OGH 4Ob86/17a

OGH4Ob86/17a30.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. P***** B*****, vertreten durch Dr. K. H. Plankel, Dr. H. Mayrhofer, Mag. S. Ganahl, Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei T***** plc, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, in eventu Leistung (Streitwert 30.100 EUR sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. März 2017, GZ 15 R 20/17x‑52, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00086.17A.0530.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Vorinstanzen wiesen die auf Schadenersatz für überhöht geleistete Kreditzinsen in den Jahren 2008–2009 gerichtete Feststellungs‑, hilfsweise auch Leistungsklage ab. Dem Kläger fehle das rechtliche Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten, weil er bereits Leistungsklage hätte erheben können. Überdies sei sein Begehren unschlüssig, weil er die Höhe des behaupteten und von der Beklagten verursachten Schadens von 30.100 EUR nicht schlüssig habe darlegen können. Aus dem gesamten Vorbringen des Klägers lasse sich der von ihm genannte (geschätzte) Schaden in keiner Weise ableiten, habe er doch weder vorgebracht, wie hoch die von ihm im genannten Zeitraum bezahlten Zinsen gewesen seien, noch wie hoch sie bei Unterbleiben der der Beklagten angelasteten Manipulation des LIBOR gewesen wären.

Rechtliche Beurteilung

In seiner außerordentlichen Revision, mit der der Kläger sein Feststellungs‑ und hilfsweise gestelltes Zahlungsbegehren weiter verfolgt, vermag er keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

1. Die Feststellungsklage ist bei gleichem Rechtsschutzeffekt subsidiär zur Leistungsklage (RIS‑Justiz RS0038849, RS0038817). Kann der Kläger bereits Leistungsklage erheben, fehlt seinem Feststellungsbegehren das rechtliche Interesse (RIS‑Justiz RS0039021 [T5, T8]). Das Feststellungsinteresse ist jedoch Voraussetzung für den Feststellungsanspruch (RIS‑Justiz RS0039177). Es ist vom Kläger nachzuweisen (RIS‑Justiz RS0039239, RS0037977). Es kommt dabei wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls an, weshalb regelmäßig keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung vorliegt (RIS‑Justiz RS0039177 [T1], RS0037977 [T2], RS0039201 [T6]).

Der Kläger macht aufgrund der der Beklagten vorgeworfenen Marktmanipulationen die ihm verursachten (höheren) Zinszahlungen in den Jahren 2008 und 2009 geltend. Ein solcher Schaden hätte sich abschließend in der Vergangenheit verwirklicht. Dass daraus noch zukünftige Schäden zu erwarten seien, welche das Feststellungsinteresse begründen könnten (RIS‑Justiz RS0038976, RS0038865) behauptet der Kläger hingegen nicht. Er verweist zur Begründung seines Feststellungsinteresses ausschließlich auf die Rechtsprechung, wonach eine Feststellungsklage dann zulässig sei, wenn die Höhe eines bereits eingetretenen Schadens noch nicht abschließend beurteilt werden könne (RIS‑Justiz RS0038853). Es sei ihm tatsächlich noch nicht möglich, den Schaden zu berechnen.

Wieso ihm die Angabe der Schadenshöhe nicht möglich sei, hat der Kläger hingegen nicht dargelegt. Sein allgemein gehaltener Hinweis, ihm sei nicht bekannt und könne auch nicht bekannt sein, um wieviel er bei nicht erfolgter Manipulation des LIBOR weniger Zinsen gezahlt hätte, verweist lediglich auf ein bei der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus Kartellabsprachen allgemein auftretendes Problem. An der Klärung der Schadenshöhe führt aber kein Weg vorbei, wenn der Kläger von der Beklagten den Ersatz des Schadens will, den sie ihm durch bestimmte verbotene Verhaltensweisen verursacht habe. Er legt nicht dar noch ist sonst erkennbar, inwieweit nach einem Feststellungsprozess die Schadenshöhe leichter geklärt werden könnte. Die Verneinung seines Feststellungsinteresses ist daher von der Rechtsprechung gedeckt (9 Ob 31/12t) und steht auch nicht im Widerspruch zu der zuvor genannten Rechtsprechung (arg: „noch nicht“).

Auch der Umstand, dass die zu lösenden Fragen in einer Vielzahl von Fällen auftreten, begründet nicht die Erheblichkeit einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (zuletzt etwa 4 Ob 37/17w; RIS‑Justiz RS0042816).

2. Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell‑rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RIS‑Justiz RS0037516). Bei behaupteter Verletzung einer Schutznorm (wie kartellrechtlicher Vorschriften: 5 Ob 39/11p; 4 Ob 46/12m) hat der Geschädigte den Eintritt des Schadens, dessen Höhe und die Normverletzung zu behaupten und zu beweisen (RIS‑Justiz RS0022561 [T2]). Auch die Kausalität ist vom Geschädigten zu behaupten und zu beweisen, wobei ihm (auf Beweisebene) der Anscheinsbeweis zugute kommt (8 Ob 115/09h; RIS‑Justiz RS0022474, RS0027462, RS0027640). Die Schlüssigkeit von Prozessbehauptungen kann nur anhand des konkreten Vorbringens im Einzelfall geprüft werden, weshalb in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vorliegt (RIS‑Justiz RS0037780, RS0042828, RS0116144 [T2]).

Der Kläger hat für sein hilfsweise erhobenes Leistungsbegehren den Schaden beziffert, sein Klagebegehren ist daher ausreichend bestimmt (vgl 4 Ob 95/15x), aber auch ein ausreichend bestimmtes Klagebegehren kann unschlüssig sein.

Der Kläger behauptet lediglich eine Manipulation des LIBOR, die zu einer (nicht näher bestimmten) Erhöhung geführt habe, wodurch ihm aufgrund der LIBOR‑Bindung seines flexibel vereinbarten Kreditzinssatzes ein Schaden in der behaupteten Höhe von 30.100 EUR innerhalb von zwei Jahren (2008 bis 2009) entstanden sei. Weder legte der Kläger dar, um wieviel sich der LIBOR durch die Manipulation der Beklagten im Vergleich zu einem nicht rechtswidrig beeinflussten Kursverlauf erhöht habe, noch in welcher konkreten Höhe sich dadurch seine Zinslast verändert habe. Behaupten müsste er einen derartigen hypothetischen Verlauf im Fall rechtmäßigen Marktverhaltens aber schon (8 Ob 81/13i; Csoklich , Schadenersatz nach Kartellverstoß, VbR 2014, 185 [186]; Albiez , Die zivilprozessuale Behauptungslast in Follow on‑Verfahren, ÖBl 2014, 109 [111]; vgl allgemein RIS‑Justiz RS0022900 [T20, T30]; RS0030153 [T19]), weil genau darin sein Schaden besteht (EuGH C‑352/13, CDC Hydrogen Peroxide SA, Rz 52). Allein diese Unterlassungen rechtfertigen die Klageabweisung wegen Unschlüssigkeit (vgl 3 Ob 1/12m).

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