OGH 2Ob148/15a

OGH2Ob148/15a31.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** M*****, vertreten durch Dr. Andreas Löw, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, Schwarzenbergplatz 7, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Ivo Burianek, Rechtsanwalt in Mödling, wegen 15.674,80 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Mai 2015, GZ 14 R 36/15i‑139, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Endurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. Dezember 2014, GZ 4 Cg 208/06x‑135, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00148.15A.0831.000

 

Spruch:

 

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst wird dahin zu Recht erkannt, dass das Endurteil zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 15.674,80 EUR samt 4 % Zinsen seit 28. 11. 2006 binnen 14 Tagen zu bezahlen.“

Die Kostenaussprüche der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird – mit Ausnahme der Kosten dieses Rekursverfahrens – die Entscheidung über die Verfahrenskosten aufgetragen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 978,84 EUR (darin 163,14 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Am 20. 6. 2005 ereignete sich gegen 9:05 Uhr in Wien ein Verkehrsunfall, bei dem die damalige Ehefrau des Klägers (im Folgenden: die Geschädigte) als Fußgängerin durch einen Sattelzug mit polnischem Kennzeichen erfasst und niedergestoßen wurde. Im gegenwärtigen Verfahrensstadium ist nicht mehr strittig, dass der Lenker des Sattelzugs das Alleinverschulden an dem Unfall zu verantworten hat und ihn der Vorwurf grober Fahrlässigkeit trifft. Die Geschädigte erlitt unter anderem ein Überrolltrauma mit traumatischer Oberschenkelamputation. Da sie als Zeugin Jehovas eine entsprechende Willenserklärung abgegeben hatte, wurden ihr keine Blutkonserven zugeführt. Sie starb am folgenden Tag um 22:45 Uhr trotz maschineller Beatmung mit hochkonzentriertem Sauerstoff infolge einer ausgeprägten Fettembolie. Der Kläger war mit der Geschädigten 44 Jahre verheiratet und hatte bis zu ihrem Tod stets mit ihr zusammengelebt. Der Nachlass wurde ihm als Alleinerbe zur Gänze eingeantwortet.

Der Kläger begehrte vom beklagten Versicherungsverband einen Betrag von 16.572,80 EUR sA, der ein Trauerschmerzengeld von 10.000 EUR, Begräbniskosten von 5.772,80 EUR sowie ein Schmerzengeld für die Geschädigte von 800 EUR umfasste.

Im ersten Rechtsgang brachte er – soweit noch wesentlich – vor, die Geschädigte habe keine Bluttransfusionen erhalten wollen, eine entsprechende Willenserklärung sei vorgelegen. Ihr könne aber kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vorgeworfen werden, denn ihre Weigerung habe ihre Ursache in Glaubens‑ und Gewissensgründen gehabt. Es stehe auch keineswegs fest, dass sie an den Unfallfolgen nicht verstorben wäre, hätte sie Bluttransfusionen zugelassen.

Die beklagte Partei wandte ein, die Geschädigte sei aufgrund ihrer Weigerung, eine dem Stand des Wissens und der Technik der Humanmedizin entsprechende Behandlung vornehmen zu lassen, an den Folgen des Unfalls gestorben. Hätte sie eine fach- und sachgerechte Behandlung akzeptiert, wäre sie nicht gestorben, sondern sie hätte das Spital nach einer erfolgreichen Amputation verlassen können. Der Tod sei daher dem Lenker des Sattelzugs nicht adäquat zurechenbar. Zum selben Ergebnis komme man auch über die Rechtsfigur der Schadensminderungspflicht. Die Verabreichung einer Bluttransfusion wäre der Geschädigten zumutbar gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Betrag von 16.274,80 EUR sA statt (Trauerschmerzengeld 10.000 EUR; Begräbniskosten 5.674,80 EUR; Schmerzengeld für die Verletzte 600 EUR) und wies unbekämpft das Mehrbegehren von 298 EUR sA ab.

Das Berufungsgericht bestätigte den Zuspruch von 600 EUR sA (Schmerzengeld für die Verletzte) als Teilurteil. Im Übrigen, somit hinsichtlich 15.674,80 EUR sA, hob es das Urteil des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Entscheide sich das Opfer eines Verkehrsunfalls aus religiösen Gründen gegen eine lebensrettende Therapie, die medizinisch mit keinem weiteren Nachteil verbunden sei, könnten die Folgen dieser Entscheidung dem Schädiger nicht mehr zugerechnet werden. Daher sei der Klagsanspruch, soweit er das Trauerschmerzengeld und die Begräbniskosten betreffe, davon abhängig, ob eine Behandlung der Geschädigten mit Blutkonserven medizinisch indiziert gewesen sei und geeignet gewesen wäre, lebenserhaltend zu wirken. Dazu bedürfe es ergänzender Beweisaufnahmen und Feststellungen.

Der Oberste Gerichtshof gab mit Beschluss vom 22. 6. 2011, AZ 2 Ob 219/10k SZ 2011/76 = ZVR 2012/44 (Huber) = EvBl 2011/152 (Steininger) = JBl 2012, 251 (Kalb) = RdM 2011/168 (Leischner) = öarr 2013, 207 (Schacherreiter), dem Rekurs des Klägers nicht Folge.

Er bejahte in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht die adäquate Verursachung der Todesfolge durch den Lenker des Sattelzugs sowie die Zurechenbarkeit einer (allfälligen) Verletzung der Schadensminderungspflicht der Geschädigten an den Kläger und gelangte unter Berücksichtigung von einschlägiger Rechtsprechung und Lehre zu der Auffassung, dass die Geschädigte in ihrer Religions‑, Glaubens‑ oder Gewissensfreiheit nicht beeinträchtigt gewesen sei. Als eigenberechtigter Person sei es ihr freigestanden, jegliche medizinische Behandlung, somit auch eine Bluttransfusion zu verweigern. Die Weigerung sei auch rechtmäßig gewesen. Die Verletzung der Schadensminderungspflicht setze aber kein rechtswidriges Verhalten voraus, sondern begründe lediglich eine Obliegenheitsverletzung. Die Freiheit der Gewissensentscheidung bedeute nicht, dass derjenige, der eine für ihn objektiv ungünstige, gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung verstoßende Gewissensentscheidung treffe, die aus der objektiven Ungünstigkeit der Entscheidung folgenden Nachteile nicht zu tragen habe. Diese Nachteile seien im gegenständlichen Fall möglicherweise der Tod der Geschädigten, aber auch, dass im Fall, dass bei medizinisch indizierter und durchgeführter Bluttransfusion die Verletzte überlebt hätte, der Schädiger für die nachteiligen Folgen dieser objektiv ungünstigen Gewissensentscheidung nicht einzustehen habe.

Im zweiten Rechtsgang brachte der Kläger ergänzend vor, die Beweislast für die behauptete Verletzung der Schadensminderungspflicht treffe die beklagte Partei. Aufgrund des vorliegenden Sachverständigengutachtens sei der Beweis nicht gelungen, dass die Geschädigte an ihrer religiös motivierten Ablehnung von Fremdbluttransfusionen verstorben sei. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte auch die Gabe von Blutkonserven das Auftreten der letalen Fettembolie nicht verhindern können. Hinzu komme, dass das behauptete pflichtgemäße Verhalten, nämlich die Duldung der Verabreichung von Blutkonserven, selbst dann, wenn dadurch der Tod verhindert worden wäre, keine Schadensminderung bei der beklagten Partei bewirkt hätte. Wäre die Geschädigte am Leben geblieben, wären ihr unverhältnismäßig höhere Schadenersatzansprüche gegenüber der beklagten Partei zugestanden. Durch den Unfall wären schwere Dauerfolgen in Form von Amputationen eingetreten, welche zu einer dauernden Pflegebedürftigkeit und auch unverhältnismäßig höheren Schmerzengeldansprüchen geführt hätten. Eine Vergrößerung des rechnerischen Schadens sei jedenfalls nicht eingetreten. Es werde daher der Einwand der „Vorteilsanrechnung“ erhoben.

Die beklagte Partei erwiderte, eine allfällige „Einsparung anderer Ansprüche“, die bei Überleben der Verletzten entstanden wären, ermögliche keine Vorteilsanrechnung zugunsten der Ansprüche des Klägers. Die Ablehnung der Zufuhr von Blutkonserven sei eine anspruchsvernichtende Obliegenheitsverletzung, da der Todeseintritt bei der Entgegennahme von Bluttransfusionen mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte verhindert werden können.

Das Erstgericht wies mit Endurteil das restliche Klagebegehren ab. Es stellte folgenden ergänzenden Sachverhalt fest:

Die Geschädigte erlitt bei dem Unfall

1. eine offene Fraktur der zweiten bis vierten Mittelhandknochen links mit schwerem Weichteiltrauma;

2. eine offene Fraktur der Grundglieder des vierten und fünften Fingers links mit schwerem Weichteiltrauma (Decollement = Ablederung, Quetschung);

3. eine Verletzung der Mittelnerven und Durchtrennung der Speichenarterie;

4. eine subtotale Unterschenkelamputation links mit minimaler Weichteilbrücke;

5. Decollement des linken Oberschenkels.

Als die Geschädigte in der Unfallchirurgie des AKH Wien eintraf, lag keine lebensbedrohliche Situation vor. Sie war ansprechbar, der Kreislauf war stabil. Die Werte des roten Blutbildes bewegten sich in einem reduzierten, aber keinesfalls alarmierend schlechten oder lebensbedrohlichen Bereich. Im AKH Wien erfolgte sodann eine notfallmäßige Oberschenkelamputation links, eine notfallmäßige handchirurgische Versorgung links samt Reinigung der Wunden, ein Unterbinden der Speichenarterie sowie eine Adaption der Wundränder unter Verwendung von Kunsthaut. Als die Geschädigte nach der Operation auf die Intensivstation verlegt wurde, war sie kreislaufstabil. Sie wurde unter maximaler Sauerstoffkonzentration kontrolliert beatmet. Sie erhielt eine hochdosierte Medikation zur Anregung der Neubildung von roten Blutkörperchen.

Bei den Decollements, die die Geschädigte erlitten hatte, war die Gabe von Blutkonserven indiziert, da dies große Wundflächen mit hochgradiger Blutungsneigung sind, bei denen eine gezielte chirurgische Blutstillung nur schwer bis gar nicht durchführbar ist. Neben der Gabe von Blutkonserven wird in diesen Fällen mit großzügigen mehrschichtigen Verbänden mit Kompressionseffekt und einer aggressiven Flüssigkeitssubstitution vorgegangen.

Ab einem (richtig) HKT (Hämatokrit) von 15 % und einer Hb (Hämoglobinkonzentration) von 5 g/dl besteht die Notwendigkeit einer Bluttransfusion. Am 21. 6. 2005 kam es bei der Verletzten zu einer rapiden Verschlechterung des Blutbildes. Um 11:02 Uhr wies der HKT einen Wert von 15,5 % und die Hb einen solchen von 4,9 g/dl auf. Um 12:39 Uhr lagen die Werte bei 7,1 % bzw 2,1 g/dl, um 14:00 Uhr nur noch bei 6,5 % und 2,1 g/dl. Spätestens ab 11:00 Uhr lag somit eine absolut dringliche und vitale Indikation zur Gabe von Blutkonserven vor. Es wurden allerdings keine Bluttransfusionen durchgeführt, weil die Geschädigte Zeugin Jehovas war und es auch eine Willenserklärung von ihr gab, keine Blutkonserven zu erhalten. Die Gabe von Blutkonserven wäre geeignet gewesen, bei der Geschädigten lebenserhaltend zu wirken. Diese verlor vier Fünftel ihres Gesamtblutvolumens, wobei dieser Blutverlust auch unter Hinwegdenken der Fettembolie, die bei ihr in weiterer Folge auftrat, absolut tödlich war.

Bei der Geschädigten entwickelte sich auch eine ausgeprägte Fettembolie nach Falzi Grad II bis III, die vor allem im Zusammenhang mit dem Blutverlust und dem dadurch bedingten Schockgeschehen stand. In diesem Fall hat eine Therapie durchgeführt zu werden, die nur durch Flüssigkeitsverabreichung erfolgen kann, wobei diese Flüssigkeitszufuhr einerseits aus Infusionen, anderseits aus Bluttransfusionen besteht. Die Bluttransfusion ist deshalb notwendig, weil das Blut für den Transport des Sauerstoffs sehr wichtig ist. Durch eine adäquate Schocktherapie, bestehend aus maschineller Beatmung mit Sauerstoff, Gabe von kreislaufunterstützenden Medikamenten sowie Verabreichung von Blut und/oder Blutprodukten wäre die Wahrscheinlichkeit für ein Überleben, dh ein Weiterleben nach Verabreichung von Blutkonserven höher gewesen. Dass eine Fettembolie auch bei Erhalt von Blutkonserven hätte auftreten können, kann nicht völlig ausgeschlossen werden.

Die Geschädigte starb am 21. 6. 2005. Todesursache war der Blutverlust sowie die ausgeprägte Fettembolie nach Falzi Grad II bis III.

Die vom Kläger getragenen – näher aufgeschlüsselten – Begräbniskosten beliefen sich insgesamt auf 5.674,80 EUR.

In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, die Gabe von Blutkonserven sei „massiv“ indiziert gewesen. Diese Maßnahme hätte die Todesursache Blutverlust verhindert und auch die Wahrscheinlichkeit des Weiterlebens trotz Fettembolie wäre erhöht gewesen. Die Verweigerung der Entgegennahme von Blutkonserven begründe daher eine Verletzung der Schadensminderungspflicht, weshalb der Kläger keine aus dem Tod der Geschädigten resultierende Ersatzansprüche geltend machen könne. Eine „Vorteilsanrechnung“ komme nicht in Betracht.

Das Berufungsgericht hob das erstinstanzliche Urteil abermals auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrens-ergänzung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Berufungsgericht erblickte im Rahmen der Erledigung der Beweisrüge einen Begründungsmangel darin, dass die Feststellung, das Auftreten einer Fettembolie auch bei Erhalt von Blutkonserven könne nicht völlig ausgeschlossen werden, nur mangelhaft begründet worden sei. Da zu diesem entscheidungswesentlichen Punkt die Gutachten der beiden Sachverständigen gewisse Widersprüchlichkeiten, allenfalls Unvollständigkeiten aufwiesen, reiche ein bloßer Verweis auf die Angaben eines der Sachverständigen zur Begründung der Beweiswürdigung nicht aus. Es bedürfe der Feststellung eines „hochwahrscheinlichen“ Geschehnisablaufs im Fall des Akzeptierens von Bluttransfusionen bzw einer Negativfeststellung, sollte eine hohe Wahrscheinlichkeit nicht feststellbar sein. Eine Aufhebung des angefochtenen Urteils sei schon deshalb unumgänglich.

Es lägen auch sekundäre Feststellungsmängel vor. Nach den Feststellungen bleibe unklar, ob die Fettembolie nur aufgrund des Blutverlusts und dem dadurch bedingten Schockgeschehen verursacht worden sei, oder ob als Ursache zumindest ebenso die traumatisch bedingte Amputation und die damit einhergehende ausgedehnte Weichteil- und Knochenbeschädigung infrage komme. Dies werde – allenfalls nach Ergänzung des Beweisverfahrens – präziser festzustellen sein. Dass der Blutverlust auch unter Hinwegdenken der Fettembolie absolut tödlich gewesen sei, habe das Erstgericht unmissverständlich festgestellt. Entscheidungswesentlich sei allerdings, ob auch die Fettembolie allein – bei Hinwegdenken des Blutverlusts – zum Tod geführt hätte. Dies sei den Feststellungen nicht eindeutig zu entnehmen, zumal die Todesursache der Blutverlust sowie die ausgeprägte Fettembolie nach Falzi Grad II bis III gewesen sein solle. Dies lasse offen, ob nur eine Kombination der beiden Ursachen (im Sinne einer kumulativen Kausalität) den Tod herbeigeführt habe, oder ob jede der beiden genannten Ursachen für sich allein genommen schon letal gewesen wäre. Auch dies bedürfe einer Präzisierung. Schließlich sei auch das Verhältnis der vom Begründungsmangel betroffenen Feststellung zu der davor stehenden Feststellung, wonach die Wahrscheinlichkeit für ein Überleben der Geschädigten bei einer adäquaten Schocktherapie nach Verabreichung von Blutkonserven „höher“ gewesen wäre, unklar. Während die erstere Feststellung dahin zu interpretieren sei, dass das Auftreten einer Fettembolie bei Erhalten von Blutkonserven nur gering wahrscheinlich gewesen wäre (woraus umgekehrt zu schließen sei, die Verletzte hätte diesfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit überlebt), scheine die letztere Feststellung eher in die Richtung zu weisen, dass die bloße Überlebenswahrscheinlichkeit für diesen Fall höher (als tatsächlich) gewesen wäre. Damit komme aber noch nicht zum Ausdruck, dass ein Überleben „hochwahrscheinlich“ gewesen wäre. Auch zu dieser entscheidungswesentlichen Frage sei eine Präzisierung der Feststellungen erforderlich.

Aus „prozessökonomischen Gründen“ führte das Berufungsgericht überdies aus, bereits im ersten Rechtsgang sei abschließend und bindend geklärt worden, dass die Verabreichung von Blutkonserven eine für jeden verständigen Durchschnittsmenschen objektiv zumutbare Maßnahme sei, um schwerwiegende Unfallfolgen abzuwenden. Auch in subjektiver Hinsicht sei die Erteilung der Zustimmung zu einer solchen Maßnahme als zumutbar angesehen worden, zumal die Glaubens‑ und Gewissensfreiheit dadurch nicht beeinträchtigt worden sei. Im zweiten Rechtsgang sei der beklagten Partei der Beweis gelungen, dass die Unterlassung des der Geschädigten objektiv und subjektiv zumutbaren Verhaltens „abstrakt betrachtet“ geeignet gewesen sei, lebenserhaltend zu wirken. Mit seinem ergänzend erstatteten Vorbringen zur „Vorteilsanrechnung“ habe der Kläger im Grunde die Frage des „rechtmäßigen Alternativverhaltens“, präziser hier des „Alternativverhaltens ohne Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit“ ins Spiel gebracht. Dieser Einwand sei auch im Bereich der Verletzung der Schadensminderungspflicht durchaus beachtlich. Stelle sich nämlich im Verfahren heraus, dass eine von der Geschädigten unterlassene, abstrakt grundsätzlich geeignete Maßnahme zur Schadensminimierung im konkreten Fall nicht zu einer Schadensverminderung oder sogar zu einer Schadens-vergrößerung geführt hätte, wäre eine Anspruchskürzung wegen Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit nicht vorzunehmen. Zu prüfen bleibe damit die Frage der Beweislast. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sei es im Falle des Nachweises eines Verhaltens, das grundsätzlich (typischerweise) als Verletzung der Schadens-minderungspflicht anzusehen wäre, Sache des objektiv Schadensminderungspflichtigen, zu behaupten und zu beweisen, dass die von ihm unterlassene Maßnahme im konkreten Fall nicht „schadensvergrößernd“ (gemeint wohl: schadensmindernd) gewirkt hätte.

Das Erstgericht werde eine Entscheidung nach den Regeln dieser Beweislastverteilung zu treffen haben, sollte es ihm auch im dritten Rechtsgang nicht möglich sein, einen Geschehnisablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit für den Fall festzustellen, dass die Geschädigte die Bluttransfusion nicht verweigert hätte. Sollte dem Kläger der ihm obliegende Beweis nicht gelingen, dass die Geschädigte auch bei Verabreichung der Bluttransfusion mit hoher Wahrscheinlichkeit an der Fettembolie gestorben wäre, müsste sich das Erstgericht mit dem Einwand befassen, selbst in diesem Fall wäre der Schaden nicht geringer, sondern höher ausgefallen. Zwar mache der Kläger nur mehr originär ihm zustehende und nicht von der Geschädigten abgeleitete Ansprüche auf Begräbniskosten und Trauerschmerzengeld geltend; er müsse sich diesbezüglich aber ein Mitverschulden bzw eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Geschädigte anrechnen lassen. Es wäre daher ein Wertungswiderspruch, würde man ihm den Einwand versagen, dass der Schaden im Fall „rechtmäßigen Alternativverhaltens“ deutlich höher ausgefallen wäre, zumal er ja als Universalrechtsnachfolger der Geschädigten anzusehen sei. Auch die dazu fehlenden Feststellungen seien nachzuholen.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil die Frage der Beweislast im Fall „des Einwandes des Alternativverhaltens bei Einhaltung der Schadenminderungspflicht gerade in einem so sensiblen Bereich wie der Verweigerung einer Bluttransfusion aus Gewissensgründen“ in der höchstgerichtlichen Recht-sprechung noch nicht beantwortet worden sei.

Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof zur Frage der Anwendung der Rechtsprechung zum „rechtmäßigen Alternativverhalten“ im Falle des Todes einer zur Schadensminderung verpflichteten Person bisher noch nicht geäußert hat.

Das Rechtsmittel ist im Ergebnis auch berechtigt, was allerdings zu einer (zulässigen) reformatio in peius (RIS‑Justiz RS0043858, RS0043903, RS0043939) und zur Stattgebung des restlichen Klagebegehrens führt.

Die beklagte Partei macht geltend, das Erstgericht habe die ihm im ersten Rechtsgang aufgetragenen Feststellungen vollständig getroffen und wohl begründet. Die beklagte Partei habe danach den Beweis einer dem Kläger zuzurechnenden Verletzung der Schadensminderungs-obliegenheit erbracht. Hingegen habe der Kläger im ersten Rechtsgang nicht behauptet, dass der Tod der Geschädigten auch bei Verabreichung von Blutkonserven mit hoher Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre. Somit lägen auch keine sekundären Feststellungsmängel vor. Ergänzende Feststellungen wären überschießend und würden zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache führen. Selbst wenn das erst im zweiten Rechtsgang erstattete Vorbringen zulässig sein sollte, sei bereits den gutachterlichen Äußerungen zu entnehmen, dass die Frage, ob die Geschädigte auch bei Verabreichung von Blutkonserven mit hoher Wahrscheinlichkeit verstorben wäre, nicht klärbar sei.

Es sei aber auch nicht zu prüfen, ob die Maßnahmen zur Schadensminderung tatsächlich zu einer Verminderung oder sogar zu einer Vergrößerung des Schadens geführt hätten. Der eingetretene Tod könne nicht als geringerer Schaden angesehen werden als das Weiterleben, sei doch das menschliche Leben das höchste Rechtsgut in der österreichischen Rechtsordnung. Ein Vorteil sei aus dem Tod der Geschädigten niemandem entstanden. Das ausschließliche Abstellen auf die „pekuniäre Seite“ und die Höhe der denkmöglichen Ansprüche sei verfehlt. Es sei wohl anzunehmen, dass die fiktiven Ansprüche, die der Geschädigten im Falle ihres Weiterlebens zugestanden wären, höher als das Klagspunktum gewesen wären. Werde der Sachverhalt nach den Vorgaben des Berufungsgerichts durch das Erstgericht ergänzt, würde jede Variante zu einer Berechtigung des Klagebegehrens führen. Eine „Vermischung“ der fiktiven Ansprüche der Geschädigten mit den originären Ansprüchen des Klägers sei jedoch nicht sachgerecht. Eine Haftung der beklagten Partei wäre allenfalls dann zu bejahen, wenn die Geschädigte mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nach Verabreichung von Blutkonserven und einer Schocktherapie an den Unfallfolgen verstorben wäre, nicht aber bei Unaufklärbarkeit dieser Frage oder der Feststellung, dass die Geschädigte nach entsprechender Therapie weitergelebt hätte.

Hierzu wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

1. Zu den verfahrensrechtlichen Fragen:

1.1 Im ersten Rechtsgang hatte das Erstgericht die Rechtsansicht vertreten, die Verweigerung von Bluttransfusionen aus Glaubens- und Gewissensgründen begründe (grundsätzlich) keine Verletzung der Schadensminderungspflicht. Davon ausgehend traf es keine Feststellungen zu der Frage, ob im konkreten Fall die Nichtverabreichung von Blutkonserven für den Tod der Geschädigten ursächlich war.

Das Berufungsgericht kam hingegen zu dem Ergebnis, dass die geltend gemachten Glaubens- und Gewissensgründe dem Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht nicht erfolgreich entgegengehalten werden könnten und trug dem Erstgericht in seinem Aufhebungsbeschluss ergänzende Feststellungen zwecks Klärung der Berechtigung des Einwands auf.

1.2 Der – durch den Obersten Gerichtshof bestätigte (2 Ob 219/10k) – Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts erfolgte somit nach § 496 Abs 1 Z 3 ZPO, weil rechtserhebliche Tatsachen nicht erörtert wurden. Das bedeutet, dass im fortgesetzten Verfahren neues Vorbringen grundsätzlich unbeschränkt zulässig war. Nur abschließend erledigte Streitpunkte durften nicht wieder aufgerollt werden (vgl RIS‑Justiz RS0042435 [T4, T6, T7], RS0042441 [T2, T3], RS0042458 [T3, T5, T6 uva]).

Abschließend geklärt wurde im Zusammenhang mit dem (hier allein noch interessierenden) Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht im ersten Rechtsgang aber nur, dass die geltend gemachten Glaubens- und Gewissensgründe die Berechtigung dieses Einwands nicht hindern können, weil der Geschädigten in der konkreten Situation die Entgegennahme von Blutkonserven (objektiv und subjektiv) zumutbar gewesen wäre. Abgesehen von diesem Thema war im zweiten Rechtsgang ergänzendes Vorbringen uneingeschränkt zulässig. Das Berufungsgericht hat sich daher zu Recht mit dem Vorbringen des Klägers zur Beweislast, zum Beweismaß und zur „Vorteilsanrechnung“ inhaltlich befasst und es in seine Entscheidung einbezogen.

1.3 Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil ua wegen eines „Begründungsmangels“ aufgehoben, weil es den in die Beweiswürdigung des Erstgerichts aufgenommenen Verweis auf ein bestimmtes Beweisergebnis für nicht ausreichend hielt. Die beklagte Partei lässt diese prozessuale Vorgangsweise in ihrem Rechtsmittel ungerügt. Sie bestreitet lediglich das Vorliegen eines Begründungsmangels, wobei sie zur Stütze dieser Auffassung aus den Gutachten der in erster Instanz tätigen Sachverständigen zitiert. Die Frage, ob ein Begründungsmangel vorliegt, betrifft aber im vorliegenden Fall nur die Beweiswürdigung, die auch in einem Rekursverfahren nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO durch den Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann (vgl 10 Ob 36/16s). Davon abgesehen ist, wie sich aus den folgenden Ausführungen zeigen wird, der Begründungsmangel ohnedies nicht entscheidungrelevant.

2. Zum Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht:

2.1 Eine Verletzung der Schadensminderungs-pflicht liegt im Allgemeinen dann vor, wenn der Geschädigte Handlungen unterlassen hat, die geeignet gewesen wären, den Schaden abzuwehren oder zu verringern, obwohl sie– objektiv betrachtet – von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt worden wären, um eine nachteilige Veränderung des eigenen Vermögens hintanzuhalten (2 Ob 144/11g; RIS‑Justiz RS0023573). Die Obliegenheit, den Schaden möglichst gering zu halten, wird in ständiger Rechtsprechung aus § 1304 ABGB abgeleitet (RIS‑Justiz RS0027043; Reischauer in Rummel, ABGB³ II/2a § 1304 Rz 37). Die Unterlassung der Schadensminderung kann dem Geschädigten nur vorgeworfen werden, wenn die von ihm unterlassene und zumutbare Handlung geeignet gewesen wäre, den Schaden zu verringern (RIS‑Justiz RS0109225). Die Behauptungs‑ und Beweislast für die Eignung einer Maßnahme zur Schadensverringerung trifft den Schädiger (vgl 9 Ob 83/15v; RIS‑Justiz RS0027129; Karner in KBB4 § 1304 Rz 11; Reischauer in Rummel, ABGB³ II/2a § 1304 Rz 44), hier also die beklagte Partei.

2.2 Der „Schaden“, aus dem der Kläger die Ansprüche auf Trauerschmerzengeld und Ersatz der Begräbniskosten ableitet, liegt im Tod der Geschädigten, seiner Ehefrau. Im ersten Rechtsgang wurde demnach darauf abgestellt, ob die – als zumutbar erachtete – Zustimmung zu Bluttransfusionen den Tod der Geschädigten (und damit den den Ansprüchen des Klägers zugrundeliegenden Schaden) verhindert hätte. Auf diese Frage bezogen sich auch die Ergänzungsaufträge an das Erstgericht.

2.3 Obwohl das Erstgericht nach Durchführung eines umfangreichen Beweisverfahrens seine Feststellungen ergänzte, hält das Berufungsgericht – abgesehen vom erwähnten Begründungsmangel – diese Tatsachenfrage noch nicht für ausreichend geklärt, weshalb es weiterer ergänzender Feststellungen bedürfe. Eine Verfahrensergänzung könnte aber schon im Hinblick auf das im zweiten Rechtsgang zulässig erstattete neue Tatsachenvorbringen des Klägers entbehrlich sein, wonach der Geschädigten im Falle ihres Überlebens infolge der erlittenen Verletzungen weitaus höhere Schadenersatzansprüche zugestanden wären, als sie der Kläger hier geltend macht. Dieses Vorbringen ist von der hypothetischen Annahme getragen, dass die Geschädigte bei Verabreichung von Blutkonserven überlebt hätte. Könnte mit diesem Gegeneinwand der Vorwurf der Verletzung der Schadensminderungspflicht entkräftet werden, käme es auf die vom Berufungsgericht für nötig befundenen Verfahrensergänzungen nicht mehr an. Er ist daher vorrangig zu prüfen.

3. Zum Gegeneinwand des Klägers:

3.1 Dazu stellt sich zunächst die Frage, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt der Gegeneinwand des Klägers zu prüfen ist. Nach Ansicht des Berufungsgerichts geht es dabei um einen Aspekt des rechtmäßigen Alternativverhaltens:

3.1.1 Es stützt sich damit auf die Auffassung Hubers, die dieser in seiner weiterführenden Glosse zur Entscheidung 2 Ob 219/10k vertreten hat (ZVR 2012/44, 104). Darin betonte der Autor – freilich mit dem zutreffenden Hinweis auf (bis dahin) fehlendes Vorbringen des Klägers –, dass die Verweigerung einer Blutkonserve nicht nur zu einer Vergrößerung des Schadens, sondern auch zu einer Verminderung führen kann. Aus schadensrechtlicher Sicht sei nämlich der Tod für den Ersatzpflichtigen weniger belastend als eine schwere Verletzung, möge eine solche Feststellung auch zunächst pietätlos erscheinen. Im konkreten Fall wären die Heilungskosten, der Erwerbs- und/oder Haushaltsführungsschaden sowie das Schmerzengeld der Geschädigten nach einer Oberschenkelamputation wesentlich höher gewesen als die vom Kläger begehrten Bestattungskosten und das Trauerschmerzengeld (idS auch Steininger in EvBl 2011/152, 1079 [Glosse zu 2 Ob 219/10k]; ebenso Dullinger, Mitwirkungspflichten im Rahmen der ärztlichen Behandlung, RdM 2012/136, 222 [228 f]).

3.1.2 Alle drei soeben erwähnten Glossatoren halten deshalb die Ansprüche des Klägers erkennbar für berechtigt. Uneinigkeit besteht nur in der rechtlichen Begründung des angestrebten Ergebnisses. Während etwa Steininger (aaO) schon das Vorliegen einer Obliegenheitsverletzung in Abrede stellt und Dullinger (aaO) die Berücksichtigung des hypothetischen Schadens im Wege der Vorteilsanrechnung vorschlägt, hält Huber die Kategorie des rechtmäßigen Alternativverhaltens, hier in der Form des „Alternativverhaltens ohne Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit“, für vorzugswürdig (anders noch ders in Die Presse [Rechtspanorama] 2011/39/02). Diese könne nicht nur auf Schädigerseite Beachtung finden, sondern in Entsprechung von Verschulden und Mitverschulden auch auf Seite des Geschädigten. Bei der von ihm ebenfalls in Erwägung gezogenen Rechtsfigur der Vorteilsausgleichung gibt Huber zu bedenken, dass die „Verrechnung“ (von Vor- und Nachteilen auf Seite des Schädigers) auf sachlich kongruente Leistungen zu beschränken sein könnte, was lediglich in Bezug auf Erwerbsschaden (bei Überleben) und Unterhaltsersatz (beim Tod) gegeben wäre.

3.2 Der Senat hält wie das Berufungsgericht den dogmatischen Ansatz Hubers für sachgerecht:

3.2.1 Zunächst vermag der gegen die Meinung Hubers vorgetragene Einwand Dullingers (aaO FN 58), dass in den einschlägigen Fallkonstellationen die Verweigerung der Behandlung andere reale Schäden verursacht habe, als bei deren Durchführung entstanden wären, nicht zu überzeugen. Er vernachlässigt die ständige Rechtsprechung, nach der beim rechtmäßigen Alternativverhalten nur auf den rechnerischen, nicht aber auf den realen Schaden abzustellen ist. Entscheidend ist, dass bei rechtmäßigem Verhalten derselbe rechnerische Schaden entstanden wäre; Unterschiede beim realen Schaden sind bedeutungslos (2 Ob 82/14v mwN; RIS‑Justiz RS0111706; Reischauer in Rummel, ABGB³ II/2a § 1295 Rz 1a).

3.2.2 Vor allem aber sind die Bedenken Hubers gegen die Rechtsfigur der Vorteilsausgleichung im gegebenen Zusammenhang nicht von der Hand zu weisen. Nach ständiger Rechtsprechung kommt die Berücksichtigung von Vorteilen nur gegenüber sachlich und zeitlich kongruenten Schadenersatzansprüchen in Betracht (vgl 2 Ob 227/07g ZVR 2009/10 [Kathrein]; RIS‑Justiz RS0114259, RS0022826 [T2, T3, T4]), was hier zu den von Huber aufgezeigten Konsequenzen führen würde. Die Ansprüche, welche die Geschädigte bei „rechtmäßigem“ Alternativverhalten, also im Falle ihres – hier unterstellten – Überlebens gehabt hätte, wären zum Trauerschaden des Klägers und zum Aufwand für die Begräbniskosten sachlich nicht kongruent. Dieses ihm nachteilige Ergebnis wird vom Kläger mit seinem Gegeneinwand jedenfalls nicht angestrebt.

3.2.3 Der Beurteilung unter dem Aspekt des „rechtmäßigen“ Alternativverhaltens könnte entgegengehalten werden, dass sie rechtswidriges tatsächliches Verhalten voraussetzt. Dass der Geschädigten ein solches vorzuwerfen wäre, wurde aber schon im ersten Rechtsgang ausdrücklich verneint (2 Ob 219/10k).

Allerdings ist daran zu erinnern, dass die Schadensminderungspflicht (bzw ‑obliegenheit) in § 1304 ABGB wurzelt, es sich daher um eine Form des Mitverschuldens handelt. Dieses setzt kein rechtswidriges Verhalten voraus. Es genügt Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern, worunter auch die Gesundheit fällt (RIS‑Justiz RS0022681, RS0032045; Reischauer in Rummel, ABGB³ II/2a § 1304 Rz 1). In Fällen, in denen die Sorgfaltswidrigkeit gegenüber eigenen Gütern nicht – wie etwa bei Verletzung eines Schutzgesetzes – rechtswidrig ist, wird Rechtswidrigkeit fingiert, um das Maß für die Verantwortung des Geschädigten zu finden (Reischauer in Rummel, ABGB³ II/2a § 1304 Rz 1 und Rz 3). Dies wirft auch auf der Seite des Geschädigten die Frage nach dem „rechtmäßigen“ (bzw „sorgfältigen“) Alternativverhalten in eigenen Angelegenheiten auf, bei der es letztlich um die Ursächlichkeit der Sorgfaltsverletzung geht (Reischauer in Rummel, ABGB³ II/2a § 1304 Rz 2).

3.2.4 In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs finden sich zahlreiche Beispiele für die Berücksichtigung des „rechtmäßigen“ Alternativverhaltens des Geschädigten bei der Ermittlung des Ersatzanspruchs. So ist etwa in Fällen eines Mitverschuldens wegen Verletzung der Gurtenanlegepflicht (vgl 8 Ob 45/87 ZVR 188/154; RIS‑Justiz RS0038671), Nichttragen eines Sturzhelms (vgl 2 Ob 99/14v ZVR 2014/218 [Karner]; RIS‑Justiz RS0110803) oder Nichttragen einer Motorradschutzbekleidung (2 Ob 119/15m ZVR 2016/10 [Huber]) nur jener Schaden gemindert, für den die Sorgfaltswidrigkeit (mit)ursächlich war, der also im Falle des „rechtmäßigen“ Alternativverhaltens des Geschädigten vermieden oder verringert worden wäre (vgl auch Reischauer in Rummel, ABGB³ II/2a § 1304 Rz 30). Ebenso wurde in Fällen, in denen sich der Geschädigte selbst verkehrswidrig verhalten hatte, unter dem Aspekt des rechtmäßigen Alternativverhaltens die Ursächlichkeit der Schutz-normverletzung für den erlittenen Schaden geprüft (2 Ob 21/92 ZVR 1993/122; vgl auch 2 Ob 20/99a ZVR 1999/97; 2 Ob 204/05x). Schließlich wurde einem Geschädigten zugestanden, dass er einen von ihm (möglicherweise) rechtswidrig getätigten Aufwand ersetzt bekommt, wenn der vom Schädiger rechtswidrig und schuldhaft verursachte Aufwand bei einem rechtmäßigen Verhalten des Geschädigten jedenfalls weit höher gewesen wäre, als der tatsächlich getätigte (4 Ob 52/06k EvBl 2007/75).

3.2.5 Aufgrund dieser Erwägungen ist der Gegeneinwand des Klägers im Sinne des Einwands des „rechtmäßigen“ Alternativverhaltens oder, wie Huber es präziser formulierte, als Einwand des „Alternativverhaltens ohne Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht“ zu verstehen. Die vom Kläger in Anlehnung an Dullinger vorgenommene dogmatische Einordnung unter die „Vorteilsanrechnung“ schadet nicht. Zwar hat die Prüfung des „rechtmäßigen“ Alternativverhaltens nicht von Amts wegen, sondern nur über entsprechenden Einwand zu erfolgen. Es genügt aber, wenn die (hier:) einen Haftungsausschluss hindernden Tatsachen vorgebracht worden sind (vgl 2 Ob 41/10h mwN). Dieses Vorbringen hat der Kläger im zweiten Rechtsgang erstattet.

Es bleibt somit zu prüfen, ob ein zumindest gleichwertiger Schaden entstanden wäre, hätte die Geschädigte den (lebenserhaltenden) Bluttransfusionen zugestimmt.

4. Zur Beweislast:

4.1 Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat der Kläger den Beweis zu erbringen, dass (lebenserhaltende) Bluttransfusionen auch nicht schadensmindernd gewirkt hätten. Dabei stützte es seine Überlegungen einerseits auf jene Rechtsprechung, die dem gegen ein Schutzgesetz verstoßenden Schädiger den Entlastungsbeweis des rechtmäßigen Alternativverhaltens auferlegt (RIS‑Justiz RS0027364, RS0112234 [T5, T14]), andererseits – weil die Geschädigte gegen keine Schutznorm verstieß – auf die zu Schiunfällen ergangene Rechtsprechung, wonach ein Schiläufer, dem eine bloße Sorglosigkeit (ein fahrtechnischer Fehler) unterlaufen ist, die entlastenden Umstände nachzuweisen hat (RIS‑Justiz RS0023480).

4.2 Diese Überlegungen, denen der Kläger in seiner Rechtsmittelbeantwortung entgegentritt, können im vorliegenden Fall aber auf sich beruhen. Das Erstgericht hat aufgrund des klägerischen Vorbringens die unfallbedingten Verletzungen der Geschädigten im Detail festgestellt. Das genügt, um anhand der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu annähernd vergleichbaren Fällen die Aussage treffen zu können, dass die hypothetischen Ersatzansprüche der Geschädigten die geltend gemachten Ansprüche des Klägers jedenfalls deutlich überstiegen hätten. Allein das angemessene Schmerzengeld hätte ein Mehrfaches des Eingeklagten betragen (zum Schmerzengeld bei Amputation von Gliedmaßen vgl 2 Ob 105/09v mwN ZVR 2011/67 [Kathrein]). Insoweit bedarf es auch keiner Verfahrensergänzung.

5. Maßgeblichkeit des rechnerischen Schadens:

5.1 Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass es beim rechtmäßigen Alternativverhalten nur darauf ankommt, ob derselbe rechnerische Schaden entstanden wäre, während Unterschiede beim realen Schaden bedeutungslos sind (Punkt 3.2.1). Das schließt zwar nicht aus, dass bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit des tatsächlich entstandenen und des hypothetischen Schadens nicht der Gesamtschaden entscheidet, sondern dass nach der Art des beeinträchtigten Rechtsguts differenziert wird, wenn also etwa bei rechtmäßigem Alternativverhalten nicht die Sachschäden, wohl aber die Personenschäden vermindert worden wären (vgl 2 Ob 21/92 ZVR 1993/122). Innerhalb dieser Grenzen bleibt aber dennoch nur der rechnerische Schaden relevant, widrigenfalls der durchzuführende Vergleich zwischen eingetretenem und hypothetischem Schaden nicht möglich wäre.

5.2 Das gilt auch für den Fall, dass ein Unfallopfer wie hier die Geschädigte an den Unfallfolgen verstirbt. Hätten sie ihr zumutbare, von ihr jedoch abgelehnte medizinisch indizierte Maßnahmen am Leben erhalten, sind einander die im tatsächlichen und im hypothetischen Geldersatz zum Ausdruck kommenden Schäden rechnerisch gegenüberzustellen. In den vorzunehmenden Vergleich sind auch die vom Tod eines Angehörigen abhängigen Ansprüche der Hinterbliebenen miteinzubeziehen, wobei aber immer nur die Schäden der am Prozess beteiligten Personen zu berücksichtigen sind (vgl 2 Ob 204/05x mwN). Müssen sich doch die Hinterbliebenen – dies ist hier nicht mehr strittig – auch die Verletzung der Schadensminderungspflicht oder ein sonstiges Mitverschulden des Geschädigten auf ihre Ansprüche anrechnen lassen, ob sie nun selbst mittelbar (§ 1327 ABGB; vgl RIS‑Justiz RS0026892, RS0027341) oder unmittelbar (vgl 2 Ob 178/04x ZVR 2004/105 [Danzl]; 2 Ob 161/12h; 9 Ob 76/15i) geschädigt sind. Dem Kläger, auf den beides zutrifft (Anspruchsgrundlage für die Begräbniskosten ist § 1327 ABGB [vgl RIS‑Justiz RS0031439; Danzl in KBB4 § 1327 Rz 2], während es sich beim Trauerschaden um einen unmittelbaren Schaden handelt) muss daher aus Gründen des „juristischen Gleichgewichts“ (so schon 2 Ob 178/04x ZVR 2004/105 [Danzl]) der Gegeneinwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens der Geschädigten mit der Rechtsfolge der Maßgeblichkeit auch seiner originären Ersatzansprüche bei der vorzunehmenden Vergleichsrechnung offen stehen (idS auch Huber in ZVR 2012/44, 104 [Glosse zu 2 Ob 209/10k]).

6. Ergebnis und Kosten:

6.1 Aus den dargelegten Gründen erweisen sich die verbliebenen Ansprüche des Klägers auf Trauerschmerzengeld und Ersatz der Begräbniskosten unabhängig davon als berechtigt, ob das Erstgericht in einem weiteren Rechtsgang nach den Vorgaben des Berufungsgerichts einen „hochwahrscheinlichen Geschehnisablauf“ über die Todesursache feststellen kann. Selbst wenn mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststünde, dass die Bluttransfusionen lebenserhaltend gewirkt hätten, wäre dem Kläger jedenfalls der Beweis gelungen, dass in diesem Fall der maßgebliche rechnerische Schaden höher gewesen wäre, als er durch den Tod der Geschädigten bewirkt worden ist.

6.2 Der Aufwand des Klägers für die Begräbniskosten von 5.647,80 EUR und die Angemessenheit eines Trauerschmerzengelds von 10.000 EUR bilden in dritter Instanz zu Recht keinen Streitpunkt mehr (zur Höhe bisheriger Zusprüche vgl Danzl in KBB4 § 1329 Rz 29; ders in Danzl/Gutiérrez‑Lobos/Müller, Schmerzengeld10 193 ff und 206 ff). Die Sache ist daher spruchreif. In Stattgebung des Rekurses ist in der Sache selbst dahin zu entscheiden, dass dem Klagebegehren im noch streitverfangenen Umfang stattzugeben ist.

6.3 Die Aufhebung der Kostenaussprüche der Vorinstanzen (einschließlich des zweitinstanzlichen Kostenvorbehalts) beruht auf einem Größenschluss aus § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO. Danach kann der Oberste Gerichtshof die Entscheidung der Hauptsache dem Berufungsgericht übertragen, wenn dafür aufwändige Berechnungen erforderlich sind. Umso mehr muss das für die Kostenentscheidung gelten, zumal sich aus den Rechtsmittelbeschränkungen der ZPO ergibt, dass der Oberste Gerichtshof grundsätzlich nicht mit Kostenfragen belastet werden soll (vgl RIS‑Justiz RS0124588). Die Voraussetzungen für die analoge Anwendung der genannten Bestimmung sind im konkreten Fall schon wegen des Umfangs der seit 2006 anhängigen Rechtssache gegeben (vgl 4 Ob 133/13g).

Die Kostenentscheidung für das Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof ist in den § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO begründet.

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