OGH 15Os64/13w

OGH15Os64/13w26.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bitsakos als Schriftführer in der Strafsache gegen Jozef E***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 13. März 2013, GZ 601 Hv 2/12y-150, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Jozef E***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (A./) und des Vergehens der Störung der Totenruhe nach § 190 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

A./ am 30. März 2012 Milenko M***** vorsätzlich getötet, indem er ihm mit einem Vorschlaghammer drei Schläge gegen den Hinterkopf versetzte, wodurch dieser ein Schädel-Hirn-Trauma sowie einen Trümmerbruch des Schädeldaches und der Schädelbasis erlitt und kurze Zeit später infolge Atem- und Hirnlähmung verstarb;

B./ am oder nach dem 30. März 2012 dadurch, dass er die Leiche des Milenko M***** zerstückelte, indem er ihr die Beine auf Höhe der Oberschenkel abtrennte, einen Leichnam misshandelt.

Die Geschworenen hatten die anklagekonform nach dem Verbrechen des Mordes (§ 75 StGB) und dem Vergehen der Störung der Totenruhe (§ 190 Abs 1 StGB) gestellten Hauptfragen stimmeneinhellig bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf Z 5, 10a und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 5) wurde der Angeklagte durch die Abweisung seiner - im Übrigen nicht durch die gebotene Angabe der Aktenfundstellen (RIS-Justiz RS0124172) bezeichneten - Beweisanträge in seinen Verteidigungsrechten nicht verletzt:

Der Angeklagte beantragte in der Hauptverhandlung die Beischaffung des Polizeiakts zu einem während seiner Untersuchungshaft in diesem Verfahren in seiner Wohnung von unbekannten Tätern verübten Einbruchsdiebstahl und den Vergleich der dort gesicherten Spuren mit den DNA-Ergebnissen aus diesem Verfahren, weil der Verdacht bestünde, dass dieser von den tatsächlichen Mördern M*****s zur Beseitigung von Tatspuren verübt worden war (ON 149 S 33 f). Dieser Beweisantrag zielte jedoch darauf ab, abzuklären, ob von bestimmten Beweisen eine weitere Aufklärung zu erwarten ist, und lief damit auf eine im Hauptverfahren unzulässige Erkundungs-beweisführung hinaus (RIS-Justiz RS0118123).

Weiters stellte der Rechtsmittelwerber in der Hauptverhandlung den Antrag auf Einholung eines psychiatrischen oder psychologischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass seine Verantwortung, am 30. März 2012 Opfer eines von einem Unbekannten gegen ihn verübten Überfalls geworden zu sein, schlüssig und glaubhaft sei und er als Folge des Angriffs an einer posttraumatischen Belastungsreaktion leide, weshalb er erst in der Hauptverhandlung in der Lage gewesen wäre, über den Verlauf dieses Tages zu sprechen (ON 131 S 92, ON 149 S 34).

Dem ist zu entgegnen, dass die Frage der Glaubwürdigkeit und Schlüssigkeit einer Aussage Gegenstand der allein dem erkennenden Gericht - hier den Geschworenen - zukommenden Beweiswürdigung ist und die Beurteilung durch einen Sachverständigen nur in - hier nicht relevanten - Sonderfällen in Betracht kommt (vgl RIS-Justiz RS0098297, RS0120634, RS0097733).

Der Beweisantrag legt auch nicht dar, weshalb der Umstand, dass der Angeklagte Angaben „über den Verlauf dieses Tages“ und zur Ursache seiner Verletzungen erst in der Hauptverhandlung machen konnte, für die Beurteilung der Täterschaft relevant sein könnte (RIS-Justiz RS0118319). Das zur Fundierung des Antrags in der Rechtsmittelschrift nachgetragene Vorbringen ist prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099117, RS0099618).

Der Antrag auf Einholung eines zweiten Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass die am Rücken des Beschwerdeführers befindliche - angeblich bei erwähntem Überfall am 30. März 2012 erlittene - Wunde nicht genäht wurde und die Narbe nicht älter als ein Jahr ist (ON 149 S 36), zeigt keinen Mangel von Befund und Gutachten auf, sondern begehrt nur die Überprüfung des eindeutigen, durch ergänzende Befragung des Sachverständigen Dr. D***** erzielten Ergebnisses, wonach man aufgrund des Narbenbildes nicht ausschließen kann, dass die Verletzung ein Jahr alt ist, sie das typische Bild von (für eine ärztliche Versorgung sprechenden) Nahtstichspuren aufweist und die Zufügung durch eine schwungvolle Stich- oder Schnittverletzung auszuschließen ist (ON 149 S 26 ff). Das Verlangen des Rechtsmittelwerbers zielt somit neuerlich bloß auf unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351).

Schließlich bezieht sich die Verfahrensrüge auf den in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Vernehmung der Mutter des Angeklagten als Zeugin zum Beweis dafür, dass sie die frische Wunde versorgt habe (ON 149 S 37). Diesem Vorbringen ist jedoch nicht zu entnehmen, inwiefern die Beweisaufnahme für die Schuld- oder Subsumtionsfrage von Bedeutung sein könnte (§ 55 Abs 1 und Abs 2 StPO; RIS-Justiz RS0118444).

Die in diesem Zusammenhang in der Nichtigkeitsbeschwerde nachgetragenen Argumente haben aufgrund des Neuerungsverbots außer Betracht zu bleiben (RIS-Justiz RS0099117; RS0099618).

Mit Blick auf die unter Bezugnahme auf drei Entscheidungen des EGMR (jeweils vom 10. Jänner 2013, Oulahcene gegen Frankreich, Nr 44446/10, Agnelet gegen Frankreich, Nr 61198/08 = NL 2013, 20, und Fraumens gegen Frankreich, Nr 30010/10) ohne schlüssige Argumentation und ohne Nennung betroffener Gesetzesbestimmungen behauptete Verfassungswidrigkeit der in der Strafprozessordnung nicht normierten Begründungspflicht für Geschworenenurteile sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst, einen Antrag gemäß Art 89 Abs 2 zweiter Satz B-VG beim Verfassungsgerichtshof zu stellen, zumal ein - und auch der gegenständliche - Wahrspruch alle jene wesentlichen Sachverhaltselemente, die zur Subsumtion erforderlich sind, enthält und das Urteil demnach in diesem Sinn durchaus als begründet anzusehen ist. Die genannten Entscheidungen des EGMR bemängeln demgegenüber das gänzliche Fehlen einer Begründung der sachverhaltsmäßig nicht hinreichend konkretisierten französischen Urteile und bieten demgemäß keine Vergleichsgrundlage (vgl 15 Os 162/10b; 12 Os 48/11t = EvBl 2011/121, 830; RIS-Justiz RS0053697). Im Übrigen lässt der Beschwerdeführer zwei Entscheidungen des EGMR, ebenfalls vom 10. Jänner 2013 (Legillon gegen Frankreich, Nr 53406/10, und Voica gegen Frankreich, Nr 60995/09) unberücksichtigt, in welchen der Gerichtshof betreffend die fehlende Begründung eines Geschworenengerichtsurteils jeweils keine Verletzung von Art 6 Abs 1 MRK feststellte und aussprach, dass die Angeklagten aufgrund der spezifischen an die Geschworenen gestellten Fragen durchaus in der Lage waren, den Schuldspruch zu verstehen. Keinesfalls stellen die vom Rechtsmittelwerber zitierten Entscheidungen die grundsätzliche Vereinbarkeit eines begründungslosen Wahrspruchs mit den Anforderungen des Art 6 Abs 1 MRK in Frage (vgl auch Lewisch, Geschworenengerichtsbarkeit und faires Verfahren, JBl 2012, 501).

Gegenstand der Tatsachenrüge (Z 10a) sind Feststellungen, angesichts derer - gemessen an allgemeinen Erfahrungs- und Vernunftsätzen - eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert naheliegt, die somit geradezu unerträglich sind. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht (RIS-Justiz RS0119583).

Die Ausführungen des Beschwerdeführers zum aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. D***** abgeleiteten frühesten - mit 30. März 2012, 22:00 Uhr, berechneten - Zeitpunkt der Verstümmelung der Leiche des Opfers einerseits und zu seinem - bereits ab dem 30. März 2012, 16:31 Uhr belegten - Auslandsaufenthalt andererseits erweisen sich als nicht zielführend, weil sie den Umstand vernachlässigen, dass die Geschworenen von einer Tatbegehung im Sinn des § 190 Abs 1 StGB erst zwischen der Wiedereinreise des Rechtsmittelwerbers nach Österreich und dessen Kontakt mit der Polizei am 3. April 2012 ausgingen (ON 149 Beilage ./E). Der Hinweis auf die Beschäftigung des Angeklagten nach dessen Rückkehr aus Serbien und die weiteren Erwägungen zum Beweiswert von DNA-Spuren sowie der Angaben der Zeugin Zagorka D*****, zum Ankauf einer Säge und einer Plane sowie zu lückenhaften Erhebungen betreffend eine Zeitspanne von dreieinhalb Stunden laufen insgesamt bloß auf den Versuch hinaus, die von den Geschworenen bejahten Annahmen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung in Frage zu stellen, vermögen über keine erheblichen Bedenken zu erwecken.

Die Punkt B./ des Schuldspruchs betreffende Rechtsrüge (Z 12, inhaltlich Z 11 lit a) unterlässt eine methodengerechte Ableitung, weshalb die Misshandlung der Leiche des M***** durch Abtrennung der Oberschenkel lediglich als straflose Nachtat anzusehen wäre (vgl Leukauf/Steininger, Komm3 § 190 Rz 12) und weshalb die Annahme des Vergehens der Störung der Totenruhe nach § 190 Abs 1 StGB die Vorsatzform der Absichtlichkeit (§ 5 Abs 2 StGB) erfordern sollte (vgl Leukauf/Steininger, Komm³ § 190 Rz 15). Sie verfehlt somit eine prozessordnungskonforme Darstellung (RIS-Justiz RS0116565).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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