OGH 9ObA127/12k

OGH9ObA127/12k21.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Paul Kunsky und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Y***** D*****, vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch Kunz, Schima, Wallentin, Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 69.804,42 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 19. Juni 2012, GZ 8 Ra 113/11p‑18, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 18. März 2011, GZ 11 Cga 139/10f‑14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.052 EUR (darin enthalten 342 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten (bzw deren Rechtsvorgängerin) ab 28. 8. 2006 im Verschub beschäftigt. Sein Dienstverhältnis unterliegt der Dienst‑ und Besoldungsordnung für die Bediensteten Österreichischer Privatbahnen (DBO). § 39 DBO lautet:

„§ 39 Entlassung

(1) Abgesehen von den im Abs 2 angeführten Tatbeständen kann ein Bediensteter nur entlassen werden, wenn im Rahmen eines Disziplinarverfahrens die verhängte Disziplinarstrafe auf 'Entlassung' lautet.

(2) Ohne Disziplinarverfahren, nach bloßer Feststellung des Sachverhaltes, kann aus wichtigem Grund die fristlose Entlassung ausgesprochen werden:

...

d) wenn der Bedienstete sich beharrlich weigert, seine Dienstverrichtungen ordnungsgemäß zu versehen oder wiederholt sich den dienstlichen Anordnungen seiner Vorgesetzten widersetzt,

...

f) wenn der Bedienstete unfähig wird, die versprochenen oder die nach den Umständen angemessenen Dienste (analog § 6 AngG) zu leisten, sofern der Bedienstete an seiner Dienstverrichtung infolge Krankheit oder Unfall mehr als ein Jahr verhindert war. Bei der Berechnung der Dauer dieser Dienstverhinderung ist für den Fall, dass innerhalb von sechs Monaten nach einem eventuellen Wiederantritt des Dienstes abermals eine Dienstverhinderung durch dieselbe Krankheit oder denselben Unfall eintritt, zu berücksichtigen, dass dies als Fortsetzung der früheren Dienstverhinderung angesehen wird.

(3) Das Dienstverhältnis des Bediensteten gilt mit dem Tag, an dem die Entlassung ausgesprochen wurde, als aufgelöst.

(4) Die Entgelte des Bediensteten werden mit dem Tag der Auflösung des Dienstverhältnisses eingestellt. Der entlassene Bedienstete verliert gleichzeitig auch alle sonstigen aus dem Dienstverhältnis entspringenden Rechte und Begünstigungen für sich und seine Familienangehörigen.

(5) Das Recht sich an die Personalvertretung zu wenden, bleibt dem betroffenen Bediensteten unbenommen.“

Der Kläger leidet an fistulierendem Morbus Crohn, einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, die von Durchfällen, Bauchschmerzen und Fieber begleitet ist und beim Kläger einen besonders schweren Verlauf hat. Immer wieder führt die Erkrankung bei ihm zu perianalen Fisteln und Abszessen, die operativ behandelt werden müssen. Der Kläger muss Immunsuppressiva einnehmen und sich seit etwa zwei Jahren einer TNF‑Antikörpertherapie unterziehen. Immer wieder kommt es vor, dass sich Abszesse in den Schweißdrüsen unter den Achseln bilden, die operativ ausgeräumt werden müssen, damit die notwendige Therapie fortgesetzt werden kann.

Mit Bescheid des Bundessozialamts, Landesstelle Burgenland, vom 9. 5. 2008 wurde festgestellt, dass der Kläger ab 5. 2. 2008 dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört und der Grad der Behinderung aufgrund des fistulierenden Morbus Crohn 50 % beträgt. Wegen dieser Erkrankung war der Kläger während seines Dienstverhältnisses 637 Tage im Krankenstand, zuletzt von 5. 9. 2009 bis 14. 9. 2009, 21. 10. 2009 bis 30. 11. 2009 und 20. 12. 2009 bis 9. 11. 2010. Aufgrund seiner Erkrankung ist er nicht mehr in der Lage, seine bisher bei der Beklagten ausgeübte Tätigkeit im Verschub weiter zu verrichten.

Mit Schreiben vom 9. 11. 2010, dem Kläger zugestellt am 10. 11. 2010, sprach die Beklagte die Entlassung des Klägers wegen (unverschuldeter) dauernder Dienstunfähigkeit aus.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass sein Dienstverhältnis mit der Beklagten auch nach dem 10. 11. 2010 weiterhin unbefristet aufrecht sei. Als begünstigter Behinderter unterliege er den besonderen Kündigungsschutzbestimmungen des Behinderten-einstellungsgesetzes (BEinstG). Der Entlassungsgrund des § 39 Abs 2 lit f DBO sei wortident mit § 8 Abs 4 lit b BEinstG. Seit der Novelle des BEinstG, BGBl I 1999/17, seien in § 8 Abs 4 BEinstG bestimmte Entlassungsgründe, ua auch die dauernde Dienstunfähigkeit, als Gründe für die Zustimmung des Behindertenausschusses zu einer vom Dienstgeber beabsichtigten Kündigung demonstrativ angeführt. Durch diese Sonderbestimmung werde dem allgemeinen Entlassungsrecht, insoweit dieses eine dauernde Dienstunfähigkeit als Entlassungsgrund normiere, derogiert. Es entspreche dem Schutzzweck des BEinstG, dass es nicht der freien Wahl eines Dienstgebers überlassen bleiben könne, ob er einen begünstigten Behinderten bei Eintritt einer dauernden Dienstunfähigkeit frei von jeglichen Erfordernissen einer verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Zustimmung entlasse oder ihn unter Einhaltung der Schutzbestimmungen des § 8 BEinstG kündige. Die Entlassung der Beklagten sei daher wegen Umgehung des Kündigungsschutzes nach § 8 BEinstG unwirksam. Der Kläger sei auch nicht dauernd dienstunfähig, sondern es sei in absehbarer Zeit mit einer Verbesserung seines gesundheitlichen Zustands zu rechnen. Er könne bei der Beklagten auch andere Tätigkeiten, etwa Innendiensttätigkeiten, verrichten. Die Beklagte hätte ihm im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht ihm zumutbare Schulungen anbieten müssen.

Die Beklagte bestritt und wendete ein, dass die Entlassung berechtigt erfolgt sei, weil die Unfähigkeit des Klägers zur Leistung der bedungenen Dienste als Verschieber als dauernd zu beurteilen sei. Der Kläger sei in keinem Bereich mehr arbeitsfähig. Ein wirtschaftlicher und sinnvoller Einsatz des Klägers im Innendienst sei ihr nicht möglich. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers werde dem Dienstgeber auch nach der Novelle des BEinstG, BGBl I 1999/17, neben der zustimmungspflichtigen Kündigung die Möglichkeit der Entlassung eingeräumt. Dabei handle es sich nicht einfach um ein willkürliches Wahlrecht, sondern es bleibe dem Dienstgeber überlassen, ob er die aufwendigere, aber risikoärmere zustimmungspflichtige Kündigung oder die risikoreichere Beendigungsvariante der Entlassung wähle. Auch der Oberste Gerichtshof sei nach der Novellierung des § 8 Abs 4 BEinstG im Jahr 1999 bisher jenem Teil der Lehre gefolgt, der die gerechtfertigte Entlassung eines begünstigten Behinderten ohne Zustimmung der zuständigen Verwaltungsbehörde als zulässig erachte. Die Regelung des § 39 Abs 1 lit f DBO gehe im Übrigen über den in § 8 BEinstG normierten Kündigungsgrund insoweit hinaus, als dort nicht nur die Dienstunfähigkeit, sondern eine mehr als einjährige Verhinderung an der Dienstverrichtung gefordert werde. Auch aus diesem Grund könne nicht von einer Umgehung des in § 8 BEinstG normierten Kündigungsschutzes ausgegangen werden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat zusammengefasst die Ansicht, dass die in § 8 Abs 4 lit b BEinstG als Kündigungsgrund ausgestaltete Dienstunfähigkeit eines begünstigten Behinderten jedenfalls dann nicht zur Begründung einer Entlassung herangezogen werden könne, wenn ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ die dauernde Dienstunfähigkeit auf die Behinderung zurückzuführen sei, aufgrund derer der Dienstnehmer als begünstigter Behinderter den besonderen Schutz des BEinstG genieße. Ein freies Wahlrecht des Dienstgebers zwischen Entlassung und Kündigung widerspräche hier dem Schutzzweck des BEinstG. Die spezielleren und zwingenden Schutzbestimmungen des BEinstG gingen dem in § 39 Abs 2 lit f DBO normierten Entlassungsgrund der dauernden Dienstunfähigkeit vor. Die Zulässigkeit einer Entlassung wegen behinderungsbedingter Dienstunfähigkeit wäre auch europarechtlich problematisch. Da die Entlassung somit nicht auf den Entlassungsgrund des § 39 Abs 2 lit f DBO gestützt werden könne, sei das Dienstverhältnis des Klägers durch die nicht gerechtfertigte Entlassung nicht aufgelöst worden; es sei unverändert aufrecht.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Unter ausführlicher Darstellung von Lehre und Rechtsprechung schloss es sich im Ergebnis der Rechtsansicht des Erstgerichts an. Die spezielleren und späteren zwingenden Bestimmungen des § 8 Abs 4 BEinstG gingen den entsprechenden Entlassungsregelungen des Angestelltengesetzes bzw der Gewerbeordnung 1859 vor. Ein Wahlrecht des Dienstgebers zwischen dem Ausspruch einer Kündigung nach § 8 Abs 4 lit b BEinstG und einer Entlassung, gestützt auf die Dienstunfähigkeit des Behinderten, sei abzulehnen. Schon aus dem Schutzzweck des BEinstG folge, dass es nicht der freien Wahl eines Dienstgebers überlassen werden könne, ob er bei Eintritt einer dauernden Dienstunfähigkeit den begünstigten Behinderten frei von jeglichen Erfordernissen einer verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Zustimmung entlasse oder ihn unter Einhaltung der Schutzbestimmungen des § 8 BEinstG kündige. Nicht nur aus den unterschiedlichen Rechtsfolgen von Entlassung und Kündigung, sondern vor allem auch aus dem Schutzzweck des BEinstG ergebe sich die Notwendigkeit der Zuordnung des Tatbestands der Dienstunfähigkeit entweder zu den Kündigungsgründen oder den Entlassungsgründen. Zudem müsse der Dienstgeber bei einer Kündigung nach § 8 Abs 4 lit b BEinstG die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung des begünstigten Behinderten auf einem zumutbaren Ersatzarbeitsplatz nachweisen; diese Voraussetzungen seien für die Entlassung jedenfalls nicht gesetzlich normiert. Selbst wenn man daher im Wege der Rechtsprechung bei Beendigung des Dienstverhältnisses durch Entlassung die Beweislast für die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Behinderten auf einem Ersatzarbeitsplatz und damit die Rechtfertigung der Entlassung dem Arbeitgeber auferlege, könne die Entscheidung im Einzelfall je nach Interpretation der Fürsorgepflicht des Dienstgebers unterschiedlich ausfallen. Dies erscheine auch europarechtlich problematisch, weil eine ausschließliche Interpretation durch die Rechtsprechung nicht geeignet sei, eine materiell europarechtswidrige Diskriminierung Behinderter durch Entlassung wegen Dienstunfähigkeit hintanzuhalten. Durch den mit der Novelle BGBl I 2005/82 in das BEinstG eingeführten Abs 4a sei klargestellt worden, dass auch im Zustimmungsverfahren keine Diskriminierung aufgrund der Behinderung gemäß § 7b Abs 1 Z 7 iVm Art 2 und 5 RL 2000/78/EG erfolgen dürfe. Bei langen Krankenstandszeiten habe aber eine entsprechende Prüfung auch unter Einbeziehung anderer geeigneter Arbeitsplätze zu erfolgen (§ 8 Abs 4 lit b BEinstG), um keine Diskriminierung infolge behinderungsbedingter Krankenstände zu bewirken. Seit der Umsetzung der RL 2000/78/EG enthalte das BEinstG neben dem besonderen Kündigungsschutz nach § 8 auch ein umfassendes Diskriminierungsverbot wegen Behinderung in der Arbeitswelt. Nach §§ 7 f BEinstG könnten Dienstnehmer, deren Arbeitsverhältnis wegen einer Behinderung oder wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen nach dem BEinstG vom Dienstgeber beendet worden sei, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anfechten. Vor diesem Hintergrund könne die in § 8 Abs 4 lit b BEinstG als Kündigungsgrund ausgestaltete dauernde Dienstunfähigkeit eines begünstigten Behinderten nicht mehr zur Begründung seiner Entlassung herangezogen werden.

Was für die allgemeinen Entlassungsgründe nach dem AngG und der GewO 1859 gelte, müsse umso mehr auch für die als Kollektivvertrag iSd § 2 ArbVG anzusehende DBO Gültigkeit haben. Zwar ermögliche § 39 Abs 2 lit f DBO die Entlassung erst, wenn der Bedienstete an seiner Dienstverrichtung infolge Krankheit oder Unfall mehr als ein Jahr verhindert gewesen sei und fasse damit den Entlassungsgrund letztlich enger als den Kündigungsgrund nach § 8 Abs 4 lit b BEinstG, doch ändere dies nichts daran, dass die Regelung vor allem mit dem Schutzzweck des BEinstG nicht in Einklang gebracht werden könne. Bei Bejahung der Zulässigkeit der Entlassung nach § 39 Abs 2 lit f DBO könnte der Kläger, dessen Dienstverhinderungen ausschließlich auf seine Behinderung zurückzuführen seien, letztlich aufgrund seiner Behinderung entlassen werden, sobald die Dauer seiner Dienstverhinderungen ein Jahr erreicht hätte. Eine dem § 8 Abs 4 lit b BEinstG vergleichbare Prüfung der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung auf einem Ersatzarbeitsplatz sei der Entlassung nicht zwingend vorgeschaltet. Die Möglichkeit einer Umgehung des Schutzzwecks des BEinstG bliebe offen.

Im Ergebnis könne der Kläger als begünstigter Behinderter daher nicht nach § 39 Abs 2 lit f DBO entlassen, sondern nur mit der gemäß § 8 Abs 2 BEinstG erforderlichen Zustimmung des Behindertenausschusses gekündigt werden. Die von der Beklagten ausgesprochene Entlassung sei rechtsunwirksam.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine explizite höchstgerichtliche Stellungnahme zum Verhältnis zwischen dem Entlassungsgrund der Dienstunfähigkeit und dem Kündigungsgrund nach § 8 Abs 4 lit b BEinstG fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin hält den Berufungsausführungen zusammengefasst entgegen, dass begünstigte Behinderte zwar unter dem besonderen Kündigungsschutz des § 8 BEinstG stünden, ein besonderer Entlassungsschutz in der Rechtsordnung jedoch nicht vorgesehen sei. Auch für begünstigte Behinderte gelange daher das allgemeine Entlassungsrecht des AngG zur Anwendung. Von einer Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes bei Ausspruch von unberechtigten Entlassungen seien begünstigte Behinderte insofern geschützt, als das Fehlen eines wichtigen Grundes ohnehin zur Rechtsunwirksamkeit der Entlassung mit der für den Dienstgeber finanziell weitreichenden Konsequenz führe, dass das Dienstverhältnis aufrecht bestehe und er dem zu Unrecht entlassenen begünstigt behinderten Dienstnehmer das Entgelt vom Ausspruch der Entlassung bis zum Wiedereintritt nach rechtskräftigem Abschluss des arbeitsgerichtlichen Verfahrens nachzuzahlen habe. Das Risiko, dass der Entlassungsgrund der Dienstunfähigkeit nicht vorliege, trage also zur Gänze der Dienstgeber. Dass sich durch die Novelle BGBl I 1999/17 des BEinstG an der Zulässigkeit der Entlassung eines begünstigten Behinderten wegen Dienstunfähigkeit nichts ändern sollte, habe der Gesetzgeber in den Materialien klar zum Ausdruck gebracht. Der besondere Schutz eines begünstigten Behinderten im Zusammenhang mit der Beendigung seines Dienstverhältnisses ende jedenfalls dort, wo für den Dienstgeber bedingt durch die Dienstunfähigkeit des Dienstnehmers keine Einsatzmöglichkeiten mehr bestünden. Diese Wertung sei auch europarechtskonform, weil Art 5 RL 2000/78/EG den Zugang Behinderter zur Beschäftigung und zur Ausübung eines Berufs nur insoweit schütze, als entsprechende Maßnahmen den Dienstgeber nicht unverhältnismäßig belasten würden. Davon sei hier auszugehen, weil der Kläger eine mehr als einjährige Krankenstandsdauer aufweise und er nicht nur als „Verschieber“ untauglich sei, sondern auch auf Ersatzarbeitsplätzen im Innendienst nicht eingesetzt werden könne bzw diese nicht zur Verfügung stünden. Eine Diskriminierung begünstigter Behinderter liege in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht vor, weil begünstigte Behinderte bei offensichtlichen Dienstunfähigkeiten infolge einer schwerwiegenden Erkrankung und langwierigen Krankenständen gleich behandelt würden wie dienstunfähige Dienstnehmer, deren krankheits‑ oder unfallbedingte Abwesenheiten nicht auf eine Behinderung im Sinne des BEinstG zurückzuführen seien. Da hier die Kündigung (nach vorheriger Zustimmung des Behindertenausschusses) und die Entlassung an unterschiedliche Tatbestände anknüpften, die unterschiedliche Rechtsfolgen rechtfertigten, könne § 8 Abs 4 lit b BEinstG nicht gegenüber § 39 Abs 2 lit f DBO iVm § 27 Z 2 AngG als speziellere und später in Kraft getretene Schutzbestimmung angesehen werden.

Zusammengefasst sei daher nach dem Willen des Gesetzgebers und mangels Normenkonkurrenz davon auszugehen, dass Dienstverhältnisse mit begünstigt Behinderten in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen und nur bei dauernder Dienstunfähigkeit, also wenn der Dienstnehmer krankheitsbedingt schlechthin unverwendbar sei ‑ wie hier ‑, durch Entlassung ohne Zustimmung des Behindertenausschusses beendet werden könnten.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass das Dienstverhältnis des Klägers zur Beklagten der Dienst‑ und Besoldungsordnung für die Bediensteten Österreichischer Privatbahnen (DBO) unterliegt und dem Kläger die Eigenschaft eines begünstigten Behinderten iSd § 2 BEinstG zukommt.

Die Kündigung eines begünstigten Behinderten darf gemäß § 8 Abs 2 BEinstG in der hier (noch) anzuwendenden Fassung BGBl I 2005/82 von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuss (§ 12 BEinstG) nach Anhörung des Betriebsrats oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes‑Personalvertretungsgesetzes bzw der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften sowie nach Anhörung des zur Durchführung des Landes‑Behindertengesetzes jeweils zuständigen Amtes der Landesregierung zugestimmt hat. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn dieser nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt.

Mit der, soweit hier relevant, am 1. 1. 1999 in Kraft getretenen Novelle BGBl I 1999/17 wurde ua in § 8 Abs 3 BEinstG normiert, dass der Behindertenausschuss bei seiner Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten die besondere Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers zu berücksichtigen und unter Beachtung des § 6 BEinstG (Angemessene Vorkehrungen und Förderungsmaßnahmen) zu prüfen hat, ob dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann. Damit wurde, der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs folgend, das Gebot einer Interessenabwägung explizit festgeschrieben (RV 1518 BlgNR XX. GP 12).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs war es schon vor der Novelle BGBl I 1999/17 Aufgabe der Behörde, bei der Ermessensentscheidung über die Zustimmung, das berechtigte Interesse des Dienstgebers an der Beendigung eines Dienstverhältnisses und die besondere soziale Schutzbedürftigkeit des zu kündigenden Dienstnehmers im Einzelfall gegeneinander abzuwägen und unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu prüfen, ob dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses oder dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes eher zugemutet werden könne (VwGH 2004/11/0042; 2003/11/0251; 2000/11/0096; 98/11/0117; 92/09/0046). Im Rahmen der Interessenabwägung bräuchten die Kündigungsgründe iSd § 8 Abs 2 BEinstG nicht im Verhalten oder in der Person des Gekündigten zu liegen und es sei insbesondere auch dessen Verschulden nicht erforderlich, sondern es könnten an sich auch sachliche, im Betrieb gelegene Gründe genügen. Betriebliche Belange würden aber in der Regel für eine Zustimmung zu einer in Aussicht genommenen Kündigung eines begünstigten Behinderten nicht ausreichen, es sei denn, seine Kündigung wäre unabdingbar, um nicht das Fortbestehen des Unternehmens konkret zu gefährden. In diesem Zusammenhang hätten die Behörden festzustellen, ob in dem Betrieb, in dem der behinderte Dienstnehmer beschäftigt sei, noch andere Arbeitsplätze vorhanden seien, auf denen er unter Berücksichtigung seiner eingeschränkten Leistungsfähigkeit tätig werden könnte. Bestünde eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit und führe die (bei vergleichender Würdigung der wirtschaftlichen und gesundheitlichen Situation des Behinderten, insbesondere auch seiner künftigen Berufsaussichten im Falle einer Auflösung des Dienstverhältnisses gebotene) Weiterbeschäftigung nicht zur unzumutbaren Belastung für den Dienstgeber, so widerspräche eine auf Antrag des Dienstgebers erteilte Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung dem Sinn des BEinstG (VwGH 96/08/0002; 94/08/0220).

Seit der Novelle BGBl I 1999/17 enthält § 8 Abs 4 BEinstG darüber hinaus eine demonstrative Aufzählung von Gründen, aus denen dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden wird können. Gemäß lit b dieser Bestimmung ist dies insbesondere dann der Fall, wenn „der begünstigte Behinderte unfähig wird, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, sofern in absehbarer Zeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten ist und der Dienstgeber nachweist, dass der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann“ . Den Gesetzesmaterialien zufolge dient diese demonstrative Aufzählung von Gründen, die die Zustimmung zu einer auszusprechenden Kündigung in der Regel rechtfertigen werden, der Erhöhung der Rechtssicherheit und sollte verdeutlichen, dass behinderte Mitarbeiter zwar einen erhöhten Kündigungsschutz genießen, jedoch nicht als praktisch unkündbar anzusehen seien. Da nach der bestehenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs der Kündigungsschutz für Mitglieder des Betriebsrats die äußerste Grenze des Bestandsschutzes begünstigter Behinderter darstelle, würden sich die in § 8 Abs 4 BEinstG beispielsweise aufgezählten Kündigungsgründe an jenen orientieren, die für Mitglieder von Betriebsräten nach § 121 ArbVG gelten, wobei jedoch auf die sich aus dem BEinstG ergebenden Besonderheiten ‑ im Mittelpunkt des BEinstG stehe der Schutz des einzelnen behinderten Dienstnehmers und nicht das Interesse der Belegschaft als Ganzes ‑ Bedacht genommen werde. Die in § 8 Abs 4 BEinstG genannten Kündigungsgründe seien von den Behörden in jedem Fall in die zwingend vorgeschriebene Interessenabwägung einzubeziehen (RV 1518 BlgNR XX. GP 12).

Bei der Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten ist darüber hinaus seit der Novelle des BEinstG, BGBl I 2005/82, das Diskriminierungsverbot des § 7b Abs 1 BEinstG zu berücksichtigen (§ 8 Abs 4a BEinstG). § 7b Abs 1 Z 7 BEinstG normiert ein Diskriminierungsverbot aufgrund einer Behinderung im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis gemäß § 7a Abs 1 Z 1, Abs 2 und 4 sowie in der sonstigen Arbeitswelt iSd § 7a Abs 1 Z 2‑4 bei der Beendigung des Dienstverhältnisses.

Die Berechtigung der Entlassung eines begünstigten Behinderten ist grundsätzlich nach den allgemeinen Bestimmungen des Entlassungsrechts zu beurteilen (9 ObA 46/07s mwN; RIS‑Justiz RS0108889). Das BEinstG bindet die Entlassung eines begünstigten Behinderten auch nach der Novelle 1999 weder an die Zustimmung einer Behörde oder eines Gerichts noch zählt es gewisse wichtige Gründe auf, die eine Entlassung rechtfertigen (9 ObA 50/07d = RIS‑Justiz RS0108889 [T1]). Wegen der Gefahr der Umgehung des besonderen Kündigungsschutzes begünstigter Behinderter ist aber eine Entlassung ohne wichtigen Grund rechtsunwirksam (RIS‑Justiz RS0052630, zuletzt 9 ObA 46/07s mwN).

Die Dienst‑ und Besoldungsordnung für die Bediensteten der Österreichischen Privatbahnen (DBO) ist ein Kollektivvertrag iSd § 2 ArbVG (9 ObA 66/07g = RIS‑Justiz RS0123957). Eine mit zwingendem Recht in Widerspruch stehende Kollektivvertragsbestimmung ist nicht rechtsgültig und daher wirkungslos (RIS‑Justiz RS0050828). Geht man daher von einem auch durch kollektivvertragliche Normen nicht abdingbaren Inhalt des Begriffs „Dienstunfähigkeit“ in § 27 Z 2 AngG bzw § 82 lit b GewO 1859 aus, dann muss im Sinne der ständigen Rechtsprechung zu diesen Gesetzesbestimmungen auch die in der DBO geforderte Dienstunfähigkeit „dauernd“ sein. Eine „dauernde“ Dienstunfähigkeit wird immer dann anzunehmen sein, wenn der Dienstnehmer dauernd und nicht bloß vorübergehend dienstunfähig ist, die Verhinderung des Dienstnehmers also von so langer Dauer ist, dass dem Dienstgeber nach den Umständen des Falls eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann (RIS‑Justiz RS0029336). Ein Verschulden des Arbeitnehmers an der Erfüllung dieser Entlassungstatbestände ist dann nicht erforderlich (RIS‑Justiz RS0107235; RS0060274).

In diesem Zusammenhang ist der Arbeitgeber nach ständiger Rechtsprechung ‑ umso mehr, je länger das Arbeitsverhältnis bereits dauert ‑ verpflichtet, dem nur mehr beschränkt leistungsfähigen Arbeitnehmer nach Möglichkeit Arbeiten zuzuweisen, zu deren Verrichtung er auch weiterhin in der Lage ist. Allerdings kommen nur solche Verweisungstätigkeiten in Betracht, die auch dem Arbeitgeber vernünftigerweise zumutbar sind. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, seinen Betrieb umzuorganisieren, um eine in Betracht kommende Tätigkeit überhaupt erst zu schaffen. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber einen partiell arbeitsunfähigen Arbeitnehmer nur dann nach § 27 Z 2 AngG entlassen kann, wenn er keine zumutbare Möglichkeit hat, dem Arbeitnehmer eine andere Arbeit zuzuweisen oder wenn der Arbeitnehmer ein entsprechendes Angebot des Arbeitgebers ablehnt. Die Beweislast dafür, dass keine geeigneten Ersatztätigkeiten vorhanden sind, trifft den Arbeitgeber (RIS‑Justiz RS0116675).

Dienstunfähigkeit iSd § 27 Z 2 AngG bzw Arbeitsunfähigkeit iSd § 82 lit b GewO 1859 liegt bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer zur Erbringung der vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung gänzlich unfähig und daher für diese schlechthin unverwendbar ist (9 ObA 1/03t). Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer aufgrund seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten nicht mehr in der Lage ist, den allgemeinen Anforderungen am Arbeitsmarkt für diese Berufstätigkeit gerecht zu werden, sondern bei der Dienstunfähigkeit ist alleine der konkrete Arbeitsplatz maßgeblich (8 ObA 157/02z). Der Arbeitgeber ist daher auch im Rahmen seiner Fürsorgepflicht grundsätzlich nicht verpflichtet, den dauernd dienstunfähigen Arbeitnehmer in einer anderen als der arbeitsvertraglich geschuldeten Verwendung zu beschäftigen (vgl 9 ObA 120/02s; 9 ObA 38/94).

Überdies hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach noch vor Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2005/82 ausgesprochen, dass, auch wenn sich der besondere Entlassungsschutz für Behinderte darin erschöpft, dass eine Entlassung ohne Entlassungsgrund jedenfalls unwirksam ist und eine Einschränkung der gesetzlichen Entlassungsgründe nicht stattfindet, bei Prüfung der Relevanz der geltend gemachten Entlassungsgründe der sich insbesondere aus den Bestimmungen der §§ 3 Abs 1, 6 Abs 1, 7, 8 und 15 BEinstG ergebende, für die Behinderten entwickelte Schutzzweck nicht außer Acht gelassen werden kann. Soweit ein Behinderter zufolge seiner Behinderung nicht in der Lage ist, seine Arbeitsleistung in dem Ausmaß zu erbringen wie ein voll einsatzfähiger Arbeitnehmer, darf auf ihn nicht derselbe Beurteilungsmaßstab angelegt werden. Er ist gegen Angriffe aus dem Grunde einer durch seine Behinderung bedingten unzulänglichen Arbeitsleistung zu schützen (RIS‑Justiz RS0030685).

Der Oberste Gerichtshof hat die Frage des Verhältnisses des § 8 Abs 4 lit b BEinstG zum allgemeinen Entlassungsrecht wegen Dienstunfähigkeit (§§ 27 Z 2 AngG, 82 lit b GewO 1859) bzw zu § 39 Abs 2 lit f DBO bislang noch nicht explizit beantwortet:

In 8 ObA 79/02d konnte die Frage, welche Auswirkungen die mit der Novelle BGBl I 1999/17 geschaffene Regelung des § 8 Abs 4 BEinstG auf die Möglichkeit des Arbeitgebers habe, begünstigte Behinderte wegen dauernder Dienstunfähigkeit zu entlassen, mangels Anwendbarkeit der Neuregelung auf die im Jahr 1997 ausgesprochene Entlassung ausdrücklich offen bleiben.

In 8 ObA 157/02z bejahte der Oberste Gerichtshof zwar die Zulässigkeit der im Jahr 2001 ‑ also nach Inkrafttreten der Novelle BGBl I 1999/17 ‑ nach § 27 Z 2 AngG ausgesprochenen Entlassung eines Angestellten, der zum Kreis der begünstigten Behinderten zugehörig war, das Verhältnis zu § 8 Abs 4 lit b BEinstG wurde mangels entsprechenden Vorbringens aber nicht erörtert.

Mit einer Entlassung nach der DBO hatte sich der Oberste Gerichtshof in 9 ObA 94/02t zu befassen. Da sich allerdings die DBO in der damals maßgeblichen Fassung von der hier anzuwendenden dadurch unterschied, dass der Entlassungsgrund der Dienstunfähigkeit in § 39 Abs 2 DBO (aF) damals noch nicht normiert war, musste auf das Verhältnis von § 8 Abs 4 lit b BEinstG zum allgemeinen Entlassungsrecht nicht eingegangen werden.

Auch in 9 ObA 50/07d konnte die Frage der Abgrenzung des Verhältnisses des Zustimmungsgrundes zur Kündigung nach § 8 Abs 4 lit c BEinstG (beharrliche Verletzung der Dienstpflichten) und des Entlassungsgrundes nach § 27 Z 4 zweiter Tatbestand AngG (beharrliche Dienstverweigerung) ausdrücklich dahingestellt bleiben.

In der Literatur und Lehre werden zur Frage der Entlassung eines behinderten Dienstnehmers wegen Dienstunfähigkeit unterschiedliche Ansichten vertreten:

Rauch (Die Entlassung eines behinderten Arbeitnehmers, ASoK 2000, 242 [243]; Nochmals zur Entlassung eines behinderten Arbeitnehmers, ASoK 2001, 25) vertritt zusammengefasst die Ansicht, dass der Arbeitgeber in jenen Fällen, in denen die in § 8 Abs 4 BEinstG genannten Kündigungsgründe auch einen Entlassungsgrund darstellen würden, ein Wahlrecht zwischen dem Ausspruch der Entlassung und der Einleitung eines Zustimmungsverfahrens zur Kündigung habe. Dieses Wahlrecht sei auch nicht systemwidrig, zumal der Arbeitgeber im Einzelfall entscheiden müsse, ob er sich auf das höhere Risiko einlasse, welches mit der Entlassung verbunden sei. Dieses Ergebnis entspreche auch den Intentionen der Novelle BGBl I 1999/17, die durch eine gewisse Lockerung des Bestandsschutzes (Möglichkeit der zustimmungsfreien Kündigung bis zum Ablauf des dritten Monats des Arbeitsverhältnisses nach § 8 Abs 6 lit b BEinstG) den Bedenken der Arbeitgeber gegen die Einstellung begünstigter Behinderter mit Kündigungsschutz entgegenwirken solle. Das gegenteilige ‑ von Risak (Das Verhältnis zwischen Kündigungs‑ und Entlassungsgründen begünstigter Behinderter nach BEinstG, ASoK 2001, 19) vertretene ‑ Ergebnis widerspräche dieser Intention des Gesetzgebers, weil damit erstmals und ohne sachlichen Grund für zwei Entlassungsgründe ein Entlassungsschutz eingeführt und damit der Bestandsschutz der Arbeitsverhältnisse begünstigter Behinderter wesentlich erhöht würde. Die demonstrative Aufzählung von Kündigungsgründen im BEinstG diene der Erhöhung der Rechtssicherheit und verdeutliche, dass begünstigte Behinderte zwar einen erhöhten Kündigungsschutz genießen würden, jedoch nicht praktisch unkündbar seien. Der Bestandsschutz der Betriebsratsmitglieder lasse überhaupt keine Rückschlüsse auf den Kündigungsschutz des begünstigten Behinderten zu, weil der bloße Kündigungsschutz des Belegschaftsvertreters die äußerste Grenze des Kündigungsschutzes eines begünstigten Behinderten darstelle.

Auch Gerhartl (Beendigung des Dienstverhältnisses von Behinderten wegen Krankheit, ASoK 2008, 23 [28]) hält das Bestehen eines Wahlrechts des Dienstgebers für durchaus systemkonform und plausibel. Zum einen sei es möglich, dass dem Dienstgeber die Beendigung durch Kündigung gar nicht zur Verfügung stehe, etwa wenn das Dienstverhältnis befristet und keine Kündigungsmöglichkeit vereinbart worden sei. Eine Beschränkung des Entlassungsrechts auf Fälle, in denen eine Kündigung nicht möglich sei, wäre aber systemwidrig, weil eine Entlassung sowohl bei befristeten als auch bei unbefristeten Dienstverhältnissen in Betracht komme. Zum anderen liege in der Einräumung eines Wahlrechts zwischen Kündigung und Entlassung keineswegs eine ungerechtfertigte Begünstigung für den Dienstgeber. Wähle der Dienstgeber die Entlassung, so riskiere er im Falle einer erfolgreichen Anfechtung, dass das Dienstverhältnis weiterhin aufrecht sei und er dem Dienstnehmer das Entgelt für die Dauer des Prozesses nachzahlen müsse, ohne eine Gegenleistung zu erhalten.

Risak (Das Verhältnis zwischen Kündigungs‑ und Entlassungsgründen begünstigter Behinderter nach BEinstG, ASoK 2001, 19) vertritt hingegen die Auffassung, dass spätestens seit der Einführung der Kündigungsgründe der dauernden Dienstunfähigkeit (§ 8 Abs 4 lit b BEinstG) sowie der beharrlichen Pflichtverletzung (§ 8 Abs 4 lit c BEinstG) eine Entlassung eines begünstigten Behinderten nur mehr in Ausnahmefällen auf die entsprechenden Entlassungsgründe (insbes §§ 82 lit b und f GewO 1859, 27 Z 2 und 4 AngG) gestützt werden könne. Grundsätzlich könne auf Basis dieser Gründe lediglich die (uU nachträgliche) Zustimmung des Behindertenausschusses zur Kündigung erteilt werden. Risak begründet seine Ansicht damit, dass schon angesichts der Orientierung des § 8 Abs 4 lit b und c BEinstG an § 121 Z 2 und 3 ArbVG nahe liege, dass Dienstunfähigkeit und beharrliche Pflichtverletzung wie bei Belegschaftsvertretern auch bei begünstigt Behinderten keine Entlassung begründen könnten. Gründe, welche einen Arbeitgeber zur Entlassung berechtigten, müssten schon aus Gründen des Systematik gravierender sein als Kündigungsgründe, sei doch eine vorzeitige Beendigung durch Entlassung nur dann gerechtfertigt, wenn ein so wichtiger Grund eintrete, dass der Vertragspartei die Aufrechterhaltung eines Vertrags nicht einmal mehr bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden könne. Das BEinstG gestalte ausdrücklich zwei der beispielhaft aufgezählten Kündigungsgründe enger aus als die ihnen entsprechenden „allgemeinen Entlassungsgründe“ und stelle für diese überdies das Erfordernis einer Interessenabwägung im Einzelfall auf, obwohl der Gesetzgeber ansonsten in den Entlassungsgründen selbst eine Typisierung bzw Verobjektivierung des Unzumutbarkeitsprinzips vorgenommen habe. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber zwar Kündigungsgründe formuliere, die enger ausgestaltet seien als die allgemeinen Entlassungsgründe, jedoch eine Entlassung gestützt auf diese ‑ an weniger starke Einschränkungen gebundenen ‑ Gründe weiterhin zulassen wolle. Im Ergebnis würde dies bedeuten, dass eine Entlassung unter weniger eingeschränkten Voraussetzungen zulässig sei als eine Kündigung. Als weiteres Argument für dieses Ergebnis lasse sich die lex‑specialis‑Regel ins Treffen führen. Der Gesetzgeber habe in der spezielleren Regelung des § 8 Abs 4 lit b und c BEinstG klargestellt, dass diese Gründe grundsätzlich nur für die Kündigung, nicht jedoch für die Entlassung herangezogen werden könnten. Diesbezüglich sei den allgemeinen Entlassungsgründen derogiert worden. Auch unter dem Gesichtspunkt des besonderen Schutzes begünstigter Behinderter (vgl §§ 3 Abs 1, 6 Abs 1, 7, 8 und 15 BEinstG) sei es geboten, die Entlassungsgründe insoweit einzuschränken. Allerdings seien Konstellationen denkbar, die von den Kündigungsgründen des § 8 Abs 4 BEinstG nicht umfasst seien und in denen ein „Restentlassungsrecht“, etwa bei vorsätzlicher Herbeiführung der Dienstunfähigkeit, fortbestehe.

Weiß (DRdA 2003/13, 156 und zusammengefasst auch in Mazal/Risak Arbeitsrecht II „XIX Der besondere Bestandschutz“ Rz 70) vertritt ebenfalls die Ansicht, dass auf Behinderte der Entlassungsgrund der Arbeitsunfähigkeit nach § 27 Z 2 AngG (spätestens) seit der Novelle BGBl I 1999/17 nicht (mehr) anwendbar sei, sodass bei Eintritt der dauernden Arbeitsunfähigkeit eines Behinderten nur die Einleitung des Zustimmungsverfahrens beim Behindertenausschuss in Betracht komme. Nach den allgemeinen Regeln der Gesetzesauslegung könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, eine inhaltslose und daher überflüssige Regelung getroffen zu haben. Bedenke man die allgemeine Regel, dass bei besonders bestandgeschützten Arbeitnehmern die Zustimmung zur Kündigung bei Vorliegen eines Entlassungsgrundes jedenfalls erteilt werden müsse, so wäre dies ‑ wäre die Arbeitsunfähigkeit ein Entlassungs-grund ‑ auch hier der Fall und die Aufnahme in § 8 Abs 4 BEinstG folglich überflüssig. Lit b dieser Bestimmung müsse daher der Bedeutungsinhalt beigemessen werden, dass die dauernde Arbeitsunfähigkeit eines Behinderten nur zu seiner Kündigung führen könne. Insofern enthielten § 8 Abs 4 BEinstG, § 27 AngG und § 82 GewO 1859 einander widersprechende Regelungen; im Verhältnis zwischen ihnen müssten daher die allgemeinen Derogationsregeln zur Anwendung kommen und die in § 8 Abs 4 BEinstG normierten Zustimmungsgründe zur Kündigung nicht nur als legis posterior, sondern als leges specialis jenen vorgehen. Damit sei auch der Einklang zwischen dem besonderen Bestandsschutz bei Behinderten und jenen der Betriebsratsmitglieder wiederhergestellt, bei denen jedenfalls die dauernde Arbeitsunfähigkeit einen Grund zur Zustimmung zur Kündigung ‑ nicht aber zur Entlassung ‑ bilde. Dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs der Kündigungsschutz nach § 121 ArbVG die „äußerste Grenze“ des Bestandsschutzes begünstigter Behinderter darstelle, stehe ‑ entgegen der These von Rauch ‑ diesem Ergebnis schon deshalb nicht entgegen, weil daraus keineswegs ableitbar sei, dass der Schutz der Behinderten nicht in gewissen Bereichen an jenen der Belegschaftsfunktionäre heranreichen dürfe. Durch die bloße demonstrative Aufzählung der Zustimmungsgründe zur Kündigung von Behinderten ‑ und auch die (im Übrigen unveränderte) Übernahme des allgemeinen Entlassungsrechts ‑ sei nämlich deren Bestandsschutz jedenfalls schwächer ausgestaltet. Ein Wahlrecht des Arbeitgebers zwischen Kündigung und Entlassung würde überdies das Prinzip, dass Entlassungsgründe gravierender sein müssten als Kündigungsgründe, geradezu ins Gegenteil verkehren, sodass das Wahlrecht auch deshalb nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen könne.

Den Ausführungen von Risak hat sich auch Hack (Die Entlassung von nach dem BEinstG begünstigten behinderten Arbeitnehmern wegen Dienstunfähigkeit, DRdA 2003, 514 [521 f]) angeschlossen. Ein Wahlrecht des Dienstgebers zwischen Kündigung und Entlassung eines begünstigten Behinderten wegen Dienstunfähigkeit sei ‑ entgegen der Ansicht von Rauch ‑ schon deswegen abzulehnen, weil der behinderte Arbeitnehmer angesichts der mit der Entlassung und der Kündigung verknüpften unterschiedlichen Rechtsfolgen (zB sofortige Auflösung des Dienstverhältnisses bei Entlassung, verglichen mit der Notwendigkeit der Einhaltung der Kündigungsfrist bei Kündigung, mit Auswirkungen uU auf die Höhe einer vom Dienstgeber zu gewährenden Abfertigung) ein rechtliches Interesse an einer eindeutigen Zuordnung des verwirklichten Tatbestands entweder zu den Kündigungs‑ oder Entlassungsgründen besitze. Ein Wahlrecht sei außerdem nicht mit dem Schutzzweck des BEinstG vereinbar. Zum einen würde der Umfang des durch die Bestimmungen des BEinstG gewährten Schutzes vor Verlust seines Arbeitsplatzes sonst von der Rechtsauffassung und dem Wohlwollen des Arbeitgebers abhängen. Zum anderen müsse jedenfalls der Dienstgeber bei Kündigung des begünstigten Behinderten die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung auf einem dem behinderten Arbeitnehmer zumutbaren Ersatzarbeitsplatz nachweisen, bevor der Behindertenausschuss die Zustimmung zu einer Kündigung erteile. Die Voraussetzungen für die Kündigung des behinderten Dienstnehmers seien somit enger gezogen als jene bei inhaltsgleichen allgemeinen Entlassungstatbeständen, wo die Prüfung der Zumutbarkeit der Beschäftigung auf einem Ersatzarbeitsplatz nur vorzunehmen sei, wenn das Gericht ein solches aus der dem Dienstverhältnis immanenten Fürsorgepflicht des Dienstgebers ableite. Damit könne aber bei Beendigung durch Entlassung die Überprüfung, ob eine Weiterbeschäftigung des Behinderten auf einem Ersatzarbeitsplatz zumutbar sei und damit die Rechtfertigung einer Entlassung wegen Dienstunfähigkeit je nach Interpretation des erkennenden Gerichts hinsichtlich des Ausmaßes der den Dienstgeber treffenden Fürsorgepflicht bei Beschäftigung eines partiell arbeitsunfähigen Arbeitnehmers unterschiedlich ausfallen. Dies widerspräche dem durch die Novelle BGBl I 1999/17 vom Gesetzgeber erneut bekräftigten Schutzzweck des BEinstG, nämlich die Arbeitsplatzerhaltung für behinderte Arbeitnehmer.

Preiss (DRdA 2004/7, 61 ff) teilt ebenfalls die Argumentation von Risak . Die Regelungen in § 8 Abs 4 lit b und c BEinstG seien gemessen an den entsprechenden Bestimmungen des AngG bzw der GewO 1859 sowohl später als auch spezieller und gingen damit vor. Auch der Charakter des BEinstG als Schutzrecht spreche eindeutig für diese Lösung. Darüber hinaus sei die Beendigung des Dienstverhältnisses eines Behinderten wegen einer Arbeitsunfähigkeit, die Folge der Behinderung sei, europarechtlich problematisch. Diese Situation würde bei einer Wahlfreiheit des Arbeitgebers zwischen Entlassung und Kündigung noch verschärft werden. Auch wenn es der Rechtsprechung durch entsprechende Interpretation der Fürsorgepflicht gelänge, die materiell europarechtswidrige Diskriminierung Behinderter durch Entlassung wegen Arbeitsunfähigkeit hintanzuhalten, sei dies noch keine formal ausreichende Umsetzung von Richtlinien. Insofern müsse ‑ in Ermangelung einer anderen Umsetzung ‑ § 8 Abs 4 BEinstG als teilweise Umsetzung der Gleichstellungs-rahmenRL 2000/78/EG betrachtet werden. Damit bleibe aber ‑ auch aus europarechtlichen Erwägungen ‑ kein Platz mehr für die parallele Anwendung der allgemeinen Entlassungstatbestände wegen Arbeitsunfähigkeit.

Löschnigg (Arbeitsrecht 11 580 f) verneint ebenfalls ein Wahlrecht des Dienstgebers zwischen Kündigung und Entlassung, weil der Gesetzgeber durch die Regelung des § 8 Abs 4 BEinstG eine eindeutige Zuordnung vorgenommen habe und ebenso wie beim Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder gewisse Entlassungsgründe als Kündigungsgründe normiert habe.

Auch Mayr (in Zellkomm² § 8 BEinstG Rz 19) ist der Ansicht, dass seit der Normierung der Dienstunfähigkeit als Kündigungsgrund in § 8 Abs 4 lit b mit BGBl I 1999/17 auch unter Beachtung des Diskriminierungsverbots kein Raum für einen solchen Entlassungsgrund ‑ bei langen Krankenständen ‑ mehr bleibe, weil die Arbeitsfähigkeit an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz iSd § 8 Abs 6 lit b BEinstG eventuell gegeben sein könnte.

Eichinger (Besonderer Kündigungs- und Entlassungsschutz in Resch , Kündigungs- und Entlassungsschutz 107 [153 ff]) pflichtet ebenfalls der Auffassung bei, dass es durch die ausdrückliche Festlegung der Dienstunfähigkeit in § 8 Abs 4 lit b BEinstG zu einer „Verdrängung“ entsprechender Entlassungstatbestände gekommen sei. Dafür spreche insbesondere die in den Gesetzesmaterialien betonte starke Orientierung der Ausgestaltung des Kündigungstatbestands nach § 8 Abs 4 lit b BEinstG am Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder nach § 121 Z 2 ArbVG. Es sei daher wohl auch im Bereich des Bestandsschutzes für begünstigte Behinderte von einer bewussten „Herabstufung“ der Dienstunfähigkeit zu einem Kündigungsgrund durch den Gesetzgeber auszugehen.

Spitzl (DRdA 2009/21, 258 ff) spricht sich zwar angesichts des Verweises in den Materialien zu § 8 Abs 4 BEinstG, wonach eine inhaltliche Änderung gegenüber der bestehenden Spruchpraxis nicht herbeigeführt werden sollte, gegen eine Derogation ‑ wie sie etwa Weiß vertrete ‑ und damit gegen eine inhaltliche Verschiebung der Grenze zwischen Kündigung und Entlassung aus. Die Konkurrenz zwischen § 8 Abs 4 BEinstG und §§ 82 lit b und f GewO 1859, 27 Z 2 und 4 AngG sei aber in Wahrheit nur eine scheinbare, die sich auflösen lasse, wenn man bei der Prüfung von geltend gemachten Entlassungsgründen den Schutzzweck des BEinstG im Auge behalte. Sei ein Behinderter wegen seiner Behinderung nicht in der Lage, die vereinbarte Arbeit zu leisten, oder verletze er aus in seiner Behinderung gelegenen Gründen beharrlich seine Dienstpflichten, rechtfertige dies keine Entlassung, sondern könne allenfalls im Rahmen der nach § 8 Abs 3 bis 4a BEinstG im Kündigungsverfahren anzustellenden Interessenabwägung Berücksichtigung finden. Bestünde hingegen zwischen dauernder Dienstunfähigkeit oder pflichtverletzendem Verhalten und Behinderung keinerlei Zusammenhang, werde man weiterhin davon ausgehen können, dass es zu keiner Verdrängung der allgemeinen Entlassungsvorschriften gekommen sei.

Widy/Ernst (BEinstG 7 § 8 Erl 159) halten ungeachtet § 8 Abs 4 BEinstG eine Entlassung wegen Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich nur dann für geboten, wenn die „Zerrüttung“ zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer so weit fortgeschritten sei, dass die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht einmal für die Dauer des Kündigungsverfahrens zumutbar sei.

Der Oberste Gerichtshof teilt die in der Lehre und im Schrifttum überwiegend vertretene und insbesondere von Risak ausführlich begründete Rechtsansicht, dass seit der Einführung der Kündigungsgründe der dauernden Dienstunfähigkeit (§ 8 Abs 4 lit b BEinstG) sowie der beharrlichen Pflichtverletzung (§ 8 Abs 4 lit c BEinstG) eine Entlassung eines begünstigten Behinderten nur mehr in Ausnahmefällen auf die entsprechenden Entlassungsgründe (insbes §§ 82 lit b und f GewO 1859, 27 Z 2 und 4 AngG) gestützt werden könne. In diesem Fall steht dem Dienstgeber kein Wahlrecht zwischen Kündigung und Entlassung zu, sondern er kann das Dienstverhältnis nur durch Kündigung nach Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs 2 BEinstG aussprechen.

Die Aufnahme der Dienstunfähigkeit des Dienstnehmers in die demonstrative Aufzählung der Kündigungsgründe des § 8 Abs 4 BEinstG spricht für sich allein noch nicht zwingend dagegen, dass im Fall der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nicht auch eine Entlassung wegen Dienstunfähigkeit ausgesprochen werden kann, weil begünstigte Behinderte zwar unter dem besonderen Kündigungsschutz des § 8 BEinstG stehen, ein besonderer Entlassungsschutz aber ‑ anders als bei anderen kündigungsgeschützten Dienstnehmergruppen ‑ im Gesetz nicht vorgesehen ist. Der Revisionswerberin ist auch insoweit zuzustimmen, als in den Erläuterungen zur Novelle des BEinstG 1999 (RV 1518 BlgNR XX. GP 10) festgehalten ist, dass Gründe, die die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung in der Regel rechtfertigen würden (§ 8 Abs 4 lit a bis c BEinstG), lediglich zur Erhöhung der Rechtssicherheit und um der Forderung nach verstärkter Determinierung Rechnung zu tragen, in das Gesetz demonstrativ Eingang gefunden haben, sich damit jedoch gegenüber der bestehenden Spruchpraxis sowohl der Behindertenausschüsse als auch der Berufungskommission beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales und gegenüber der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs keine inhaltliche Veränderung ergeben sollte. Der daraus in der Revision gezogene Schluss, dass die vor der Novelle BGBl I 1999/17 ergangenen ober(st)gerichtlichen Entscheidungen und die darin enthaltenen Wertungen betreffend die Beendigung des Dienstverhältnisses eines begünstigten Behinderten im Allgemeinen und wegen Dienstunfähigkeit mittels Kündigung oder Entlassung auch weiterhin maßgeblich sein sollten, ist jedoch unzutreffend.

Die Revisionswerberin reflektiert damit offenbar auf die ‑ nach wie vor herrschende und bereits oben zitierte ‑ Judikatur, dass die Berechtigung der Entlassung eines begünstigten Behinderten nach den allgemeinen Bestimmungen des Entlassungsrechts zu beurteilen ist.

Die Ausführungen in den Materialien betreffen, wie in der Revision auch selbst eingeräumt wird, ausdrücklich nur die Frage der Kündigung begünstigter Behinderter; auf das Verhältnis der Kündigung gemäß § 8 Abs 4 lit b BEinstG zur Entlassung wegen Dienstunfähigkeit wird hingegen nicht eingegangen. Auch der Verweis auf die bisherige Spruchpraxis bezieht sich ausdrücklich nur auf die der Behindertenausschüsse und der Berufungskommission beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Nur gegenüber dieser sowie der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs sollte keine inhaltliche Änderung eintreten. Es wird daher auch damit nur die Frage der Kündigung und gerade nicht jene der Entlassung angesprochen. Dass der Gesetzgeber im Gesetzestext selbst oder in den Materialien eine entsprechende Klarstellung hätte treffen können ‑ so die Revisionswerberin ‑ ist richtig, muss aber nicht zwingend als bewusste Wertung des Gesetzgebers zu sehen sein.

Die Tatsache des Fehlens eines besonderen Entlassungsschutzes spricht ebenfalls nicht zwingend dagegen, dass in einzelnen Bereichen ‑ insbesondere im Hinblick auf § 8 Abs 4 lit b BEinstG ‑ das Entlassungsrecht des Dienstgebers eingeschränkt sein kann. Die ausdrückliche Normierung der dauernden Dienstunfähigkeit als Kündigungsgrund mit der Novelle BGBl I 1999/17 lässt vielmehr darauf schließen, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass dem Dienstgeber in der Regel die Einhaltung des entsprechenden Vorverfahrens gemäß § 8 Abs 2 BEinstG zumutbar ist. Hätte der Gesetzgeber ausgerechnet die Dienstunfähigkeit als Grund für die Kündigung eines begünstigten Behinderten normiert, obwohl diese ohnedies nach wie vor einen Entlassungsgrund darstellen würde, hätte er ‑ was ihm aber nicht unterstellt werden kann (RIS‑Justiz RS0008792) ‑ eine nahezu inhaltslose Regelung getroffen, weil ein Dienstgeber bei Beendigung des Dienstverhältnisses eines begünstigten Behinderten wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den meisten Fällen wohl den einfacheren Weg der Entlassung ‑ und nicht jenen der Kündigung unter Einhaltung des in § 8 Abs 2 BEinstG geregelten Vorverfahrens ‑ gehen würde. Das teilweise in diesem Zusammenhang im Schrifttum zur Begründung der gegenteiligen Rechtsansicht hervorgehobene Argument, der Dienstgeber riskiere im Falle einer erfolgreichen Entlassungsanfechtung, dass das Dienstverhältnis weiterhin aufrecht sei und er dem Dienstnehmer das Entgelt für die Dauer des Prozesses nachzahlen müsse, ohne eine Gegenleistung zu erhalten, überzeugt nicht. Dies ist Folge jeder ungerechtfertigten Beendigung des Dienstverhältnisses eines bestandgeschützten Dienstnehmers.

Da eine Entlassung ohne das vor Beendigung durch Kündigung einzuhaltende Verfahren nach § 8 Abs 2 BEinstG ausgesprochen werden kann, sind die Rechtsschutzmöglichkeiten des betroffenen begünstigten behinderten Dienstnehmers im Falle einer Entlassung viel eingeschränkter als im Falle einer Kündigung. Hat der entlassene Arbeitnehmer lediglich die nachträgliche Möglichkeit der Entlassungsanfechtung, so kann der begünstigte Behinderte (bei noch aufrechtem Dienstverhältnis) im Zustimmungsverfahren vor dem Behindertenausschuss, in dem ihm Parteistellung zukommt (§ 8 Abs 2 zweiter Halbsatz BEinstG), seinen Standpunkt auch unter Berücksichtigung seiner besonderen Schutzbedürftigkeit und der angemessenen Vorkehrungen und Förderungsmaßnahmen des § 6 BEinstG (§ 4 Abs 3 BEinstG) eingehend darlegen. In den meisten Fällen wird er zudem auch mit der Unterstützung durch den Betriebsrat, der Behindertenvertrauensperson oder der Personalvertretung rechnen können.

Das von Gerhartl angesprochene Problem, dass dem Dienstgeber unter Umständen die Möglichkeit einer Kündigung gar nicht offenstehe, kann jedenfalls nicht die Zulässigkeit einer Entlassung wegen Dienstunfähigkeit rechtfertigen, weil sich dieses Problem auch bei den besonders entlassungsgeschützten Mitgliedern des Betriebsrats stellt (vgl die taxative Aufzählung des § 122 Abs 1 ArbVG), der Gesetzgeber also das Risiko des Dienstgebers, einen dienstunfähigen Dienstnehmer unter Umständen mangels Kündigungsmöglichkeit vor einer Zustimmung durch die zuständige Behörde weiter beschäftigen zu müssen, in bestimmten Fällen billigt.

Im Zusammenhang mit dem schon mehrfach angesprochenen Diskriminierungsschutz eines begünstigten Behinderten führt die Revision, wie bereits oben erwähnt, aus, dass ein Dienstgeber bei Vorliegen einer (dauernden) Dienstunfähigkeit iSd § 27 Z 2 AngG, insbesondere, wenn auch keine Ersatzarbeitsplätze zur Verfügung stünden, gar nicht die Möglichkeit habe, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass die Interessen des Dienstnehmers gewahrt blieben. Eine derartige Wertung sei auch europarechtskonform, weil Art 5 RL 2000/78/EG den Zugang Behinderter zur Beschäftigung und zur Ausübung eines Berufs nur insoweit schütze, als entsprechende Maßnahmen den Dienstgeber nicht unverhältnismäßig belasten würden. Eine Diskriminierung begünstigter Behinderter läge schon deshalb nicht vor, weil begünstigte Behinderte bei offensichtlichen Dienstunfähigkeiten infolge schwerwiegender Erkrankung und langwierigen Krankenständen gleich behandelt werden würden, wie dienstunfähige Dienstnehmer, deren krankheits‑ oder unfallbedingte Abwesenheiten nicht auf eine Behinderung iSd BEinstG zurückzuführen seien.

Mit BGBl I 2005/82 wurde ‑ in Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG ‑ das BEinstG in Bezug auf das diskriminierungsgeschützte Merkmal der Behinderung novelliert. § 7b Abs 1 Z 7 BEinstG verbietet jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund einer Behinderung bei der Beendigung des Dienstverhältnisses. Wird ein begünstigter Behinderter wegen (dauernder) Dienstunfähigkeit entlassen, mag er zwar nicht iSd § 7c Abs 1 BEinstG unmittelbar diskriminiert sein, weil auch ein nicht behinderter Dienstnehmer wegen (dauernder) Dienstunfähigkeit entlassen werden kann. Damit bleibt aber die Möglichkeit einer mittelbaren Diskriminierung des begünstigten Behinderten iSd § 7c Abs 2 BEinstG bestehen, weil die bei einem begünstigten Behinderten eingetretene Dienstunfähigkeit wohl häufig auf die der Behinderung zugrunde liegende Beeinträchtigung zurückzuführen sein wird, sodass Behinderte typischerweise öfter von einer Beendigung wegen dauernder Dienstunfähigkeit betroffen sind als Nicht-Behinderte ( Preiss DRdA 2004/7, 62).

Insbesondere unter Bedachtnahme auf die dargelegte Wertung des Gesetzgebers bei Aufnahme der Dienstunfähigkeit des Dienstnehmers in die demonstrative Aufzählung der Kündigungsgründe des § 8 Abs 4 BEinstG, den Schutzzweck des BEinstG im Allgemeinen und den Diskriminierungsschutz begünstigter Behinderter im Besonderen ist das allgemeine Entlassungsrecht bei Vorliegen der Dienstunfähigkeit eines begünstigten Behinderten auf jene Fälle teleologisch zu reduzieren, in denen der begünstigte Behinderte nicht nur trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann (§ 8 Abs 4 lit b BEinstG), sondern der begünstigte Behinderte aufgrund seiner mangelnden Leistungsfähigkeit, egal ob diese aus der Behinderung resultiert oder nicht, überhaupt am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr arbeitsfähig ist. In diesen Fällen ist dem Arbeitgeber ‑ nicht zuletzt auch unter Berücksichtigung der zu erwartenden Dauer des rechtskräftigen Abschlusses des nach § 8 Abs 2 BEinstG eingeleiteten Zustimmungsver-fahrens beim Behindertenausschuss ‑ die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses des dauernd dienstunfähigen begünstigten Behinderten bis zum Ende der Kündigungsfrist auch nicht zumutbar.

Dass der Kläger im vorliegenden Fall aber nicht nur im Betrieb der Beklagten, sondern darüber hinaus generell am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr arbeitsfähig wäre, hat die Beklagte nicht geltend gemacht. Dies war aus ihrer Sicht auch durchaus konsequent, denn § 39 Abs 1 lit f DBO stellt auf die (im Dienstvertrag) „versprochenen Dienste“ ab. Die Beklagte kommt auch in ihrer Revision zum Ergebnis, dass der Arbeitgeber eines begünstigten Behinderten nur in besonders schwerwiegenden Fällen und nur bei dauernder Dienstunfähigkeit, wenn der Dienstnehmer also krankheitsbedingt schlechthin unverwendbar sei, mit Entlassung vorgehen könne; eine Einsatzmöglichkeit des Klägers in einem anderen Bereich innerhalb ihres Betriebs, auch außerhalb der vertraglich vereinbarten Tätigkeit als Verschieber, bestünde nicht.

Abschließend bleibt die Frage zu klären, ob im Sinne der vorstehenden Erwägungen auch eine Entlassung gestützt auf § 39 Abs 2 lit f DBO ausscheidet. Grundsätzlich gelten im Verhältnis zu § 39 Abs 2 lit f DBO im Wesentlichen die gleichen Argumente, wie sie zu §§ 27 Z 2 AngG, 82 lit b GewO 1859 ausgeführt wurden. Auch wenn § 39 Abs 2 lit f DBO deutlich enger gefasst ist als § 8 Abs 4 lit b BEinstG und nur dann erfüllt ist, wenn eine mehr als einjährige krankheits‑ oder unfallsbedingte Abwesenheit vorliegt und insofern ‑ so die Revisionswerberin ‑ § 8 Abs 4 lit b BEinstG nicht als lex specialis zu § 39 DBO angesehen werden kann, ist im Ergebnis für den Standpunkt der Revisionswerberin nichts gewonnen. Was nämlich schon im Verhältnis zu den gesetzlichen Vorgaben gilt, muss umso mehr für eine kollektivvertragliche Bestimmung anerkannt werden, weil diese, wenn sie mit zwingendem Recht in Widerspruch steht, nicht rechtsgültig und daher wirkungslos ist ( Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 3 Rz 22 mwN ua).

Zusammengefasst kann ein Dienstnehmer, dem die Eigenschaft als begünstigter Behinderter iSd § 2 BEinstG zukommt, wegen Dienstunfähigkeit nach § 27 Z 2 AngG, § 82 lit b GewO 1859 oder ‑ wie hier ‑ nach § 39 Abs 2 lit f DBO nur dann entlassen werden, wenn feststeht, dass er nicht nur im Rahmen seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung oder trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann (§ 8 Abs 4 lit b BEinstG), sondern der begünstige Behinderte aufgrund seiner mangelnden Leistungsfähigkeit, unabhängig davon, ob diese aus der Behinderung resultiert oder nicht, überhaupt am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr arbeitsfähig ist. Dies wurde hier nicht geltend gemacht. Der Dienstgeber hat daher im vorliegenden Fall nur die Möglichkeit, die Kündigung des begünstigten Behinderten nach ‑ allenfalls auch rückwirkend erteilter ‑ Zustimmung des Behindertenausschusses gemäß § 8 Abs 2 BEinstG auszusprechen.

Die von der Beklagten wegen Dienstunfähigkeit nach § 39 Abs 2 lit f DBO ausgesprochene Entlassung ist daher unwirksam. Die Vorinstanzen erkannten zutreffend, dass das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen nach wie vor aufrecht ist. Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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