OGH 4Ob8/16d

OGH4Ob8/16d27.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** M***** eU, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Steflitsch OG in Oberwart, wegen Unterlassung (Streitwert 60.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 6.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. November 2015, GZ 1 R 166/15m‑19, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00008.16D.0127.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Vorinstanzen untersagten dem beklagten Medieninhaber einer regionalen Gratiszeitung im Wesentlichen, sich auf Reichweitenerhebungsdaten, insbesondere auf Daten einer Erhebung des Österreichischen Instituts für Erwachsenenbildung zu beziehen, wenn nicht gleichzeitig auf den Erhebungszeitraum sowie darauf hingewiesen wird, dass diese Quelle nicht sämtliche vergleichbare Druckwerke umfasste, und/oder eine Reichweitenspitzenstellung unter Bezugnahme auf Reichweitenerhebungsdaten, insbesondere auf die genannte Quelle zu behaupten, wenn nicht sichergestellt ist, dass keine Abweichungen von den tatsächlichen Reichweiten vorliegen.

Rechtliche Beurteilung

In seiner dagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt der Beklagte keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.

1. Die aktenwidrige Behauptung im Rechtsmittel, dass im gesamten Verfahren keine öffentliche Verhandlung durchgeführt worden sei, begründet nicht die Zulässigkeit des Rechtsmittels, weil die diesbezüglich im Berufungsverfahren geltend gemachte Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens vom Berufungsgericht verneint wurde, was in dritter Instanz nicht zu überprüfen ist (RIS‑Justiz RS0042981).

2. Nach der ständigen Rechtsprechung muss ein Unternehmer bei einer Werbung mit Reichweitenangaben die von ihm angegebene Reichweite definieren sowie die Quelle und den Erhebungszeitraum angeben, weil die Aussagekraft von Reichweitenangaben ganz entscheidend davon abhängt, wie, von wem und wann sie errechnet wurden (RIS‑Justiz RS0113320). Wenn eine als Quelle angeführte Studie nicht alle in Frage kommenden Medien erfasst, muss auf diesen Umstand hingewiesen werden (RIS‑Justiz RS0113320 [T1]). Eine in Anspruch genommene Spitzenstellung ist ua dann irreführend, wenn sie sich nicht auf objektive und nachprüfbare Umstände stützen kann (RIS‑Justiz RS0077980; RS0078519 [insb T6]), weil die von der Werbung angesprochenen Kreise darauf vertrauen, dass die Zahlen aufgrund anerkannter statistischer Verfahren ermittelt wurden und jedenfalls keine groben Abweichungen von den tatsächlichen Reichweiten vorliegen (4 Ob 76/12y).

Die Vorinstanzen sind von dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht abgewichen.

2.1 Ein Widerspruch zu 4 Ob 41/12a oder 4 Ob 135/12z liegt hier schon deshalb nicht vor, weil der Beklagte in der beanstandeten Eigenwerbung auf konkrete (Prozent‑)Zahlen hinwies, während der Senat in den im Rechtsmittel zitierten Entscheidungen die Irreführungseignung der Behauptung einer (dort) zutreffenden Spitzenstellung trotz fehlenden Angaben zur Quelle und zum Erhebungszeitraum nur deshalb verneinte, weil keine Zahlen genannt wurden.

2.2 Die angefochtene Entscheidung widerspricht auch nicht den zum Rechtssatz RIS‑Justiz RS0078412 ergangenen Entscheidungen, wonach nur in sich vergleichbare Medien in eine vergleichende Reichweitenuntersuchung einbezogen werden könnten. Vielmehr sind die Vorinstanzen jedenfalls vertretbar davon ausgegangen, dass bei den Ergebnissen der „auf Regions‑ und Gemeindeebene“ durchgeführten Studie die Regionalzeitung des Beklagten mit den Gemeindezeitungen vergleichbar ist, zumal nach der gesicherten Rechtsprechung ein bloß unterschiedlicher Charakter von Zeitungen noch nicht gegen deren Vergleichbarkeit spricht (RIS‑Justiz RS0104517).

Sogar der Beklagte hat in seiner Werbung die Gemeindezeitungen als Informationsquelle ausdrücklich angeführt und damit mit seiner Zeitung verglichen, ohne jedoch offen zu legen, dass die Gemeindezeitungen in der Studie die Spitzenstellung einnahmen.

2.3 Im Übrigen hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob Angaben zur Irreführung geeignet sind, weshalb daher grundsätzlich keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung vorliegt (RIS‑Justiz RS0053112).

3.1 Das Unterlassungsgebot hat sich immer am konkreten Wettbewerbsverstoß zu orientieren. Es ist daher auf die konkrete Verletzungshandlung sowie auf ähnliche Fälle einzuengen (RIS‑Justiz RS0079278; RS0115334; RS0037645), um Umgehungen nicht allzu leicht zu machen (RIS‑Justiz RS0037607; RS0037733). Ob es zu weit gefasst wurde, ist grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0037671 [T5]).

3.2 Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen liegt ungeachtet der Frage, ob man die Erhebung des Österreichischen Instituts für Erwachsenenbildung als Medienanalyse oder Reichweitenerhebung im eigentlichen Sinn qualifiziert oder nicht, nicht vor.

Die Vorinstanzen sind nämlich jedenfalls vertretbar davon ausgegangen, dass das beanstandete Verhalten des Beklagten den Vorwurf einer irreführenden Bezugnahme auf Reichweitenerhebungsdaten im weiteren Sinn deckt, weil der Beklagte in der Werbung anführte, seine Zeitung werde von fast 80 % der Befragten als Informationsquelle genutzt. Damit wurde aber gerade ‑ im Sinne der Definition für Reichweite https://de.wikipedia.org/wiki/Reichweite_ (Medien) ‑ der Anteil der Zielpersonen angeführt, die durch einen Werbeträger oder durch eine Werbeträgerkombination erreicht werden können.

4. Das vom Berufungsgericht im Anlassfall gewonnene Ergebnis bedarf daher keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

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