European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00008.17S.0130.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.017,90 EUR (darin 169,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die am 6. 4. 2013 im Alter von 86 Jahren ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorbene M***** B***** hatte fünf Kinder, darunter die Streitteile. Das Verlassenschaftsverfahren ergab eine Überschuldung des Nachlasses mit 46.319,22 EUR. Die Passiva umfassten ua die von der Beklagten getragenen Bestattungskosten samt Nebenspesen in Höhe von 6.520,80 EUR.
Mit Notariatsakt vom 29. 10. 2004 hatte die Erblasserin der Beklagten die Liegenschaft EZ ***** des Grundbuchs ***** in das Eigentum übertragen. Nach dem Inhalt dieses „Übergabsvertrags“ schenkte und übergab die Erblasserin die Liegenschaft an die Beklagte (I) und behielt sich auf ihre Lebensdauer das unentgeltliche Gebrauchsrecht gemäß § 504 ABGB vor (II). Weiters verpflichtete sich die Beklagte, die Erblasserin im Krankheits- und Gebrechlichkeitsfall zu pflegen und zu betreuen und dieses Recht als Reallast auf der Vertragsliegenschaft zu bestellen (III). Schließlich vereinbarten die Vertragsparteien ein Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der Erblasserin (IV). Der Vertragstext entsprach dem Willen der Vertragsparteien. Das Eigentumsrecht der Beklagten wurde mit den genannten dinglichen Belastungen verbüchert.
Zum Stichtag 29. 10. 2004 hatte die Liegenschaft einen Verkehrswert von 148.280 EUR, das Gebrauchsrecht einen Wert von 13.177 EUR. Die Verpflichtung, die Erblasserin zu betreuen und zu pflegen, entsprach einem Gegenwert von 29.854 EUR.
Zum Stichtag 6. 4. 2013 betrug der Verkehrswert der Liegenschaft 235.000 EUR. Die Beklagte verkaufte die Liegenschaft am 29. 7. 2014 um 245.000 EUR an die Eigentümer einer unmittelbar angrenzenden Liegenschaft.
Der Kläger begehrte mit der am 20. 3. 2014 beim Erstgericht eingebrachten Klage von der Beklagten die Zahlung seines mit 30.000 EUR bezifferten Schenkungspflichtteils. Er stützte dieses Begehren auf § 951 ABGB aF.
Die Beklagte wandte ein, vom behaupteten Anspruch des Klägers seien die Bestattungskosten samt Nebenspesen abzuziehen. Der Übergabsvertrag sei insgesamt entgeltlich und nicht als Schenkung zu qualifizieren. „Höchstens“ handle es sich um eine gemischte Schenkung. Wegen des vereinbarten Veräußerungs- und Belastungsverbots und des vorbehaltenen Gebrauchsrechts habe die Beklagte die Liegenschaft weder benützen noch verwerten können. Der Verkehrswert sei um den Wert des Gebrauchsrechts und der Pflegepflicht, ebenso um jenen der Abbruchkosten für das auf der Liegenschaft befindliche Holzhaus zu vermindern. Für alle Bewertungen sei der Zeitpunkt der Übergabe maßgeblich.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 13.698,08 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 16.301,92 EUR sA (unbekämpft und daher rechtskräftig) ab.
Aufgrund des Vertragstextes ging es vom Vorliegen einer gemischten Schenkung aus. Es ermittelte die Schenkungsquote mit rund 78 % und den Wert der Schenkung mit 136.980,78 EUR. Davon sprach es dem Kläger ein Zehntel zu.
Das nur von der Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher noch nicht ausdrücklich zu der Frage Stellung genommen habe, ob und – bejahendenfalls – wie ein anlässlich der Schenkung einer Liegenschaft zugunsten des Geschenkgebers vereinbartes und verbüchertes Belastungs‑ und Veräußerungsverbot bei der Berechnung des Schenkungspflichtteils zu berücksichtigen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Beklagten gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist jedoch entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel wird eine erhebliche, für die Entscheidung des Rechtsstreits auch präjudizielle Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dargetan:
1. Verfahrensmangel/Aktenwidrigkeit:
1.1 Den in der Unterlassung der Bestellung eines „Obergutachters“ erblickten Verfahrensmangel hat das Berufungsgericht verneint. Er kann in dritter Instanz nicht abermals geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963).
1.2 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird zwar dann gemacht, wenn das Berufungsgericht die Mängelrüge mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hat (RIS‑Justiz RS0043086 [T7]). Dies trifft hier nicht zu, weil die Beklagte in ihrem Beweisantrag (ON 75) tatsächlich kein Beweisthema angegeben hat. Ob dieses aus früher erstattetem Prozessvorbringen abzuleiten gewesen wäre, kann dahinstehen; die gerügte Aktenwidrigkeit liegt jedenfalls nicht vor. Auch hat sich der gerichtliche Sachverständige mit dem Privatgutachten auseinandergesetzt, worauf das Berufungsgericht ebenfalls im Einklang mit der Aktenlage verwiesen hat.
2. Ermittlung des Verkehrswerts:
2.1 Die Ermittlung des Verkehrswerts gehört grundsätzlich zum Tatsachenbereich, der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbar ist (5 Ob 122/16a; 1 Ob 31/17s; je mwN; vgl auch RIS‑Justiz RS0118604). Mit Rechtsrüge kann nur geltend gemacht werden, dass dabei ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze und zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks unterlaufen ist (1 Ob 31/17s mwN; RIS‑Justiz RS0043404).
2.2 Die Beklagte bemängelt das Ergebnis des Verkehrswertgutachtens im Wesentlichen damit, dass sich der Sachverständige bei der Bewertung der Liegenschaft zum Todestag der Erblasserin auch an dem von der Beklagten 15 Monate später erzielten Veräußerungserlös orientierte. Damit zeigt sie jedoch keinen Verstoß gegen zwingende Denkgesetze auf. Denn gemäß § 2 Abs 2 LBG ist der Verkehrswert jener Preis, der bei einer Veräußerung der Sache üblicherweise für sie erzielt werden kann (vgl auch § 4 LBG, der das Vergleichswertverfahren regelt).
2.3 Nun sind zwar unter den „üblicherweise“ erzielten Preisen Durchschnittspreise und nicht Höchstpreise zu verstehen, wie sie fallweise für Nachbarliegenschaften gezahlt werden (vgl 5 Ob 30/08k). Das Erstgericht hat aber mit Billigung des Berufungsgerichts im Rahmen seiner Beweiswürdigung umfangreich dargelegt, dass angesichts der Vielzahl auch nicht benachbarter Interessenten bei der gegenständlichen Veräußerung von einem bloß aus besonderer Vorliebe bezahlten Preis nicht ausgegangen werden kann.
2.4 Unbedenklich ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die vom Sachverständigen geschätzten Abbruchkosten im festgestellten Verkehrswert bereits berücksichtigt sind, liegt doch eine diesbezügliche (wenngleich dislozierte) Feststellung des Erstgerichts vor (Urteil Seite 10). Die ihr zugrunde liegende Annahme ist im Übrigen schon deshalb zwingend, weil diese fiktiven Kosten vom feststehenden Veräußerungserlös auch nicht mehr abgezogen wurden, an dem sich aber der Sachverständige – wie erwähnt – bei der Ermittlung des Verkehrswerts zulässigerweise orientierte.
2.5 Unter diesen Umständen unterliegt das von den Tatsacheninstanzen gebilligte Ergebnis des Gutachtens über den Verkehrswert der Liegenschaft keiner Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zeigt die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht auf.
3. Berechnung des Schenkungspflichtteils:
3.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der hier noch maßgeblichen Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 ist für die Ausmittlung des Schenkungspflichtteils der Zeitpunkt des Erbanfalls maßgeblich. Es ist nicht der Wert des Geschenks zur Zeit des Empfangs in Geld zu bewerten und der ermittelte Geldwert nach einem Index aufzuwerten, sondern der Wert des Geschenks im Zeitpunkt des Erbanfalls zu bestimmen, wobei der Zustand der Sache im Zeitpunkt des Empfangs und alle damals bereits veranschlagbaren, wenn auch erst im Zeitpunkt des Erbanfalls aktuell werdenden Umstände zugrunde zu legen sind (2 Ob 96/16f EF‑Z 2017/90 [Tschugguel] = iFamZ 2017/134 [Schweda]; 2 Ob 129/16h; RIS‑Justiz RS0012973, RS0012984). Belastungen, die der Geschenknehmer zu übernehmen hatte, sind als wertmindernd anzusetzen (2 Ob 129/16h mwN).
3.2 Nach ebenso ständiger Rechtsprechung ist der Wert eines dem Erblasser bei der Übergabe auf Lebenszeit vorbehaltenen Nutzungsrechts, wie ein Fruchtgenuss oder ein Wohnrecht, wiewohl diese Belastung im Zeitpunkt des Empfangs den Wert der Liegenschaft erheblich vermindern kann, außer Ansatz zu lassen, wenn bereits im Übergabezeitpunkt mit völliger Sicherheit feststeht, dass diese Belastung im für die Beurteilung des Pflichtteils maßgeblichen Zeitpunkt des Erbanfalls wegfallen wird (2 Ob 129/16h mwN; RIS‑Justiz RS0012946).
3.3 Die Entscheidungen der Vorinstanzen stimmen mit dieser Rechtsprechung überein. Mit dem Hinweis auf die abweichende Rechtsansicht Ch. Rabls (Die Auswirkungen eines Fruchtgenussvorbehalts auf die Schenkungsanrechnung, NZ 1999, 291) vermag die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. In der Entscheidung 7 Ob 248/11p NZ 2013/38 [Umlauft] hat der Oberste Gerichtshof unter ausdrücklicher Ablehnung der Rechtsansicht Rabls an der erörterten Rechtsprechung festgehalten. Aus der Entscheidung 8 Ob 55/13s ist für den Standpunkt der Beklagten ebenfalls nichts zu gewinnen.
3.4 Bei einer gemischten Schenkung steht der Schenkungspflichtteil nur vom Schenkungsanteil (der Schenkungsquote) zu. Zu erbringende Gegenleistungen und den Wert des Schenkungsgegenstands mindernde Umstände sind daher dadurch zu berücksichtigen, dass eine Schenkungsquote für den Übergabszeitpunkt ermittelt und diese Quote vom Wert des Geschenks im Zeitpunkt des Erbanfalls der Berechnung des Schenkungspflichtteils zugrunde gelegt wird. Es werden also nicht die erbrachten Leistungen aufgewertet, sondern es wird die für den Übergabezeitpunkt ermittelte Quote einer Anpassung an die sich seit der Übergabe geänderten Verhältnisse unterzogen (2 Ob 96/16f mwN; RIS‑Justiz RS0012945, RS0012961). Die dazu im Widerspruch stehenden, nicht weiter belegten Thesen der Beklagten begründen keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.
3.5 Die Beklagte vermisst einen Abzug für das verbücherte Veräußerungs- und Belastungsverbot. Dabei übersieht sie zunächst, dass sie im erstinstanzlichen Verfahren, wie sich dem eingangs wiedergegebenen Vorbringen entnehmen lässt, eine durch dieses Verbot bedingte Minderung des Verkehrswerts gar nicht behauptet hat. Zwar begehrte sie in ihrem ersten Antrag auf Ergänzung des Gutachtens auch die Bewertung des Verbots (ON 18). Der Sachverständige blieb aber bei seiner Einschätzung, dass dieses Verbot kein „wertbeeinflussender Faktor“ sei (AS 77 und 143). Dabei ließ es die Beklagte bewenden, zumal das Verbot auch in dem von ihr vorgelegten Privatgutachten nicht als wertmindernd berücksichtigt wird (vgl Beilage ./1). Insbesondere erstattete sie auch danach kein weiteres, dem Gutachten in diesem Punkt widersprechendes Vorbringen, sodass den Vorinstanzen insoweit auch kein sekundärer Feststellungsmangel unterlaufen ist.
3.6 Schon aus diesem Grund hängt die Entscheidung des gegenständlichen Rechtsstreits nicht von der Beurteilung der vom Berufungsgericht als erheblich erachteten Rechtsfrage ab, weshalb auch diese die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen kann (RIS‑Justiz RS0088931).
Im Übrigen hat der erkennende Senat jüngst in der Entscheidung 2 Ob 96/16f die Auffassung vertreten, dass die zum Zeitpunkt des Erbanfalls wegfallenden Belastungen auch schon bei der Ermittlung des Schenkungsanteils unberücksichtigt zu bleiben haben (zust Tschugguel in EF‑Z 2017, 183; zust Schweda in iFamZ 2017, 277 mit dem Hinweis, dass dies auch für Veräußerungs- und Belastungsverbote gelte; vgl ferner Umlauft in seiner kritischen Glosse zu 7 Ob 248/11p in NZ 2013/38, 83 f). Eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Thema kann hier aber aus dem oben genannten Grund auf sich beruhen.
3.7 Die Revisionsbehauptung, dass keine Schenkung vorliege, entfernt sich vom festgestellten Sachverhalt. Sowohl der auf eine Schenkung gerichtete Wille der Vertragsparteien als auch das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung geht aus den Feststellungen eindeutig hervor. Der Beurteilung als Schenkung steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte zu Lebzeiten der Erblasserin die Liegenschaft weder benützen noch ohne Zustimmung der Erblasserin veräußern oder belasten konnte.
3.8 Unzutreffend ist, das die Vorinstanzen die Überschuldung des Nachlasses nicht berücksichtigt hätten, haben sie diese doch vom Wert der Schenkung in Abzug gebracht (vgl RIS‑Justiz RS0012960).
3.9 Mit ihrer nicht weiter begründeten Behauptung, vom Pflichtteil seien die von ihr getragenen Begräbniskosten abzuziehen, geht die Beklagte mit keinem Wort auf die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts ein, wonach diese Kosten zu den Nachlassverbindlichkeiten zählen (§ 549 ABGB; bei überschuldetem Nachlass vgl ferner § 154 Abs 2 Z 1 AußStrG iVm § 46 Z 7 IO) und als solche ohnehin bereits in die Berechnung des Pflichtteils eingeflossen seien. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht vermag die Beklagte auf diese Weise nicht darzutun.
4. Ergebnis:
Da es der Lösung von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedarf, ist die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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