OGH 2Ob58/15s

OGH2Ob58/15s2.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** S*****, vertreten durch MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger Rechtsanwalt GmbH in Götzis, gegen die beklagten Parteien 1. W***** GmbH, *****, und 2. E***** AG, *****, beide vertreten durch Janezic & Schmidt Rechtsanwälte OG in Graz, wegen 101.539,41 EUR sA und Feststellung (Streitinteresse: 35.000 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 1. Oktober 2012, GZ 4 R 153/12z‑53, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Teilzwischenurteil des Landesgerichts Feldkirch vom 19. Juni 2012, GZ 56 Cg 230/11w‑48, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00058.15S.0702.000

 

Spruch:

 

I. Das Revisionsverfahren wird von Amts wegen fortgesetzt.

II. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

Am 9. 2. 2009 wurde der Kläger als Insasse eines von der erstbeklagten Partei gehaltenen und bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten Hubschraubers bei einem Flug im Gebiet des Rettenbachgletschers in Sölden schwer verletzt.

Der Kläger ist seit 1985 Dienstnehmer der (richtig) Ö*****‑GmbH & Co KG und seit 1989 Mitglied der Lawinenkommission. Er ist für die Lawinensicherheit der Zufahrtsstraße zum Gletschergebiet und des Gletschergebiets selbst, insbesondere der darin gelegenen Schipisten seiner Dienstgeberin zuständig. Seine Aufgabe ist es zu erkennen, welche Pisten gesperrt werden müssen bzw wo Lawinensprengungen erforderlich sind. In den letzten Jahren wurde es üblich, dass die Sprengungen von einem Hubschrauber aus durchgeführt werden. Vor dem Unfall hatte der Kläger schon weit über hundert solcher Flüge absolviert.

Am Unfalltag sollte der Kläger wie üblich als ortskundiger Einweiser im Hubschrauber der erstbeklagten Partei, die von der Dienstgeberin des Klägers einen entsprechenden Auftrag erhalten hatte, mitfliegen. Der Pilot flog zunächst mit einem Flughelfer zum Sprengbunker. Dort wurden der Kläger und zwei weitere Personen aufgenommen, während der Flughelfer den Hubschrauber verließ. Bei den beiden weiteren Insassen handelte es sich um den Sprengbefugten und den Sprenggehilfen, die beide ebenfalls Angestellte der Ö*****‑GmbH & Co KG sind. Der Kläger saß links vorne neben dem Piloten. Hinter ihm saß der Sprengbefugte und neben diesem der Sprenggehilfe. Der Kläger war mit dem konkreten Hubschrauber schon etwa 50‑mal mitgeflogen, davon etwa zehn mal mit dem Piloten, der auch am Unfalltag zum Einsatz kam.

Der Hubschrauber, ein einmotoriger, turbinengetriebener Dreiblattrotor‑Helikopter, war lufttüchtig und verfügte über ein ordnungsgemäßes Zulassungszertifikat. Er war mit Flügeltüren (also nicht mit Schiebetüren) ausgestattet. An der linken Tür, bei welcher der Kläger saß, gab es drei Bedienungseinheiten:

1. Eine Türklinke mit zwei Arretierungsfunktionen (Verriegelung und Entriegelung), die von innen und außen bedient werden kann. Die Bedienung von innen erfolgt vom linken hinteren Sitz aus. Wird die Kabinentür geöffnet, so schwenkt diese nach außen und dreht ungehindert über einen Winkel von ca 180°. Bei voller Ausschwenkung arretiert die Tür normalerweise im Anschlagbereich. Diese Funktion war jedoch deaktiviert.

2. Der Türentriegelungshebel, der zum Unfallzeitpunkt ebenfalls außer Funktion gesetzt war. Statt dessen wurde ein Gummiband benutzt. Weder dieses Gummiband noch die fehlende Arretierung sind für den Unfall von Bedeutung.

3. Eine Türschlaufe, bei der es sich laut Hersteller um eine „praxisnahe Eigenkonstruktion“ einiger Betreiber handelt. Der gegenständliche Helikopter war vom Hersteller jedenfalls nicht mit dieser Schlaufe geliefert worden. Diese wurde vielmehr von der erstbeklagten Partei selbst eingebaut. Verwendet wurde dazu eine „Rebschnur“, die sich im Ersatzteilkatalog des Herstellers nicht findet. Diese Türschlaufe stellt zwar ein „hervorragendes Hilfsmittel“ zum Heranziehen der Tür zwecks reibungsloser Verriegelung dar. So vorteilhaft diese Konstruktion beim Schließen der Tür ist, so gefährlich kann sie beim Öffnen derselben sein. Unter speziellen Gegebenheiten, wie bei starkem Wind, ist es nämlich nicht möglich, sich aus der Türschlaufe zu befreien. Der Grund dafür liegt darin, dass es beim Aufreißen der Tür „aufgrund der Kinematik des Drehwegs“ zu einer „Einschnürung der Schlaufe und damit zu einer Fixierung der Handfläche“ kommt. Außerdem liegt ein „Phänomen des extramentalen Systems der quergestreiften Skelettmuskulatur“ vor. Ein starker Impuls, wie etwa der plötzliche Schlag der relativ dünnen Türschlaufe auf die Innenseite der Handfläche führt zu einer „plötzlichen Kontrahierung der Flexoren und damit zu einem Einrollen und Einkrampfen der Finger“.

Am Unfalltag herrschte schwacher Zwischenhocheinfluss mit Nordstau über den Alpen. Es war über den Flugwetterdienst der „Austro Control“ mäßig bewölktes, tagsüber aufgelockertes Wetter um 7:00 Uhr (lokale Zeit) angesagt. Der Wind war in 5.000 Fuß (1.500 m) Höhe aus westlicher Richtung mit 15 bis 30 Knoten (ca 30 bis 55 km/h) und in 10.000 Fuß (3.000 m) aus nordwestlicher Richtung mit 25 bis 35 Knoten (46 bis 65 km/h) angegeben. An Zusatzhinweisen bestand die Information an Ballonfahrer, dass tagsüber in freien Lagen mit böig auffrischenden Bodenwinden zu rechnen sei. Im Einsatzgebiet (felsiges, zerklüftetes Terrain mit unterschiedlicher Sonneneinstrahlung) war in einer Flughöhe von etwa 2.700 m mit Böen in der Größenordnung zwischen dem Eineinhalb‑ bis Zweifachen der mittleren Windgeschwindigkeit zu rechnen. Dabei handelte es sich um eine Größenordnung, die „wohl noch einen Flug durchaus erlaubte“, jedoch das Öffnen der Tür im Flug bei Böen knapp unter 50 Knoten (90 km/h) als „kritisch“ erscheinen ließ.

An Bord des Hubschraubers war der Pilot der „Chef“. Die anderen Insassen hatten sich an seine Anweisungen zu halten. Der Pilot entschied insbesondere darüber, ob und wann die Tür des Hubschraubers geöffnet werden durfte. Er musste jeweils direkt vor Ort entscheiden, ob eine Sprengung möglich ist. Wurden von ihm keine größeren Turbulenzen festgestellt, konnte er ein entsprechendes Kommando geben. Der Pilot verzichtete auf eine „Informationsrunde“, die geeignet gewesen wäre, nähere Aufschlüsse über Wind‑ und Wetterverhältnisse zu erhalten. Es war ihm zwar klar, dass Wind herrschte, er hielt die Verhältnisse jedoch für „fliegbar“. Es war ihm auch klar, dass eine starke Windböe die Tür aufreißen konnte. Der Pilot fühlte sich aufgrund der Wetterverhältnisse jedenfalls zu der Warnung veranlasst, beim Öffnen der Tür vorsichtig zu sein.

Der Kläger dirigierte den Piloten dorthin, wo die Sprengladungen abgeworfen werden sollten. Nach mehreren Sprengungen erreichte der Hubschrauber jenen Sprengpunkt, an welchem sich der Unfall ereignete. Der Pilot wartete ab, bis sich die Geschwindigkeit des Hubschraubers auf 10 bis 15 Knoten verringert hatte „bzw tatsächlich Stillstand“ erreicht war, ehe er die Freigabe für das Öffnen der Tür erteilte. Er war zur Unfallszeit selbst der Ansicht, dass der Hubschrauber zum Abwerfen von Sprengladungen nicht gut geeignet ist, weil er keine Schiebetür hat. Der hinter dem Kläger sitzende Sprengbeauftragte entriegelte die Tür. Nach dem Kommando des Piloten öffnete der Kläger die Tür so, wie es ihm angegeben worden war. Dabei hielt er mit der rechten Hand die „Rebschnur“ und mit der linken Hand den Rahmen der Tür. Richtig wäre gewesen, die Tür mit der linken Hand an der „Rebschnur“ und mit der rechten Hand am Türverriegelungshebel zu halten, worauf er vom Piloten jedoch nicht hingewiesen worden war. Dieser war vielmehr selbst der Meinung, dass die „Rebschnur“ mit der rechten Hand gehalten werden muss. Plötzlich erreichte eine Windböe die leicht geöffnete Tür, sodass diese aufschnellte und den rechten Arm des Klägers im Bereich des Ellenbogens gegen den Türstock drückte. Infolge der sich weiter öffnenden Tür kam es zu einer Überstreckung des Unterarms, was zu einer Verletzung im Ellenbogengelenk führte.

Der Kläger hatte keine Chance, den Unfall zu vermeiden. Die Windkraft betrug ca 50 kp, wobei von einer mittelmäßig trainierten Person Windkräfte nur bis etwa 20 kp im Zug‑ und Druckbereich gehalten werden können. Ausgehend von einer mittleren Böengeschwindigkeit von 49 Knoten betrug die Türöffnungsgeschwindigkeit 25,2 m/sek, was bedeutet, dass sich die Tür in „einer 4/100stel Sekunde“ öffnete.

Aufgabe des Klägers an Bord war es, den Piloten einzuweisen und die Tür zu halten. Ihm war „aus technischer Sicht“ nicht erlaubt, wesentliche für den Flug notwendige Handlungen zu setzen; dies hat er tatsächlich auch nicht getan. Die erstbeklagte Partei hat den Unfall nicht gemeldet.

Der Kläger begehrte mit der am 20. 1. 2011 beim Erstgericht eingebrachten Klage den Ersatz seines mit insgesamt 101.539,41 EUR sA bezifferten Schadens (Schmerzengeld, Heilungskosten, Haushaltshilfekosten, Fahrtkosten, Verdienstentgang) sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für alle (künftigen) Schäden des Klägers aus dem Unfall vom 9. 2. 2009.

Im Wesentlichen brachte er vor, er habe die von einer Windböe erfasste Flügeltür nicht mehr loslassen können, wodurch die Verletzung entstanden sei. Es habe ein Vertragsverhältnis zwischen seiner Dienstgeberin und der erstbeklagten Partei bestanden, mit deren Wissen und Willen er mit dem Hubschrauber befördert worden sei. Er sei daher als Fluggast und nicht als Besatzungsmitglied zu qualifizieren, zumal er beim Betrieb des Hubschraubers nicht tätig gewesen sei. Er sei nicht in den Betrieb der erstbeklagten Partei eingegliedert gewesen, sondern seinen eigenen beruflichen Pflichten als Einweiser nachgekommen. Die Anwendung des Haftungsprivilegs scheitere auch an der Ausnahmebestimmung des § 333 Abs 3 ASVG. Das der erstbeklagten Partei zuzurechnende Verschulden bestehe darin, dass der Helikopter bei den am Unfalltag herrschenden Flugbedingungen gar nicht starten hätte dürfen. Eine Türsperre sei nicht vorhanden gewesen. Im „Operation Manual (OM)“ der erstbeklagten Partei sei kein Verfahren für das Öffnen der Tür während des Flugs, das nach den Vorgaben des Herstellers überhaupt nicht erlaubt gewesen wäre, vorgesehen. Der Pilot habe es unterlassen, den Kläger dahin zu instruieren, wie er die Tür öffnen und sie offen halten solle. Der Schlaufenmechanismus sei unzulässig gewesen und habe eine erhebliche Verletzungsgefahr für den Kläger mit sich gebracht. Aufgrund des böigen Windes hätte der Pilot das Öffnen der Tür verbieten müssen. Er hätte auch wissen müssen, dass aufgrund der auftretenden Windkräfte ein Halten der Tür mit reiner Körperkraft gar nicht möglich gewesen wäre. Die erstbeklagte Partei treffe auch die Gefährdungshaftung nach § 156 Abs 2 LFG.

Die beklagten Parteien bestritten die Passivlegitimation der zweitbeklagten Partei, weil der Kläger nicht iSd § 156 LFG befördert, sondern im Rahmen eines Arbeitseinsatzes tätig geworden sei. Vor dem Abflug habe der Pilot den Kläger unterwiesen, wie er die Tür halten solle. Außerdem habe der Kläger bereits über eine langjährige Erfahrung mit Lawinensprengungen vom Hubschrauber aus verfügt. Dennoch habe er die Tür falsch bedient und auch nicht losgelassen, weshalb ihn das Alleinverschulden an dem Unfall treffe. Die Bestimmungen des LFG beträfen ausschließlich die Haftung aus dem Beförderungsvertrag, also für Fluggäste. Bei einem Arbeitsflug liege kein Beförderungsvertrag vor. Für das Vertragsverhältnis mit der Dienstgeberin des Klägers sei nicht dessen Beförderung, sondern die Durchführung der Lawinensprengung mit Hubschraubern charakteristisch gewesen. Der Kläger sei als Mitglied des Bordpersonals und damit als Teil der Flugbesatzung anzusehen. Die erstbeklagte Partei habe über ein gültiges Luftverkehrsbetreiberzeugnis, eine gültige Betriebsgenehmigung, die Genehmigung für die Durchführung von Arbeitsflügen zur Lawinensprengung, die für diese Zwecke erforderliche Verwendungsbescheinigung und die luftfahrtbehördliche Ausnahmebewilligung zum Abwerfen von Sachen (hier: Sprengmittel) im Zusammenhang mit dem künstlichen Auslösen von Lawinen im Bundesland Tirol verfügt. Dies beinhalte auch die luftfahrtbehördliche Genehmigung zur Verwendung des gegenständlichen Helikopters im vorliegenden Ausrüstungsstand (mit Flügeltür). Das Öffnen der Tür sei nicht verboten gewesen. Ein Verschulden des Piloten liege nicht vor. Dieser sei „Aufseher im Betrieb“ gewesen, weshalb das Haftungsprivileg nach § 333 ASVG zur Anwendung gelange.

Das Erstgericht entschied, nachdem es die Verhandlung auf den Grund des Anspruchs eingeschränkt hatte, mit Teilzwischenurteil, dass das Leistungsbegehren des Klägers dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Es bezeichnete als unstrittig, dass die erstbeklagte Partei von der Dienstgeberin des Klägers mit der „Durchführung von Lawinensprengarbeiten“ beauftragt worden sei und traf über den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch folgende (teils der rechtlichen Beurteilung zuzuordnende) Feststellungen:

Die „Rebschnur“ als Türschlaufe entsprach nicht der Herstellervorschrift. Sie wurde auch nicht behördlich genehmigt, obwohl jede Änderung am Hubschrauber der behördlichen Genehmigung unterliegt.

Von Seiten des Herstellers ist ein Öffnen der Tür während des Flugs verboten. Auch im „Operation Manual (OM)“ des Betreibers findet sich kein Verfahren, wie die Tür zu öffnen ist. Soll die Tür während des Flugs geöffnet werden, was laut Hersteller ausdrücklich verboten ist, müsste die erstbeklagte Partei das dabei einzuhaltende Verfahren in ihrem OM beschreiben und dies von der Behörde genehmigen lassen. Selbst wenn in den einschlägigen Genehmigungsbescheiden von einem Verbot des Öffnens der Tür nichts zu lesen ist, heißt dies nicht, dass es deshalb erlaubt wäre. Vielmehr gilt das Öffnen der Tür während des Flugs solange als verboten, als es nicht ausdrücklich erlaubt ist.

Aus den Bestimmungen für das Sprengen von Lawinen von Hubschraubern aus ergibt sich zwar, dass kurz vor dem Abwurf der Sprengladungen die Hubschraubertür geöffnet werden kann, dabei allerdings die Auflagen des jeweiligen „Aircraft Flight Manuals (AFM)“ zu beachten sind. In den AFM des Herstellers ist aber ein Verfahren für das Öffnen der Türen nicht geregelt, was der erstbeklagten Partei hätte auffallen müssen. Die erstbeklagte Partei hätte sich darum selbst im OM um ein sicheres Verfahren bemühen und dies behördlich genehmigen lassen müssen. Selbst wenn also das Öffnen der Türen grundsätzlich erlaubt ist, muss immer noch ganz klar geregelt sein, wie dies geschehen soll. Derartige Vorgaben gibt es jedoch nicht.

In seinen Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung hielt das Erstgericht zunächst fest, dass die erstbeklagte Partei jedenfalls die betraglich beschränkte Gefährdungshaftung gemäß § 156 LFG treffe. Inhalt des Vertrags zwischen der Dienstgeberin des Klägers und der erstbeklagten Partei sei es ua gewesen, den Kläger als ortskundigen Einweiser mit einem Hubschrauber in das Gletschergebiet zu bringen. Damit liege jedoch zweifellos ein Beförderungsvertrag vor. Daran würde nichts ändern, wenn der Flug auch als „Arbeitsflug“ zu titulieren sei. Der Kläger habe keine Möglichkeit gehabt, auf den Verlauf und Erfolg des Flugs bzw des Starts und der Landung einzuwirken und auch keine wesentlichen Aufgaben für den Betrieb des Luftfahrzeugs an Bord des Hubschraubers erfüllt. Er sei daher nicht Besatzungsmitglied iSd § 2 Z 9 LVR (Luftverkehrsregeln) 2010.

Darüber hinaus treffe die erstbeklagte Partei aus mehreren Gründen auch die betraglich unbegrenzte Verschuldenshaftung. Der ihr nach § 1313a ABGB zuzurechnende Pilot habe die Windverhältnisse unrichtig eingeschätzt und das Kommando zum Öffnen der Tür gegeben, obwohl dies nicht gefahrlos möglich und von Seiten des Herstellers verboten gewesen sei. Ferner sei die „Rebschnur“ als Haltegriff nicht behördlich genehmigt und die dem Kläger erteilte Anweisung, wie er die Tür zu öffnen habe, falsch gewesen. Es liege somit ein mehrfacher Verstoß gegen die Schutznorm des § 3 Abs 3 LVR 2010 vor, wonach Luftfahrzeuge nur solcherweise betrieben werden dürften, dass ua deren Insassen nicht gefährdet werden. Überdies habe die erstbeklagte Partei auch gegen weitere Schutznormen verstoßen (§ 8 Abs 1 AOCV [„Air Operator's Certificate“ = Luftverkehrsbetreiberzeugnis‑Verordnung] 2008; § 46 iVm § 47 Abs 4 ZLLV [Zivilluftfahrzeug- und Luftgerät-Verordnung] 2005; § 4 Abs 1 ZMV [Zivilluftfahrt-Meldeverordnung] 2007). Das eingewendete Haftungsprivileg komme nicht zur Anwendung, weil für Luftfahrzeuge eine erhöhte Haftpflicht iSd § 333 Abs 3 ASVG bestehe. Die Haftung der zweitbeklagten Partei gründe sich auf die §§ 164 ff iVm § 151 LFG, das direkte Klagerecht des Klägers auf § 166 LFG.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Es erörterte rechtlich, dass auch im Hinblick auf den in Deutschland gelegenen Sitz der zweitbeklagten Partei sowohl im Falle der außervertraglichen Verschuldens‑ und Gefährdungshaftung als auch im Falle vertraglicher Haftung österreichisches Recht zur Anwendung gelange.

Das Haftungsprivileg des § 333 ASVG stehe einer Geltendmachung der Ansprüche des Klägers nicht entgegen. Zwar wäre dem Piloten gegenüber dem Kläger die Stellung eines Aufsehers im Betrieb zugekommen. Der Halter eines Luftfahrzeugs sei jedoch gemäß § 164 LFG verpflichtet, zur Deckung der Schadenersatzansprüche der Fluggäste eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Es handle sich bei einem Luftfahrzeug demnach um ein Verkehrsmittel, für dessen Betrieb aufgrund gesetzlicher Vorschrift eine erhöhte Haftpflicht bestehe. Daraus folge, dass die Anwendung des Haftungsprivilegs gemäß § 333 Abs 3 ASVG ausgeschlossen sei.

Das zwischen der Dienstgeberin des Klägers und der erstbeklagten Partei begründete Vertragsverhältnis habe Fürsorgepflichten gegenüber dem Kläger ausgelöst, weshalb dieser in den Schutzbereich des Vertrags einbezogen gewesen sei. Dem Kläger stehe daher ein eigener vertraglicher Anspruch gegen die erstbeklagte Partei zu, die für das Verschulden ihres Piloten gemäß § 1313a ABGB einzustehen habe.

Die Verordnung (EG) Nr 2027/97 idF der Verordnung (EG) Nr 889/2002 stehe der Anwendung des X. Teils des LFG nicht entgegen. Der Zweck der Regelungen dieser Verordnung, die in Art 1 auf das Übereinkommen von Montreal (MÜ) verweise, ziele auf die Beförderung von Fluggästen und deren Gepäck. Der Kläger, der an einem Arbeitsflug mitgewirkt habe, sei nicht Fluggast im Sinne dieser Übereinkommen, sei es doch nicht darum gegangen, ihn von einem Ort zum anderen zu befördern. Er habe vielmehr wesentlich zur Erfüllung der Zielsetzung des Flugs, nämlich dem Absprengen von Lawinen beizutragen gehabt. Auch wenn der Kläger nicht ein eigentliches Besatzungsmitglied gewesen sei, weil seine Verrichtungen in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Fliegen des Hubschraubers gestanden seien, sei er ebenso wenig ein Fluggast gewesen, habe er doch „im Rahmen des Flugs einen Beitrag zum Zweck des Flugs zu leisten“ gehabt.

Den Ausführungen der beklagten Parteien, Arbeitsflüge seien vom Anwendungsbereich der JAR‑OPS („Joint Aviation Requirements“) 3.001 ausgenommen, sodass das Luftarbeitsunternehmen den Bestimmungen der AOCV 2008 nicht unterliege, sei nicht zu folgen. Aus dem Luftverkehrsbetreiberzeugnis der erstbeklagten Partei gehe hervor, dass diese im Besitz einer Zulassung für die Durchführung von gewerbsmäßiger Beförderung sei, weshalb eine Ausnahme nicht vorliege. Es gelte daher auch § 8 AOCV 2008, wonach die erstbeklagte Partei verpflichtet gewesen wäre, ein entsprechendes Verfahren für das Öffnen der Türen im Flug in ihre Betriebshandbücher aufzunehmen.

Die in § 47 Abs 4 ZLLV 2005 statuierte Genehmigungspflicht von Änderungen am Luftfahrzeug werde durch den europäischen Gesetzgeber nicht außer Kraft gesetzt oder im Umfang reduziert. Bei der eingebauten „Rebschnur“ handle es sich vielmehr um einen genehmigungspflichtigen Teil iSd Art 3 lit d der Verordnung (EG) Nr 1592/2002.

Aus der Zusammenschau der festgestellten Umstände, nämlich der Verwendung einer nicht genehmigten „Rebschnur“, des Fehlens einer Anleitung zum Betriebsvorgang des Öffnens der Tür im Flug, der Verwendung eines für den Zweck des Abwerfens von Sprengladungen nicht gut geeigneten Luftfahrzeugs und der mangelhaften Einschulung des Klägers ergebe sich unter Zugrundelegung der weiteren Feststellung, dem Piloten sei klar gewesen, dass Wind herrsche, eine insgesamt als fahrlässig zu beurteilende Vorgangsweise. Berücksichtige man den weiteren Umstand, dass es sich um einen „Sprengflug“ gehandelt habe, bei dem die jeweiligen Sprengladungen noch im Luftfahrzeug gezündet werden müssen und nur wenige Sekunden zum Abwurf der Sprengladungen zur Verfügung stehen, was Anlass für ein besonders sorgfältiges Vorgehen geben hätte müssen, so könne kein Zweifel an der Annahme eines ‑ am Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB zu messenden ‑ Verschuldens des Piloten bzw eines Organisationsverschuldens der erstbeklagten Partei bestehen. Dem Kläger stehe gemäß § 166 LFG ein direktes Klagerecht gegen die zweitbeklagte Partei zu. Die beiden beklagten Parteien hätten daher zur ungeteilten Hand für den Schaden des Klägers einzustehen.

Ein Mitverschulden sei dem Kläger nicht anzulasten. Er habe den Anweisungen des Piloten, daher auch dem Kommando, die Tür zu öffnen, folgen müssen. Dass er die „Rebschnur“ und den Türrahmen mit der falschen Hand gehalten habe, sei ihm nicht vorwerfbar, weil er zuvor darüber nicht aufgeklärt worden sei.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Fragen fehle, ob der Pilot Aufseher im Betrieb der erstbeklagten Partei iSd § 333 ASVG gewesen sei und wie die Stellung des Klägers im Hinblick auf seine Funktion im Rahmen des Arbeitsflugs zu qualifizieren sei.

Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die Revision der beklagten Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil es einer Klarstellung der Rechtslage durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

Zu I.:

Der Oberste Gerichtshof hat aus Anlass der Revision mit Beschluss vom 19. 12. 2013, 2 Ob 259/12w, dem Gerichtshof der Europäischen Union mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt und das Revisionsverfahren gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt. Nach Einlangen des Urteils des Gerichtshofs vom 26. 2. 2015, C‑6/14, ist das Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen. Auf das genannte Urteil wird im Folgenden zurückzukommen sein.

Zu II.:

Die beklagten Parteien berufen sich in ihrem Rechtsmittel weiterhin auf das Haftungsprivileg nach § 333 ASVG, dessen Abs 3 nicht zur Anwendung gelange. Die dieser Bestimmung zugrunde liegende ratio, nämlich die „erhöhte Insassenhaftpflichtversicherung“, beziehe sich bei Luftfahrzeugen lediglich auf Passagiere, nicht aber auf sonstige Insassen wie im vorliegenden Fall den Kläger, dem eine erhöhte Haftpflicht nicht zugute komme. Die erstbeklagte Partei sei ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft. Auf den Sachverhalt sei daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Verordnung (EG) Nr 2027/97 anzuwenden, auch wenn man letztlich zur Beurteilung gelange, dass es mangels Fluggasteigenschaft des Klägers nicht zu einer Haftung nach dieser Verordnung kommen könne. Aus diesem Grund scheide gemäß § 146 Abs 1 Z 1 LFG die Anwendbarkeit der Bestimmungen des X. Teils des LFG aus. Davon abgesehen verkenne das Berufungsgericht, wenn es zwar die Fluggasteigenschaft der Klägers nach der Verordnung Nr 2027/97 verneine, diese aber nach § 156 LFG bejahe, dass beiden Regelwerken notwendigerweise derselbe Fluggastbegriff zugrunde liege. In Ansehung der von ihm an Bord zu erfüllenden Aufgaben sei der Kläger Besatzungsmitglied, nicht aber aufgrund eines Beförderungsvertrags beförderter Fluggast gewesen. Für die Annahme der Rechtswidrigkeit des Öffnens der Tür gebe es keinen Anhaltspunkt. Weder in den Unterlagen des Herstellers noch in den unternehmensinternen Betriebsvorschriften existiere eine Rechtsvorschrift, welche das Öffnen der Tür während des Flugs untersagen würde. Gleiches gelte für das angeblich rechtswidrige Anbringen der „Rebschnur‑Türschlaufe“. Bei dem gegenständlichen Hubschrauber handle es sich um kein Luftfahrzeug gemäß Anhang II zur Verordnung (EG) Nr 216/2008, weshalb die Bestimmung des § 47 Abs 4 ZLLV 2005 nicht zur Anwendung gelange. Auch nach der besagten Verordnung bestehe aber kein Genehmigungserfordernis für das Anbringen der Schlaufe. Ein solches bestehe nur für Änderungen an solchen Bestandteilen, die Gegenstand der Musterzulassung des Luftfahrzeugs gewesen seien, was für Türhaltegriffe aber nicht zutreffe. Schließlich hätte das Berufungsgericht bei richtigem Verständnis des § 101 LFG, der AOCV 2008 und der JAR-OPS 3 zum Schluss kommen müssen, dass die Bestimmung des § 8 AOCV 2008 auf die erstbeklagte Partei nicht anzuwenden sei. Dazu sei festzuhalten, dass die erstbeklagte Partei zwar „selbstverständlich“ über ein AOC verfüge, dieses jedoch nicht Arbeitsflüge, sondern nur Flüge zur gewerblichen Beförderung von Personen und Sachen umfasse.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

1. Zur Rechtslage:

1.1 Mit der LFG‑Novelle BGBl I 2006/88 wurde der das Haftungs‑ und Versicherungsrecht regelnde X. Teil (§§ 146 bis 168) des LFG den europa‑ und völkerrechtlichen Entwicklungen im Luftfahrtrecht angepasst. Dabei wurde dem Anwendungsvorrang der gemeinschafts‑ und völkerrechtlichen Regelungswerke mit dem Ergebnis Rechnung getragen, dass der Anwendungsbereich der nationalen Bestimmungen stark eingeschränkt ist (Aufner, Das österreichische Luftfahrt‑Haftpflichtrecht auf neuem Kurs, ZVR 2006/120, 349 [352]).

1.2 Die diesbezügliche Klarstellung erfolgt in § 146 Abs 1 LFG: Danach sind die Bestimmungen des X. Teils insoweit nicht anzuwenden, als

1. die Haftung in einem internationalen Übereinkommen oder in der Verordnung (EG) Nr 2027/97 über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei der Beförderung von Fluggästen und deren Gepäck im Luftverkehr, ABl Nr L 285 vom 17. 10. 1997, S 1, in der Fassung der Verordnung (EG) Nr 889/2002, ABl Nr L 140 vom 30. 5. 2002, S 2,

2. die Versicherungspflicht in der Verordnung (EG) Nr 785/2004 über Versicherungsanforderungen an Luftfahrtunternehmen oder Luftfahrzeugbetreiber, oder

3. die gerichtliche Zuständigkeit in einem internationalen Übereinkommen oder in der Verordnung (EG) Nr 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl Nr L 12 vom 16. 1. 2001, S 1, in der Fassung der Verordnung (EG) Nr 2245/2004, ABl Nr L 381 vom 28. 12. 2004, S 10, geregelt wird.

In den Gesetzesmaterialien wird dazu ausgeführt, dass die Bestimmungen über die Luftfahrthaftung und -versicherung dann nicht anwendbar seien, wenn und soweit die Haftung in einem internationalen Übereinkommen (etwa dem Übereinkommen von Montreal oder ‑ soweit es noch anwendbar ist ‑ dem Warschauer Abkommen und seinen von Österreich ratifizierten Zusatzabkommen) geregelt sei. Weiter gingen den vorgeschlagenen Bestimmungen des Luftfahrtgesetzes die unmittelbar anwendbaren EU‑Verordnungen vor (ErläutRV 1429 BlgNR XXII. GP  9 f).

1.3 Die Verordnung (EG) Nr 2027/97 des Rates vom 9. 10. 1997, die mit 17. 10. 1998 in Kraft getreten ist, setzt in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr 889/2002 geänderten Fassung die einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens von Montreal über die Beförderung von Fluggästen und deren Gepäck um und trifft zusätzliche Bestimmungen. Der Geltungsbereich dieser Bestimmungen wurde auf Beförderungen im Luftverkehr innerhalb eines einzelnen Mitgliedstaats ausgeweitet (Art 1). Gemäß Art 3 Abs 1 der Verordnung gelten für die Haftung eines Luftfahrtunternehmens der Gemeinschaft für Fluggäste und deren Gepäck alle einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens von Montreal (MÜ).

Damit hat die Europäische Gemeinschaft die Grundsätze des MÜ in das europäische Recht übernommen. Die Verordnung betrifft nur die Haftung aus dem Beförderungsvertrag. Sie gilt für Luftfahrtunternehmen, die über die Betriebsgenehmigung eines Mitgliedstaats verfügen, und zwar auch dann, wenn es sich nicht um einen internationalen Flug im Sinne des Warschauer Abkommens oder des MÜ handelt (ErläutRV 1429 BlgNR XXII. GP  3). Es sollte sichergestellt werden, dass für die Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft einheitliche Vorschriften unabhängig davon gelten, ob sie eine internationale, eine innergemeinschaftliche oder eine inländische Strecke befliegen (Aufner aaO 351; ders, Neuerungen im Luftfahrt-Haftpflichtrecht, ZVR 2002/84, 328 [332]).

1.4 Das Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28. 5. 1999 („Montrealer Übereinkommen“ ‑ MÜ), BGBl III 2004/131, dem auch die Europäische Union beigetreten ist, wurde von Österreich mit Wirkung vom 28. 6. 2004 ratifiziert und ist seit damals Teil des innerstaatlichen Rechts (10 Ob 47/12b = SZ 2012/142; Aufner, ZVR 2006, 351; Csoklich, Neuerungen im internationalen Lufttransportrecht, RdW 2004/591, 648).

Der Zweck des MÜ liegt darin, durch gemeinsames Handeln der Staaten zur weiteren Harmonisierung und Kodifizierung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr einen gerechten Interessenausgleich zu erreichen (Abs 5 der Präambel zum MÜ). Wie sich bereits aus der Bezeichnung ergibt („Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr“) werden darin bestimmte Ansprüche aus der Schlechterfüllung des Beförderungsvertrags (nämlich Personenschäden, Verspätung, Verlust, Verspätung und Beschädigung von Gütern und Reisegepäck) geregelt (10 Ob 47/12b = SZ 2012/142). Art 17 Abs 1 MÜ enthält die grundlegende Haftungsnorm für Personenschäden „Reisender“ (Reuschle, Montrealer Übereinkommen² [2011] Art 17 Rn 2).

1.5 Gemäß Art 50 erster Satz MÜ verpflichten die Vertragsstaaten ihre Luftfrachtführer, sich zur Deckung ihrer Haftung nach diesem Übereinkommen angemessen zu versichern. Auf europäischer Ebene wurde diese Bestimmung durch die mit 1. 5. 2005 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr 785/2004 über Versicherungsanforderungen an Luftfahrtunternehmen und Luftfahrzeugbetreiber umgesetzt (Reuschle aaO Art 50 Rn 17). Nach ihr müssen Luftfahrtunternehmen (das sind Lufttransportunternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung) bzw Luftfahrt-unternehmen der Gemeinschaft sowie Luftfahrzeugbetreiber hinsichtlich ihrer „luftverkehrsspezifischen Haftung“ versichert sein (Aufner ZVR 2006, 352; vgl Erwägungsgrund 14 der Verordnung). Diese „zentralste und wichtigste europäische Verordnung für die Versicherungspflicht“ (7 Ob 232/12m; Mühlbauer, MünchKomm VVG [2011] LuftfahrtV Rn 65) regelt nur die Mindeststandards für Luftfahrtunternehmen und Luftfahrzeugbetreiber in Bezug auf Fluggäste, Reisegepäck, Güter und Dritte (Art 1), sodass in nationalen Regelungen darüberhinausgehende Anforderungen gestellt werden können (Mühlbauer aaO LuftfahrtV Rn 66; vgl Erwägungsgrund 22 der Verordnung).

2. Zur Anwendbarkeit der Verordnung (EG) 2027/97 idgF und des MÜ:

2.1 Der generelle Verweis auf das Haftungsregime des MÜ in Art 3 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr 2027/97 idgF bezieht sich auf die „Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft“. Als solches ist gemäß Art 2 Abs 1 lit b der Verordnung ein Luftfahrtunternehmen mit einer von einem Mitgliedstaat im Einklang mit der Verordnung (EWG) Nr 2407/92 (mittlerweile neu gefasst in der Verordnung [EG] Nr 1008/2008) erteilten gültigen Betriebsgenehmigung zu verstehen (zu den Voraussetzungen vgl Stefula, Schadenersatz für Passagiere im Luftfahrtgesetz [2001] 189). Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass die erstbeklagte Partei ein „Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft“ iSd der Verordnung (EG) Nr 2027/97 idgF ist.

2.2 Weiteres Tatbestandsmerkmal der erwähnten Verweisungsnorm ist die Haftung „für Fluggäste und deren Gepäck“. Der Begriff des „Fluggasts“ wird in der Verordnung (EG) Nr 2027/97 (und im Übrigen auch im LFG) nicht definiert. Gemäß Art 2 Abs 2 der Verordnung entsprechen die in ihr verwendeten, aber nicht definierten Begriffe den im MÜ verwendeten Begriffen. Im Geltungsbereich des MÜ gilt als „Reisender“, wer aufgrund eines Beförderungsvertrags mit einem Luftfrachtführer durch ein Luftfahrzeug befördert wird (Reuschle, Montrealer Übereinkommen³ [2011] Art 1 Rn 26; Giemulla in Giemulla/Schmid, Montrealer Übereinkommen Art 1 Rn 47). Davon abgesehen findet sich eine Definition des „Fluggasts“ in Art 3 lit g der Verordnung (EG) Nr 785/2004. Danach ist „Fluggast“ im Sinne dieser Verordnung „jede Person, die sich mit Zustimmung des Luftfahrtunternehmens oder des Luftfahrzeugbetreibers auf einem Flug befindet, mit Ausnahme der Dienst habenden Flug- und Kabinenbesatzungsmitglieder“.

2.3 Voraussetzung für die Eigenschaft als „Fluggast“ („Reisender“) ist ganz allgemein, dass die Beförderung mit einem Luftfahrzeug auf einem Luftbeförderungsvertrag beruht (vgl Ruhwedel, Der Luftbeförderungsvertrag³ [1998] Kap 3 Rn 117; Reuschle aaO Art 1 Rn 6; Giemulla aaO Art 1 Rn 47; zum LFG vgl Stefula aaO 47 ff; ders, Haftungsfragen bei Luftsportvereinen, ZVR 2004/42, 148 [150]). Nicht dem MÜ unterliegen demnach Verhältnisse, in denen überhaupt kein Vertrag oder zwar ein Vertrag, aber kein Beförderungsvertrag abgeschlossen wurde (Giemulla aaO Art 1 Rn 35). Aus diesem Grund werden etwa der „blinde Passagier“, aus Gefälligkeit beförderte Personen, Flugschüler während des Ausbildungsverhältnisses (vgl 7 Ob 232/12m = SZ 2013/6), Bordbedienstete oder sonstige Angestellte des Luftfrachtführers, welche die Reise nicht aufgrund eines Beförderungsvertrags, sondern aufgrund eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses unternehmen, nicht zu den Fluggästen („Reisenden“) gezählt (vgl Reuschle aaO Art 1 Rn 26 und Art 17 Rn 65 ff; Ruhwedel aaO Kap 3 Rn 117 ff; Giemulla aaO Art 1 Rn 35; Stefula, ZVR 2004, 150). Unerheblich ist aber, ob der Reisende selbst den Vertrag abgeschlossen hat oder ein Dritter zu seinen Gunsten (Reuschle aaO Art 1 Rn 26).

2.4 Der Luftbeförderungsvertrag ist, gleichgültig ob er unter das MÜ oder das LFG fällt, ein formfreier Konsensualvertrag (vgl 2 Ob 146/05t; 7 Ob 111/12t; Stefula, Schadenersatz, 55; Ruhwedel aaO Kap 2 Rz 1; Reuschle aaO Art 1 Rn 6). Er unterliegt dem nach internationalem Privatrecht zu ermittelnden nationalen (hier unstrittig: österreichischen) Recht (Reuschle aaO Art 1 Rn 6; Giemulla aaO Einleitung MÜ Rn 41; auch Mühlbauer in Geigel, Der Haftpflichtprozess26 Kap 29 Rn 42). Für sein Zustandekommen ist nicht entscheidend, ob der Fluggast selbst oder ein Dritter Vertragspartner des Beförderers ist. Vertragspartner kann auch der Arbeitgeber sein, der für seinen Angestellten einen Flug bucht (Stefula, Schadenersatz 52; Ruhwedel aaO Kap 2 Rn 8).

Charakteristischer Vertragsinhalt und gleichzeitig Hauptleistungspflicht des Beförderers ist die Luftbeförderung, also die Verbringung einer Person oder Sache vom Abflugsort zum gewünschten Bestimmungsort, wobei es sich ausnahmsweise ‑ bei Rundflügen ‑ auch um ein- und denselben Ort handeln kann (Stefula, Schadenersatz 53; ders, ZVR 2004, 150; Reuschle aaO Art 1 Rn 7). Er muss nach dem Willen der Parteien auf eine Ortsveränderung gerichtet sein (Giemulla aaO Art 1 Rn 3). Ist der Vertrag entgeltlich (vgl § 1151 Abs 1 ABGB), handelt es sich um einen Werkvertrag (vgl 2 Ob 206/11z = ZVR 2013/203; RIS‑Justiz RS0026007; ebenso zur deutschen Rechtslage Reuschle aaO Art 1 Rn 7; Ruhwedel aaO Kap 2 Rn 3; Giemulla aaO Art 1 Rn 30).

2.5 Im vorliegenden Fall hielt es das Erstgericht für unstrittig, dass die erstbeklagte Partei von der Dienstgeberin des Klägers damit beauftragt wurde, „Lawinensprengarbeiten in deren Schigebiet durchzuführen“. Den insoweit ungerügten Feststellungen zufolge wurden aber die Sprengarbeiten nicht von Mitarbeitern der beklagten Partei (von denen sich nur der Pilot an Bord befand), sondern von den Angestellten der Dienstgeberin des Klägers selbst „durchgeführt“. Der der erstbeklagten Partei erteilte Auftrag konnte demnach nur dahin gelautet haben, diese Angestellten (den Sprengbefugten, den Sprenggehilfen und den Kläger) mit einem Hubschrauber zu den Sprengpunkten zu befördern und ihnen dort den Abwurf der Sprengladungen zu ermöglichen (idS auch das ‑ insoweit tatsächlich übereinstimmend - Vorbringen der Parteien: vgl AS 143 und 157 sowie 312), wobei dem Kläger die Rolle des ortskundigen Einweisers zukam. Von diesen Feststellungen ist ungeachtet der (vermeintlichen) Außerstreitstellung auszugehen (vgl RIS‑Justiz RS0040118). Demnach lag der Zweck des Flugs in der Erreichung eines bestimmten Arbeitserfolgs, nämlich durch den Einsatz des Hubschraubers mittels Sprengung den künstlichen Abgang von Lawinen zu erzielen. Dies setzte die Beförderung der Insassen des Hubschraubers in das Einsatzgebiet voraus.

2.6 Flüge mit dieser oder ähnlicher Zweckbestimmung werden im Schrifttum mitunter als „Arbeitsflüge“ (auch „Luftarbeit“; „aerial work“) bezeichnet (vgl Janezic, Luftarbeit ‑ Versuch einer Definition, ZLW 2010, 520 [521]); Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts4 [2013] Kap 7 Rn 387 ff). Entsprechende Begriffsbestimmungen finden sich in völkerrechtlichen, unionsrechtlichen und nationalen Regelwerken, nicht aber im MÜ und in der Verordnung (EG) Nr 785/2004 (näher in 2 Ob 259/12w).

Ungeachtet dessen liegt der Beförderung „fremder“ Arbeitnehmer zum Einsatzort regelmäßig ein Werkvertrag zugrunde, der auch alle maßgeblichen Elemente eines Beförderungsvertrags enthält. Dass mit der Beförderung weitere Zwecke verbunden sind, hindert noch nicht die Annahme eines Beförderungsvertrags und der Fluggasteigenschaft des Beförderten (idS Mühlbauer in Geigel, Der Haftpflichtprozess26 Kap 29 Rn 115; vgl auch Schwenk/Giemulla aaO Kap 15 Rn 203; aA offenbar Janezic aaO 532).

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger nicht nur als ortskundiger Einweiser mitflog, sondern ‑ wie bei solchen Einsatzflügen üblich ‑ an Bord des Hubschraubers eine weitere Aufgabe übernahm: Nach dem Erreichen der jeweiligen Sprengpunkte hatte er auf das entsprechende Kommando des Piloten die Tür des Hubschraubers während des Flugs zu öffnen und sie eine gewisse Zeitspanne hindurch in einem bestimmten Winkel offen zu halten.

3. Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH 26. 2. 2015, C‑6/14):

3.1 Vor dem Hintergrund der erörterten Sach- und Rechtslage hielt und hält es der Senat für entscheidungswesentlich, ob der Kläger unter den konkreten Umständen als „Fluggast“ iSd Verordnung (EG) Nr 785/2004 bzw als „Reisender“ iSd MÜ oder ‑ wie dies der Ansicht der beklagten Parteien entspricht ‑ als Besatzungsmitglied (ohne Versicherungsschutz) zu qualifizieren ist.

3.2 Das zur Klärung dieser Frage an den EuGH gerichtete Vorabentscheidungsersuchen (2 Ob 259/12w) beantwortete der Gerichtshof wie folgt:

3.2.1 Art 3 Buchst g der Verordnung (EG) Nr 785/2004 ist dahin auszulegen, dass der Insasse eines von einem Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft gehaltenen Hubschraubers, der aufgrund eines zwischen seinem Arbeitgeber und diesem Luftfahrtunternehmen geschlossenen Vertrags zum Zweck der Wahrnehmung einer besonderen Aufgabe wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden befördert wird, „Fluggast“ im Sinne dieser Bestimmung ist.

3.2.2 Art 17 des Montrealer Übereinkommens ist dahin auszulegen, dass eine Person, die unter den Begriff „Fluggast“ im Sinne von Art 3 Buchst g der Verordnung Nr 785/2004 fällt, auch unter den Begriff „Reisender“ im Sinne von Art 17 des Übereinkommens fällt, sofern sie aufgrund eines „Beförderungsvertrags“ im Sinne von Art 3 des Übereinkommens befördert wurde.

3.3 In seinen Erläuterungen betonte der EuGH, dass der Kläger keine das Führen des Luftfahrzeugs betreffenden Aufgaben wahrgenommen habe und somit nicht zur Gruppe der „Flugbesatzungsmitglieder“ iSd Art 3 lit g der Verordnung (EG) Nr 785/2004 zähle (Rn 27). Dass der Kläger auf Anweisung des Piloten die Tür zu öffnen hatte, genüge auch nicht, um ihn als „Kabinenbesatzungsmitglied“ einzustufen. Der Pilot sei nämlich als Kommandant stets berechtigt, allen an Bord eines Luftfahrzeugs befindlichen Personen einschließlich der Fluggäste Anweisungen zu erteilen (Rn 28). Mit seinen Ausführungen widersprach der EuGH nicht nur der Meinung der beklagten Parteien, sondern auch jener von Koziol/Apathy/Koch (in Haftpflichtrecht III³ [2014] Rz A/9/48).

4. Zwischenergebnis:

Zusammenfassend ist daher als Zwischenergebnis festzuhalten, dass dem Kläger die Eigenschaft eines Fluggasts bzw eines „Reisenden“ iSd Art 17 MÜ zukam. Da der Kläger aufgrund eines Beförderungsvertrags befördert wurde und die erstbeklagte Partei ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, fällt die Ersatzpflicht der erstbeklagten Partei gemäß Art 3 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr 2027/97 unter das Haftungsregime des MÜ. Die österreichische Haftungsregelung (§ 156 LFG) kommt hingegen nicht zum Tragen. Dies hat zur Folge, dass die Ansprüche des Klägers nach dem MÜ zu beurteilen sind, welches bereits in erster Instanz Gegenstand der gerichtlichen Erörterung mit den Parteien war (AS 178).

5. Anspruchsgrundlage:

Gemäß Art 17 Abs 1 MÜ hat der Luftfrachtführer den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass ein „Reisender“ getötet oder körperlich verletzt wird, jedoch nur, wenn sich der Unfall, durch den der Tod oder die Körperverletzung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder beim Ein‑ und Aussteigen ereignet hat. Dabei handelt es sich um eine eigenständige und exklusive Anspruchsgrundlage (Reuschle, Montrealer Übereinkommen² [2011] Art 17 Rn 1), der Rückgriff auf nationale Anspruchsgrundlagen ist innerhalb des Regelungsbereichs des MÜ zufolge dessen Art 29 ausgeschlossen (vgl 10 Ob 47/12b = SZ 2012/142; Koziol/Apathy/Koch aaO Rz A/9/120 [„Verdrängungslösung“]).

Das Haftungssystem ist zweistufig ausgestaltet. Art 21 Abs 1 MÜ sieht im Bereich des Ersatzes für Personenschäden eine der Höhe nach unbegrenzte Haftung des Luftfrachtführers bei Tod oder körperlicher Verletzung von Fluggästen vor. Bis zu einem Betrag von 100.000 SZR (Sonderziehungsrechte des internationalen Währungsfonds), der für den gegenständlichen, Anfang 2009 abgeschlossenen Beförderungsvertrag noch maßgeblich ist (vgl Mühlbauer in Geigel, Der Haftpflichtprozess26 Kap 29 Rn 74) und mittlerweile auf 113.100 SZR angepasst wurde (vgl BGBl III 2010/11 idF BGBl III 2011/4), ist die Haftung des Luftfrachtführers für Personenschäden verschuldens-unabhängig. Sie kann auch nicht beschränkt oder ausgeschlossen werden (Art 21 Abs 1 MÜ). Möglich ist eine Haftungsbeschränkung oder ‑befreiung in diesem Bereich nur durch den Nachweis des Mitverschuldens des Reisenden (Art 20 MÜ). Soweit der Schaden höher ist, kommt nach Art 21 Abs 2 MÜ eine (strenge) Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast zum Tragen. Der Luftfrachtführer kann seine Haftung durch den Nachweis ausschließen oder mindern, dass der Schaden nicht auf eine unrechtmäßige Handlung oder Unterlassung des Luftfrachtführers oder seiner Leute, sei sie auch nur fahrlässig begangen, zurückzuführen ist (lit a) oder dieser Schaden ausschließlich auf eine unrechtmäßige Handlung oder Unterlassung eines Dritten, sei sie auch nur fahrlässig begangen, zurückzuführen ist (lit b; vgl Aufner, ZVR 2002, 330; ders, ZVR 2006, 351; Koziol/Apathy/Koch aaO Rz A/9/82; Reuschle aaO Art 21 Rn 1 ff). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Umrechnung der im MÜ angegebenen Beträge von Sonderziehungsrechten in die jeweilige Landeswährung ist gemäß Art 23 Abs 1 zweiter Satz MÜ im Fall eines gerichtlichen Verfahrens der Zeitpunkt der Entscheidung, wobei auf das letztinstanzliche Urteil abzustellen ist (Koziol/Apathy/Koch aaO Rz A/9/112 [FN 267]; Reuschle aaO Art 23 Rn 8).

6. Anspruchsberechtigung des Klägers und Haftung der beklagten Parteien:

6.1 Zwischenurteil:

Gegenstand der Überprüfung ist in diesem Rechtsmittelverfahren das Zwischenurteil der Vorinstanzen, mit dem diese die Haftung der beklagten Parteien für das auf 101.539,41 EUR lautende Zahlungsbegehren dem Grunde nach bejahten. Im Verfahren über den Grund des Anspruchs sind alle Anspruchsvoraussetzungen und alle den Grund des Anspruchs betreffenden Einwendungen, so auch jene des fehlenden Verschuldens, des Mitverschuldens des Geschädigten oder allfälliger Haftungsbeschränkungen zu klären (vgl 2 Ob 268/06k; 2 Ob 144/09d; 2 Ob 220/10g; RIS‑Justiz RS0040725, RS0040743, RS0122728; Rechberger in Rechberger, ZPO4 § 393 Rz 9).

6.2 Aktivlegitimation:

Das MÜ lässt die Frage ungeregelt, wer im Falle eines Personenschadens zur Geltendmachung der Ansprüche berechtigt ist. Diese Beurteilung ist nach nationalem Recht vorzunehmen (vgl 10 Ob 47/12b = SZ 2012/142; Reuschle aaO Art 17 Rn 64 und Art 29 Rn 14), hier daher nach österreichischem Recht. Danach entspricht es hA, dass der Fluggast die Haftung aus dem Beförderungsvertrag auch dann in Anspruch nehmen kann, wenn nicht er selbst, sondern eine andere Person für ihn den Beförderungsvertrag abgeschlossen hat, etwa ein Dienstgeber für seinen Dienstnehmer (vgl Kathrein, Die Neuordnung der Luftfahrthaftung, FS Dittrich [2000] 551 [560]; Stefula, Schadenersatz, 52; Koziol/Apathy/Koch aaO Rz A/9/44). Der Kläger ist somit zur Geltendmachung seines Schadens aktiv legitimiert.

6.3 Umfang der Ersatzpflicht:

Das MÜ gibt auch keine Auskunft über den Inhalt des Ersatzanspruchs im Falle eines Personenschadens. Auch insoweit muss auf das kollisionrechtlich maßgebliche (hier österreichische) Recht zurückgegriffen werden (vgl 10 Ob 47/12b = SZ 2012/142; Koziol/Apathy/Koch aaO Rz A/9/84; Reuschle aaO Art 17 Rn 79; Mühlbauer in Geigel, Der Haftpflichtprozess26 Kap 29 Rn 53). Da der Kläger nur vom Regelungsbereich des MÜ umfasste Schäden geltend macht, unterliegen seine Ansprüche allesamt den Regeln der Art 17 ff MÜ.

6.4 Anspruchsvoraussetzungen nach Art 17 MÜ:

Aus dem Sachverhalt ergibt sich mit hinreichender Klarheit, dass der Kläger an Bord eines Luftfahrzeugs infolge eines Unfalls eine Körperverletzung erlitten hat, wobei sich ein luftfahrtspezifisches Risiko verwirklichte. Damit hat der Kläger der ihn treffenden Beweislast Genüge getan (vgl Reuschle aaO Art 17 Rz 28).

6.5 Verschuldensunabhängige Haftung:

Der mit dem Zahlungsbegehren geltend gemachte Betrag entspricht derzeit umgerechnet rund 81.000 SZR (vgl http://www.imf.org/external/np/fin/data/rms_five.aspx ; zur Umrechnung vgl ferner Mühlbauer aaO Kap 29 Rn 79), womit die verschuldensunabhängige Haftung nach Art 21 Abs 1 MÜ für den gesamten Ersatzanspruch zum Tragen käme. Entscheidend ist aber letztlich der Tag der letztinstanzlichen Entscheidung über die Anspruchshöhe. Da zu diesem noch nicht vorhersehbaren Stichtag eine Überschreitung der Haftungsschwelle von 100.000 SZR nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, muss bereits im Verfahren über den Anspruchsgrund geprüft werden, ob den beklagten Parteien der Entlastungsbeweis nach Art 21 Abs 2 lit a MÜ gelungen ist.

6.6 Unbeschränkte Haftung:

6.6.1 Zu den „Leuten“ iSd Art 21 MÜ sind alle Personen zu rechnen, deren sich der Luftfrachtführer zur Ausführung der Beförderung bedient (Reuschle aaO Art 21 Rn 9). Dazu gehört jedenfalls der Pilot. Der Begriff der „unrechtmäßigen Handlung oder Unterlassung“ umfasst sowohl vertragswidrige als auch deliktische Handlungen des Luftfrachtführers oder seiner Leute. Sofern es um einen Schaden geht, der durch eine Handlung oder Unterlassung einer der Leute des Luftfrachtführers verursacht worden ist, muss dieser in Ausführung der Verrichtung gehandelt haben. Dies ist dann der Fall, wenn ein unmittelbarer innerer Zusammenhang zwischen der aufgetragenen Verrichtung nach ihrer Art und ihrem Zweck und der schädigenden Handlung besteht. Ein derartiger Zusammenhang wird allgemein bejaht, wenn der Gehilfe des Luftfrachtführers im Rahmen seiner normalen Obliegenheiten tätig wird und sein Verhalten selbst als Mangel der Vertragserfüllung angesehen werden kann. Diese Grenze ist weit zu ziehen (Reuschle aaO Art 21 Rn 10).

6.6.2 Mit Abschluss des ‑ österreichischem Recht unterliegenden ‑ Beförderungsvertrags entstand für den Beförderer die vertragliche Nebenpflicht, die Sicherheit der Fluggäste („Reisenden“) zu gewährleisten und deren körperliches Wohlbefinden nicht zu verletzen (vgl 2 Ob 215/07t [Luftbeförderungsvertrag]; 2 Ob 30/10s; 2 Ob 206/11z; RIS‑Justiz RS0021735).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Pilot aufgrund eigener Unkenntnis den Kläger nicht darauf hingewiesen, dass er die Tür und die daran befestigte „Rebschnur“ (eine gefährliche „praxisnahe Eigenkonstruktion“) beim Öffnen nicht „richtig“ hält, was sich in weiterer Folge als kausal für die eingetretene Verletzung erwies. Unabhängig von der Frage, ob im Operation Manual (OM) der erstbeklagten Partei der Vorgang des Öffnens der Tür beschrieben und behördlich genehmigt hätte werden müssen und ob für diese Annahme eine Rechtsgrundlage existiert, liegt schon darin eine der erstbeklagten Partei zuzurechnende fahrlässige Unterlassung, war doch der Pilot als Kommandant des Luftfahrzeugs dazu verpflichtet, bei jedem Öffnen der Tür die Gefahrlosigkeit dieses Vorgangs zu kontrollieren. Dazu kommt, dass dem Piloten die Problematik des Fehlens von Schiebetüren bewusst war, ihm klar war, dass eine Windböe die Tür aufreißen konnte und er trotz der prekären Windverhältnisse, die das Öffnen der Tür kritisch erscheinen ließen, auf eine „Informationsrunde“ verzichtet hatte. Die an den Kläger gerichtete Aufforderung, die Tür „vorsichtig“ zu öffnen, war in der gegebenen Situation nichtssagend und vermag den Piloten nicht zu exkulpieren.

6.6.3 Schon aufgrund des fahrlässigen Fehlverhaltens des Piloten ist den beklagten Parteien der Entlastungsbeweis nicht gelungen, ohne dass es darauf noch ankäme, ob im Zusammenhang mit dem Anbringen der „Rebschnur“ und dem Öffnen der Tür im Luftfahrtrecht verankerte Schutznormen verletzt worden sind. Der in diesem Zusammenhang in der Revision enthaltene Hinweis auf die Ausführungen in der Berufungsschrift ist nicht zulässig (RIS‑Justiz RS0043616; RS0043579). Darauf ist nicht weiter einzugehen.

6.7 Kein Mitverschulden des Klägers:

6.7.1 Unabhängig vom Haftungstatbestand, aufgrund dessen ein Luftfrachtführer in Anspruch genommen wird, kann dieser sich nach Art 20 erster Satz MÜ durch den Nachweis eines dem Anspruchsteller zuzurechnenden Mitverschuldens entlasten, bei Personenschäden auch unter dem Schwellenwert von (hier) 100.000 SZR (Koziol/Apathy/Koch aaO Rz A/9/107). Der Wortlaut der erwähnten Bestimmung verlangt „unrechtmäßiges“ Verhalten des Anspruchstellers, was aber nach hA als die auch sonst für die Annahme eines Mitverschuldens ausreichende „Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten“ zu verstehen ist (Koziol/Apathy/Koch aaO Rz A/9/108; Mühlbauer aaO Kap 29 Rn 73; Reuschle aaO Art 20 Rn 6).

6.7.2 Dem Kläger ist kein Mitverschulden vorwerfbar. Er hat sich strikt an die Anweisungen des Piloten gehalten und die Tür so geöffnet, wie es ihm angegeben wurde. Darauf, dass er die Tür „falsch“ gehalten hat, wurde er vom Piloten nicht aufmerksam gemacht. Hinweise, dass dies schon bei früheren Flügen geschehen wäre, gehen aus den Feststellungen ebenfalls nicht hervor. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, war doch der Pilot selbst der (unrichtigen) Meinung, dass der Kläger die Tür „richtig“ gehalten hat. Es steht auch nicht fest, dass sich der Kläger beim Öffnen der Tür unvorsichtig verhielt.

6.8 Kein Haftungsprivileg:

6.8.1 Es bedarf keiner näheren Untersuchung, inwieweit im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr 2027/97 bei Verletzung eines Fluggasts auf nationalen Rechtsvorschriften beruhende Haftungsbeschränkungen wie jene des § 333 ASVG beachtlich sind. Auf eine solche Haftungsbeschränkung könnten sich die beklagten Parteien aus den folgenden Gründen nämlich keinesfalls berufen:

6.8.2 Gemäß § 333 Abs 1 ASVG ist der Dienstgeber dem Versicherten zum Ersatz des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalls entstanden ist, nur verpflichtet, wenn er den Unfall vorsätzlich verursacht hat. Das Haftungsprivileg ist gemäß § 333 Abs 3 ASVG nicht anzuwenden, wenn der Arbeitsunfall durch ein Verkehrsmittel eingetreten ist, für dessen Betrieb aufgrund gesetzlicher Vorschrift eine erhöhte Haftpflicht besteht. Die Ausnahmeregelung umfasst sämtliche durch eine Haftpflichtversicherung gedeckte Schäden und stellt ausschließlich auf die obligatorische Haftpflichtversicherung ab (9 ObA 48/11s; 2 Ob 178/11g; 2 Ob 214/11a; RIS‑Justiz RS0085140, RS0085182, RS0109871).

6.8.3 Die Vorinstanzen haben richtig erkannt, dass auch Luftfahrzeuge zu den Verkehrsmitteln iSd § 333 Abs 3 ASVG zu zählen sind (vgl 2 Ob 178/11g [obiter]; Neumayr aaO § 333 ASVG Rz 60). Maßgebliche Rechtsquelle für die Versicherungspflicht in Bezug auf Fluggäste ist die bereits besprochene Verordnung (EG) Nr 785/2004 über Versicherungsanforderungen an Luftfahrtunternehmen und Luftfahrzeugbetreiber, an die auch die Versicherungspflichten im LFG angepasst wurden (vgl 7 Ob 232/12m; Aufner, ZVR 2006, 355 f; Flitsch in Hobe/von Ruckteschell, Kölner Kompendium des Luftrechts III [2010] Teil IV D Rn 63 ff). Eine versicherungsrechtliche Haftung für Passagierschäden setzt nach dieser Verordnung den Abschluss eines Beförderungsvertrags voraus. Nur dann entsteht die Versicherungspflicht (vgl Mühlbauer in MünchKomm VVG [2011], LuftfahrtV Rn 68 und Rn 77).

6.8.4 Die beklagten Parteien anerkennen in ihrem Rechtsmittel, dass die dem § 333 Abs 3 ASVG zugrunde liegende „ratio“, nämlich die „erhöhte Insassenhaftpflichtversicherung“ (nur) Passagieren eines Luftfahrzeugs zugute kommen soll. Da aber der EuGH die Fluggasteigenschaft des Klägers auch unter den konkreten Umständen des Flugs bejahte, der Kläger aufgrund eines Beförderungsvertrags befördert wurde, und die gegenteiligen Prämissen der beklagten Parteien daher nicht zutreffen, scheitert die Berufung auf das Dienstgeberhaftungsprivileg bereits an der Ausnahmeregelung des § 333 Abs 3 ASVG. Aus diesem Grund erübrigen sich auch weitere Überlegungen dazu, ob der Kläger im Unfallszeitpunkt in den Betrieb des Luftfahrtunternehmens der erstbeklagten Partei überhaupt eingegliedert war.

6.9 Direktklage gegen die zweitbeklagte Partei:

Wie eingangs ausgeführt wurde, sind die Bestimmungen des X. Teils des LFG (nur) insoweit nicht anzuwenden, als (ua) die Versicherungspflicht in der Verordnung (EG) Nr 785/2004 über Versicherungs-anforderungen an Luftfahrtunternehmen oder Luftfahrzeugbetreiber geregelt ist. Die erwähnte Verordnung enthält aber ebenso wenig wie das MÜ Regelungen zu der von der Versicherungspflicht und dem Deckungsumfang zu unterscheidenden Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Klage des geschädigten Fluggasts direkt gegen den Versicherer des Luftfahrtunternehmens gerichtet werden kann. Die Beantwortung dieser Frage richtet sich vielmehr nach dem kollisionsrechtlich zu ermittelnden nationalen Recht (für außervertragliche Schuldverhältnisse vgl Art 18 Rom II‑VO; dazu jüngst EuGH, Schlussantrag vom 20. 5. 2015 ‑ C‑240/14), hier also abermals nach österreichischem Recht. Damit bleibt aber § 166 LFG anwendbar, der dem Geschädigten „im Rahmen des betreffenden Versicherungsvertrags“ ein direktes Klagerecht gegen den Versicherer einräumt.

7. Ergebnis und Kosten:

Aus den dargelegten Erwägungen ist das Teilzwischenurteil der Vorinstanzen zu bestätigen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 393 Abs 4 ZPO iVm § 52 Abs 4 ZPO.

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