geht es darum, dass ein Gesellschaftsgläubiger einen Ausfall beim Einbringlichmachen einer Forderung gegen die Gesellschaft, die auf einem ganz eigenen Entstehungsgrund beruht, der mit der Verletzung einer Antrags‑ oder Anzeigepflicht überhaupt nichts zu tun hat, erleidet; häufig wird es sich um vertraglich begründete Forderungen handeln. Der Schaden der sogenannten Altgläubiger besteht darin, dass ihre Forderung ohne die „Insolvenzverschleppung“ zur Gänze oder mit einem höheren Teilbetrag befriedigt worden wäre, weil die Gesellschaft früher noch über höheres Vermögen verfügt hätte; Neugläubiger sind geschädigt, weil es bei einer früheren Insolvenzeröffnung gar nicht mehr zum den ‑ nun uneinbringlichen ‑ Anspruch des Gläubigers gegen die Gesellschaft begründenden Sachverhalt ‑ in der Regel einem Vertragsabschluss ‑ gekommen wäre, da die Gesellschaft gar nicht mehr rechtlich agieren hätte können. Dass in diesen Fällen der Geschäftsführer nur für jenen Ausfall zu haften hat, der bei pflichtgemäßem Verhalten nicht entstanden wäre, ist keine Frage einer „subsidiären Haftung“, sondern eine solche der Schadensberechnung und der Kausalität (ganz ähnlich Schauer aaO).

Haben demgegenüber aber rechtlich zwei Personen, die ‑ wie dargelegt ‑ einerseits aus dem Gesetz und andererseits aus dem Vertrag resultierende Verpflichtung zur Information des Vermieters über einen eingetretenen „Machtwechsel“ bei der Gesellschaft verletzt und damit durch ein und dasselbe faktische Verhalten denselben Schaden verursacht, kann die zutreffende Rechtsfolge nach Auffassung des erkennenden Senats nur in einer solidarischen Haftung der beiden Ersatzpflichtigen liegen. Damit erweisen sich die klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen als unrichtig.

Da das Erstgericht ‑ ausgehend von seiner vom erkennenden Senat nicht geteilten Rechtsansicht ‑ maßgebliche Fragen unerörtert gelassen hat, wird dies im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein. Dies trifft insbesondere die Fragen der Schadensberechnung und der Kausalität. Dazu hat die Klägerin lediglich vorgebracht, ihr Schaden bestehe darin, dass sie an der rechtzeitigen Erhöhung des Mietzinses gehindert gewesen sei. Wenn sie zugleich die gesamten von ihr errechneten Differenzbeträge samt Zinsen ab dem jeweiligen Fälligkeitstermin der Mietzinsforderungen begehrt, könnte dies so verstanden werden, dass sie damit (zur Kausalität) vorbringen wollte, wäre sie unverzüglich vom „Machtwechsel“ informiert worden, hätte sie sofort die höheren Mietzinse vorgeschrieben und wären diese auch von der Mietergesellschaft (der Erstnebenintervenientin) bezahlt worden. Der Schaden bestünde dann darin, dass sie über die Geldbeträge nicht sofort verfügen konnte und bis heute nicht verfügt. Diese Auslegung ist aber nicht selbstverständlich, behauptet die Klägerin doch zugleich, die Erstnebenintervenientin weigere sich, die von ihr vorgenommene Mietzinsanhebung anzuerkennen und die Differenzbeträge nachzuzahlen. Ob unter Berücksichtigung dieses weiteren Vorbringens die Annahme berechtigt ist, die Klägerin wolle sich auf den Standpunkt stellen, die Mietergesellschaft hätte während des gesamten Zeitraums von 12 Jahren die vollen (erhöhten) Vorschreibungsbeträge unverzüglich gezahlt, ist daher keineswegs sicher und wird mit der Klägerin zu erörtern sein, die nachvollziehbares Vorbringen zum hypothetischen Kausalverlauf zu erstatten haben wird. Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass ein Schaden etwa auch darin bestehen kann, dass die Ansprüche für bestimmte Mietzinsperioden bereits verjährt sind (vgl nur 1 Ob 73/10g) und sich die Mieterin auf diese Verjährung beruft. Ebenso kommen Fälle in Betracht, in denen die Mietzinserhöhung für die Vergangenheit nicht mehr hereingebracht werden kann, weil die Gesellschaft in den fraglichen Zinsperioden zwar noch ausreichend liquid gewesen wäre, nun aber insolvent ist ( Schauer aaO 313).

Ebenso erscheint die Erörterung des Zinsenbegehrens erforderlich, für das bisher weder dem Grunde (Beginn des jeweiligen Zinsenlaufs) noch der Höhe nach ein schlüssiges Vorbringen erstattet worden ist. Schließlich beruht die Formulierung des Feststellungsbegehrens erkennbar auf der ‑ vom erkennenden Senat nicht geteilten ‑ Annahme einer bloß subsidiären Haftung der Beklagten. Die Klägerin wird nach entsprechender Erörterung klarzustellen haben, ob sie ihr Begehren im bisherigen Umfang aufrecht erhält oder aber modifiziert; gegebenenfalls wird sie auch ergänzendes Vorbringen dazu zu erstatten haben.

Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren gegebenenfalls auch zu prüfen haben, ob die Änderung der Gesellschafterstruktur einen „Machtwechsel“ iSd § 12a Abs 3 MRG darstellte, ob die Beklagte ein Verschulden an der unterlassenen Information der Klägerin traf und inwieweit der Mietzins bei unverzüglicher Information (zulässigerweise) angehoben worden wäre.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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