OGH 5Ob86/19m

OGH5Ob86/19m20.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. hc M*, vertreten durch Dr. Anton Hintermeier, Mag. Michael Pfleger ua, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Dr. S*, vertreten durch die Riedl – Ludwig – Penzl, Rechtsanwälte GmbH, Haag, wegen 105.340 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichtvom 5. März 2019, GZ 15 R 22/19v‑71, mit dem das Urteil des Landesgerichts St. Pöltenvom 20. November 2018, GZ 24 Cg 62/16i‑65, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127838

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts ausgenommen von dessen Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile waren von Ende März 2008 bis Anfang April 2016 Lebensgefährten. Am 20. 3. 2012 erlitt der Kläger eine Hirnstammblutung und befand sich in der Folge in Intensiv- und danach bis Anfang August 2012 in Rehabilitationsbehandlung; anschließend kehrte er in die gemeinsame Wohnung zurück. Der Kläger war und ist pflegebedürftig. Er leidet an einer eingeschränkten Sehfähigkeit, einer mittelgradigen spastischen Lähmung aller Extremitäten mit dem Fehlen zielgerichteter Bewegungen. Alle Pflegehandlungen und Aktivitäten des täglichen Lebens müssen für den Kläger vorgenommen werden, auch wenn ihm einzelne Bewegungen möglich sind.

Die Beklagte verbrachte bereits ab Beginn der Rehabilitationsbehandlung viel Zeit beim Kläger und erbrachte danach bis zum Ende der Lebensgemeinschaft für ihn umfangreiche Pflege- und Betreuungsleistungen.

Nach Ende der Beziehung (5. 4. 2016) behielt die Beklagte einen Betrag von 163.840 EUR aus dem Vermögen des Klägers für sich, weil sie die Ansicht vertrat, dass ihr dieser Betrag für die erbrachten Leistungen zustünde. Davon zahlte sie 58.500 EUR am 26. 8. 2016 an den Kläger zurück.

Der Kläger begehrt die Zahlung des restlichen Betrags von 105.340 EUR sA.

Die Beklagte wendete eine Gegenforderung bis zur Höhe dieses Betrags ein.

Der Kläger habe wegen der Hirnstammblutung einer intensiven Pflege nahezu rund um die Uhr bedurft, die sie bis zum dem Ende der Lebensgemeinschaft am 5. 4. 2016 erbracht habe. Sie habe zum Teil unter Aufopferung ihrer eigenen Berufstätigkeit und beruflichen Karriere als Ärztin und jeglicher persönlicher Freizeit und Lebensqualität den Kläger bestmöglich betreut, gepflegt und unterstützt. Nach Aufnahme ihrer Berufstätigkeit sei sie regelmäßig zwischen 13:30 Uhr und 14:00 Uhr heimgekommen und ab dann für den Kläger zur Verfügung gestanden. Es sei eine permanente Pflege intensivster Art erforderlich gewesen; die von ihr erbrachte Pflege sei vom Kläger auch gewünscht und jedenfalls zu seinem Vorteil erbracht worden. Die von ihr erbrachte Pflege gehe weit über das hinaus, was im Rahmen einer Lebensgemeinschaft üblicherweise als Unterstützung geleistet werde. Für den 27. 9. 2015 sei die Hochzeit mit dem Kläger fix geplant und vorbereitet gewesen und nur auf Druck seiner Eltern nicht zustande gekommen.

Sie habe für den Kläger Pflegeleistungen im Ausmaß von rund 18.000 Stunden erbracht, wovon sie 4.400 Stunden für jenes Ausmaß abziehe, in dem eine Hilfe und Pflege im Rahmen einer Lebensgemeinschaft üblicherweise erwartet werden dürfe. Die verbleibenden 13.600 Stunden seien mit einem Mischsatz zwischen 12 EUR und 22 EUR zu multiplizieren. Vom Ergebnis sei ein Betrag von 15.000 EUR für diverse Leistungen, die sie während aufrechter Lebensgemeinschaft bereits erhalten habe, abzuziehen, sodass ihre insgesamt 148.200 EUR zustünden, die sie bis zur Höhe der Klageforderung compensando einwende.

Der Kläger bestritt die Gegenforderung und erwiderte, dass die Betreuungsleistungen der Beklagten nicht über jene Leistungen hinausgegangen seien, die im Rahmen einer Lebensgemeinschaft unentgeltlich üblicherweise erbracht würden. Es sei keine intensive Pflege rund um die Uhr erforderlich gewesen. Werktags sei ein (externer) Assistenzdienst tätig geworden. Bei Nacht- und/oder Wochenenddiensten der Beklagten seien die Betreuungsleistungen von seinen Eltern übernommen worden. Die Beziehung der Streitteile sei anfangs harmonisch verlaufen; zuletzt habe die Beklagte Psychoterror betrieben und schwere Repressalien angedroht, wenn nicht das gemacht werde, was sie verlange. Die von der Beklagten erstellte Stundenberechnung sei völlig lebensfremd. Ab März 2014 hätten die Streitteile hin und wieder über eine (ausschließlich) kirchliche Hochzeitszeremonie gesprochen, eine standesamtliche Eheschließung sei jedoch mittelfristig weder besprochen noch erörtert worden. Die kirchliche Trauungszeremonie habe die Beklagte abgesagt.

Das Erstgericht stellte das Klagebegehren mit 105.340 EUR und die Gegenforderung mit 57.708 EUR als zu Recht bestehend fest, verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 47.632 EUR und von 4 % Zinsen aus diesem Betrag seit 6. 6. 2016 sowie aus 58.500 EUR von 6. 6. 2016 bis 25. 8. 2016 und wies das Mehrbegehren von 57.708 EUR sA ab. Dabei ging es von nachstehenden Feststellungen aus:

Die Streitteile waren zu Beginn ihrer Lebensgemeinschaft Medizinstudenten und lebten zunächst in Wien als Studenten zusammen. Ihr Beziehung verlief zumindest bis Herbst 2015 harmonische.

Nachdem der Kläger am 20. 3. 2012 schicksalshaft eine Hirnstammblutung erlitten hatte, verbrachte er rund einen Monat auf der Intensivstation und befand sich dann bis 27. 6. 2012 weiter im Spital, wo mit der Rehabilitation begonnen wurde. Von 28. 6. bis 8. 8. 2012 war er in einem neurologischen Therapiezentrum und kehrte dann in die Studentenwohnung zur Beklagten zurück. Zu den ambulanten Nachbehandlungsterminen fuhr die Beklagte den Kläger und absolvierten sie gemeinsam. Seit der Hirnstammblutung ist der Kläger auf einen Rollstuhl und umfassende Pflege angewiesen. Er bezieht Pflegegeld der Stufe 7.

Soweit es ihr möglich war, war die Beklagte beim Kläger. Obwohl sowohl im Spital als auch im Rehabilitationszentrum fachkundiges Personal die Pflege des Klägers vornahm, übernahm die Beklagte während dieser Zeit die Körperpflege im Bett, nahm mit dem Beklagten Dehnübungen vor, leerte auch manchmal die Harnflasche aus und reinigte den Leibstuhl, half beim Umbetten, badete den Kläger und reinigte ihm die Zähne. Die eigentliche Leibstuhlreinigung bzw die sonstige Pflege und Betreuung hat jedoch das Krankenhaus- bzw Rehabilitationspersonal vorgenommen. Vom 27. 8. bis 11. 9. 2012war der Kläger neuerlich in stationärer Behandlung im Spital. Auch bei diesem Aufenthalt war die Beklagte meist beim Kläger.

Zu Beginn des Jahres 2013 bekamen die Streitteile eine Genossenschaftswohnung, in der sie als Lebensgefährten wohnten. Als die Beklagte, die zwischenzeitig ihr Studium beendet hatte, mit einer Verpflichtung von 35 Wochenstunden als Ärztin zu arbeiten begann, wurde ab 1. 3. 2013 eine externe Betreuung durch einen Assistenzdienst eingerichtet. Die Beklagte erledigte nach der Arbeit regelmäßig Einkäufe oder nahm Organisationshandlungen vor, sodass sie an den Arbeitstagen meist in der Zeit von 7:00 Uhr bis 14:30 Uhr, maximal 15:00 Uhr, nicht beim Kläger war. Während dieser Zeit war eine externe Betreuungsperson beim Kläger. Dieser Pflege- und Betreuungsstatus blieb durchgehend bis zur Beendigung der Lebensgemeinschaft aufrecht.

Der externe Assistenzdienst wurde mit dem Pflegegeld der Stufe 7 des Klägers bezahlt; es fielen durchschnittlich rund 250 EUR bis 350 EUR monatlich an. Die Beklagte erhielt vom Pflegegeld nichts.

In der Zeit von September bis November 2015 war die Beklagte in Pflegekarenz. In dieser Zeit war ursprünglich auch die Hochzeit der Streitteile geplant, die aber scheiterte. Darüber hinaus absolvierte die Beklagte in diesem Zeitraum auch ihre Facharztprüfung.

Die Beklagte kümmerte sich um jegliche Form der Körperpflege des Klägers, bei der er vollständige Unterstützung benötigte, insbesondere beim Abbrausen, Baden, Abtrocknen aber auch beim Zähneputzen, Rasieren und bei der sonstigen Körperhygiene. Ein Badevorgang, den die Beklagte regelmäßig an jedem zweiten Tag vornahm, nahm zumindest zwei Stunden in Anspruch. Darüber hinaus verabreichte die Beklagte dem Kläger auch die Medikamente und die tägliche Thrombosespritze. Die Beklagte kümmerte sich auch um das Auswaschen und Desinfizieren der Harnflasche, sowie die Inkontinenz‑Reinigung. Sie sorgte auch dafür, dass der Kläger geistig beschäftigt wurde, in dem sie gemeinsame Spiele unternahmen. Die Beklagte ermöglichte aber auch immer wieder Trainingseinheiten und Spaziergänge im Freien, in dem sie den Kläger in der freien Natur mit dem Rollstuhl schob. Das Organisieren der Assistenz sowie die Durchführung der Abrechnungen und sonstigen Koordinations- und Behördenangelegenheiten wurden ausschließlich von der Beklagten vorgenommen. Sie stellte sich bis zur Beendigung der Lebensgemeinschaft regelmäßig in den Dienst des Klägers und hat ihr eigenes Leben hintangestellt bzw sehr stark eingeschränkt.

Der tatsächliche (objektive) Pflegeaufwand errechnet sich unter Berücksichtigung eines aus der Beistandspflicht eines Partners in schwierigen Lebenslagen abgeleiteten „Gleichbeteiligungsgrundsatzes“. Nach diesem Prinzip ergeben sich nach Abzug von 2.256 Pflegeaufwandsstunden, die vom externen Assistenzdienst geleistet worden waren, 4.809 Stunden, die ausschließlich auf Leistungen entfallen, die von der Beklagten erbracht wurden und über die allgemeine Beistandsverpflichtung hinausgehen. Bei diesem Aufwand handelt es sich jedenfalls um die auch vom Kläger gewünschten, objektiv notwendigen Pflegeleistungen, ohne welche er nicht suffizient versorgt gewesen wäre. Die Beklagte selbst leistete diese Pflegedienste und Betreuungsleistungen aber jedenfalls in der Erwartung einer aufrechten Lebensgemeinschaft, wobei derKläger die Anwesenheit der Beklagten noch bis zumindest 8. 3. 2016 wünschte.

Ausgehend von diesen Feststellungen erörterte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht, Pflegeleistungen, die nach Art oder Ausmaß im Rahmen eines gewöhnlichen Beziehungsverhältnisses nicht gesellschaftlich üblich seien, gingen über das Geschuldete hinaus und seien – liege wie hier keine Vereinbarung vor – auf Basis einer Kondiktion nach § 1435 ABGB analog oder nach den Regeln der nützlichen Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 1037 ABGB abzugelten. Die von der Beklagten nach objektiven Kriterien „nachhaltig“ erbrachten Pflegeleistungen gingen über das übliche Ausmaß einer auch in Lebensgemeinschaften erwarteten Beistandsverpflichtung, welche gesetzlich nicht normiert sei, hinaus und seien zum klaren und überwiegenden Vorteil des Klägers gewesen, der ohne diese Leistungen ernstlich und erheblich gefährdet gewesen wäre. Die Beklagte habe die Leistungen in Erwartung des Aufrechtbleibens der Lebensgemeinschaft unentgeltlich erbracht, sodass sie ihr sowohl aus bereicherungsrechtlicher Sicht als auch aus dem Titel der nützlichen Geschäftsführung ohne Auftrag unter Zugrundelegung eines (angemessenen) Stundensatzes von 12 EUR mit 57.708 EUR (4.809 Stunden mal 12) abzugelten seien, zumal darin Leistungen, die in einer aufrechten Beziehung üblicherweise erbracht werden, gar nicht enthalten seien. Diesen Betrag könne sie der berechtigten Forderung des Klägers aufrechnungsweise entgegenhalten, sodass dem Klagebegehren im Differenzbetrag stattzugeben sei.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten nicht, jenem des Klägers hingegen Folge, stellte die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend fest und verurteilte die Beklagte zur Zahlung des Klagebetrags. Die von einem Lebensgefährten während der Lebensgemeinschaft erbrachten Leistungen und Aufwendungen seien in der Regel unentgeltlich und könnten daher grundsätzlich nicht zurückgefordert werden. Nach dem Ende der Lebensgemeinschaft könne ein Partner aber außergewöhnliche Leistungen zurückfordern, die er erkennbar im Hinblick auf das „Weiterbestehen der Gemeinschaft“ erbracht habe, soweit ein die Lebensgemeinschaft überdauernder Nutzen verbleibe. Auch bei Pflegeleistungen setze der Anspruch analog § 1435 ABGB grundsätzlich nur die Erkennbarkeit der Erwartung einer Gegenleistung voraus; nicht das Motiv des Leistenden für die Arbeit, sondern die objektive Erkennbarkeit desselben und die Verursachung durch den Leistungsempfänger seien ausschlaggebend. Eine solche Gegenleistung, die für den Leistenden einen Vermögensvorteil bilden müsse, sei etwa – wegen der Aussicht etwa auf Hinterbliebenenpension und/oder Erbberechtigung – die Erwartung der Eheschließung oder des Aufrechtbleibens der Ehe mit dem Leistungsempfänger. Jenen Entscheidungen, wonach die dem anderen Lebensgefährten erkennbare Erwartung des (bloßen) „Fortbestehens der Lebensgemeinschaft“ genügen solle, lägen jeweils Sachverhalte zugrunde, in welchen der/die Leistende eine künftige, bei aufrechtem Bestand der Lebensgemeinschaft notwendig länger dauernde (Mit‑)Benützung des mit Hilfe der Leistung geschaffenen Wohnraums erwartete. Vom Vorbringen der Beklagten sei aber die Behauptung, sie habe ihre Pflegeleistungen während aufrechter Lebensgemeinschaft und namentlich (bereits) seit der Erkrankung des Klägers in der diesem erkennbaren Erwartung der Eheschließung und/oder des Fortdauerns der Lebensgemeinschaft erbracht, nicht umfasst.

Unter einer Geschäftsführung ohne Auftrag sei die eigenmächtige Besorgung der Angelegenheiten eines anderen in der Absicht, dessen Interessen zu fördern, zu verstehen. So könne nach § 1037 ABGB bei einem klaren, überwiegenden Vorteil des Geschäftsherrn auch derjenige Aufwandersatz verlangen, der unerlaubt in fremde Geschäfte eingreife. Der Kläger habe die Pflege- und Betreuungsleistungen durch die Beklagte stets entgegengenommen, ohne sie etwa abzulehnen. Die Beklagte habe daher von Beginn an davon ausgehen müssen, dass der Kläger ihren Leistungen zustimme. Angesichts der von Beginn an gegebenen Einwilligung sei das Einholen seiner ausdrücklichen Zustimmung nicht erforderlich gewesen; in der Erbringung der Betreuungs- und Pflegeleistungen durch die Beklagte sei jedoch kein eigenmächtiges Einmengen in die Angelegenheiten des Klägers gelegen gewesen. Damit habe die Beklagte weder nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag, noch nach Bereicherungsrecht Anspruch auf Abgeltung ihrer Leistungen. Auf eine zwischen den Streitteilen getroffene Vereinbarung habe sie sich nicht berufen.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil es von der Entscheidung zu 8 Ob 37/16y abgewichen sei.

Die vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten ist zulässig, weil dem Berufungsgericht eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen ist; sie ist auch teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ausschließlich die von der Beklagten aus den von ihr bis zur Beendigung der Lebensgemeinschaft erbrachten Pflegeleistungen abgeleitete Gegenforderung.

1.1 Grundsätzlich gilt, dass die von einem Lebensgefährten während der Lebensgemeinschaft erbrachten Leistungen und Aufwendungen in der Regel unentgeltlich sind und nicht zurückgefordert werden können (RIS‑Justiz RS0033705 [T2]). Leistungen und Aufwendungen, die keinen in die Zukunft reichenden Zweck aufweisen, sondern ihrer Natur nach für den entsprechenden Zeitraum der bestehenden Lebensgemeinschaft bestimmt sind, haben bei einer späteren Aufhebung der Lebensgemeinschaft ihren Zweck nicht verfehlt (RS0033701). Dies gilt etwa für laufende Zahlungen für den gemeinsamen Unterhalt, die gemeinsame Wohnung (RS0033701 [T1; T2; T3]) und ganz allgemein für die Anschaffung von Sachen, die zum sofortigen Verbrauch bestimmt sind. Ein Rückforderungsanspruch nach § 1435 ABGB besteht in diesen Fällen nicht, weil solche Leistungen ihrer Natur keinen über den entsprechenden Zeitraum hinausgehenden Nutzen haben (vgl Meissel/Jungwirth in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR LebG – Rechtsfolgen/Beendigung Rz 95).

1.2 In Analogie zu § 1435 ABGB gewährt die Rechtsprechung aber einen Bereicherungsanspruch, wenn eine Leistung in der erkennbaren Erwartung eines weitergehenden Erfolgs erbracht wurde und diese Gegenleistung in weiterer Folge nicht eintrat (RS0033855, RS0033952; Rummel in Rummel, ABGB3 § 1435 Rz 4; Mader in Schwimann/Kodek,ABGB4 § 1435 Rz 11; Koziol/Spitzer in KBB5 § 1435 Rz 2). Dafür ist im Regelfall weder eine „Zweckabrede“ noch eine dem Bereicherungsschuldner „zurechenbare“ Erwartung erforderlich. Vielmehr genügt deren Erkennbarkeit; der Anspruch besteht schon dann, wenn dem Leistungsempfänger klar war oder bei Berücksichtigung der gesamten Umstände hätte klar sein müssen, dass die Leistungen in Erwartung einer späteren Zuwendung erfolgen (RS0033952 [T15], RS0033606; Rummel aaO Rz 8; Mader aaO Rz 12). Kerschner (in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ [Klang] § 1435 Rz 43) spricht in diesem Zusammenhang von einem Vorbehalt, der nach allgemeinen Regeln auch konkludent erfolgen kann. Ein solcher Vorbehalt sei wirksam, wenn der Empfänger nicht mehr darauf vertrauen dürfe, ohne Gegenleistung (oder sonstigen Umstand) die Leistung behalten zu können.

1.3 Bei Dienstleistungen wird in Fällen bewusster Inanspruchnahme durch den Empfänger (über den Bereicherungsanspruch hinaus) ein angemessenes Entgelt in Analogie zu § 1152 ABGB zugesprochen (9 ObA 217/01d; 6 Ob 172/10b mwN; vgl auch Rummel aaO § 1435 ABGB Rz 8 mwN; Mader aaO § 1435 ABGB Rz 15, auch Kerschner aaO § 1435 Rz 27). Dazu ist in Lehre und Rechtsprechung anerkannt, dass derjenige, der eine Leistung in Anspruch nimmt, die in der Natur nicht mehr zurückgenommen werden kann, wie vor allem eine Arbeitsleistung, diese auf Grund des in § 1152 ABGB zum Ausdruck kommenden Prinzips angemessen zu entlohnen hat, außer er brauchte nicht damit zu rechnen, dass er sie besonders zu vergüten hat (RS0021263; Spenling in KBB5 § 1152 ABGB Rz 2).

1.4 Für das Entstehen eines Kondiktionsanspruchs im Sinn des § 1435 ABGB ist es aber jedenfalls notwendig, dass sich der Leistungsempfänger darüber im Klaren war oder bei Berücksichtigung der gesamten Umstände hätte im Klaren sein müssen, dass die Arbeitsleistungen in Erwartung eines späteren (weitergehenden) Erfolgs erbracht werden. Wurde die zweckverfehlte Leistung auf Verlangen des Leistungsempfängers erbracht und trifft den Leistenden kein Verschulden an der Zweckverfehlung, ist sein Anspruch vom verschafften Nutzen unabhängig (6 Ob 172/10b; 7 Ob 236/11y je mwN; vgl Rebhahn in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.03 § 1152 Rz 6; Meissel/Jungwirth aaO Rz 116).

1.5 Ausgehend von diesen Grundsätzen wurde in der Judikatur ein aus erbrachten Pflegeleistungen abgeleiteter Bereicherungsanspruch wiederholt anerkannt, wenn diese Leistungen in der zumindest erkennbaren Erwartung eines weitergehenden Erfolgs erbracht wurden (vgl etwa 6 Ob 589/85; 2 Ob 502/91; 6 Ob 17/95).

2. Mit dem Kriterium der Erkennbarkeit der Erwartung einer Gegenleistung im Zusammenhang mit der Erbringung von Pflegeleistungen hat sich der Oberste Gerichtshof in jüngerer Zeit mehrfach auseinandergesetzt:

2.1 In 6 Ob 29/09x verneinte der 6. Senat einen Anspruch des Pflegenden, weil dessen Leistungen im konkreten Fall nicht über jene hinausgegangen seien, die er schon aufgrund der familienrechtlichen Beistandspflicht hätte erbringen müssen. In einem obiter dictum führte er aus:

„Für die Verneinung eines Entgeltanspruchs würde im Übrigen sprechen, dass der pflegende Angehörige bereits vor oder zumindest noch während der Erbringung dieser Leistungen gegenüber dem zu Pflegenden oder dessen Sachwalter offen legen müsste, dass er diese Leistungen nicht unentgeltlich, sondern in der Erwartung einer Gegenleistung zu erbringen gedenkt. Dies hätte für den zu pflegenden Angehörigen unter anderem den Vorteil, von vorneherein erkennen zu können, ob er (wohl regelmäßig in einer gewissen Dankbarkeitshaltung dem Pflegenden gegenüber) unentgeltliche Leistungen in Anspruch nimmt oder ob diese Leistungen gegen Entgelt erbracht werden; in letzterem Fall stünde ihm dann die Möglichkeit offen, sich vielleicht doch – zur Vermeidung der Dankbarkeitserwartung – für eine professionelle Betreuung zu entscheiden. Auf diese Art und Weise könnten jedenfalls Irrtümer des Gepflegten von vornherein ausgeschlossen werden.“

2.2 In 6 Ob 76/12p stützte der 6. Senat den Anspruch einer pflegenden Ehefrau ausdrücklich auf § 1435 ABGB, weil sie „davon ausgehen konnte, von ihrer Tätigkeit irgendeinen Vorteil in der Zukunft erlangen zu können“. Dafür genüge das – im konkreten Fall enttäuschte – Vertrauen auf „den Weiterbestand der Ehe und die damit verbundenen Ansprüche, insbesondere auch im Zusammenhang mit einer allfälligen Witwenpension, sowie die Erwartung entsprechender Erb- bzw Pflichtteilsansprüche“. Auf die „Offenlegung“ der Erwartung kam der 6. Senat in dieser Entscheidung nicht zurück; auch das – im konkreten Fall wohl erfüllte – Erfordernis der Erkennbarkeit dieser Erwartungen nannte er nicht.

2.3 In 6 Ob 149/14a nahm der 6. Senat hingegen wieder auf das Erfordernis der „Offenlegung“ Bezug, das im konkreten Fall eindeutig erfüllt war. Er ließ allerdings dahingestellt, ob diese „Offenlegung“ auch „konkludent“ erfolgen könne.

2.4 Der 2. Senat hielt in seiner Entscheidung zu 2 Ob 2/16g mit ausführlicher Begründung für die auch hier zu beurteilenden Pflegeleistungen am allgemeinen Grundsatz fest, dass der Anspruch analog § 1435 ABGB grundsätzlich nur die Erkennbarkeit der Erwartung einer Gegenleistung voraussetzt. Damit reiche – in der Terminologie des 6. Senats – eine „konkludente“ Offenlegung dieser Erwartungen aus. Schon dadurch sei im Regelfall sichergestellt, dass der Gepflegte entscheiden könne, ob er eine im Familien- oder Bekanntenkreis erbrachte Pflege trotz der damit verbundenen Erwartungen entgegennimmt oder statt dessen auf professionelle Leistungen zurückgreife. Weitere Erfordernisse bestünden demgegenüber nicht.

2.5 Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Abzustellen ist daher darauf, ob die Beklagte die Pflegeleistungen in Erwartung eines späteren (weitergehenden) Erfolgs erbrachte und sich der Kläger bei Berücksichtigung der gesamten Umstände darüber im Klaren hätte sein müssen.

3.1.1 Die Feststellungen lassen keinen Zweifel, dass die von der Beklagten erbrachten Pflegeleistungen weit über die üblichen Beistandsleistungen unter Lebensgefährten, die keiner familienrechtlichen Verpflichtung unterliegen (vgl RS0009611 [T1]; Rebhahn § 1151 Rz 130;) und damit auch über eine solchen – eheähnlichen (dazu RS0069673 [T2]) – Gemeinschaften ganz grundsätzlich zugrunde liegende sittliche Verpflichtung (vgl dazu RS0021632 [T3]) hinausgingen und vom Kläger bewusst entgegengenommen wurden. Das wird vom Kläger auch nicht ernsthaft in Abrede gestellt. Zu prüfen bleibt daher, inwieweit er sich darüber klar sein hätte müssen, dass die Pflegeleistungen von der Beklagten in Erwartung einer späteren Gegenleistung erfolgten. Zur Klarstellung sei betont, dass Gegenleistung im hier zu beurteilenden Kontext nicht bloß die finanzielle Abgeltung von Leistungen, sondern jeden für den Leistungserbringer messbaren Nutzen meint.

3.1.2 Der Kläger bezieht seit seinem Unfall Pflegegeld der Stufe 7, sodass die öffentliche Hand zur finanziellen Abgeltung der Pflegeleistungen beiträgt. Das Pflegegeld hat den Zweck, in Form eines Beitrags pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen (§ 1 BPGG; RS0106398; RS0106555 [T5]). Es bezweckt keine Erhöhung des Einkommens des Betroffenen, sondern soll ausschließlich dazu beitragen, Pflegeleistungen „einkaufen" zu können und es den Betroffenen ermöglichen, sich die erforderlichen Pflegemaßnahmen selbst zu organisieren (10 ObS 121/07s Pkt 2.2; 9 Ob 9/19t Pkt 4.).

3.1.3 Die Beklagte hat die wegen der Hirnstammblutung notwendige Pflege des Klägers übernommen, soweit nicht der externe Assistenzdienst Leistungen erbrachte. Nur letztere wurden durch das Pflegegeld bezahlt, sodass sich der Kläger einen Großteil der von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellten Mitteln ansparen konnte. Fest steht zudem, dass die Beklagte die Pflegedienste und Betreuungsleistungen in der Erwartung einer aufrechten Lebensgemeinschaft erbrachte; unverständlich ist die Entscheidung des Berufungsgerichts, wenn es in Wahrnehmung der Tatsachen- und Beweisrüge der Beklagten zu einem allfälligen Verschulden am Scheitern der Beziehung mit dem Hinweis, dass Fragen in diesem Zusammenhang nicht von Relevanz seien, auch die Feststellung, dass für den Herbst 2015 die Hochzeit der Streitteile geplant gewesen sei, entfallen lies. Dieser Umstand entspricht aber ohnedies dem unstrittigen Vorbringen der Parteien, sodass nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden kann, dass die Lebensgemeinschaft nach deren ursprünglichen Intentionen letztlich in einer Ehe münden sollte, wobei der Umstand, dass die Hochzeit im Herbst 2015 scheiterte, keineswegs bedeutet, dass die danach im Wesentlichen unverändert bis April 2016 fortgesetzte Lebensgemeinschaft nicht mehr von einer solchen Zielsetzung getragen gewesen wäre. Damit kann entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts aber auch nicht zweifelhaft sein, dass die Leistungserbringung durch die Beklagte sowohl nach deren Vorbringen als auch den Feststellungen (in Verbindung mit dem unstrittigen Vorbringen) von der Erwartung einer künftigen Eheschließung jedenfalls mitgetragen war.

3.1.4 Im Allgemeinen besteht der Verwendungszweck des Pflegegelds darin, entweder professionelles Pflegepersonal in Anspruch zu nehmen oder Pflegeleistungen von Angehörigen oder sonst nahestehender Personen abzugelten (vgl dazu Müller in Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts³ 516). Erfolgt daher– wie hier – die Pflege durch die Lebensgefährtin in Erwartung der Aufrechterhaltung einer Lebensgemeinschaft, die letztlich in einer Ehe münden sollte, (vorerst) unentgeltlich, sodass es dem Pflegebedürftigen ermöglicht wird, einen Großteil des Pflegegelds anzusparen, liegt dem erkennbar auch die Erwartungshaltung zugrunde, durch die zukünftige gemeinsame Lebensgestaltung an diesen Ersparnissen teilzuhaben. Für den erkennenden Senat bestehen in einem solchen Fall keine Zweifel, dass eine solche Erwartung schon durch die faktische Gestaltung der Lebensumstände deutlich zu Tage tritt, sodass der Kläger als Leistungsempfänger auch nicht damit rechnen durfte, er werde die von der Lebensgefährtin erbrachten Pflegeleistungen trotz Bezugs von Pflegegeld unter keinen Umständen vergüten müssen.

3.2 Als Zwischenergebnis kann somit festgehalten werden, dass sich der Kläger bei Berücksichtigung aller Umstände darüber im klaren sein musste, dass die Beklagte die Pflegeleistungen jedenfalls in Erwartung einer weiteren gemeinsamen Lebensgestaltung erbrachte, die jedenfalls nach den ursprünglichen Vorstellungen auch in einer Eheschließung münden sollte. Da der Kläger bei dieser Sachlage auch nicht darauf vertrauen durfte, die Leistungserbringung durch die Beklagte erfolge ungeachtet des Bezugs von Pflegegeld in jedem Fall unentgeltlich, ist es auch nicht mehr von Bedeutung, ob er, wie er in seiner Revisionsbeantwortung unter Bezugnahme auf sein Vorbringen geltend macht, früher zu seinen Eltern gezogen wäre, um von ihnen diese Leistungen kostenlos zu erhalten. Dass das Berufungsgericht die entsprechende Negativfeststellung nicht übernommen hat, schadet daher nicht. Nach den Feststellungen wünschte der Kläger die Anwesenheit der Beklagten jedenfalls bis 8. 3. 2016. Damit fehlt es aber insgesamt an Anhaltspunkten, dass die Beklagte ein Verschulden an der Zweckverfehlung trifft. Ihr Anspruch ist somit vom verschafften Nutzen unabhängig, sodass ihr eine angemessene Entlohnung für die von ihr erbrachten Pflegeleistungen gebührt.

3.3 Ob bei der gegebenen Sachlage die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag (insb § 1037 ABGB) überhaupt zur Anwendung gelangen und das Berufungsgericht daher allenfalls von der Entscheidung zu 8 Ob 37/16y abgewichen ist, muss nicht mehr geprüft werden.

4. Zur Höhe des Anspruchs:

4.1 Die Bestimmung der Höhe des Entgelts für Leistungen, auf das gemäß § 1435 ABGB iVm § 1152 ABGB ein Anspruch besteht, erfolgt nach ständiger Rechtsprechung gemäß § 273 ZPO (RS0021828). Unter Zugrundelegung dieser Bestimmung wurde in der Rechtsprechung etwa das Entgelt für den von der Mutter im eigenen Haushalt erbrachten Pflegeaufwand für ihren schwerstbehinderten Sohn ermittelt (RS0110740). Eine zu weitgehende analoge Heranziehung von kollektivvertraglich geregelten Löhnen ist dabei, wenn die Umstände eher ein familiäres als ein Arbeitsverhältnis nahelegen, jedoch nicht gerechtfertigt (RS0021828). Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der vom Erstgericht zugrunde gelegte Stundensatz von 12 EUR nicht zu beanstanden. Auf ihre Argumentation, sie habe als Ärztin medizinische Leistungen erbracht, weswegen ihr ein höherer Stundensatz zustehe, kommt die Beklagte in Ausführung ihrer Revision ohnedies nicht mehr zurück.

4.2 Das Erstgericht hat festgestellt, dass die Beklagte nach der schicksalshaften Hirnstammblutung beim Kläger bis zum Ende der Lebensgemeinschaft Pflegeleistungen im Ausmaß von 4.809 Stunden erbrachte, die über eine allgemeine Beistandsverpflichtung hinausgingen. Das Berufungsgericht hat diese Feststellung ausdrücklich übernommen, sodass für eine abschließende rechtliche Beurteilung des Sachverhalts ausreichen. Inwieweit es von Relevanz sein soll, dass das Berufungsgericht sonst ihre Tatsachen- und Verfahrensrüge unbehandelt gelassen hat, legt sie nicht dar.

4.3 Ausgehend von dem festgestellten Stundenaufwand und einem angemessenen Stundensatz von 12 EUR kann abschließend festgehalten werden, dass die von der Beklagten geltend gemachte Gegenforderung mit 57.708 EUR zu Recht besteht, sodass das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen ist.

5. Das Berufungsgericht hat in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils ausdrücklich ausgesprochen, dass die Entscheidung über die Verfahrenskosten bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Streitsache vorbehalten bleibt (§ 52 Abs 1 ZPO), sodass die Kostenentscheidung im Ersturteil nicht wiederherzustellen und gemäß § 52 Abs 3 ZPO auch im Verfahren dritter Instanz keine Kostenentscheidung zu treffen ist.

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