Spruch:
1. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird in F***** Aktiengesellschaft richtiggestellt.
2. Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und der Nebenintervenientin die je mit 10.188 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.698 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei ist Zivilflugplatzhalterin des Flughafens W***** und Konzessionsträgerin für das Catering (Anlieferung der Bordverpflegung) auf diesem Flughafen; sie hat diese Gewerbeberechtigung an die Nebenintervenientin verpachtet und verpflichtete sich mit Vertrag vom 22. Juni 1987 gegenüber der Nebenintervenientin, in Zukunft keinen Cateringbetrieb am Flughafen zuzulassen, der die Bordverpflegung an Dritte verkauft. Die klagende Partei besorgt unter anderem das Catering für eine österreichische Fluggesellschaft und ist bestrebt, auch für andere Fluggesellschaften, die mit ihren Luftfahrzeugen den Flughafen W***** anfliegen, das Catering durchzuführen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, nach ihrer Wahl a) entweder die von der klagenden Partei über Auftrag von Fluggesellschaften angelieferte Bordverpflegung auf dem Flughafen W***** zu übernehmen, mit eigenen Bordfahrzeugen (der beklagten Partei) zu den Flugzeugen der betreffenden Fluggesellschaften zu bringen und dort an diese zu übergeben, oder b) es der klagenden Partei zu gestatten, die über Auftrag von Fluggesellschaften angelieferte Bordverpflegung auf dem Flughafen W***** mit eigenen Bordfahrzeugen (der klagenden Partei) zu den Luftfahrzeugen der betreffenden Fluggesellschaften zu bringen und dort an diese zu übergeben, ab.
Die zweite Instanz bestätigte das Ersturteil, sprach (nach Ergänzung) aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und ließ die ordentliche Revision zu. Rechtlich verneinten beide Vorinstanzen, daß die beklagte Partei einem Kontrahierungszwang unterliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei ist zulässig. Auch wenn es zu Fragen des Kontrahierungszwanges schon allgemeine, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entwickelte Leitsätze gibt, muß doch bei Lösung des Einzelfalles stets ein sorgfältiger Vergleich mit den bisher entschiedenen, nur ähnlichen Fällen vorgenommen werden; demnach liegt eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung iS des § 502 Abs 1 ZPO vor. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Gemäß § 14 Abs 1 Zivilflugplatz-Betriebsordnung BGBl 1962/72 idF BGBl 1986/610 (ZFBO) ist nichtbehördliche Abfertigung die Abfertigung von Luftfahrzeugen, Fluggästen, Fracht und Luftpost auf einem Zivilflugplatz, soweit es sich nicht um behördliche Aufgaben ... handelt. Sie umfaßt insbesondere die Gesamtheit aller nichtbehördlichen Tätigkeiten, die ... bei der Versorgung von Luftfahrzeugen vor dem Abflug beziehungsweise nach der Landung auf einem Zivilflugplatz durchzuführen sind. Als Versorgung von Luftfahrzeugen in diesem Sinne gilt nicht die Wartung und die Enttankung derselben. Nach § 14 Abs 2 ZFBO ist der Halter eines öffentlichen Zivilflugplatzes verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die für die rasche und reibungslose Durchführung der nichtbehördlichen Abfertigung erforderlichen Bediensteten und Einrichtungen während der Betriebszeiten (...) zur Verfügung stehen. § 14 Abs 3 ZFBO berechtigt jeden Luftfahrzeughalter, die nichtbehördliche Abfertigung seiner Luftfahrzeuge selbst oder durch seine eigenen Bediensteten durchzuführen. Zivilflugplatzbenützer iSd § 17 ZFBO ist, wer Anlagen oder Einrichtungen eines Zivilflugplatzes in Anspruch nimmt, insbesondere Luftfahrzeughalter, Besatzungsmitglieder von Luftfahrzeugen, Fluggäste, Flugplatzbesucher und (lit e) Gewerbetreibende mit einer am Zivilflugplatz befindlichen Betriebsstätte. Die klagende Partei ist demnach nicht als Zivilflugplatzbenützer anzusehen.
Der Kontrahierungs- oder Abschlußzwang als Ausnahme vom Prinzip der Abschlußfreiheit (JBl 1988, 454; Koziol-Welser, Grundriß I9 116 f) besteht nach herrschender Auffassung nur in den vom Gesetz geregelten - hier nicht zu beurteilenden - Fällen (etwa § 4 NVG) und überall dort, wo die faktische Übermacht eines Beteiligten bei bloßer formaler Parität die Möglichkeit der „Fremdbestimmung“ über andere gibt (MR 1991, 170; JBl 1988, 454; SZ 46/54, SZ 44/138; 4 Ob 146/93 ua; Krejci in Rummel 2, Rz 83 zu § 879 ABGB). Kontrahierungspflicht besteht demnach für den Monopolisten, weil er faktische Übermacht hat und für solche Unternehmen, die von der „öffentlichen Hand“ betrieben werden, um eine Versorgungsaufgabe wahrzunehmen, für deren Erfüllung nach heutiger Auffassung die Allgemeinheit zu sorgen hat (WBl 1992, 21 mit Anm von Stefan Müller = RdW 1992, 108; MR 1991, 121; JBl 1988, 454 jeweils mwN ua), ist doch die Öffentlichkeit angewiesen, sich solcher Betriebe, wie Eisenbahn, Post etc zu bedienen (WBl 1992, 21; SZ 44/138 ua). Die Versorgungsbetriebe der öffentlichen Hand sind in der Regel Monopolunternehmen. Für sie kann auch insoweit eine Verpflichtung zum Vertragsabschluß bestehen, als die Weigerung zu kontrahieren der sie treffenden Pflicht zur Gleichbehandlung widerspricht (WBl 1992, 21; 4 Ob 146/93 ua; Rummel aaO Rz 10 zu § 861 ABGB; Koziol-Welser aaO 117). Kontrahierungszwang wird auch für öffentliche Bibliotheken, Museen, Galerien und Ausstellungen angenommen (JBl 1988, 454 mwN), jedenfalls hinsichtlich des Personenkreises, für den diese Einrichtungen bestimmt sind. Demnach dürfen Besucher solcher öffentlicher Einrichtungen vom Besuch im allgemeinen nicht ausgeschlossen werden. Bydlinski (AcP 1980, 41) geht noch weiter und stellt die Regel auf, daß ein Unternehmer, der die Leistung bestimmter Sachen und Dienste öffentlich in Aussicht gestellt hat, einen zum angesprochenen Personenkreis gehörigen Interessenten, wenn diesem zumutbare Ausweichmöglichkeiten fehlen, die zur Befriedigung seines Bedarfs einschlägige Leistung und den sie vorbereitenden Vertragsabschluß ohne sachlich gerechtfertigte Gründe nicht verweigern darf, wenn es sich um den Normalbedarf oder den Notbedarf handelt.
Die beklagte Partei ist als Halterin des Zivilflugplatzes W***** ein Versorgungsunternehmen, das öffentliche (Verkehrs)Aufgaben wahrnimmt, hat somit die gleiche Funktion wie ein Unternehmen der öffentlichen Hand, so daß es gerechtfertigt erscheint, sie in Bezug auf einen Kontrahierungszwang als solches zu behandeln (4 Ob 146/93 mwN). Ein Kontrahierungszwang des beklagten Verkehrsversorgungsunternehmens mag gegenüber Luftfahrzeughaltern, Fluggästen und sonstigen Flugplatzbenützern iS des § 17 ZFBO, somit in Ansehung der dabei von ihr zu erbringenden Leistungen im weitesten Sinn bestehen (vgl BGH JNW 1974, 1903 zum Fall eines Unternehmens, das von einem Flughafen aus Taxi- und Charterflüge unternahm) - was hier nicht zu untersuchen ist -, jedenfalls aber nicht gegenüber einem (Mit)Anbieter von Catering-Leistungen als Maßnahmen der Versorgung von Luftfahrzeugen im Rahmen deren nichtbehördlichen Abwicklung nach § 14 ZFBO. Die beklagte Partei ist nach § 14 Abs 1 ZFBO als Flugplatzhalter verpflichtet, auf dem in Rede stehenden Zivilflugplatz auch Catering als Versorgungsleistung für Luftfahrzeuge anzubieten. Eine Monopolstellung der beklagten Partei auf der Anbieterseite von Catering ist aber in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen zu verneinen, weil es den Luftfahrzeughaltern als einzigen auf der Nachfrageseite nach § 14 Abs 3 ZFBO freisteht, die nichtbehördliche Abfertigung mit der Versorgung, einschließlich ihrer Luftfahrzeuge, selbst oder durch ihre eigenen Bediensteten durchzuführen; diese müssen daher die Catering-Leistungen der beklagten Partei nicht in Anspruch nehmen. Daß der Flughafen nicht nur dem Linien- und Bedarfsflugverkehr und dabei den in § 17 ZFBO genannten Flughafenbenützern, sondern auch allen interessierten gastronomischen und sonstigen Betrieben unter gleichen Bedingungen offenstehen muß, ergibt sich weder aus der ZFBO noch aus einer anderen gesetzlichen Regelung. Der Eigentümer, Mieter oder sonst über ein Gelände Verfügungsberechtigte ist nicht bei sonstiger Sittenwidrigkeit verpflichtet, jedem zu gestatten, dort Waren zu verkaufen und Zutritt zu gewähren (JBl 1988, 454). Er muß vielmehr in seiner Entscheidung frei bleiben, welchem Unternehmer er den Vertrieb von Waren oder das Anbot von Leistungen auf seinem Gelände gestattet und wem er sie versagt. Demgemäß hat kein Gewerbetreibender unter Berufung auf den Kontrahierungszwang das Recht, in Gebäuden etc Grundflächen und/oder Räume zur Ausübung seines Gewerbes zur Verfügung gestellt zu bekommen oder wie hier Beförderungsleistungen zu verlangen.
Die klagende Partei ist im übrigen beim Anbieten von Catering-Leistungen an der Zusammenarbeit mit interessierten Luftfahrzeughaltern nicht gehindert, wie sich ja aus der Tatsache der Belieferung eines Luftfahrzeughalters durch sie ergibt. Die dabei notwendigen Beförderungsleistungen auf den nicht allgemein zugänglichen Teilen des Flughafens W***** müssen freilich vom (interessierten) Luftfahrzeughalter selbst vorgenommen werden. Frei von Rechtsirrtum haben daher die Vorinstanzen einen Kontrahierungszwang des beklagten Flughafenhalters gegenüber dem klagenden Anbieter von Catering-Leistungen verneint.
Die Frage, ob Bordverpflegung als Normalbedarf oder Notbedarf anzusehen ist, stellt sich dann nicht mehr. Auch die von der beklagten Partei und der Nebenintervenientin hervorgehobenen Sicherheitsaspekte (wohl nur zu Punkt b) des Klagebegehrens), womit erkennbar die Zulässigkeit der Ablehnung des Vertragsabschlusses aus triftigen Gründen auch in Fällen des Kontrahierungszwanges (MR 1991, 121; SZ 59/130 = JBl 1987, 36 = EvBl 1987/6 mwN ua) angesprochen wird, sowie die Rechtsnatur der Vereinbarung der beklagten Partei mit der Nebenintervenientin können ungeprüft bleiben.
Der Revision ist nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Ein Streitgenossenzuschlag steht der beklagten Partei nicht zu (§ 15 RATG).
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