OGH 15Os91/17x

OGH15Os91/17x19.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Evans A***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die „volle Berufung“ des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 30. März 2017, GZ 16 Hv 133/16f‑121, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00091.17X.0919.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Evans A***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl 1989/242 (1.; richtig: § 201 Abs 1 StGB idgF; RIS‑Justiz RS0119085 [T1]) und des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (2.) schuldig erkannt.

Danach hat er am 20. Februar 2000 in G***** Julia N*****

1. durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie an der Hand erfasste und in ein Zimmer des Wohnheims der Caritas zerrte, sie nach einem Fluchtversuch und Hilferufen am Körper festhielt, sie ins Bett stieß, den von ihr getragenen Schal fest zuzog und sie damit würgte, ihr ein Küchenmesser im Halsbereich ansetzte und wiederholt äußerte: „Ich bringe dich um und es wird keiner merken, weil meine Freunde halten zu mir“, und anschließend den Geschlechtsverkehr unter Fixierung ihres Oberkörpers vollzog und

2. durch Drohung mit dem Tod zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme der Verständigung der Polizei zu nötigen versucht, indem er sie anwies, keine Anzeige bezüglich des zu 1. geschilderten Sachverhalts zu erstatten, andernfalls werde er sie umbringen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Indem die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) behauptet, das angefochtene Urteil wäre mit einem inneren Widerspruch behaftet, weil sich nach dem eingeholten Sachverständigengutachten auf dem Schal des Opfers keine DNA‑Spuren des Angeklagten befunden hätten, wird verkannt, dass ein nichtigkeitsrelevanter Widerspruch sich bloß aus dem Urteilsinhalt selbst ergeben kann, nicht aber aus dessen Vergleich mit den Verfahrensergebnissen (RIS‑Justiz RS0117402 [T16]).

Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) liegt vor, wenn den Feststellungen des Urteils nicht klar zu entnehmen ist, welche entscheidende Tatsache das Gericht sowohl auf der objektiven als auch auf der subjektiven Tatseite als erwiesen angenommen hat und aus welchen Gründen dies geschah (RIS‑Justiz RS0089983). Indem die Nichtigkeitsbeschwerde ausführt, es wäre aufgrund des Fehlens von DNA‑Spuren nicht unzweifelhaft abgeklärt worden, dass der Angeklagte tatsächlich das Opfer mit dem gegenständlichen Schal würgte und es zum Beischlaf veranlasste, wird der angesprochene Nichtigkeitsgrund nicht dargestellt.

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, welche den Kriterien folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS‑Justiz RS0118317). Dem Vorbringen der Mängelrüge zuwider ist jedoch die Ableitung der Feststellungen aus den den Angeklagten belastenden und identifizierenden Angaben des Opfers (US 4 f) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Indem die Mängelrüge die Angaben der Zeugin N***** als unglaubwürdig bezeichnet, bekämpft sie bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (RIS‑Justiz RS0106588).

Z 5a will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780). Indem die Tatsachenrüge auf den Umstand verweist, dass auf dem gegenständlichen Schal keine DNA‑Spuren des Angeklagten gefunden wurden – was das Schöffengericht entgegen dem Beschwerdevorbringen sehr wohl berücksichtigte (US 6; Z 5 zweiter Fall) – gelingt es jedenfalls nicht, derartig erhebliche Bedenken zu wecken.

Der „Zweifelsgrundsatz“ (in dubio pro reo) kann niemals Gegenstand der formellen Nichtigkeitsgründe der Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO sein (RIS‑Justiz RS0102162).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt die prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit, weil sie sich nicht am im Urteil festgestellten Sachverhalt orientiert, sondern neuerlich auf das eingeholte DNA‑Gutachten verweist und behauptet, dessen Ergebnis, nach welchem die vorhandenen Spuren nicht vom Angeklagten stammen, wäre „wohl als unanzweifelbarer Grundsatz gleich einem Dogma der gerichtlichen Beweiswürdigung und dem festzustellenden Sachverhalt zugrunde zu legen“ (vgl jedoch RIS‑Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – ebenso wie die im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen Schuld (angemeldet als „volle Berufung“; ON 120 S 6) – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die restliche Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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