OGH 7Ob236/11y

OGH7Ob236/11y21.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** S*****, vertreten durch Mag. Patricia Tassotti, Rechtsanwältin in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei G***** Ges.m.b.H., *****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Kleinszig/Dr. Puswald - Partnerschaft in St. Veit an der Glan, wegen 6.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 12. Mai 2011, GZ 2 R 94/11t-46, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Veit an der Glan vom 18. Jänner 2011, GZ 3 C 373/09s-39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger, der in der Möbelbranche tätig war, führte mit der beklagten Zimmerei zwischen Mai 2008 und Februar 2009 Vertragsverhandlungen über eine mögliche Zusammenarbeit. Er sollte als Verkaufs- und Marketingleiter bei der Beklagten beschäftigt werden. Zwischen den Parteien wurde vereinbart, dass sich der Kläger ab Herbst 2008 mit dem Unternehmen vertraut machen und seine „überwiegende“ berufliche Tätigkeit für die Beklagte mit 1. 1. 2009 beginnen soll. In weiterer Folge beauftragte der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger mit verschiedenen Aufgaben im Zusammenhang mit seiner künftigen Tätigkeit bei der Beklagten. Der Kläger arbeitete sich sodann ab September 2008 in seiner Freizeit in das Unternehmen der Beklagten ein und verrichtete für diese diverse Arbeiten (Schaffung einer einheitlichen Datenbasis im EDV-Bereich; Vorschläge zur Verbesserung des Marketings; Mitarbeit bei einem Bauprojekt; Besprechungen mit Mitarbeitern der Beklagten; Mitbewerberanalyse; Teilnahme an einem Beratungsgespräch mit einem potentiellen Kunden; Organisation und Durchführung eines „Weihnachtspunsches“; Mitarbeit bei einer Messe). Der Geschäftsführer der Beklagten schickte dem Kläger am 5. 2. 2009 einen Vertragsentwurf für eine Zusammenarbeit. Letztlich kam es zu diesem Vertragsabschluss zwischen den Parteien nicht, weil der Geschäftsführer der Beklagten seine aus dem Ausland zurückgekehrte Tochter anstelle des Klägers im Betrieb Arbeiten ähnlicher Art ausführen lassen wollte. Er entschloss sich aus Kostengründen, die Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht mehr durchzuführen, ohne ihn davon ausreichend in Kenntnis zu setzen. Der Kläger stellte der Beklagten unter Berücksichtigung eines Nachlasses den Betrag von 6.000 EUR für seine erbrachten Leistungen in Rechnung. Die vom Kläger geleisteten Arbeitsstunden und sein verrechneter Stundensatz sind „angemessen“.

Der Kläger begehrte von der Beklagten 6.000 EUR sA für die von ihm im Zeitraum September 2008 bis Februar 2009 auftrags- und vereinbarungsgemäß erbrachten Leistungen. Dem Kläger, der sich in einem aufrechten Dienstverhältnis befunden habe, sei im Frühjahr 2008 vom Geschäftsführer der Beklagten die Mitarbeit im Marketingbereich und Vertrieb angeboten worden. Die Form seiner Mitarbeit (selbständig oder als Dienstnehmer) sei noch offen gewesen. Verabredet worden sei, dass er sich ab Herbst 2008 in seiner Freizeit mit dem Unternehmen vertraut machen und seine „überwiegende“ Tätigkeit für die Beklagte mit 1. 1. 2009 beginnen solle. Bis dahin sollte eine schriftliche Vereinbarung über die Details der Zusammenarbeit getroffen werden. Ab Mitte September 2008 habe ihn der Geschäftsführer der Beklagten mit der Bearbeitung diverser Aufgaben beauftragt, die er bis Anfang Februar 2009 durchgeführt habe. Erst im März 2009 habe ihm der Geschäftsführer der Beklagten erzählt, dass dessen Tochter aus dem Ausland zurückkehre und davon die Zusammenarbeit mit dem Kläger abhänge. Die Beklagte habe sich daraufhin nicht mehr gemeldet, sodass er seinen Aufwand im Zusammenhang mit den erbrachten Leistungen der Beklagten in Rechnung gestellt habe.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, die vom Kläger erbrachten Leistungen seien für sie weder notwendig noch nützlich gewesen. Er habe seine Leistungen ausschließlich in Erwartung und Vorbereitung der zukünftigen Beauftragung erbracht. Er habe keinen Anspruch auf Entlohnung. Sie wendete zwei Gegenforderungen ein, die mangels Ausführungen der Beklagten dazu nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens sind.

Das Erstgericht erkannte die Forderung des Klägers mit 6.000 EUR, nicht jedoch die eingewendete Gegenforderung als zu Recht bestehend und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 6.000 EUR sA. Rechtlich ging es von der Zahlungsverpflichtung der Beklagten wegen culpa in contrahendo aus. Der Geschäftsführer der Beklagten habe den Kläger hinsichtlich des Vertragsabschlusses in Sicherheit gewogen. Es habe zahlreiche Besprechungen zwischen dem Kläger und Mitarbeitern der Beklagten gegeben und mehrere Vertragsentwürfe für eine mögliche Zusammenarbeit, sodass aus Sicht des Klägers ein Vertragsabschluss sicher gewesen sei. Die Beklagte habe für den „Nichtabschluss“ des Vertrags keinen triftigen Grund. Sie habe vom Kläger Leistungen aus dem künftigen Vertrag verlangt, die der „künftigen Erfüllung“ dienen sollten. Die Beklagte treffe auch ein Verschulden „beim Kontrahieren“, habe sie doch erkennen können, dass der Kläger im Vertrauen auf den Abschlusswillen Aufwendungen getätigt habe. Sie habe zumindest fahrlässig einen der „inneren Einstellung“ widersprechenden Vertrauenstatbestand herbeigeführt, wodurch „einschlägige Schäden“ entstanden seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es erachtete die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, jedoch die damit bekämpften Entscheidungsgründe des Ersturteils für zutreffend (§ 500a ZPO) und führte ergänzend aus, dass der Kläger im Vertrauen auf den Abschlusswillen Aufwendungen getätigt habe, zumal ihm die Beklagte noch am 5. 2. 2009 einen Vertragsentwurf für eine Zusammenarbeit zugesandt habe. Zudem stehe fest, dass der Geschäftsführer der Beklagten seine aus dem Ausland zurückgekehrte Tochter anstelle des Klägers im Betrieb Arbeiten ähnlicher Art ausführen lassen wollte und sich aus Kostengründen entschloss, die Arbeit mit dem Kläger nicht mehr durchzuführen, ohne diesen hievon ausreichend in Kenntnis zu setzen.

Über Abänderungsantrag der Beklagten gemäß § 508 Abs 1 ZPO erklärte das Berufungsgericht nachträglich die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO für zulässig, weil auch die Meinung vertreten werden könnte, „dass das Vertrauen des Klägers auf den Abschlusswillen nicht gerechtfertigt gewesen sei“.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger beantwortete ordentliche Revision der Beklagten ist aus nachstehenden Gründen zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Berufungsgericht weder die „rechtliche Überprüfung des festgestellten Sachverhalts“ noch die „Behandlung der Rüge der Beweiswürdigung“ unterlassen, sondern von der Begründungserleichterung des § 500a ZPO Gebrauch gemacht. § 500a ZPO beschränkt die Möglichkeit einer verkürzten Begründung nicht auf bestimmte Berufungsgründe. Es kann in geeigneten Fällen auch in Fragen der Beweiswürdigung mit dem Hinweis auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts und einer kurzen Zusatzbegründung das Auslangen gefunden werden (RIS-Justiz RS0122301). Das Berufungsgericht muss sich auch nicht mehr mit jedem einzelnen Beweisergebnis und jedem Argument der Beklagten auseinandersetzen (RIS-Justiz RS0043162). Es befasste sich im Rahmen der Beweisrüge mit dem Gutachten der Sachverständigen und legte die auf diesem Gutachten basierenden erstgerichtlichen Feststellungen seiner rechtlichen Beurteilung zu Grunde. Soweit die Beklagte dieses Sachverständigengutachten im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof bekämpft, handelt es sich um eine nicht mehr zulässige Beweisrüge (vgl RIS-Justiz RS0113643 [T1]). Die Entscheidung über eine Beweisrüge, mit der sich das Berufungsgericht mängelfrei auseinandergesetzt hat, ist im Rahmen der Revision nicht mehr bekämpfbar (RIS-Justiz RS0043371 [T21]).

2.1. Eine Haftung der Beklagten aus culpa in contrahendo scheidet aus, weil der Kläger keinen Vertrauensschaden, sondern den dem Erfüllungsinteresse zuzuordnenden Ersatz für erbrachte eigene Arbeitsleistungen geltend macht (vgl 9 ObA 117/06f = SZ 2008/51 = ZIK 2009/130, 85 [im Wesentlichen zust Gerhartl]). Die auf den Vertrauensschaden abzielende Haftung, wenn ein Teil schuldhaft Aufklärungspflichten verletzt, etwa indem er ein (ihm bekanntes oder zumindest erkennbares) Abschlusshindernis oder auch eigene Vorbehalte verschweigt, obwohl er dem anderen Teil Anlass zur Annahme eines (weitgehend) gesicherten Vertragsabschlusses gibt bzw gegeben hat, oder wenn ein Teil den anderen Teil hinsichtlich des Vertragsabschlusses zunächst (sei es auch gutgläubig) in Sicherheit wiegt, dann aber den Abschluss ohne triftigen Grund verweigert (s Lukas, Abbruch von Vertragsverhandlungen [Teil I], JBl 2009, 751 [752] mwN), kann daher den Anspruch des Klägers nicht begründen.

2.2. Dem von der Beklagten in der ordentlichen Revision erstmals erhobenen Einwand der Sorglosigkeit des Klägers in eigenen Angelegenheiten im Hinblick auf die von ihm getätigten Leistungen steht schon das Neuerungsverbot entgegen (§ 504 Abs 2 ZPO).

2.3. Zwischen den Parteien gab es in der Zeit von Mai 2008 und Februar 2009 Vertragsverhandlungen über eine Beschäftigung des Klägers als Verkaufs- und Marketingleiter bei der Beklagten. Im Hinblick darauf verrichtete der Kläger für die Beklagte ab September 2008 diverse Arbeiten, mit denen er vom Geschäftsführer der Beklagten beauftragt wurde. Letztlich kam es aus bei der Beklagten gelegenen Gründen zu keinem Vertragsabschluss zwischen den Parteien.

Die Kondiktion wegen Zweckverfehlung greift in Analogie zu § 1435 ABGB dann ein, wenn die Umstände, die nach dem Sinn und Zweck des Geschäfts die Grundlage der Leistung waren, weggefallen sind (RIS-Justiz RS0033855). Erschöpfen sich die Zuwendungen in reinen Dienstleistungen, so stützt sich die Rechtsprechung bei diesen zweckverfehlenden Arbeitsleistungen grundsätzlich nicht auf § 1435 ABGB, sondern wendet auf diese § 1152 ABGB analog an (6 Ob 172/10b mwN). Es ist in Lehre und Rechtsprechung anerkannt, dass derjenige, der eine Leistung, die in der Natur nicht mehr zurückgenommen werden kann, vor allem eine Arbeitsleistung, in Anspruch nimmt, diese auf Grund des in § 1152 ABGB zum Ausdruck kommenden Prinzips angemessen zu entlohnen hat, außer er braucht nicht damit zu rechnen, dass er sie besonders zu vergüten hat. Für den Bereich der außergeschäftlichen Erbringung von Arbeitsleistungen ist es daher entscheidend, ob der Empfänger die Leistungen bewusst entgegengenommen hat. Es liegt dann andererseits beim Empfänger, die Unentgeltlichkeit der Leistungen zu beweisen, was hier der Beklagten nicht gelungen ist. Für das Entstehen eines Kondiktionsanspruchs im Sinn des § 1435 iVm § 1152 ABGB ist aber jedenfalls notwendig, dass der Leistungsempfänger sich darüber im Klaren war oder bei Berücksichtigung der gesamten Umstände hätte im Klaren sein müssen, dass die Arbeitsleistungen in Erwartung einer späteren Zuwendung erfolgten. Sofern den Leistenden - wie hier den Kläger - kein Verschulden an der Zweckverfehlung trifft, ist sein Anspruch vom verschafften Nutzen unabhängig (6 Ob 172/10b mwN; vgl Rebhahn in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 1152 Rz 6).

Ausgehend von diesen Grundsätzen steht dem Kläger das - der Höhe nach im Revisionsverfahren nicht mehr zu prüfende - Entgelt für seine in Erwartung der Tätigkeit als Verkaufs- und Marketingleiter bei der Beklagten ab September 2008 bis Februar 2009 geleistete Arbeit zu. Der Kläger hat die ihm vom Geschäftsführer der Beklagten zugewiesenen Aufgaben vereinbarungsgemäß erledigt. Die Beklagte hat die Arbeitsleistung des Klägers daher „bewusst“ entgegengenommen, sodass sie ihm das angemessene Entgelt nach § 1152 ABGB in der Höhe von 6.000 EUR zu zahlen hat.

2.4. Da der Anspruch des Klägers schon auf der Grundlage von § 1435 iVm § 1152 ABGB berechtigt ist, braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob allenfalls das Klagebegehren auch wegen Vorliegens eines befristeten freien Dienstvertrags berechtigt wäre.

3. Der ordentlichen Revision der Beklagten ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

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