European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2009:0070OB00029.09D.1216.000
Spruch:
Die Revision und der am 27. 1. 2009 eingelangte Schriftsatz der klagenden Partei werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 742,27 EUR (darin 123,71 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch des Berufungsgerichts über die Zulassung der Revision nicht gebunden. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage, inwieweit in der Auszahlung eines Teilbetrags einer Garantie ein konkludentes Anerkenntnis des „Eintritts der Effektivklausel" zu erblicken sei, fehle; der Frage des Erklärungswerts einer solchen Teilzahlung komme Bedeutung über den Einzelfall [hinaus] zu. Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO werden mit dieser Zulassungsbegründung, auf die sich auch die Revision beruft, jedoch nicht aufgezeigt, weil das Berufungsgericht die angesprochene Problemstellung im Einklang mit der bereits vorliegenden Judikatur gelöst hat:
Zunächst ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach die Frage, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, nur dann eine erhebliche Rechtsfrage darstellt, wenn infolge einer Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936). Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt dann nicht vor, wenn (auch) die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Vertragsauslegung vertretbar ist (RIS‑Justiz RS0042936 [T3 und T17]; 6 Ob 105/05t).
Das gilt auch für die Beurteilung der in der Zulassungsbegründung angesprochenen Frage, ob eine konkludente Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt sie gegebenenfalls hat (RIS‑Justiz RS0042936 [T36]). Auch diese Beurteilung ist regelmäßig einzelfallbezogen und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0109021 [T3, T5 und T6]; RS0081754 [T5 und T6]; RS0043253 [T14, T17 und T18]; 4 Ob 173/08g; 7 Ob 140/09b).
Die im Rahmen eines Garantievertrags abgegebenen Erklärungen des Garanten unterliegen ebenfalls den Auslegungsregeln der §§ 914, 915 ABGB (stRsp; RIS‑Justiz RS0033002, RS0017670), sodass auch deren Interpretation regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen aufwirft (9 Ob 122/01h). Dies gilt ebenso für eine - wie hier - in der Bankgarantie enthaltene Effektivklausel (1 Ob 66/04v; RIS‑Justiz RS0017670 [T7, T8 und T10]; zu allem: 6 Ob 105/05t).
Ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entspricht es weiters, dass bei einer Effektivklausel, wonach die Haftung der Bank mit dem Tag der Einzahlung eines bestimmten Betrags auf ein bestimmtes Konto beginnt, der Begünstigte entweder den genannten Betrag auf das angeführte Konto einzuzahlen oder - bei einer Überzahlung oder einer Zahlung in Teilbeträgen - jedenfalls eine klarstellende Widmung vorzunehmen hat, um nicht nur dem Garantieauftraggeber, sondern vor allem auch der Garantiebank eine sofortige sichere Zuordnung der Zahlung zu ermöglichen (RIS‑Justiz RS0102239).
Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der vorliegenden Garantieerklärung, die unstrittig „unter der Bedingung, dass der für genanntes Objekt vereinbarte Rücklass ... bei Erhalt dieses Schreibens zugunsten des Geschäftsfalls auf das Konto des Auftragnehmers zur Auszahlung gelangt," abgegeben wurde, hält sich im Rahmen dieser von der Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätze. Eine unvertretbare Fehlbeurteilung zeigt die Klägerin nicht auf:
Die Revision bekämpft die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass aus der teilweisen Auszahlung der Bankgarantie kein konkludentes Anerkenntnis des Bedingungseintritts abzuleiten sei (weil auch andere Ursachen für die Auszahlung [die Effektivklausel wird zB übersehen und daher kein Nachweis verlangt] in Betracht kämen); die Klägerin beruft sich aber - zu Recht - nicht darauf, dass damit ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt worden sei. Eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird also - wie bereits ausgeführt - gar nicht geltend gemacht. Vielmehr erkennt die Revisionswerberin selbst, dass in der vorliegenden Garantieerklärung die Garantie für einen Haftrücklass ausgestellt und die Zahlung des Garanten von bestimmt bezeichneten Tatsachen abhängig gemacht (Effektivklausel) wurde; die Klägerin als Begünstigte hätte die (eine Effektivklausel enthaltende) Bankgarantie daher „geradezu pedantisch und wortgetreu dem Wortlaut der Klausel gemäß abrufen" müssen und innerhalb der Abruffrist den Beweis, mindestens aber sichere Anhaltspunkte für den Eintritt der in der Garantieerklärung enthaltenen Voraussetzungen zu erbringen gehabt (stRsp; RIS‑Justiz RS0017013; 9 Ob 24/08g mwN).
Diesen Vorgaben ist das Berufungsgericht gefolgt, wenn es den Standpunkt vertrat, die Beklagte sei - trotz der bereits erfolgten Auszahlung eines Teilbetrags aus der Garantie - berechtigt gewesen, bei der Abrufung des zweiten Teilbetrags, Aufklärung über den Eintritt der in der Garantie enthaltenen Voraussetzungen zu verlangen. Dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu diesem konkreten Sachverhalt fehlt, bedeutet keineswegs, dass die Entscheidung von der Lösung einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Frage abhängt (RIS‑Justiz RS0102181; 7 Ob 157/09b; 7 Ob 43/09p; 7 Ob 5/09z mwN; vgl auch: RS0110702).
Das Berufungsgericht hat die Klage deshalb abgewiesen, weil die Klägerin in erster Instanz nicht einmal behauptete, sie habe gegenüber der Beklagten bis zum Ablauf der Garantiefrist auch nur schlüssig dargelegt, dass die vereinbarte Garantiebedingung (Effektivklausel) erfüllt wäre, obwohl sie jedenfalls gehalten gewesen wäre, bei Abruf der Bankgarantie zumindest auf diesen Umstand hinzuweisen oder darzutun, dass ein Haftrücklass aufgrund der geleisteten Zahlungen nicht mehr in ihren Händen sei.
Wenn sich die Klägerin demgegenüber (nunmehr) auf „nicht getroffene", in der Revision „begehrte" Feststellungen zur Kenntnis der Beklagten vom Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen (im Sinn der unterbliebenen Einbehaltung des Haftrücklasses) beruft, verstößt sie zum einen gegen das Neuerungsverbot, weil dazu in erster Instanz kein Vorbringen erstattet wurde; zum anderen entfernen sich die Revisionsausführungen hier von den Feststellungen der Tatsacheninstanzen, wonach die Beklagte „offenbar" nicht über die vollständige Zahlung des Rechnungsbetrags informiert war, weil bei der Ausstellung der Garantie kein gesondertes Gespräch geführt und auch eine Standardformulierung verwendet wurde (Seite 7 des Ersturteils).
Die Revision ist daher - mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO - zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Zurückzuweisen ist aber auch die - gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels verstoßende - nachträgliche Urkundenvorlage der Klägerin; jeder Partei steht nämlich nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zu. Weitere Rechtsmittelschriften und Rechtsmittelgegenschriften, Nachträge oder Ergänzungen sind unzulässig (RIS‑Justiz RS0041666; 5 Ob 134/09f).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 41 und 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)