OGH 2Ob2/16g

OGH2Ob2/16g25.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny in der Rechtssache der klagenden Partei G***** K*****, vertreten durch Dr. Michael Koth, Rechtsanwalt in Gänserndorf, gegen die beklagten Parteien 1. H***** B***** und 2. R***** B*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Borns Rechtsanwalts GmbH & Co KG in Gänserndorf, wegen Abtretung einer Erbschaft (Streitwert 100.000 EUR), hilfsweise Zahlung von 100.000 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse 96.850 EUR) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Oktober 2015, GZ 14 R 88/15m‑30, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses dieses Gerichts vom 2. Dezember 2015, GZ 14 R 88/15m‑32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 10. April 2015, GZ 1 Cg 5/14z‑25, im Ausspruch über das hilfsweise gestellte Zahlungsbegehren aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00002.16G.0225.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Klägerin ist die Nichte der Erblasserin, die Beklagten waren deren Nachbarn. Die Parteien streiten im Revisionsverfahren über die Frage, ob Pflegeleistungen, die die Klägerin der Erblasserin erbracht hat, einen Bereicherungsanspruch begründen. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Erblasserin hatte, jeweils mit formgültigen Testamenten, am 12. April 1999 die Beklagten, am 15. Oktober 2007 die Klägerin und am 16. November 2007 wiederum die Beklagten als Erben eingesetzt. Anfang 2008 wurde auf Anregung der Zweitbeklagten ein Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters eingeleitet, wobei zunächst die Zweitbeklagte und dann die Klägerin als einstweilige Sachwalterinnen mit folgendem Wirkungskreis bestellt wurden:

Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern; Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten; Personensorge.

Mit Beschluss vom 16. Juni 2008 bestellte das Pflegschaftsgericht schließlich die Klägerin zur Sachwalterin für folgende Angelegenheiten:

Vertretung vor Ämtern, Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern; Verwaltung der Einkünfte und des Vermögens; Vertretung bei Rechtsgeschäften; Personensorge.

Die Erblasserin starb am 1. Juli 2013. Die Beklagten gaben aufgrund der Testamente vom 12. April 1999 und vom 16. November 2007 bedingte Erbantrittserklärungen ab, worauf ihnen der Nachlass je zur Hälfte eingeantwortet wurde. Das Pflegschaftsgericht sprach der Klägerin für die Zeit vom 1. Mai 2008 bis 28. Februar 2010 eine Sachwalterentschädigung von 1.680 EUR zu. Anträge auf Entschädigung für weitere Perioden zog die Klägerin zurück.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Herausgabe des Nachlasses, hilfsweise die Zahlung von 100.000 EUR. Die Erblasserin sei bei Errichtung des (letzten) Testaments zugunsten der Beklagten testierunfähig gewesen, nicht jedoch bei Errichtung des Testaments vom 15. Oktober 2007, mit dem die Klägerin als Erbin eingesetzt worden sei. Mit dem Eventualbegehren werde ein Bereicherungsanspruch geltend gemacht. Die Klägerin habe die Erblasserin von Anfang März 2008 bis zu ihrem Tod in einem gemeinsamen Haushalt umfassend gepflegt und betreut. Der Pflege- und Betreuungsbedarf sei aufgrund der fortschreitenden Verschlechterung des Gesundheitszustands immer größer geworden, insgesamt habe er 6.550 Stunden betragen. Weiters habe die Klägerin beim behindertengerechten Umbau ihrer Wohnung 117 Stunden gearbeitet. Sie habe diese Leistungen im Vertrauen darauf erbracht, dass sie von der Erblasserin als Testamentserbin eingesetzt worden sei; aus diesem Grund habe sie auch die Sachwalterschaft übernommen. Von den anderen Testamenten habe sie nichts gewusst. Wenn der erwartete Erfolg ausbleibe, könne sie ihren Aufwand aufgrund Bereicherungsrechts ersetzt verlangen. Die Leistungen seien mit 15 EUR pro Stunde abzugelten, was insgesamt 100.000 EUR ergebe.

Die Beklagten erkannten das hilfsweise erhobene Zahlungsbegehren für Pflegeleistungen von Anfang März 2008 bis zur Bestellung der Klägerin zur Sachwalterin am 16. Juni 2008 mit 3.150 EUR an. Im Übrigen beantragten sie die Abweisung der Klage. Die Erblasserin sei bei der Errichtung des zu ihren Gunsten errichteten Testaments vom 16. November 2007 testierfähig gewesen; andernfalls hätte die Testierfähigkeit auch schon am 15. Oktober 2007 bei Errichtung des Testaments zugunsten der Klägerin gefehlt. Die Klägerin habe die von ihr behaupteten Pflegeleistungen nicht erbracht, vielmehr habe sie die Erblasserin vernachlässigt. Auch eine Tochter der Klägerin und ein Dritter hätten die Erblasserin gepflegt. Für die Sanierung von Wohnräumen sei die Klägerin nicht qualifiziert gewesen. Da die Beklagten bedingte Erbantrittserklärungen abgegeben hätten und der Wert des Nachlasses nur 37.759,46 EUR betragen habe, sei die Klage im darüber hinausgehenden Umfang jedenfalls abzuweisen. Die Beklagten hätten näher dargestellte Gegenforderungen von 84.320,32 EUR, die sie aufrechnungsweise einwendeten.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab, gab dem Eventualbegehren im Betrag von 3.150 EUR sA mit Teilanerkenntnisurteil statt und wies das Mehrbegehren von 96.850 EUR sA ab. Die Erblasserin sei bei Errichtung des Testaments vom 15. Oktober 2007 aus näher dargestellten Gründen nicht testierfähig gewesen. Über den anerkannten Teil des Eventualbegehrens sei ein Teilanerkenntnisurteil zu fällen. Der Restbetrag stehe der Klägerin nicht zu, weil zu ihrem Wirkungsbereich als Sachwalterin auch die „Personensorge“ gehört habe. Dies und die familienrechtliche Beziehung seien der Rechtsgrund für die Pflegeleistungen gewesen. Damit sei es zu keiner ungerechtfertigten Vermögensverschiebung gekommen. Zu Arbeitsleistungen bei der Wohnungssanierung habe die Klägerin kein ausreichendes Tatsachenvorbringen erstattet.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Hauptbegehrens, wobei diese Entscheidung rechtskräftig wurde. Hingegen hob es das angefochtene Urteil in der teilweisen Abweisung des Eventualbegehrens auf und verwies die Rechtssache insofern an das Erstgericht zurück. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ es zu.

Die dem Sachwalter obliegende Personensorge verpflichte nur zu Beratung und Organisation, nicht aber zur persönlichen Pflege und Betreuung des Betroffenen. Die von der Klägerin behaupteten Leistungen seien daher nicht im Pflegschaftsverfahren abzugelten. Es bestehe jedoch ein Bereicherungsanspruch analog § 1435 ABGB, wenn dem Gepflegten oder dessen Sachwalter bekannt oder zumindest erkennbar gewesen sei, dass die Leistungen in Erwartung einer späteren Gegenleistung erfolgt seien. Dazu habe die Klägerin kein Vorbringen erstattet; aus der bloßen Tatsache einer Erbeinsetzung sei eine solche Motivlage nicht eindeutig ableitbar. Das Erstgericht werde daher der Klägerin Gelegenheit zu geben haben, entsprechende Behauptungen aufzustellen. Weiters setze die Rechtsprechung zur Erkennbarkeit des Motivs des Leistenden auch eine Willensübereinstimmung über diese Leistungsgrundlage voraus. Daher sei „Geschäftsfähigkeit bzw Einsichtsfähigkeit (Diskretionsfähigkeit)“ des Leistungsempfängers erforderlich, damit der Anspruch entstehen könne. Diese Voraussetzung fehle im konkreten Fall jedenfalls ab rechtskräftiger Bestellung der Klägerin zur Sachwalterin. Für die Zeit davor seien Feststellungen zu treffen, ob die Erblasserin „im Sinne einer Geschäftsfähigkeit (§ 865 ABGB) die Einsichtsfähigkeit hatte“, die Erwartung der Klägerin zu erkennen (in diesem Punkt übersah das Berufungsgericht allerdings offenbar, dass der Anspruch für diesen Zeitraum bereits mit Teilanerkenntnisurteil erledigt wurde).

Den Rekurs ließ das Berufungsgericht zu, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die für den Bereicherungsanspruch analog § 1435 ABGB erforderliche Erkennbarkeit der Erwartung des Zuwendenden die Geschäftsfähigkeit des Leistungsempfängers voraussetze oder nicht.

Gegen diese Entscheidung richtet sich ein Rekurs der Klägerin, mit dem sie sich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts wendet, dass der von ihr geltend gemachte Bereicherungsanspruch Geschäftsfähigkeit des Leistungsempfängers voraussetze. Die Beklagten vertreten in der Rekursbeantwortung die Auffassung des Berufungsgerichts.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und berechtigt, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Relevanz der Geschäftsfähigkeit des Leistungsempfängers für einen Bereicherungsanspruch analog § 1435 ABGB abgewichen ist.

1. Mit dem Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluss kann auch allein dessen Begründung angefochten werden, und zwar auch von jener Partei, aufgrund deren Rechtsmittel die Aufhebung erfolgt ist; Grund dafür ist, dass das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren an die dem Beschluss zugrunde liegende Rechtsansicht gebunden ist (RIS‑Justiz RS0007094; zuletzt etwa 2 Ob 58/14i und 5 Ob 176/15s).

2. In Analogie zu § 1435 ABGB besteht ein Bereicherungsanspruch, wenn eine Leistung in der erkennbaren Erwartung einer Gegenleistung erbracht wurde und diese Gegenleistung in weiterer Folge nicht eintrat ( Rummel in Rummel 3 § 1435 Rz 4 ff; Mader in Schwimann 3 § 1435 Rz 8 ff; Koziol in KBB 4 § 1435 Rz 2 f; RIS-Justiz RS0033855, RS0033952; vgl auch RS0033698). Dabei verlangt die Rechtsprechung im Regelfall weder eine „Zweckabrede“ noch eine dem Bereicherungsschuldner „zurechenbare“ Erwartung. Vielmehr genügt deren Erkennbarkeit; der Anspruch besteht schon dann, wenn dem Leistungsempfänger klar war oder bei Berücksichtigung der gesamten Umstände hätte klar sein müssen, dass die Leistungen in Erwartung einer späteren Zuwendung erfolgen (grundlegend Wilburg in Klang 2 VI 469; Rummel , Mader und Koziol aaO; 4 Ob 84/09w, SZ 2009/77 mwN; RIS-Justiz RS0033952 [T8 und T15], RS0033606; zuletzt etwa 3 Ob 228/13w, EvBl 2015/33 [ Huber ] = EF‑Z 2014, 279 [ Tschugguel ] = NZ 2014, 409 [ Meissel 397] = iFamZ 2014, 314 [ Mondel ]).

Wenn Teile der Rechtsprechung diesen Anspruch ‑ in Anlehnung an F. Bydlinski (Lohn und Kondiktionsansprüche aus zweckverfehlenden Arbeitsleistungen, in FS Wilburg zum 60. Geburtstag [1965] 45 ff) ‑ (auch) auf § 1152 ABGB stützen, führt das zu keiner inhaltlichen Abweichung vom Gesagten; auch insofern wird nur die Erkennbarkeit der Erwartung verlangt (3 Ob 589/86, SZ 61/16, 2 Ob 502/91; 5 Ob 174/09p uva; F. Bydlinski, FS Wilburg 77 f). Die Bezugnahme auf § 1152 ABGB dient in erster Linie der Begründung, dass der Anspruch in drei Jahren verjährt (RIS‑Justiz RS0021868, RS0021820). Wenn ‑ was bei Dienstleistungen häufig der Fall sein wird ‑ die Bereicherung des Empfängers in der Ersparnis eines entsprechenden Aufwands für die Inanspruchnahme derselben Leistungen bei einem professionellen Anbieter liegt, besteht auch der Höhe nach kein Unterschied zwischen den beiden Anspruchsgrundlagen (vgl F. Bydlinski , FS Wilburg 79).

3. Der oben dargestellte Bereicherungsanspruch wurde ‑ teilweise auch unter Hinweis auf § 1152 ABGB ‑ insbesondere dann anerkannt, wenn Pflegeleistungen in der zumindest erkennbaren Erwartung einer Gegenleistung, meist einer letztwilligen Zuwendung, erbracht wurden (6 Ob 589/85; 1 Ob 566/90; 2 Ob 502/91, JBl 1992, 39; 6 Ob 17/95). Zuletzt hatte der 6. Senat des Obersten Gerichtshofs einen solchen Anspruch in drei Fällen zu prüfen:

(a) In 6 Ob 29/09x (EF‑Z 2009, 213 [ Stefula ]) verneinte der 6. Senat einen Anspruch des Pflegenden, weil dessen Leistungen im konkreten Fall nicht über jene hinausgegangen seien, die er schon aufgrund der familienrechtlichen Beistandspflicht hätte erbringen müssen. In einem obiter dictum führte er aber ‑ ohne eine konkrete Anspruchsgrundlage zu nennen ‑ Folgendes aus:

„Für die Verneinung eines Entgeltanspruchs würde im Übrigen sprechen, dass der pflegende Angehörige bereits vor oder zumindest noch während der Erbringung dieser Leistungen gegenüber dem zu Pflegenden oder dessen Sachwalter offen legen müsste, dass er diese Leistungen nicht unentgeltlich, sondern in der Erwartung einer Gegenleistung zu erbringen gedenkt. Dies hätte für den zu pflegenden Angehörigen unter anderem den Vorteil, von vorneherein erkennen zu können, ob er (wohl regelmäßig in einer gewissen Dankbarkeitshaltung dem Pflegenden gegenüber) unentgeltliche Leistungen in Anspruch nimmt oder ob diese Leistungen gegen Entgelt erbracht werden; in letzterem Fall stünde ihm dann die Möglichkeit offen, sich vielleicht doch ‑ zur Vermeidung der Dankbarkeitserwartung ‑ für eine professionelle Betreuung zu entscheiden. Auf diese Art und Weise könnten jedenfalls Irrtümer des Gepflegten von vornherein ausgeschlossen werden.“

(b) In 6 Ob 76/12p (EF‑Z 2012, 269 [ Stefula ] = iFamZ 2012, 269 [ Deixler-Hübner ]) stützte der 6. Senat den Anspruch einer pflegenden Ehefrau ausdrücklich auf § 1435 ABGB, weil sie „davon ausgehen konnte, von ihrer Tätigkeit irgendeinen Vorteil in der Zukunft erlangen zu können“. Dafür genüge das ‑ im konkreten Fall enttäuschte ‑ Vertrauen auf „den Weiterbestand der Ehe und die damit verbundenen Ansprüche, insbesondere auch im Zusammenhang mit einer allfälligen Witwenpension, sowie die Erwartung entsprechender Erb- bzw Pflichtteilsansprüche“. Auf die oben zitierten Formulierungen zur „Offenlegung“ der Erwartung kam der 6. Senat in dieser Entscheidung nicht zurück; auch das ‑ im konkreten Fall wohl erfüllte ‑ Erfordernis der Erkennbarkeit dieser Erwartungen nannte er nicht.

(c) In 6 Ob 149/14a (EF-Z 2015, 266 [ Stefula ] = iFamZ 2015, 116 [ Gröger ]) nahm der 6. Senat hingegen wieder auf das Erfordernis der „Offenlegung“ Bezug, das im konkreten Fall eindeutig erfüllt war. Er ließ allerdings dahingestellt, ob diese „Offenlegung“ auch „konkludent“ erfolgen könne. Dabei bezog er sich auf Stefula , der in seiner Anmerkung zu 6 Ob 29/09x allerdings nur den allgemeinen Grundsatz wiedergegeben hatte, dass der Anspruch nach § 1435 ABGB bei einer Leistung in erkennbarer Erwartung einer Gegenleistung bestehe (EF‑Z 2009, 216). Zudem verwies der Senat noch auf das Verhalten des Sachwalters des Gepflegten, aus dem die Pflegenden „die durchaus berechtigte Erwartung“ einer Abgeltung hätten ableiten können.

4. Der hier erkennende Senat sieht keinen Grund, bei Pflegeleistungen vom allgemeinen Grundsatz abzugehen, dass der Anspruch analog § 1435 ABGB grundsätzlich nur die Erkennbarkeit der Erwartung einer Gegenleistung voraussetzt ( Stefula , EF-Z 2015, 268 mwN). Damit reicht ‑ in der Terminologie des 6. Senats ‑ eine „konkludente“ Offenlegung dieser Erwartungen aus. Schon dadurch ist im Regelfall sichergestellt, dass der Gepflegte entscheiden kann, ob er eine im Familien- oder Bekanntenkreis erbrachte Pflege trotz der damit verbundenen Erwartungen entgegennimmt oder statt dessen auf professionelle Leistungen zurückgreift. Weitere Erfordernisse bestehen demgegenüber nicht. Ein konkretes Verhalten des Leistungsempfängers oder seines Sachwalters, aus dem der Leistende eine „Berechtigung“ seiner Erwartungen ableiten kann, ist zwar ein starkes Indiz (zumindest) für die Erkennbarkeit solcher Erwartungen. Der Entscheidung 6 Ob 149/14a kann aber nicht entnommen werden, dass es sich dabei um ein weiteres Tatbestandsmerkmal des hier strittigen Bereicherungsanspruchs handeln sollte; eine Grundlage dafür wäre auch nicht erkennbar. Im Ergebnis genügt daher die Entgegennahme der Leistungen bei erkennbarer Erwartung der ‑ dann ausgebliebenen ‑ Gegenleistung.

5. Erkennbarkeit der Erwartung einer Gegenleistung wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn die Pflege im zeitlichen Zusammenhang mit einer letztwilligen Verfügung zugunsten des Pflegenden aufgenommen wird. Denn in einem solchen Fall wird der Gepflegte bei realistischer Betrachtung annehmen müssen, dass das Motiv des Pflegenden zumindest auch die Erwartung dieser letztwilligen Zuwendung ist. Ein weiteres Klarstellen dieser Erwartung ist hier daher nicht erforderlich. Im vorliegenden Fall wäre der Anspruch der Klägerin daher jedenfalls dann zu bejahen gewesen, wenn die Erblasserin auch subjektiv in der Lage gewesen wäre, die Erwartungen der Klägerin zu erkennen.

6. Damit stellt sich die weitere Frage, ob fehlende Geschäftsfähigkeit an diesem Ergebnis etwas ändert. Diese Frage ist jedoch, anders als vom Berufungsgericht angenommen, durch höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt.

6.1. In 2 Ob 502/91 (JBl 1992, 39 = NZ 1992, 63) hatte der Oberste Gerichtshof einen Fall zu beurteilen, in dem die Gepflegte

„von allem Anfang an nicht geschäftsfähig und daher nicht in der Lage war, die Erwartung der Klägerin rechtswirksam zu erkennen, geschweige denn dieser Erwartung tatsächlich zu entsprechen.“

In einem solchen Fall seien die allgemeinen Grundsätze zur Abgeltung zweckverfehlender Leistungen nicht unmittelbar anwendbar, vielmehr seien jene Regelungen maßgebend, die die Folgen der Nichtigkeit eines Vertrags mit einem Geschäftsunfähigen regelten. Diese seien durch bereicherungsrechtliche Rückabwicklung iSd § 877 ABGB mit der Besonderheit gekennzeichnet, dass § 1424 ABGB analog anzuwenden sei. Der Geschäftsunfähige habe daher ohne Rücksicht auf Redlichkeit nur dasjenige zurückzustellen, das bei ihm noch vorhanden oder zu seinem Vorteil verwendet worden sei. Bei Pflegeleistungen liege der Vorteil im Ersparen des Aufwands für eine professionelle Pflege.

6.2. In 1 Ob 91/15m wiederholte der Oberste Gerichtshof die in 2 Ob 502/91 formulierten Grundsätze. Diese Entscheidung betraf zwar nicht eine zweckverfehlende Leistung im engeren Sinn, sondern die Rückabwicklung eines vom geschäftsunfähigen Beklagten geschlossenen Vertrags über anwaltliche Leistungen. Dennoch ist ihr zumindest obiter zu entnehmen, dass auch in Fällen, die sonst analog § 1435 ABGB zu beurteilen wären, auf § 877 iVm § 1424 ABGB zurückzugreifen wäre.

6.3. Der Senat sieht keinen Grund, von dieser Auffassung abzugehen. Schließt ein Pflegender mit einer geschäftsunfähigen Person einen (nichtigen) Vertrag über Pflegeleistungen, so erfolgte die Rückabwicklung zweifellos nach § 877 iVm § 1424 ABGB (6 Ob 792/82, SZ 55/166; 3 Ob 241/97f, SZ 70/136; 7 Ob 228/08t; 7 Ob 50/10v uva). Der hier zu beurteilende Fall einer im Hinblick auf eine ungültige Erbeinsetzung erfolgten und damit zweckverfehlenden Leistung kann wegen der identischen Interessenlage aller Beteiligten nicht anders behandelt werden. Es ist daher entscheidend, ob die Leistungen der Klägerin tatsächlich zu einer Bereicherung der Erblasserin geführt haben. Das wäre schon dann der Fall, wenn sie sich dadurch die Kosten einer professionellen Pflege erspart hätte (2 Ob 502/91). Die Beweislast für den Eintritt der Bereicherung trifft die Klägerin, für deren ‑ im konkreten Fall freilich nur schwer vorstellbaren ‑ Wegfall die Beklagten (1 Ob 598/87, SZ 60/119; RIS-Justiz RS0048088; zuletzt etwa 7 Ob 50/10v und ‑ in Bezug auf den Eintritt der Bereicherung ‑ 1 Ob 91/15m).

7. Damit hat es zwar im Ergebnis bei der Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung zu bleiben, weswegen dem Rekurs nicht Folge zu geben ist. Im fortgesetzten Verfahren ist allerdings zunächst nur zu prüfen, ob die Klägerin die von ihr behaupteten Pflege- und Betreuungsleistungen tatsächlich im behaupteten Umfang erbracht hat und ob sich die Gepflegte dadurch Kosten einer sonst notwendigen professionellen Pflege und Betreuung erspart hat. Trifft das zu, wird über die Gegenforderungen der Beklagten zu verhandeln sein; zuletzt wird im Fall bedingter Erbantrittserklärungen die daraus folgende Beschränkung der Erbenhaftung zu beachten sein. Dass dies erst nach einer allfälligen Aufrechnung zu erfolgen hat, ergibt sich daraus, dass zu Recht bestehende Gegenforderungen zunächst den Wert des Nachlasses erhöhen. Durch die Aufrechnung vermindern sich der Wert des Nachlasses und die Nachlassschuld im selben Umfang. Erst die so verbliebene Schuld ist dann dem Wert des Nachlasses gegenüberzustellen, wobei dieser nun ohne Bedachtnahme auf die durch die Aufrechnung erloschenen Gegenforderungen zu ermitteln ist.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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