OGH 1Ob192/16s

OGH1Ob192/16s23.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

 Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer,

Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Wien 6, Linke Wienzeile 18, vertreten durch die Kosesnik‑Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG, Wien, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, Deutschland, vertreten durch Dr. Michael Wukoschitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Juli 2016, GZ 4 R 82/16g-29, mit dem das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 12. Mai 2016, GZ 11 Cg 32/14i‑24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00192.16S.1123.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,25 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Kläger ist ein zur Unterlassungsklage nach § 29 Abs 1 KSchG befugter Verein. Die in Deutschland ansässige Beklagte betreibt das Reisebürogewerbe. Auf ihrer in deutscher Sprache abgefassten Website (www.e *****.de) gibt die Beklagte ihre Telefonnummer mit der internationalen Vorwahl (+49) an. Dort sind auch ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) veröffentlicht, die den so begründeten Vertragsverhältnissen zugrunde liegen. Buchungen können über das Internet auch aus Österreich vorgenommen werden. Die (im Verfahren so bezeichneten) Klauseln 1 bis 13 sind in den AGBs enthalten, die Klauseln 14 bis 16 befinden sich auf Rechnungen.

Mit dem dritten Teilurteil gab das Erstgericht dem Unterlassungsbegehren zu bestimmten Klauseln (im Verfahren mit Klausel 4, 5, 6, 7, 14, 15 und 16 bezeichnet) Folge. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Im Revisionsverfahren sind nur noch die Klauseln 14, 15 und 16 strittig. Dass aufgrund einer schlüssigen Rechtswahl österreichisches Recht zur Anwendung gelangt, wird von den Parteien nicht bezweifelt (vgl die in diesem Verfahren ergangene Entscheidung 1 Ob 67/15g).

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil die Beurteilung bisher noch nicht geprüfter Allgemeiner Geschäftsbedingungen eine erhebliche Rechtsfrage darstelle. Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist nämlich auch zur Auslegung von AGB‑Klauseln nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RIS‑Justiz RS0121516; vgl 7 Ob 109/14a = RS0121516 [T34] betreffend AVB; auch bei Verbandsklagen: 4 Ob 88/05b; 1 Ob 224/06g; 7 Ob 64/12f = ÖBA 2013/1917 [Kellner]; 4 Ob 135/15d = MR 2016, 46; 3 Ob 73/16f; 6 Ob 139/16h). Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass „Mitteilungen“, die vorformulierte und nicht im Einzelfall ausgehandelte Vertragsbedingungen, etwa in einer Rechnung, enthalten (4 Ob 117/14f = wbl 2014/225, 658 = EvBl 2014/154), allgemeine Geschäftsbedingungen bzw Vertragsformblätter iSv § 28 KSchG sind (RIS‑Justiz RS0123499 [T8]).

2. Mangels materiell eigenständigen Regelungsbereichs (vgl RIS‑Justiz RS0121187) sind die Klauseln 14 und 15 („Bitte tätigen sie eine Überweisung über den Zahlbetrag auf das angegebene Konto und senden Sie uns einen Beleg ihrer Überweisung [ggf abweichend vom oben genannten Datum] bis zum [ein bestimmtes Datum] 18.00 Uhr per E‑Mail oder Fax zu. Wir bitten um Verständnis, dass der Tarif der Airline teurer werden kann, wenn das Geld nicht fristgerecht bei uns eingeht und sie sich nicht mit uns in Verbindung setzen. In diesem Fall müssen Sie die Preisdifferenz zahlen.“) gemeinsam zu beurteilen.

Der Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die (überraschende) erstmalige Information über die (einseitige) Sanktion der Entgelterhöhung (jedenfalls des vermittelten Vertrags) gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstoße, vermag die Revision angesichts des hier vorliegenden Eigeninteresses an dessen Zustandekommen (vgl RIS‑Justiz RS0124305; RS0129535) nichts Stichhältiges entgegenzusetzen. Der Einwand, der Kunde sei darüber nicht erstmals, sondern bereits in der Klausel 5 unterrichtet worden, schlägt darüber hinaus fehl, weil diese Klausel selbst als überraschend und nachteilig (auch unbekämpft untersagt) nicht zum Bestand des Regelwerks gehört.

3. Die Beurteilung eines „angemessenen Stornoabzugs“ „zur Deckung der uns entstandenen Kosten“ (in Klausel 16) als intransparent folgt den ua in den Entscheidungen zu 7 Ob 131/06z (= SZ 2007/2), 7 Ob 140/06y (VR 2007/741) und 7 Ob 173/06a (= VR 2007/742) dargelegten Grundsätzen. Danach muss eine Stornogebühr der Höhe nach ausreichend nachvollziehbar bestimmt angegeben werden, um eine wirksame Vereinbarung einer Stornoabschlagsklausel annehmen zu können (vgl RIS‑Justiz RS0121727 [T3]; RS0121730). In der Entscheidung zu 10 Ob 74/15b wurde zu einem gänzlich anderen Vertragsgegenstand geklärt, dass bei einer Klausel zum Umfang der „Haftung des Mieters“ eines Fahrzeugs die aus einem aufgrund eines Schadensfalls geführten Gerichtsverfahren resultierende Gesamtkostenbelastung und die Aussichtslosigkeit eines solchen Prozesses „notwendigerweise nur abstrakt umschrieben werden“ können. Solche Kosten und Umstände haben mit einer Stornogebühr nichts gemein.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO. Die klagende Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die mangelnde Zulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, sodass ihr Schriftsatz als zweckmäßige Rechtsverteidigungsmaßnahme anzusehen ist (vgl RIS‑Justiz RS0035979 [T16]).

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