OGH 11Os39/13i

OGH11Os39/13i19.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. März 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Pausa als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Alfred B***** wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 16. Oktober 2012, GZ 36 Hv 1/12k-34, sowie dessen Beschwerde gegen den gemeinsam mit dem Urteil gemäß § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO gefassten Beschluss nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alfred B***** des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 30. April 2011 in Salzburg außer den Fällen des § 201 StGB Bozena M***** mit Gewalt, nämlich durch heftiges Packen und Festhalten an den Hüften, zur Duldung geschlechtlicher Handlungen, nämlich des Reibens seines (entblößten) Gliedes an ihrem Körper genötigt, wobei er seine Hüften beischlafsähnlich gegen ihren Körper bewegte (US 3 f).

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, „dass ein Onanieren während des Laufens medizinisch ausgeschlossen ist, es sei denn, man nehme Viagra, was der Angeklagte nachweislich nicht genommen hat“, Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers schon deshalb nicht beeinträchtigt, weil das angestrebte Beweisziel, obwohl für den Antragserfolg erforderlich, nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände abzielte (RIS-Justiz RS0118444; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327).

Auf die erst im Rechtsmittel zur Antragsfundierung nachgetragene Begründung kann im Hinblick auf das aus dem Wesen dieses Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot nicht eingegangen werden (RIS-Justiz RS0099117).

Die Mängelrüge (nominell Z 5 vierter Fall) kritisiert, dass die Tatrichter den Angaben der Zeugin Bozena M***** folgten (vgl US 4 f), und bezeichnet deshalb die Feststellungen zur Anwendung von Gewalt (vgl US 3 f) als unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall). Dazu erhebt sie den Vorwurf, dass die molekulargenetische Untersuchung der (bei der Tat von Bozena M***** getragenen) Strickjacke keine DNA-Spuren des Angeklagten „zu Tage brachte“ und der Schöffensenat nicht darlegte, wie er darüber hinweg gekommen ist. Indem der Beschwerdeführer aber die von den Tatrichtern auch berücksichtigten weiteren Ausführungen des spurenkundlichen Gutachtens zu einer anderen, mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Angeklagten mitverursachten Spur außer Acht lässt (US 6), zeigt sie keinen Begründungsmangel auf. Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann zwar unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Dafür aber müssen die die Aufrichtigkeit von Zeugen angeblich ernsthaft in Frage stellenden, gleichwohl unerörtert gebliebenen Tatumstände deutlich und bestimmt bezeichnet werden; dies gelingt dem Beschwerdeführer gegenständlich nicht (RIS-Justiz RS0119422). Mit dem erwähnten Gutachten der Gerichtsmedizin hat sich der Schöffensenat im Übrigen auseinandergesetzt und dieses auch im Rahmen der tatrichterlichen Beweiswürdigung bewertet (US 6). Die Würdigung des herangezogenen Beweismaterials als solche kann kein Gegenstand der Mängelrüge sein (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421).

Soweit auch die Tatsachenrüge (Z 5a) die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin in Zweifel zieht, dabei aber ebenso bloße Teilaspekte der molekulargenetischen Untersuchung berücksichtigt, gelingt es ihr nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken (RIS-Justiz RS0118780, RS0119583).

Die im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) vorgebrachte Argumentation leitet nicht aus dem Gesetz ab, weshalb es für die Tatbestandsmäßigkeit nach § 202 Abs 1 StGB entscheidend sein sollte, dass die körperliche Einwirkung dem Opfer Schmerzen bereitet oder aus welchem Grund sie so intensiv sein müsste, dass sie dem Opfer den Widerstand unmöglich macht (RIS-Justiz RS0116565). Der Verweis auf eine im wissenschaftlichen Schrifttum zu § 105 StGB veröffentlichte Stelle (Schwaighofer in WK2 § 105 Rz 35 [gemeint: 36]) übersieht, dass sich diese ihrerseits auf eine bloße, demnach einer meritorischen Erwiderung nicht zugängliche Rechtsbehauptung beschränkt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 590).

Der weiteren Beschwerde ist voranzustellen, dass die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung hat (RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584, 588).

Mit der auf eigene Beweiswerterwägungen gestützten urteilsfremden Behauptung der Rechtsrüge, der Akteninhalt indiziere, dass die Zeugin nicht festgehalten worden sei (vgl demgegenüber US 3 f), wird kein durch Festellungen ungeklärt gebliebener Umstand aufgezeigt, sondern unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung bekämpft.

Der weitere Einwand, die Verrichtung der Notdurft falle nicht unter den Begriff der geschlechtlichen Handlung, weshalb der Angeklagte freizusprechen sei, verkennt, dass insofern auch kein Schuldspruch gefällt wurde.

Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass der Gesetzeswortlaut des § 202 Abs 1 StGB auch Konstellationen wie die vorliegende erfasst, bei denen das Opfer (durch Gewalt oder gefährliche Drohung) gezwungenermaßen in vom Täter an sich selbst vorgenommene geschlechtliche Handlungen einbezogen wird (vgl RIS-Justiz RS0095810).

Klargestellt sei auch, dass unter Gewalt im Sinn des § 202 Abs 1 StGB die Anwendung jeder nach Lage des Falles überlegenen und zur Beugung bzw Beseitigung eines tatsächlichen oder etwa zu erwartenden Widerstandswillens des Opfers geeigneten physischen Kraft zu verstehen ist (wobei das bloße Festhalten einer Person, wie hier, genügt; vgl RIS-Justiz RS0095776; Philipp in WK2 StGB § 202 Rz 6; Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 §§ 201-202 Rz 12).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizit erhobene) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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