OGH 2Ob57/09k

OGH2Ob57/09k17.2.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelm L*****, vertreten durch Rechtsanwälte Mandl GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei (nunmehr) Ö***** AG, *****, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitinteresse: 20.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. November 2008, GZ 2 R 143/08a-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 14. Mai 2008, GZ 19 Cg 214/07b-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird auf „Ö***** AG“ berichtigt.

2. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.187,28 EUR (darin enthalten 197,88 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu 1.:

Nach der am 7. 9. 2009 von der Hauptversammlung der beklagten Partei beschlossenen und am 3. 10. 2009 zu FN ***** im Firmenbuch eingetragenen Neufassung der Satzung wurde der Firmenwortlaut der beklagten Partei von „Ö***** AG“ geändert in „Ö***** AG“. Die Parteienbezeichnung war daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO von Amts wegen zu berichtigen.

Zu 2.:

Die Liegenschaft EZ ***** des Grundbuchs ***** mit dem Grundstück Nr ***** liegt südlich der Bundesstraße 83 und nördlich eines Bahngrundstücks, auf welchem die zur „Südbahn“ gehörige, seit 1864 bestehende Bahnstrecke Bleiburg-Villach entlang des Wörthersees verläuft. Im Juli 1954 wurde der zweigleisige Ausbau dieser Bahnstrecke eisenbahnbehördlich bewilligt, nachdem (ua) die damalige Eigentümerin der besagten Liegenschaft keine Einwendungen gegen das Bauvorhaben erhoben hatte. Zu diesem Zeitpunkt war das Grundstück Nr ***** Wald. Im Jahr 1959 wurde dem neuen Liegenschaftseigentümer die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Fremdenpension erteilt. Später wurde ein Hotel errichtet, dessen Um- und Zubauten in den Jahren 1972 und 1982 bewilligt wurden. In den baubehördlichen Verhandlungsniederschriften wurde jeweils festgehalten, dass die Österreichischen Bundesbahnen keine Einwendungen gegen das Bauvorhaben erheben würden, wenn seitens des Bauwerbers für sich und seine Rechtsnachfolger auf den Ersatz aller Schäden, die durch den ordnungsgemäßen Bestand oder Betrieb der Eisenbahn entstehen sollten, verzichtet werde. Dies wurde von den Bauwerbern jeweils zustimmend zur Kenntnis genommen. Mit Verordnung der Bundesregierung vom 4. 2. 1994, BGBl 1994/83 (3. Hochleistungsstrecken-VO), wurde die auch die Bahnlinie Bleiburg-Villach umfassende Eisenbahnstrecke zur Hochleistungsstrecke erklärt.

Der Kläger erwarb die Liegenschaft EZ ***** samt Hotel mit Kaufvertrag vom 30. 5. 2000. Laut Punkt II des Kaufvertrags wurde der Vertragsgegenstand mit allen Rechten und Befugnissen verkauft, wie der Verkäufer diesen besessen und benützt hatte oder doch zu besitzen und benützen berechtigt war. In Punkt IV erklärte der Käufer, den Vertragsgegenstand aus eigener Anschauung zu kennen und sich durch Einsichtnahme in alle kaufrelevanten Daten, insbesondere auch durch Einsichtnahme in das Grundbuch, ausreichend informiert zu haben. Im Jahr 2001 beantragte der Kläger die baubehördliche Genehmigung der Errichtung einer Ferienwohnanlage (ua) auf dem Grundstück Nr *****. In der Verhandlungsniederschrift vom 17. 5. 2001 wurde als Verhandlungsergebnis festgehalten, dass von den Österreichischen Bundesbahnen kein Einwand gegen das geplante Bauvorhaben erhoben werde, wobei gegen die Beeinträchtigung durch Lärmeinwirkung, die aus einem ordnungsgemäßen Bestand und Betrieb der Eisenbahn erwachse, Vorsorgemaßnahmen seitens des Bauwerbers zu treffen seien und keine wie auch immer gearteten Schadenersatzansprüche gegenüber den Österreichischen Bundesbahnen geltend gemacht werden könnten. Das Verhandlungsergebnis wurde vom Rechtsvertreter des Klägers zustimmend zur Kenntnis genommen. Mit Bescheid der Baubehörde vom 4. 7. 2001 wurde für das Bauvorhaben die Bewilligung erteilt.

Mit der am 16. 5. 2007 eingebrachten Klage begehrte der Kläger, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, „durch geeignete Maßnahmen, insbesondere allenfalls Einschränkung des Zugverkehrs und/oder Koppelung des Zugverkehrs an bestimmte technische Ausstattungen der Schienenfahrzeuge und/oder Geschwindigkeitsbeschränkungen im Bereich der Liegenschaft Grundstück Nr ***** Grundbuch ***** dafür Sorge zu tragen, dass der Geräuschpegel von 35 dB untertags und 25 dB nachts, jeweils nach der ÖAL-Richtlinie nicht überschritten wird“. Er brachte vor, in seinem Ferienhotel ein Gesundheitszentrum zu betreiben. Seit der letzten Bauverhandlung am 17. 5. 2001 seien durch die vermehrte Inanspruchnahme der Bahnlinie Bleiburg-Villach, wie auch Schallpegelmessungen ergeben hätten, unzumutbare und gesundheitsgefährdende Lärmimmissionen eingetreten. Vor allem die Zunahme des Schienengüterverkehrs (jährlich um ca 10 %) und dessen vermehrte Verlagerung in die Nachtstunden wirke sich auf die Hotelgäste nachteilig aus. Eisenbahnlinien seien keine behördlich genehmigten Anlagen iSd § 364a ABGB. Die Bewilligung des Eisenbahnbetriebs ermächtige den Betreiber nicht, den Betrieb gesundheitsgefährdend auszuweiten. Zu dulden sei vielmehr nur der typische, zum Zeitpunkt der Bewilligung der Eisenbahnlinie gegebene oder objektiv abschätzbare Verkehr.

Die beklagte Partei wandte im Wesentlichen ein, der Kläger habe das Hotel in Kenntnis des offenkundigen Bestands und des Betriebs der Südbahn sowie der von dieser ausgehenden Immissionen gekauft. Nachträglich zugezogene Nachbarn hätten Immissionen aber grundsätzlich als ortsüblich zu dulden. Auch voraussehbare Zunahmen von Immissionen seien hinzunehmen. Seit dem Liegenschaftserwerb durch den Kläger sei keine ungewöhnliche Steigerung der Lärmbelastung eingetreten. Bei der Südbahn handle es sich um eine behördlich genehmigte Anlage gemäß § 364a ABGB. Der Kläger habe auf die Geltendmachung von Ansprüchen wegen Lärmbeeinträchtigungen verzichtet. Er müsse sich auch das Verhalten seiner Rechtsvorgänger zurechnen lassen. Der Unterlassungsanspruch sei daher unzulässig; er sei überdies verjährt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging vom eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt aus und folgerte rechtlich, angesichts der privatrechtlich getroffenen Vereinbarungen könne offen bleiben, ob die Eisenbahn eine den Unterlassungsanspruch ausschließende behördlich genehmigte Anlage iSd § 364a ABGB sei. Schon die Voreigentümer des Klägers hätten im Zuge der jeweiligen Bauverfahren auf den Ersatz von Schäden, die durch den ordnungsgemäßen Bestand und Betrieb der Eisenbahn entstehen sollten, verzichtet und damit ihre nachbarrechtliche Rechtsposition bewusst preisgegeben. Der Kläger habe beim Kauf der Liegenschaft nur entsprechend beschränkte Rechte erwerben können. Im Jahr 2001 habe er durch seinen Rechtsvertreter überdies selbst eine Verzichtserklärung abgegeben und sich dadurch seiner möglichen Rechte begeben. Nur nicht vorhersehbare, im Vergleich zum bestehenden Zustand und einer üblichen Entwicklung unverhältnismäßige Beeinträchtigungen seien von den Verzichtserklärungen nicht umfasst. Derartige Veränderungen habe der Kläger aber nicht behauptet.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige, und die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht führte aus, dass der Eigentümer einer Liegenschaft Immissionen aus behördlich genehmigten Anlagen iSd § 364a ABGB nicht abwehren könne. An die Stelle des Unterlassungsanspruchs trete in diesem Fall ein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch, der auf Vergütung des Schadens gerichtet sei. Bezüglich der „behördlichen Genehmigung“ werde gefordert, dass sie in fairer Weise, insbesondere unter Gewährung des rechtlichen Gehörs, auf die Interessen der Nachbarn Bedacht nehme. Der Regelfall sei eine Genehmigung gewerbebehördlicher Art. Doch werde überwiegend angenommen, dass auch Eisenbahnen als behördlich genehmigte Anlagen iSd § 364a ABGB anzusehen seien und dem Anrainer nur der Ersatzanspruch nach dieser gesetzlichen Bestimmung zustehe. Der Oberste Gerichtshof jedenfalls habe Bahnanlagen § 364a ABGB unterstellt, wenngleich grundsätzlich die - mittlerweile aufgehobene - Regelung der Schadenshaftung in § 19 Abs 2 EisbG 1957 als lex specialis der Anwendungsvorrang gegenüber § 364a ABGB eingeräumt worden sei. Es könne demnach keinem Zweifel unterliegen, dass von der Eisenbahn hervorgerufene Immissionen durch Schall § 364a ABGB unterlägen. Das Unterlassungsbegehren sei daher nicht berechtigt.

Die ordentliche Revision sei zulässig, da die Anwendung des § 364a ABGB auf Eisenbahnanlagen in den bisherigen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs nicht ausführlich begründet worden sei und eine Auseinandersetzung mit den von dieser Beurteilung abweichenden Lehrmeinungen geboten erscheine.

Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs unberücksichtigt ließ. Sie ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger vertritt weiterhin den Standpunkt, Eisenbahnanlagen seien keine behördlich genehmigten Anlagen iSd § 364a ABGB. Gewähre das verwaltungsbehördliche Verfahren keinen der Gewerbeordnung vergleichbaren Immissionsschutz, bleibe der Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB unberührt. Da nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs im eisenbahnrechtlichen Verfahren auf Immissionsschutz gerichtete Einwendungen nicht zu berücksichtigen seien, stehe dem Kläger der Unterlassungsanspruch zu. Er habe auf diesen Anspruch auch nicht verzichtet. Mit der Unterfertigung der Verhandlungsniederschrift im baubehördlichen Verfahren habe er lediglich das behördliche Verhandlungsergebnis zur Kenntnis genommen; einen Vertrag mit den Österreichischen Bundesbahnen habe er dadurch nicht abgeschlossen. Allfällige Vereinbarungen seiner Rechtsvorgänger seien ihm nicht wirksam überbunden worden. Selbst wenn aber von einem Verzicht auszugehen wäre, würde sich dieser nur auf Schadenersatzansprüche und auf einen ordnungsgemäßen Bahnbetrieb, nicht aber auf Unterlassungsansprüche wegen gesundheitsgefährdender Lärmimmissionen beziehen. Zur abschließenden Beurteilung des Klagebegehrens fehle es an Feststellungen zu der Lärmentwicklung seit dem Jahr 2001.

Hiezu wurde erwogen:

1. Der Kläger stützt sein Begehren auf § 364 Abs 2 ABGB. Diese Bestimmung gewährt dem Eigentümer eines Grundstücks das Recht, von Nachbargrundstücken ausgehende Immissionen zu untersagen, wenn diese das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benützung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Erfolgt die Beeinträchtigung durch eine behördlich genehmigte Anlage, werden die Rechte des betroffenen Nachbarn durch § 364a ABGB auf den Ersatz des zugefügten Schadens beschränkt. Statt des ihm an sich zustehenden Unterlassungsanspruchs wird ihm ein verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch eingeräumt, der die zu duldende Eigentumsbeschränkung ausgleichen soll (SZ 48/15 ua).

Vom Vorliegen einer behördlich genehmigten Anlage iSd § 364a ABGB ist grundsätzlich nur dann auszugehen, wenn die Genehmigung in einem Verfahren erfolgte, in welchem die Berücksichtigung der Interessen der Nachbarn in derselben oder doch in gleich wirksamer Weise vorgesehen ist, wie im Verfahren zur Genehmigung von Betriebsanlagen nach der Gewerbeordnung (SZ 48/15; 2 Ob 222/02i; 1 Ob 123/08g; RIS-Justiz RS0010682). Die Pflicht des Nachbarn zur Duldung der Immissionen besteht in solchen Fällen daher nur dann, wenn die Genehmigung der Anlage nach Abwägung der widerstreitenden Interessen in einem Verfahren erteilt wurde, in welchem ihm rechtliches Gehör gewährt worden ist (4 Ob 137/03f = SZ 2003/78 mwN; 3 Ob 252/06i; vgl auch 1 Ob 123/08g).

Zuletzt hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 135/06w = SZ 2007/106, die von einem Flughafen ausgehende Lärmimmissionen betraf, allerdings auch jenen (zweitinstanzlichen) Argumenten Gewicht zuerkannt, nach denen die Parteistellung des Anrainers im Anlagengenehmigungsverfahren für die Anwendung des § 364a ABGB nicht zwingende Voraussetzung sei und es Sache des öffentlichen Rechts sein solle, festzulegen, in welcher Weise es auf die Interessen des Betroffenen Rücksicht nimmt (so bereits Spielbüchler in Rummel, ABGB³ I § 364a Rz 4; krit Kerschner in Stolzlechner/Wendl/Bergthaler, Die gewerbliche Betriebsanlage³ [2008] Rz 276). Die grundsätzlich als geboten erachtete genauere Überprüfung dieser Rechtsansicht konnte damals jedoch aus prozessualen Erwägungen auf sich beruhen.

2. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wurde die Anwendung des § 364a ABGB über den Bereich gewerblicher Anlagen hinaus auch bei Anlagen bejaht, die nach bestimmten Sondergesetzen einer Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb bedürfen; als Beispiel für eine solche Anlage wurden häufig Eisenbahnen genannt (SZ 48/15; SZ 48/45; vgl auch SZ 54/158; RIS-Justiz RS0010689). In einigen Fällen wurde die Anwendung der §§ 364, 364a ABGB auf Eisenbahnen mit dem Hinweis auf die in § 19 Abs 2 EisbG 1957 enthaltene Haftungsbestimmung als lex specialis abgelehnt (SZ 38/2; 6 Ob 168/06h; RIS-Justiz RS0037960). Diese Bestimmung wurde mit der Novelle des Eisenbahngesetzes, BGBl I 2006/125, mit Wirksamkeit vom 26. 7. 2006 als „nicht erforderliche Sonderhaftungsregel“ gestrichen; der Ersatz für Schäden solle sich auch für den Eisenbahnbereich nach den allgemeinen Regeln des Schadenersatzes richten (ErläutRV 1412 BlgNR 22. GP 7; vgl auch Catharin/Gürtlich, Eisenbahngesetz [2007] 277).

Keine der zitierten Entscheidungen hatte einen auf § 364 Abs 2 ABGB gestützten Unterlassungsanspruch wegen Lärmimmissionen zum Gegenstand. In SZ 54/158 wurde allerdings ein mit den von einem Verschubbahnhof ausgehenden Lärmeinwirkungen begründeter Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB geprüft (und verneint).

3. Die auf Klang (in Klang² II 174 mit Hinweis auf SZ 4/16) zurückgehende Auffassung, Eisenbahnen seien Anlagen iSd § 364a ABGB, wird im Schrifttum überwiegend gebilligt, wobei jedoch eine Erörterung der Gegenposition zumeist unterblieb (vgl Eccher in KBB² § 364a Rz 2; Spielbüchler aaO § 364a Rz 4; Koziol, Haftpflichtrecht II² 329 [FN 2]; Koziol/Welser 13 I 287 f; Iro in Apathy, Bürgerliches Recht³ IV Rz 4/19; Moser, Umweltschutz als Aufgabe des Zivilrechts, ÖJZ 1974, 375 [377]; Jabornegg, GA ÖJT [1985] 63; E. Wagner, Die Betriebsanlage im zivilen Nachbarrecht [1997] 223; den Wegfall des Unterlassungsanspruchs bezweifelnd hingegen Oberhammer in Schwimann, ABGB³ II § 364a Rz 8).

Einige Autoren treten hingegen bei (Lärm-)Immissionen durch den Bau oder den Betrieb von Eisenbahnanlagen mit dem Hinweis auf den fehlenden Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren für die Gewährung des nachbarrechtlichen Unterlassungsanspruchs ein (Raschauer, Umweltschutzrecht [1989], 35 f und 199 f; ders, Anlagenrecht und Nachbarschutz aus verfassungsrechtlicher Sicht, ZfV 1999, 506 [518]; Gimpel-Hinteregger, Grundfragen der Umwelthaftung [1994] 289 und 303; Raschauer/Kerschner, RdU 1996/90 [Glosse zu VwGH 8. 11. 1995, 95/03/0017]; vgl auch Zeleny, Eisenbahnplanungs- und -baurecht [1994] 211 [FN 195]).

Schließlich vertritt der Verwaltungsgerichtshof zum Eisenbahngesetz 1957 in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass in eisenbahnrechtlichen Bauverfahren Einwendungen der Anrainer betreffend Lärm und andere Immissionen keine nach dem Eisenbahngesetz gewährleisteten und im Verwaltungsverfahren zu berücksichtigenden subjektiven öffentlichen Rechte betreffen und - allenfalls - auf zivilrechtlichem Weg, „etwa nach § 364a ABGB“, geltend zu machen sind (zuletzt etwa VwGH 28. 2. 2007, 2004/03/0064; vgl ferner die Nachweise bei Hauer, Nachbarschutz und Eisenbahnen [2002] 20 sowie bei Catharin/Gürtlich aaO 274 und 332; gegen diese Rechtsprechung Zeleny aaO 204; E. Wagner aaO 222).

4. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist für die Lösung des vorliegenden Falls eine eingehendere Auseinandersetzung mit den divergierenden Meinungen aber ebensowenig erforderlich, wie die Befassung mit der historischen Rechtslage und der in der Revisionsbeantwortung dazu aufgeworfenen Frage, ob die Rechtsvorgängerin des Klägers im eisenbahnrechtlichen Bewilligungsverfahren des Jahres 1954 berechtigt gewesen wäre, Einwendungen gegen das Bauvorhaben auch wegen zu erwartender Immissionen zu erheben. Selbst wenn nämlich Eisenbahnen tatsächlich nicht als behördlich genehmigte Anlagen iSd § 364a ABGB zu beurteilen wären, stünde dem Kläger unter den hier maßgeblichen Umständen der Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB nicht zu:

4.1 Schon in der Entscheidung SZ 54/158 wurden nachbarrechtliche Ansprüche wegen des durch den Betrieb eines Verschubbahnhofs verursachten Lärms mit der Begründung abgelehnt, Einwirkungen, die der Betrieb einer Eisenbahn üblicherweise mit sich bringe, gehörten zu den Umständen, die den Charakter der Landschaft formen und seien daher als ortsüblich anzusehen (vgl auch 7 Ob 361/97g = SZ 70/251). Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung weiters die Rechtsansicht, dass neu hinzukommende Nachbarn sich mit einer im Gebiet vorherrschenden Immission grundsätzlich abfinden müssen, zumal in immissionsbelasteten Gebieten auch die Grundstückspreise entsprechend niedriger sind (vgl 2 Ob 236/99s mwN; 1 Ob 190/05f; 6 Ob 51/07d; 6 Ob 65/09s; RIS-Justiz RS0112502; ähnlich bereits 4 Ob 579/95 = SZ 68/208).

Im Falle von gesundheitsschädlichen Immissionen wurde eine Duldungspflicht unter der Voraussetzung bejaht, dass die Duldung in Kenntnis der Gesundheitsschädlichkeit erfolgte. Dabei sei aber nicht subjektiv auf den Kenntnisstand des Käufers abzustellen, sondern darauf, ob einem durchschnittlich sorgfältigen Käufer die Gesundheitsschädlichkeit der vom Nachbargrundstück ausgehenden Immission erkennbar gewesen wäre. Der ohne Zweifel gegebene Vorrang der Gesundheit gegenüber den Vermögensinteressen könne nicht dazu führen, dass jemand, der sich in Kenntnis bzw Erkennbarkeit der Gesundheitsschädlichkeit von Immissionen ansiedle, deren Unterlassung begehren kann. Dem Kläger obliege es, zu behaupten und zu bescheinigen, dass auch einem durchschnittlich verständigen Käufer die Gesundheitsschädlichkeit nicht erkennbar gewesen sei (vgl 2 Ob 236/99s = RdU 2000/13 [krit Kerschner]; 2 Ob 7/00v; 2 Ob 162/02s; vgl auch Oberhammer aaO § 364 Rz 15). Die von Kerschner in der Entscheidung 2 Ob 236/99s (aaO) noch vermisste „dogmatische Begründung“ wurde in 2 Ob 7/00v unter (abermaligem) Hinweis auf J. W. Steiner (Zur Auslegung des Begriffs der Ortsüblichkeit in § 364 Abs 2 ABGB, JBl 1978, 133 [140]) dahin präzisiert, dass der Erwerber einer von Immissionen betroffenen Liegenschaft auf eigene Gefahr handle und deshalb jene Nachteile, die aus der Immission erfolgten, hinnehmen müsse.

Diese Grundsätze, an denen der erkennende Senat festhält, haben konsequenterweise auch dann zu gelten, wenn im Zeitpunkt des Liegenschaftserwerbs eine Zunahme der Immissionen objektiv bereits voraussehbar war (vgl 7 Ob 361/97g; RIS-Justiz RS0010672).

4.2 Der Kläger erwarb die dem Bahngrundstück benachbarte Liegenschaft samt Hotel im Jahr 2000, ein Jahr später wurde ihm die baubehördliche Bewilligung der Errichtung einer Ferienwohnanlage erteilt. Bei Erwerb der Liegenschaft war die von der benachbarten Eisenbahnanlage ausgehende Lärmimmission offenkundig. Im baubehördlichen Bewilligungsverfahren wurde sie sogar ausdrücklich thematisiert.

Der Kläger hat nun im erstinstanzlichen Verfahren zwar geltend gemacht, dass die Lärmimmissionen (erst) in den Jahren seit der letzten Bauverhandlung durch die vermehrte Inanspruchnahme der Bahnlinie Bleiburg-Villach ein unzumutbares und gesundheitsgefährdendes Ausmaß angenommen habe. Dass eine solche Entwicklung des Zugverkehrs auf einer Hochleistungsstrecke, also einer Eisenbahnstrecke, der schon kraft gesetzlicher Definition „eine besondere Bedeutung für einen leistungsfähigen Verkehr mit internationalen Verbindungen oder für den Nahverkehr“ zukommt (§ 1 Abs 1 Hochleistungsstreckengesetz [HlG]; vgl dazu VfGH 13. 12. 2007, V 87/06; ferner Hauer aaO 29), für einen durchschnittlich verständigen Liegenschaftserwerber nicht voraussehbar gewesen wäre, hat der Kläger aber - trotz konkreter Einwände der beklagten Partei - nicht einmal behauptet. Dies gilt insbesondere auch für die fehlende Voraussehbarkeit einer vermehrten Nutzung der Bahnlinie durch den Güterverkehr. Sein erstinstanzliches Argument, nur der typische oder „objektiv abschätzbare“ Verkehr sei zu dulden, bezog sich auf den Zeitpunkt der Bewilligung der Eisenbahnlinie (AS 51), der im gegebenen Zusammenhang aber ohne Bedeutung ist.

Dazu kommt, dass der Kläger gar nicht selbst auf der beeinträchtigten Liegenschaft wohnt, sondern dort (nur) eine Ferienwohnanlage unterhält. Bei ihm stehen somit weniger Aspekte der Gesundheit (vgl dazu auch Kerschner in Stolzlechner/Wendl/Bergthaler aaO Rz 277 5.11 und Rz 281 9.3, der in Fällen gesundheitsgefährdender Beeinträchtigungen die dem Schutz der Privatsphäre dienende Norm des § 16 ABGB als „richtige“ Anspruchsgrundlage sieht), als vielmehr reine Vermögensinteressen im Vordergrund. Dies bringt er in seinem erstinstanzlichen Vorbringen auch deutlich zum Ausdruck, wenn er den Verlust von Kunden wegen der Lärmimmissionen beklagt (AS 41 f).

Bei dieser Sachlage kann aber die Berufung auf eine gesundheitsgefährdende Lärmzunahme zur Begründung des Unterlassungsanspruchs nicht erfolgreich sein.

4.3 Dem Klagebegehren kommt daher schon aus den dargelegten Gründen keine Berechtigung zu. Es erübrigt sich demnach auch, auf die Rechtsmittelausführungen zur erstinstanzlichen Entscheidungsbegründung (Verzicht auf nachbarrechtliche Ansprüche) einzugehen. Der im Ergebnis geltend gemachte Feststellungsmangel liegt nicht vor. Bereits das Erstgericht hat - wenngleich im Zusammenhang mit dem von ihm angenommenen Verzicht - in seinem Urteil darauf hingewiesen, dass der Kläger zur fehlenden Vorhersehbarkeit der von ihm als unzumutbar beanstandeten Veränderungen kein ausreichendes Vorbringen erstattet hat. Eine allfällige Verletzung der Erörterungspflicht nach den §§ 182, 182a ZPO wurde in der Berufung nicht gerügt.

5. Der Revision des Klägers ist somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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