European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00013.18T.0220.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Betreiberin eines Zivilflughafens hat vor dem Abfertigungsgebäude auf ihrem Privatgrund eine Taxizone eingerichtet, die dazu dient, dass ankommende Fluggäste bereitgestellte Taxifahrzeuge zum Weitertransport vorfinden. Bei der Taxizone handelt es sich um einen abgeschrankten, überdachten Bereich mit zwei Fahrspuren. Die Flughafengesellschaft befindet sich zu 75 % im Eigentum des Landes ***** und zu 5 % im Eigentum der Stadt *****. Den Betrieb und die Verwaltung der Taxizone hat sie an die C***** GmbH übertragen, an der sie zu 85 % beteiligt ist. Diese Gesellschaft hat die Bewirtschaftung der Taxizone ab Mai 2016 auf Basis eines Unterbestandvertrags an die Beklagte übertragen. Im Unterbestandvertrag verpflichtete sich die Beklagte, sämtlichen Taxilenkern, die die gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere jene der örtlichen ***** Taxi-, Mietwagen- und Gästewagenbetriebsordnung einhalten, die Nutzung der Taxizone nach Abschluss einer gesonderten Gestattungsvereinbarung zu ermöglichen, sofern nicht sachlich gerechtfertigte Ausschlussgründe vorliegen. Weiters hat die Beklagte im Fall des Widerrufs einer Gestattungsvereinbarung aus einem sachlich gerechtfertigten Grund die C***** GmbH davon unverzüglich in Kenntnis zu setzen, damit die Geldwertkarte des betroffenen Taxilenkers gesperrt wird. Für die Nutzung der Taxizone ist ein angemessener Infrastrukturbeitrag zu leisten, den die Beklagte mit 1 EUR brutto pro Zufahrt in die Taxizone festgelegt hat.
Am 3. Mai 2016 schloss die Beklagte mit dem Kläger eine (standardisierte) Gestattungsvereinbarung ab. Darin übernahm der Kläger insbesondere die Verpflichtung zur Einhaltung der ***** Taxi-, Mietwagen- und Gästewagenbetriebsordnung sowie der örtlichen ***** Tarifverordnung. Zudem ist in der Gestattungsvereinbarung festgehalten, dass aus Gründen der Qualitätssicherung Unmutsäußerungen gegenüber Fahrgästen zu unterlassen sind und die Taxizone sauber zu halten ist. Anordnungen und Weisungen der Flughafenbeauftragten der Beklagten ist diskussionslos Folge zu leisten.
Am Morgen des 8. Jänner 2017 waren die Fahrspuren in der Taxizone mit Schneematsch bedeckt. Der Kläger war darüber verärgert und beschwerte sich beim zuständigen Mitarbeiter der Betreiberin der Taxizone über die mangelhafte Räumung. Aufgrund eines Berichts des Mitarbeiters der C***** GmbH widerrief die Beklagte mit Schreiben vom 11. Jänner 2017 die Zufahrtsberechtigung des Klägers mit sofortiger Wirkung. Zudem sperrte die C***** GmbH seine Geldwertkarte.
Der Kläger erhob ein Unterlassungsbegehren, das in seinem Kern darauf abzielt, dass ihn die Beklagte nicht ohne gerechtfertigten Grund an der Zufahrt zur Taxizone hindern dürfe. Die Beklagte habe die Gestattungsvereinbarung ohne sachlich gerechtfertigtem Grund aus Schikane widerrufen. Er habe diese Vereinbarung mit der Beklagten schließen müssen, um zur Taxizone des Flughafens als Taxilenker zufahren zu können.
Die Beklagte entgegnete, dass die Zufahrtsberechtigung zur Taxizone aufgrund der Gestattungsvereinbarung als Prekarium ausgestaltet sei. Aus diesem Grund sei sie jederzeit widerrufbar. Beim Kläger sei auch ein wichtiger Grund gegeben, weil er Mitarbeiter beschimpft und mit dem „Herunterreißen des Schrankens“ gedroht habe.
Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt, wobei es dem Spruch eine klarere und deutlichere Fassung gab. Bei der Taxizone handle es sich um keine Straße mit öffentlichem Verkehr, weil diese mit einer Schrankenanlage abgegrenzt sei. Gemäß § 34 Abs 3 der ***** Taxi-, Mietwagen- und Gästewagenbetriebsordnung sei das Auffahren und Bereithalten von Taxifahrzeugen im Bereich des Zivilflughafens von einer zivilrechtlichen Erlaubnis abhängig. Die Flughafengesellschaft bzw die C***** GmbH treffe als Versorgungsunternehmen, die öffentliche Aufgaben im Bereich des Verkehrs wahrnehme, eine Kontrahierungspflicht. Die Weitergabe der Bewirtschaftung einer derartigen Zone (hier an die Beklagte) sei zulässig, wenn die sich aus dem Kontrahierungszwang und dem daran anknüpfenden Gleichbehandlungsgrundsatz ergebenden Pflichten überbunden würden. Dies sei hier geschehen. Für den Entzug der Zufahrtsberechtigung des Klägers hätte es eines gerechtfertigten Grundes bedurft. Ein solcher könne insbesondere angenommen werden, wenn der Taxilenker die Beförderungspflicht, die Tarifordnung oder die Pflicht zu einem anständigen Verhalten verletze. Der Vorfall vom 8. Jänner 2017 habe allerdings nicht die erforderliche Intensität erreicht. Die Beklagte hätte die Gestattungsvereinbarung daher nicht widerrufen dürfen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Verfassungsgerichtshof habe aus Anlass eines Individualantrags eines Taxikonzessionsinhabers bereits ausgesprochen, dass die Flughafengesellschaft und die C***** GmbH im Zusammenhang mit dem Betrieb des Flughafens ***** und der Verwaltung der dazugehörigen Verkehrsflächen ein Kontrahierungszwang treffe. Werde der Betrieb und die Verwaltung der Taxizone an ein anderes Unternehmen übertragen, das sich nicht überwiegend in der öffentlichen Hand befinde, so komme diesem die Monopolstellung zu, sodass auch dieses Unternehmen dem Kontrahierungszwang Rechnung tragen müsse. Für den Widerruf der Gestattungsvereinbarung sei daher ein sachlich gerechtfertigter Grund erforderlich. Der Vorfall vom 8. Jänner 2017 könne einen Widerruf der Gestattungsvereinbarung nicht rechtfertigen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob ein Kontrahierungszwang auch dann bestehe, wenn die Bewirtschaftung einer Taxizone auf einem Zivilflughafen an ein Privatunternehmen ausgelagert werde, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten, die auf eine Abweisung des Klagebegehrens abzielt.
Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Aufzeigens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
1. Allein der Umstand, dass zu einer bestimmten Fallgestaltung keine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht, begründet noch keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0102181). Eine solche liegt insbesondere dann nicht vor, wenn das Gesetz dazu selbst eine klare und eindeutige Regelung trifft oder die relevanten rechtlichen Grundsätze in der Rechtsprechung des Höchstgerichts geklärt sind (8 Ob 93/11a; 5 Ob 6/17v).
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind die Grundsätze zur Beurteilung einer Vertragsauflösung trotz eines Kontrahierungszwangs geklärt.
2.1 Die Pflicht zum Vertragsabschluss wird– außerhalb des Kartellrechts und neben den Fällen eines gesetzlich normierten Kontrahierungszwangs – nach ständiger Rechtsprechung vor allem dort bejaht, wo ein Unternehmer seine Monopolstellung oder seine marktbeherrschende Stellung durch Verweigerung des Vertragsabschlusses sittenwidrig ausnützt und dem Interessenten zumutbare Ausweichmöglichkeiten fehlen. Kontrahierungszwang besteht also überall dort, wo die faktische Übermacht eines Beteiligten bei bloßer formaler Parität diesem die Möglichkeit der Fremdbestimmung über andere gibt (RIS‑Justiz RS0016744; RS0016745). Faktische Übermacht darf nämlich ganz allgemein nicht in unsachlicher Weise ausgenützt werden (RIS‑Justiz RS0110808). Dies ist aber der Fall, wenn der Vertragsabschluss ohne sachlichen Grund verweigert wird.
Eine Pflicht zum Vertragsabschluss besteht demnach nur dann nicht, wenn der Unternehmer für die Weigerung sachlich gerechtfertigte Gründe ins Treffen führen kann. In solchen Fällen kann auch ein Monopolist oder ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht gezwungen werden, jeden von einem Dritten gewünschten Vertrag abzuschließen (RIS‑Justiz RS0117542; RS0106571).
Kontrahierungszwang besteht auch bei nicht lebensnotwendigen Gütern und trifft nicht nur Gebietskörperschaften oder die öffentliche Hand. Vielmehr kommt es auf eine Monopol- oder marktbeherrschende Stellung bei den konkret angebotenen Leistungen gegenüber jenen potenziellen Interessenten (Abnehmern) an, an die sich das Angebot richtet und die auf die angebotenen Leistungen angewiesen sind.
2.2 Nach der Rechtsprechung besteht Kontrahierungszwang auch in einer zum Abschluss des Vertrags spiegelbildlichen Situation, also bei der Vertragsauflösung. In solchen Fällen muss auch für die Auflösung des Vertrags ein sachlicher Grund vorliegen (1 Ob 143/10a; 1 Ob 39/17t). Ob dies der Fall ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (6 Ob 91/16z).
2.3 Da potenziellen Vertragspartnern von Monopolisten oder marktbeherrschenden Unternehmen im Allgemeinen die Möglichkeit fehlt, einzelne Vertragsbestimmungen in Wahrung ihrer Interessenlage auszuhandeln, steht der Kontrahierungszwang einer (vereinbarten) ordentlichen Kündigung, nicht aber der Auflösung des Vertrags aus einem wichtigen Grund entgegen. Auch das außerordentliche Kündigungsrecht darf aber nicht in unsachlicher Weise ausgeübt werden, bedarf also der sachlichen Rechtfertigung (1 Ob 88/12s = EvBl 2012/159).
Zudem steht der Kontrahierungszwang der Qualifikation einer Gestattungsvereinbarung als Prekarium entgegen. Das wesentliche Element der Bittleihe ist– abgesehen von der Unentgeltlichkeit – die jederzeitige Widerruflichkeit durch den Verleiher. Dieser kann die Sache daher nach Willkür zurückfordern. Da im Fall eines Kontrahierungszwangs eine grundlose Vertragsauflösung nicht in Betracht kommt, kann es sich bei einer Gebrauchsüberlassung oder einer Gestattungsvereinbarung auch nicht um ein Prekarium handeln (6 Ob 191/05i).
3.1 Die Vorinstanzen sind von diesen Grundsätzen ausgegangen. Die Beklagte vermag dem nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen.
3.2 In dem der Entscheidung 1 Ob 524/94 zugrunde liegenden Fall verlangte ein Cateringunternehmen von der beklagten Flughafengesellschaft, die auch eine Cateringkonzession hielt, entweder die Übernahme oder die Zulassung von Transporten auf dem Flughafengelände zu den zu beliefernden Flugzeugen. Der Oberste Gerichtshof sprach in dieser Entscheidung aus, dass ein Kontrahierungszwang der Flughafengesellschaft nur in Bezug auf (potenzielle) Abnehmer der von ihr angebotenen Leistungen (zB Fluglinien oder Fluggäste), nicht aber gegenüber einem Konkurrenten bestehen könne. Zudem wurde in Bezug auf die Cateringleistungen eine Monopolstellung der Flughafengesellschaft verneint, weil die Fluglinien den Caterer frei wählen konnten und die Klägerin nicht gehindert war, Fluglinien zu beliefern.
Die von der Beklagten ebenfalls zitierte Entscheidung 9 Ob 70/00k betrifft einen Tarifzuschlag für (Sonder-)Leistungen außerhalb der – für Luftbeförderungsunternehmen gemäß § 102 LFG geltenden – Betriebszeiten eines Flughafens. Die Frage, ob die beklagte Flughafenbetreiberin ein Kontrahierungszwang traf, wurde in dieser Entscheidung nicht geprüft, sondern unter Hinweis auf die Monopolstellung der Beklagten als selbstverständlich unterstellt.
Beide Entscheidungen sind für den Anlassfall nicht einschlägig.
3.3 Die Aussage in der Entscheidung 1 Ob 524/94, dass eine Kontrahierungspflicht für den Monopolisten und für Versorgungsunternehmen der öffentlichen Hand (wie zB für öffentliche Bibliotheken, Museen, Galerien, Ausstellungen oder öffentliche Verkehrsunternehmen) bestehe, ist im Sinn der nunmehr ständigen Rechtsprechung zu ergänzen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es daher unerheblich, ob eine gesetzliche Pflicht zum Anbieten von Versorgungsleistungen besteht. Es kommt auch nicht auf einen Kernversorgungsbereich mit öffentlichen Aufgaben an. Entscheidend ist auch nicht, ob es sich bei der hier fraglichen Taxizone um eine freiwillig eingerichtete Fläche handelt. Schließlich kann der zitierten Entscheidung keine allgemeine Aussage dahin entnommen werden, dass für einen Flughafenbetreiber nicht einmal im Primärbereich („Aviation-Bereich“) durchgehend ein Kontrahierungszwang zu bejahen sei.
4.1 Im Anlassfall ist zu berücksichtigen, dass die Taxizone auf Privatgrund der Flughafengesellschaft errichtet und mit einer Schrankenanlage versehen ist. Ohne funktionsfähige Geldwertkarte kann in die Taxizone nicht eingefahren werden. Da die ankommenden Fluggäste von den Taxifahrzeugen, die in der Taxizone warten, aufgenommen werden, können die Transportleistungen nicht ohne aufrechte Gestattungsvereinbarung angeboten werden. Davon ausgehend hält sich die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die C***** GmbH aufgrund ihrer Monopolstellung ein Kontrahierungszwang treffe, im Rahmen der Rechtsprechung. Die Beklagte bezweifelt nicht, dass in diesem Fall die C***** GmbH verpflichtet ist, die sich aus dem Kontrahierungszwang ergebenden Pflichten auf sie als Unterbestandnehmerin zu überbinden.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass dann, wenn der Monopolist den Betrieb und die Verwaltung der Taxizone an ein anderes Unternehmen auslagere, dieses andere Unternehmen in die Monopolstellung eintrete und aufgrund der Monopolstellung dem Kontrahierungszwang Rechnung tragen müsse, ist nicht korrekturbedürftig. Der Einwand der Beklagten, der Unterbestandvertrag wirke nur inter partes, erweist sich als nicht zielführend, weil er die ihr überbundene Pflicht zur Gleichbehandlung außer Acht lässt.
4.2 Ob der Widerruf der Zufahrtsberechtigung des Klägers wirksam ist, hängt vom Vorliegen eines sachlichen Grundes ab. Bei dieser Beurteilung ist anhand einer sorgfältigen Abwägung der einander widerstreitenden Interessen zu prüfen, ob ein ausreichend wichtiger und objektiv nachvollziehbarer Grund für die Auflösung der Gestattungsvereinbarung besteht (4 Ob 205/12v; 1 Ob 39/17t).
Der Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass der von der Beklagten ins Treffen geführte Vorfall vom 8. Jänner 2017 keinen sachlichen Grund für den Widerruf der Zufahrtsberechtigung des Klägers bildet, tritt die Beklagte in der Revision nicht entgegen.
5. Insgesamt gelingt es der Beklagten nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (vgl RIS-Justiz RS0035979).
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