OGH 2Ob206/11z

OGH2Ob206/11z30.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** P*****, vertreten durch FRYSAK & FRYSAK Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. WIENER LINIEN GmbH & Co KG und 2. WIENER LINIEN GmbH, beide Erdbergstraße 202, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Ralph Mayer, Rechtsanwalt in Wien, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Parteien D***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 13.320 EUR sA und Feststellung (Streitinteresse 2.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. August 2011, GZ 1 R 93/11w‑15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 21. Februar 2011, GZ 41 Cg 65/10g‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin kam am 14. 12. 2009 als Fußgängerin in der Siebenbürgerstraße in Wien auf einer Eisplatte zu Sturz, wodurch sie einen Bruch der rechten Kniescheibe erlitt. Sie hatte beabsichtigt, in einen Bus der Linie 94A einzusteigen, der dort an einer Haltestelle stand. Die Klägerin war im Besitz einer Monatskarte, die sie bei einer Vorverkaufsstelle der erstbeklagten Partei erworben hatte. Die Linie 94A wird von der Nebenintervenientin betrieben. Dies zeigt sich an der Haltestellentafel und ist aus einem Aushang in der Haltestelle erkennbar, auf dem Firma, Anschrift, Telefonnummer und Internetadresse der Nebenintervenientin angeführt sind. Rechts unten findet sich auf diesem Aushang der Hinweis: „Fahrpreis, Beförderungsbedingungen und zusätzliches Beförderungsentgelt laut Tarifbestimmung der Wiener Linien.“

Die Klägerin begehrte den Ersatz ihres mit 13.320 EUR bezifferten Schadens sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für alle künftigen Schäden aus dem Unfall vom 14. 12. 2009. Sie brachte vor, im Haltestellenbereich sei nicht gestreut gewesen, weshalb sie zu Sturz gekommen sei. Die bei der erstbeklagten Partei erworbene Monatskarte habe sie zur Benützung der gegenständlichen Buslinie berechtigt. Die erstbeklagte Partei hafte daher aus dem mit ihr zustande gekommenen Beförderungsvertrag wegen der Verletzung vertraglicher Sorgfaltspflichten, die zweitbeklagte Partei hafte als Komplementärin der erstbeklagten Partei.

Die beklagten Parteien wandten ‑ soweit hier von Interesse ‑ ein, die Buslinie 94A werde nicht von ihr, sondern von der Nebenintervenientin betrieben, die auch die Konzessionsinhaberin nach Kraftfahrlinienrecht sei. Haltestellen und Busse seien deutlich als solche der Nebenintervenientin gekennzeichnet, sie würden sich auch nach ihrer farblichen Gestaltung von jenen der erstbeklagten Partei klar unterscheiden. Soweit die erstbeklagte Partei selbst Beförderungsleistungen erbringe, lägen diesen die Tarifbestimmungen und Beförderungsbedingungen der Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) zugrunde. In diesem Verkehrsverbund seien mehrere Verkehrsunternehmen zu einer Tarifgemeinschaft zusammengeschlossen, die Beförderungsleistungen erbringe aber nur jenes Verkehrsunternehmen, dessen sich der Kunde bediene. Tarifverbund bedeute, dass die verschiedenen Verkehrsunternehmen die Gültigkeit der VOR-Fahrscheine akzeptieren würden. Diese Fahrscheine könnten auch im Vorverkauf erworben werden, etwa bei den Vorverkaufsstellen der erstbeklagten Partei, aber auch bei den Fahrkartenschaltern der Österreichischen Bundesbahnen, der Wiener Lokalbahnen AG etc. Werde ein Fahrschein im Vorverkauf in einer Vorverkaufsstelle der erstbeklagten Partei erworben, so leiste die erstbeklagte Partei Gewähr dafür, dass dieser Fahrschein von den in Frage kommenden Verkehrsunternehmen des Verkehrsverbundes bei Inanspruchnahme von deren Verkehrsmitteln akzeptiert werde. Der Kauf eines VOR-Fahrscheins in einer Vorverkaufsstelle der erstbeklagten Partei bedeute nicht, dass mit dieser ein Beförderungsvertrag abgeschlossen werde. Es habe nur jenes Autobusunternehmen, das die entsprechende Kraftfahrlinie betreibe, dafür zu sorgen, dass ein gefahrloses Zu- und Aussteigen in bzw aus dem Autobus möglich sei. Diese Pflichten träfen im vorliegenden Fall die Nebenintervenientin, weshalb es den beklagten Parteien an der passiven Klagslegitimation fehle.

Die Nebenintervenientin trat den Ausführungen der beklagten Parteien im Wesentlichen bei, bestritt jedoch ebenso wie diese jegliches Verschulden am Sturz der Klägerin.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und verneinte die passive Klagslegitimation der beklagten Parteien. Daraus, dass die Nebenintervenientin die gleichen Tarifbestimmungen wie diese verwende, könne keinesfalls auf einen Beförderungsvertrag mit der erstbeklagten Partei geschlossen werden. Auch mit dem Kauf der Monatskarte sei ein solcher nicht zustande gekommen, weil die gleich wo gekauften Fahrscheine im Verkehrsverbund Ost-Region innerhalb der Zonen in allen Verkehrsmitteln akzeptiert werden müssten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Es erörterte rechtlich, ein Vertrag über die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel, wie etwa einem Bus oder einer Straßenbahn, komme ‑ unter der Voraussetzung der vorherigen oder nachträglichen Zahlung des Beförderungsentgelts ‑ mit dem Einsteigen in das Verkehrsmittel zustande. Werde eine Fahrkarte für ein öffentliches Verkehrsmittel im Vorverkauf, also noch vor der Inanspruchnahme der Beförderungsleistung gekauft, so werde damit mangels der Bestimmtheit und Bestimmbarkeit einer konkreten Beförderungsleistung (§ 869 ABGB) noch kein Beförderungsvertrag abgeschlossen. Gegenstand eines solchen Kaufvertrags sei lediglich der Erwerb der Fahrkarte als Bestätigung der im Voraus geleisteten Zahlung des Beförderungsentgelts. Mit dem Kauf der Monatskarte habe die Klägerin daher noch keinen Beförderungsvertrag abgeschlossen.

Unstrittig handle es sich beim Verkehrsverbund Ost-Region um den Zusammenschluss verschiedener Verkehrsunternehmen zu einer Tarifgemeinschaft. Deren Wesen bestehe darin, dass die ihr angehörenden Verkehrsunternehmen die bei einem von ihnen gekauften Fahrkarten als Nachweis der bereits erfolgten tarifmäßigen Entgeltzahlung für die vom Fahrgast bei ihnen in Anspruch genommene Beförderungsleistung ansehen und gegenseitig akzeptieren würden. Werde daher eine Fahrkarte bei einem Mitgliedsunternehmen der Tarifgemeinschaft im Vorverkauf erworben, stehe mit dem Erwerb noch nicht fest, welches der Mitgliedsunternehmen der Vertragspartner eines künftigen Beförderungsvertrags sein werde. Der Erwerber dürfe redlicherweise nicht darauf vertrauen, allein mit dem verkaufenden Mitgliedsunternehmen künftige Beförderungsverträge abzuschließen. Gerade wegen der gegenseitigen Akzeptanz gelöster Fahrkarten dürfe er den Erwerb der Vorverkaufsfahrkarte als redlicher Erklärungsempfänger nicht dahin verstehen, dass sich das ihm die Fahrkarte verkaufende Verkehrsunternehmen selbst zur Durchführung von Beförderungsleistungen außerhalb der von ihm betriebenen Verkehrsmittel und Verkehrslinien verpflichten wolle. Die Klägerin habe daher auch nicht vom Abschluss eines Beförderungsvertrags mit der erstbeklagten Partei über eine Beförderung auf der unstrittig nicht von ihr betriebenen Buslinie 94A ausgehen dürfen. Sie könne sich gegenüber den beklagten Parteien weder auf einen Beförderungsvertrag noch auf ein vorvertragliches Schuldverhältnis berufen.

Der von der Klägerin ins Treffen geführte Sachverhalt der Entscheidung 4 Ob 251/06z sei mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, zumal dort kein Vertrag über die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel, sondern ein Vertrag über die Schipisten- und Liftbenützung zu beurteilen gewesen sei. Dieser sei mit dem Kauf der Liftkarte überdies inhaltlich ausreichend bestimmt gewesen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage bestehe, ob ‑ gegebenenfalls mit welchem Verkehrsunternehmen und mit welcher Reichweite ‑ durch den Erwerb einer Monatsfahrkarte im Vorverkauf im Falle mehrerer zu einer Tarifgemeinschaft zusammengeschlossenen Verkehrsunternehmen ein Beförderungsvertrag entstehe.

Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben.

Die beklagten Parteien und die Nebenintervenientin beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist auch berechtigt.

Die Klägerin macht geltend, die in der Entscheidung 4 Ob 251/06z vertretenen Grundsätze seien auch im vorliegenden Fall heranzuziehen. Demnach sei davon auszugehen, dass durch den Erwerb der Monatskarte ein Beförderungsvertrag mit der erstbeklagten Partei zustande gekommen sei. Die Klägerin habe die Berechtigung erworben, in einem bestimmten örtlichen Bereich öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Die erstbeklagte Partei habe nicht darauf hingewiesen, dass sie die Monatskarte nicht nur im eigenen Namen, sondern auch im Namen anderer zur Tarifgemeinschaft gehörender Unternehmen verkaufe. Von einem durchschnittlichen Kunden könne nicht erwartet werden, dass er die Zusammenhänge in einer solchen Tarifgemeinschaft erkennt. So wäre es etwa durchaus denkbar gewesen, dass die Buslinie tatsächlich von der erstbeklagten Partei betrieben werde und diese sich der Nebenintervenientin bloß als Subunternehmerin bediene. Für die Klägerin sei somit keineswegs eindeutig erkennbar gewesen, dass die Buslinie 94A von der Nebenintervenientin betrieben werde.

Hierzu wurde erwogen:

1. Beförderungsvertrag ‑ Nebenpflichten:

Beförderungsverträge sind ihrer Rechtsnatur nach Werkverträge iSd §§ 1165 ff ABGB (SZ 31/129; SZ 34/50; Krejci in Rummel, ABGB³ § 1165 Rz 26; Rebhahn in Schwimann, ABGB³ V § 1165 Rz 20). Nach ständiger Rechtsprechung entsteht mit dem Abschluss von Beförderungsverträgen die vertragliche Nebenpflicht der Verkehrsunternehmen, die Sicherheit ihrer Fahrgäste zu gewährleisten und deren körperliches Wohlbefinden nicht zu verletzen. Zu dieser Pflicht gehört es, die Zu- bzw Abgänge zu bzw von den Verkehrsmitteln in einem Zustand zu erhalten, der das gefahrlose Ein- und Aussteigen der Fahrgäste gewährleistet. Dies gilt insbesondere für jene Teile einer Straße, von denen aus die Fahrgäste die Verkehrsmittel betreten bzw auf die sie beim Aussteigen gelangen. Aus der die Verkehrsunternehmen treffenden Verkehrssicherungspflicht resultiert somit auch die Aufgabe, bei Auftreten von Glatteis im Bereich von Haltestellen entsprechende Maßnahmen zur Beseitigung der daraus für die Fahrgäste erwachsenden Gefahren zu treffen. Diese Verpflichtung tritt nicht an die Stelle, sondern neben die Verpflichtung des Anliegers bzw des Wegehalters, den im Bereich der Haltestelle befindlichen Gehsteig bzw Weg bei winterlicher Glätte zu streuen. Dabei gilt der bei allgemeiner Verkehrssicherheit geltende Grundsatz, dass der Verkehrssicherungspflichtige nicht dadurch von seiner Pflicht befreit wird, dass ein anderer die Gefahr verursacht. Sind mehrere Verpflichtete nebeneinander verhalten, darf sich keiner auf die Einhaltung der Verpflichtung durch den anderen verlassen, weil dann oftmals keiner rechtzeitig tätig wird (2 Ob 32/92; 2 Ob 35/97d; vgl auch 5 Ob 145/07w; 2 Ob 139/08t; 1 Ob 62/10i; RIS-Justiz RS0021735, RS0023578).

2. Zustandekommen eines Beförderungsvertrags:

2.1 Bei öffentlichen Verkehrsmitteln wird allgemein davon ausgegangen, dass der Beförderungsvertrag „schon“ mit dem Einsteigen in das Verkehrsmittel zustande kommt (SZ 25/306; ZVR 1970/133; RIS-Justiz RS0038050, RS0023575; vgl die eingehende Untersuchung von Stefula, Zivilrechtliche Fragen des Schwarzfahrens, ÖJZ 2002/14, 826 [829 ff], mit einem Überblick über die hM in Österreich und Deutschland sowie einer eigenen differenzierenden Lösung). All diesen Fällen liegt jedoch das Tatbestandselement zugrunde, dass der Fahrgast beim Einsteigen noch nicht im Besitz eines gültigen Fahrausweises ist.

2.2 Anders ist die Rechtslage, wenn sich der Fahrgast beim Einsteigen in das Verkehrsmittel bereits im Besitz eines gültigen Fahrausweises befindet, weil er ihn im Vorverkauf erworben hat. In diesen Fällen kommt der Beförderungsvertrag grundsätzlich bereits mit dem Erwerb des Fahrausweises zustande (vgl Stefula aaO 831).

Nach Ansicht des erwähnten Autors gäben die Fahrgäste mit dem Einsteigen in das Verkehrsmittel keine Willenserklärung mehr ab, die auf den Abschluss eines Beförderungsvertrags gerichtet wäre. Vielmehr erfolge das Einsteigen schon im Rahmen des Erfüllungsstadiums eines zuvor geschlossenen Vertrags. Die Fahrgäste nähmen daher durch das Einsteigen bloß ihr aus dem zuvor geschlossenen Vertrag erfließendes Recht auf Beförderung tatsächlich in Anspruch; sie riefen ihren Anspruch quasi ab. Laute die bereits vor Fahrtantritt gelöste Fahrkarte nicht auf eine bestimmte Strecke oder Zeit, stelle das Einsteigen jedoch zusätzlich einen besonderen Akt der Konkretisierung des Schuldverhältnisses im Sinn eines Gläubigerwahlrechts nach § 906 ABGB dar (Stefula aaO 831; so bereits Rummel in Rummel, ABGB³ § 861 Rz 8; vgl auch Pohar, Handy-SMS, OnlineTicket und Chipkarte als Fahrschein ‑ neue Wege zum Personenbeförderungsvertrag, NZV 2003, 257 [261]).

Der erkennende Senat schließt sich den überzeugenden Argumenten Stefulas an, die jedenfalls für den Erwerb von Zeitkarten (Monatskarte, Jahreskarte) zu gelten haben. Bereits in der über eine Verbandsklage ergangenen Entscheidung 2 Ob 190/01g wurde die dort vertretene Rechtsansicht der hier erstbeklagten Partei abgelehnt, beim Erwerb einer Jahreskarte handle es sich um keinen Beförderungs- sondern lediglich um einen Rahmenvertrag.

2.3 Der Begründung eines Beförderungsvertrags durch den Erwerb einer Zeitkarte steht auch deren allfällige Übertragbarkeit nicht entgegen. Bringt doch der Aussteller einer nicht auf den Namen eines bestimmten Gläubigers lautenden Zeitkarte mit deren Begebung regelmäßig seinen Willen zum Ausdruck, die Leistung an jeden berechtigten Inhaber der Urkunde erbringen zu wollen (vgl Habersack in MünchKomm BGB5 V § 807 Rn 8 f und Rn 11 [Fahrkarte als „kleines Inhaberpapier“]). Auch im Hinblick auf die Person des Berechtigten wird das bereits bestehende Schuldverhältnis erst durch die Inanspruchnahme eines bestimmten Verkehrsmittels konkretisiert.

2.4 Aus den dargelegten Erwägungen ist somit der Rechtsansicht der Vorinstanzen zu widersprechen, wonach mit dem Erwerb einer Monatskarte noch kein Beförderungsvertrag begründet worden sei.

3. Vertragspartner:

3.1 Die beklagten Parteien beriefen sich darauf, dass die erstbeklagte Partei lediglich eines von mehreren im Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) zu einem Tarifverbund zusammengeschlossenen Verkehrsunternehmen sei, von denen jedes eigene Beförderungsleistungen erbringe. Zu dem Verkehrsverbund gehöre auch die Nebenintervenientin. Diese Behauptungen sind unstrittig. Ebenso ist unstrittig, dass die Klägerin mit der von ihr erworbenen Monatskarte alle öffentlichen Verkehrsmittel in der sogenannten Kernzone (100) benützen durfte. Das Erstgericht hat überdies festgestellt, dass die Linie 94A von der Nebenintervenientin betrieben werde und dass dies anhand der Gestaltung der Haltestelle und eines Aushangs an der Haltestelle erkennbar sei.

Dies beruht auf folgender Gesetzeslage:

3.1.1 Das Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs (ÖPNRV-G) 1999, BGBl I 1999/204, regelt ua Struktur und Aufgaben von Verkehrsverbünden. Gemäß § 4 leg cit handelt es sich dabei um Kooperationsformen von Verkehrsunternehmen zur Optimierung des Gesamtangebots des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs im Interesse der Sicherstellung der Benutzung unterschiedlicher öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund eines Gemeinschaftstarifs. Nähere Regelungen enthalten die §§ 14 bis 19 leg cit. Zu den in § 15 leg cit umschriebenen Zielsetzungen der Verkehrsverbünde zählen eine bundesweit einheitliche Tarifierungssystematik (Z 2) sowie die Kompatibilität im Bereich der Abfertigungssysteme und Fahrkartengattungen (Z 3). Auch soll die Möglichkeit der Benützung der Verkehrsmittel mit Verkehrsverbundfahrausweisen möglich sein (Z 4 iVm § 31 Z 7).

3.1.2 Grundlage für die gewerblichen Aspekte des Personennahverkehrs mit Kraftfahrlinien ist das Kraftfahrliniengesetz (KflG), BGBl I 1999/203, das in seinen §§ 22 bis 38 auch Bestimmungen über den Betrieb von Kraftfahrlinien enthält. § 34 Abs 2 KflG regelt die Haltestellenzeichen. Abs 2 dieser Bestimmung legt fest, dass neben der Haltestellenbezeichnung außer der Bezeichnung des Berechtigungsinhabers auch eine Haltestellennummer und zusätzliche Hinweise auf Verbünde, deren Zonen sowie auf die Bedienung durch Rufbusse oder Anrufsammeltaxis angebracht werden können. Haltestellen und die diese anzeigenden Haltestellenzeichen dienen in erster Linie der fahrplanmäßigen Abwicklung des Kraftfahrlinienverkehrs (Stock, Haltestellenrecht, ZVR 2007/163, 283 [285]).

3.2 Die Frage, mit wem der Beförderungsvertrag zustande kam, ist nach allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen zu lösen. Die Klägerin hat die Monatskarte bei einer Vorverkaufsstelle der erstbeklagten Partei, also einem Mitglied des Verkehrsverbunds Ost-Region, gekauft. Nach den Umständen war für die Klägerin daher ohne Weiteres erkennbar, dass die mit ihr das Rechtsgeschäft abwickelnde Person ‑ jedenfalls auch ‑ im Namen der erstbeklagten Partei tätig wurde. Ob sie auch von einem Tätigwerden für andere Verkehrsunternehmen ausgehen musste, kann hier dahingestellt bleiben. Es muss insbesondere nicht erörtert werden, ob auch mit der Nebenintervenientin ein Vertragsverhältnis begründet wurde. Ebenso erübrigt sich eine nähere Auseinandersetzung mit den Grundsätzen der Entscheidung 4 Ob 251/06z („Kartenverbund“ zweier Liftgesellschaften).

4. Ergebnis:

Die Vorinstanzen haben die passive Klagslegitimation der beklagten Parteien zu Unrecht verneint. Ihre auf die Erörterung dieser Rechtsfrage beschränkten Entscheidungen sind daher aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren werden die Ansprüche der Klägerin dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen sein.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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