OGH 4Ob37/17w

OGH4Ob37/17w28.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Prof. H***** W*****, vertreten durch Dr. Walther Leeb, Rechtsanwalt in Wien, der Nebenintervenienten auf Seite der klagenden Partei 1. Mag. J***** S*****, 2. V***** Gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch Dr. Werner Paulinz, Rechtsanwalt in Korneuburg, gegen die beklagte Partei H***** K*****, vertreten durch MMag. Michael Sruc, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.000 EUR sA, über die ordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 22. Juni 2016, GZ 35 R 220/15k‑57, womit das Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 3. Juni 2015, GZ 4 C 153/13g‑52, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00037.17W.0328.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 557,02 EUR (darin 92,84 EUR USt) und den Nebenintervenienten die mit 917,02 EUR (darin 152,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Über Vermittlung und Beratung der Nebenintervenienten schloss der Beklagte mehrere Lebensversicherungen als Ansparprodukte ab. Dabei wurden für den Beklagten Kredit- bzw Darlehensverträge abgeschlossen, unter anderem auch mit dem Kläger, wobei mit diesen Verträgen die Prämienzahlungen finanziert werden sollten. Dafür unterfertigte der Beklagte Kreditvermittlungsaufträge, auch leere Aufträge und Blankoannahmeerklärungen für Kredite, die die Nebenintervenienten weiter verwendeten.

Der Kläger begehrte den nach Rückzahlung eines Teilbetrags von 2.000 EUR noch offenen Betrag von 8.000 EUR aus einem von ihm dem Beklagten gewährten Darlehen, wobei der Kläger sich auch auf einen bereicherungsrechtlichen Kondiktionsanspruch stützte.

Der Beklagte wandte aus verschiedenen Gründen die Unwirksamkeit des Kreditvermittlungs- und des Darlehensvertrags ein und brachte vor, er habe nie über die Valuta verfügen können. Es gebe auch keinen Anhaltspunkt für bereicherungsrechtliche Ansprüche, weil die drei Lebensversicherungen von Anfang an zu Gunsten Dritter vinkuliert gewesen seien. Er hielt der Klagsforderung eine Gegenforderung von 40.197,24 EUR als Ersatz eines Schadens entgegen, der ihm aus den Lebensversicherungen entstanden sei.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung als zu Recht und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und gab der Klage zur Gänze statt. Zwischen den Streitteilen sei zwar kein Vertrag zustande gekommen, dem Kläger stehe jedoch eine Kondiktion nach §§ 877, 1435 ABGB analog zu. Die Gegenforderung stütze sich auf ein Fehlverhalten der Nebenintervenienten, das dem Kläger aber nicht zugerechnet werden könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und bejahte ebenfalls eine Kondiktion analog zu § 1435 ABGB. Es sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Nachträglich änderte es seinen Zulässigkeitsausspruch auf Antrag des Beklagten ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Das Berufungsgericht verwarf in seinem Zulassungsbeschluss inhaltlich zwar sämtliche Argumente des Revisionswerbers und führte auch aus, dass diesbezüglich kein Widerspruch zur höchstgerichtlichen Rechtsprechung vorliege und eine solche auch nicht fehle. Es ließ die Revision aber dennoch zu, weil die Frage der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung zwischen den von den Nebenintervenienten vermittelten Teilnehmern sowohl auf Finanzierer- als auch auf Darlehensnehmerseite mangels Gültigkeit des Kreditvermittlungs- und auch des Kreditvertrags höchstgerichtlich nicht geklärt sei, sodass die Zulassung der ordentlichen Revision zur Klarstellung der Rechtslage für den streitgegenständlichen Sachverhalt, der auch zahlreichen anderen Verfahren zu Grunde liege, sinnvoll erscheine.

Rechtliche Beurteilung

1. Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig, weil sich der Beklagte auf keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO stützt. Weder zeigt die Revision auf, dass das Berufungsgericht Fragen zum Bereicherungsrecht in Abweichung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gelöst hat, noch wird dazu das Fehlen höchstgerichtlicher Judikatur dargelegt.

2.1 Nach der Rechtsprechung hängt ein Bereicherungsanspruch bei einer Vermögensverschiebung, an der mehrere Personen beteiligt sind, davon ab, wer nach dem angenommenen Schuldverhältnis oder der sonstigen Zweckvereinbarung Leistender und wer Leistungsempfänger sein sollte; die Rückabwicklung ist zwischen diesen Personen vorzunehmen (RIS‑Justiz RS0033737). Wer rückstellungspflichtiger Leistungsempfänger ist, ist davon abhängig, auf welchen Rechtsgrund hin der rückforderungsberechtigte Leistende seine Leistung erbringen wollte; die Absicht des Leistenden ist dabei vom Empfängerhorizont aus festzustellen (RIS‑Justiz RS0020192 [T2]; RS0019617 [T4]). Die Vorinstanzen haben in Anwendung dieser Grundsätze die getroffenen Feststellungen dahin beurteilt, dass von einer Leistung des Klägers auszugehen und der Beklagte von seinem Empfängerhorizont aus Leistungsempfänger gewesen sei, was keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung bedarf.

2.2 Das Rechtsmittel wirft dem Berufungsgericht vor, es weiche mit seiner Rechtsansicht, dass der beklagte Darlehensnehmer durch die Überweisung auf sein Konto bereichert sei und dem Kläger deshalb ein Kondiktionsanspruch zustehe, von der Entscheidung 8 Ob 130/07m ab, weil demnach kein derartiger Anspruch, sondern lediglich ein Anspruch auf Abtretung zustehe.

2.2.1 In dieser Entscheidung wird auf die Rechtsprechung zur (analogen) Anwendung des § 18 KSchG alt und damit auf Konstellationen Bezug genommen, die mit dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht zu vergleichen sind. Diese Judikatur betrifft den Fall eines drittfinanzierten Kaufvertrags zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage hat die Unwirksamkeit des drittfinanzierten Vertrags auch das Erlöschen des Vertrags des Verbrauchers mit dem Geldgeber zur Folge, wobei Letzterer gegen den Verbraucher, der niemals über das Darlehen verfügte, in der Regel keinen Anspruch auf Rückzahlung der von ihm dem Unternehmer bezahlten Darlehensvaluta, sondern nur Anspruch auf Abtretung des Bereicherungsanspruchs des Verbrauchers gegen den Unternehmer hat (RIS‑Justiz RS0033823).

2.2.2 Abgesehen davon, dass die Rechtsprechung eine analoge Anwendung des Einwendungsdurchgriffs dann ausschließt, wenn die Verträge nicht aufeinander bezogen sind (vgl RIS‑Justiz RS0020621; RS0028149), kommt nach gesicherter Rechtsprechung – auch ungeachtet wirtschaftlicher Einheit zwischen finanziertem Geschäft und Kreditgeschäft – bei Finanzierung von Spekulationsgeschäften ein Einwendungsdurchgriff weder unter dem Gesichtspunkt analoger Anwendung des § 18 KSchG, noch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 901 ABGB) in Betracht (RIS‑Justiz RS0044603). Derjenige, der Kapital investieren will, kann nicht erwarten, dass der Nichteintritt seiner geschäftlichen Erwartungen auf den Finanzierer überwälzt werden kann. (4 Ob 2005/96y). Vgl auch die – hier wegen der vor dem 10. 6. 2010 vorgenommenen Überweisung nicht anzuwendende (vgl § 29 VKrG) – Bestimmung des § 13 Abs 5 VKrG, die den Einwendungsdurchgriff bei Kreditverträgen ausschließt, die der Finanzierung des Erwerbs von Finanzinstrumenten dienen.

2.2.3 Davon abgesehen ist der hier gegebene Sachverhalt schon deshalb nicht mit der in der Revision zitierten Rechtsprechung zu vergleichen, weil der Beklagte über den streitgegenständlichen Betrag verfügen konnte, während die Rechtsprechung zum drittfinanzierten Kauf auf der Überlegung basiert, es sei deshalb gerechtfertigt, dass das Risiko beim Finanzierer bleibe, weil dieser dem Käufer (Verbraucher) von vornherein gar keine Verfügung über das Geld ermögliche (3 Ob 75/87).

2.3 Auch mit dem Hinweis auf die Entscheidung 3 Ob 333/57 = EvBl 1957/348 zeigt die Revision kein Abweichen von der bisherigen Rechtsprechung und damit keine erhebliche Rechtsfrage auf. In dieser Entscheidung wird vielmehr klargestellt, dass der dem Kondiktionsanspruch zugrundeliegende Vorteil des Bereicherten schon in der Verwendungsmöglichkeit des Geldes besteht. Die Vorinstanzen haben diesbezüglich aufgrund der getroffenen Feststellungen und im Rahmen der Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0025227) eine Bereicherung des Beklagten bejaht, zumal mit dem Geld bestehende Verbindlichkeiten des Beklagten gegenüber dritten Kreditgebern getilgt wurden, womit in Übereinstimmung mit der Judikatur (vgl etwa 2 Ob 5/00z) ein Vorteil des Beklagten bejaht wurde.

2.4 Die Vorinstanzen stützten die fehlende Gültigkeit eines Vertrags zwischen den Streitteilen darauf, dass zwischen dem Beklagten und den Nebenintervenienten weder ein wirksamer Kreditvermittlungsvertrag noch ein Auftrags- oder Vollmachtsverhältnis vorgelegen sei. Insoweit der Beklagte unter Verweis auf 8 Ob 510/85 und 1 Ob 632/85 den Standpunkt vertritt, bei einem formungültigen Darlehen sei die Kondiktion davon abhängig, dass auch bei Einhaltung der Formformschrift ein gültiger Darlehensvertrag vorliegen würde, kann er darauf die Zulässigkeit seines Rechtsmittels nicht stützen. Diese Entscheidungen sind schon deshalb nicht einschlägig, weil sie Darlehensverträge unter Ehegatten betreffen, die unter besonderen Formvorschriften stehen (vgl § 1 lit b Notariatsaktsgesetz). Im Rechtsmittel wird aber nicht aufgezeigt, dass hier wegen eines Verstoßes gegen bestehende Formvorschriften im Verhältnis zwischen den Streitteilen ein „formungültiger Darlehensvertrag“ im Sinne der herangezogenen Rechtsprechung vorliegt.

2.5 Insoweit der Beklagte unter Hinweis auf 7 Ob 80, 81/56 = EvBl 1956/248 den Standpunkt vertritt, eine Rückforderung in analoger Anwendung des § 1435 ABGB setze voraus, dass die Rückzahlungserwartung auch Vertragsbestandteil werden müsse, zeigt dieses Argument schon deshalb keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung auf, weil es nach der jüngeren, gesicherten Rechtsprechung für eine auf § 1435 ABGB gestützte Rückforderung ausreicht, wenn dem Empfänger erkennbar war, dass die Leistung in Erwartung einer Gegenleistung erfolgte (RIS‑Justiz RS0033606; RS0033952 [T8]).

2.6 Unter Bezugnahme auf die Entscheidung 4 Ob 586/95 vertritt der Beklagte die Ansicht, dass ein Bereicherungsanspruch schon deshalb ausscheide, weil sich der Kläger das Wissen der Nebenintervenienten zurechnen lassen müsse. Diese Argumentation verfängt schon deshalb nicht, weil der Senat dabei davon ausging, dass der dort zu beurteilende Kreditvertrag erfolgreich angefochten wurde und die dortige klagende Partei – im Unterschied zum Kläger – Bereicherungsansprüche gar nicht geltend gemacht hat.

2.7 Schließlich kann die Zulässigkeit der Revision auch nicht mit fehlender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs „zur Zulässigkeit der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von Zahlungsflüssen zwischen Teilnehmern am Finanzierungssystem der Nebenintervenienten“ begründet werden. Eine Revision ist nur dann zulässig, wenn der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts konkret aufzeigt, von deren Lösung die Entscheidung im konkreten Anlassfall abhängt (§ 502 Abs 1 ZPO). Mit der zitierten Begründung der Revision wird aber keine konkrete Rechtsfrage aufgeworfen. Dass der Oberste Gerichtshof die Zulässigkeit bereicherungsrechtlicher Ansprüche bei einem bestimmten Finanzierungssystem noch nicht umfassend geprüft hat, reicht dafür nicht aus. Allein der Umstand, dass die zu lösenden Fragen in einer Vielzahl von Fällen auftreten, bewirkt nicht ihre Erheblichkeit (RIS‑Justiz RS0042816). Die Ausführungen im Rechtsmittel geben somit keinen Anlass, das von den Nebenintervenienten betriebene Finanzierungssystem einer inhaltlichen umfassenden rechtlichen Beurteilung zu unterziehen.

3. Die geltend gemachten Verfahrensmängel wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Insbesondere hat das Zweitgericht nicht gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen, indem es in seiner rechtlichen Beurteilung unter erkennbarer Bezugnahme auf die erstgerichtlichen Feststellungen von einer „vereinbarungsgemäßen Veranlassung von Zahlungen an weitere Kreditgeber im Auftrag des Beklagten“ ausgegangen ist. Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall ist regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0118891). Im Hinblick auf die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über die Blankoanweisungen des Klägers und die Bedienung der Kreditgeber ab der Prämienfreistellung vom 1. 1. 2007 bedeutet die Auslegung der erstrichterlichen Feststellungen durch die zweite Instanz keine unvertretbare, die Zulässigkeit des Rechtsmittels begründende Fehlbeurteilung (RIS‑Justiz RS0118891 [T5]).

4. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision damit zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger und die Nebenintervenienten haben auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage hingewiesen.

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