OGH 6Ob53/08z

OGH6Ob53/08z8.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.‑Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem am ***** verstorbenen KR Karl R*****, zuletzt wohnhaft *****, vertreten durch die erbserklärte Erbin Anneliese R*****, ebendort, diese vertreten durch Dr. Hansjörg Schweinester, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Dr. Rudolf S*****, vertreten durch Dr. Johann Lutz, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Herausgabe eines Sparbuchs (Streitwert 100.000 EUR sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. Jänner 2008, GZ 4 R 246/07v‑39, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 4. Juli 2007, GZ 57 Cg 24/07a‑20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Über Wunsch des Erblassers folgte ihm Notar Dr. Hans Peter Zobl am 19. 12. 2005 das bei ihm hinterlegte Sparbuch mit einem Einlagestand von 100.000 EUR aus. Im Dezember 2005 vor Weihnachten übergab der Erblasser dem Beklagten dieses Sparbuch. Der Beklagte verwahrte das Sparbuch zunächst bei sich. Am 7. 9. 2006 übergab er das Sparbuch Notar Dr. Hans Peter Zobl zur Verwahrung mit dem Auftrag, dieses an ihn selbst nach dem Ableben des Erblassers gegen Vorlage einer Sterbeurkunde auszufolgen.

Die klagende Partei begehrt die Herausgabe des Sparbuchs.

Der Beklagte wendet ein, der Erblasser habe ihm das Sparbuch geschenkt. Die Schenkung sei unter der Auflage erfolgt, dass der Beklagte das Sparbuch erst nach dem Ableben des Erblasser realisieren könne.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Dabei ging es im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Bei dem Sparbuch handelt es sich um ein „Typ 2‑Sparbuch". Dies bedeutet, dass es auf den Namen des Einlegers oder auf die Bezeichnung „Nummernsparbuch" lautet. Ein Losungswort wurde nicht vereinbart.

Nicht festgestellt werden konnte, was zwischen dem Erblasser und dem Beklagten im Zuge der Übergabe des Sparbuchs im Dezember 2005 besprochen wurde, insbesondere nicht, was der Erblasser zum Beklagten im Zusammenhang mit diesem Sparbuch gesagt hat und welche Absichten der Erblasser hatte.

Bei der Übergabe des Sparbuchs am 7. 9. 2006 durch den Beklagten an Notar Dr. Hans Peter Zobl erklärte der Beklagte, der Erblasser habe ihm die Einlage im Dezember 2005 geschenkt und übergeben mit der Auflage, die Behebung und Umschreibung der Spareinlage erst nach seinem Ableben vorzunehmen.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Erklärung des Erblasser, der Beklagte solle das Sparbuch erst nach seinem Tod realisieren, stelle eine Befristung dar, weshalb der Beklagte trotz der Übergabe des Sparbuchs keine uneingeschränkte Verfügungsmacht darüber bekommen habe. Eine Schenkung durch „wirkliche Übergabe" liege sohin nicht vor. Eine Schenkung auf dem Todesfall sei schon mangels Errichtung eines Notariatsakts nicht wirksam zustande gekommen.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Nach Durchführung einer Beweiswiederholung traf es folgende Feststellung:

Anlässlich der Überreichung des Sparbuchs im Dezember 2005 an den Beklagten sagte der Erblasser, dies sei der Erbteil des Beklagten, weil er ja auch immer für ihn da gewesen sei. Er wolle dem Beklagten das Sparbuch jetzt geben. Das Sparbuch sei aber bis zum Tod des Erblassers mit einer Bankklausel gesperrt, das Guthaben sei aber bei Vorlage der Sterbeurkunde auszahlbar. Dabei handelte der Erblasser in Schenkungsabsicht. Der Beklagte hat das Sparbuch als Schenkung dankend angenommen.

Rechtlich würdigte das Berufungsgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass ein Überbringersparbuch nach sachenrechtlichen Regeln übertragen und verpfändet werden könne (7 Ob 128/04f). Nichts anderes gelte für ein auf Namen lautendes Sparbuch (RIS‑Justiz RS0011178). Der Erblasser habe dem Beklagten das Sparbuch mit Schenkungsabsicht übergeben; der Beklagte habe die Schenkung erkennbar angenommen. Dadurch sei der Beklagte Eigentümer des Sparbuchs geworden (§§ 426, 938 ABGB). Daran ändere auch nichts, dass das Sparbuch bis zum Tod des Geschenkgebers gesperrt gewesen sei. Der Beklagte habe nämlich ab dem Zeitpunkt der Übergabe des Sparbuchs schon insofern über dieses verfügen können, als er das Eigentumsrecht daran an Dritte übertragen oder das Sparbuch beispielsweise als Pfand hätte verwenden können. Selbst wenn der Erblasser dem Beklagten gesagt hätte, er dürfe über die Einlage erst ab dem Tod des Geschenkgebers verfügen, ändere dies nichts an einer wirksamen Schenkung. In der Entscheidung 8 Ob 22/07d habe der Oberste Gerichtshof bei vergleichbarem Sachverhalt eine wirksame Schenkung durch Übergabe eines Sparbuchs angenommen. Dass sich der Erblasser die freie Verfügung über das Sparbuch vorbehalten hätte oder dass eine widerrufliche Abrede dahin, dass das Sparbuch erst beim Tod des Erblassers Eigentum des Beklagten werden sollte, getroffen worden wäre, habe die klagende Partei nicht behauptet. Es liege daher kein Tatbestand vor, der die Einhaltung einer Formvorschrift erfordert hätte. Ebenso wenig stünden die Identifizierungsvorschriften des BWG der wirksamen Schenkung entgegen (RIS‑Justiz RS0122364).

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil sich das Berufungsgericht auf eine nunmehr einheitliche Judikatur des Obersten Gerichtshofs stützen habe können. Im Übrigen sei die Entscheidung auf den Einzelfall zugeschnitten und weitgehend von Tatsachenfragen abhängig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Interesse der Rechtssicherheit zulässig; sie ist im Sinne des jedem Abänderungsantrag innewohnenden Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass für eine Schenkung auf den Todesfall das Formerfordernis des Notariatsakts nicht erfüllt ist. Die Übergabe des Sparbuchs würde nur dann eine Schenkung im Sinne des § 943 ABGB darstellen, wenn es sich dabei um eine „wirkliche Übergabe" handeln würde. Nach herrschender Rechtsprechung wird ein mit Losungswort versehenes Sparbuch durch Übergabe und Mitteilung des Losungsworts ins Eigentum des Übernehmers übertragen. Die schenkungsweise Zession einer Forderung bedarf der Form eines Notariatsakts gemäß § 1 Abs 1 lit d Notariatsaktsgesetz dann nicht, wenn eine wirkliche Übergabe im Sinne des § 427 ABGB stattgefunden hat (JB 142 alt; SZ 39/140). Ein mit Losungswort versehenes Sparbuch wird daher grundsätzlich durch Übergabe und Mitteilung des Losungsworts ins Eigentum des Übernehmers übertragen (7 Ob 579/92 = wbl 1993, 95; 1 Ob 39/97k; 6 Ob 56/99z; 2 Ob 47/03f; RIS‑Justiz RS0011186; 8 Ob 22/07d; RIS‑Justiz RS0011168).

2.1. Zuletzt hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 22/07d ausgesprochen, dass die Identifizierungspflicht nach dem BWG für die Beurteilung der Frage, ob die Schenkung eines Sparbuchs wirksam zustande gekommen ist, keine Rolle spielt. Die - aufsichtsrechtlichen - Regelungen des § 32 Abs 4 Z 2 BWG sowie des § 40 BWG dienten der Umsetzung der Geldwäscherichtlinie 91/308/EWG in der Fassung Richtlinie 2001/97/EG sowie der Empfehlungen der Financial Action Task Force (FATF), somit der Bekämpfung der Geldwäsche und der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung. Die Identifizierung und Dokumentation des Kunden diene diesem Zweck (8 Ob 22/07d mwN; 9 Ob 108/06g). Hingegen verstehe sich die Regelung des § 32 Abs 4 Z 2 BWG nicht als ein Übertragungsverbot (9 Ob 108/06g).

2.2. Dieser Auffassung schloss sich der Oberste Gerichtshof in einer weiteren Entscheidung ausdrücklich an (9 Ob 108/06g; vgl auch 10 Ob 61/07d); sie wurde auch von der Lehre gebilligt (Artmann, Entscheidungsanmerkung zu 8 Ob 22/07d, 9 Ob 108/06g und 10 Ob 61/07d, ÖBA 2008, 214 [215]; Dullinger/Nußbaumer, Entscheidungsanmerkung zu 7 Ob 65/06v, JBl 2007, 179 [181]; Hegen, Zur rechtsgültigen Schenkung von Typ‑2‑Sparbüchern - Die Konsequenzen für die Bankenpraxis im Spareinlagengeschäft, ZFR 2007/66).

3. In der Entscheidung 8 Ob 22/07d verwarf der Oberste Gerichtshof den Einwand, mangels Auszahlung des nicht identifizierten Sparbuchs sei dem Beschenkten noch nicht der unmittelbare Zugriff auf den Gegenstand der Schenkung ermöglicht worden, mit der Begründung, dass die Klägerin ungeachtet der vorgeschriebenen Identifizierung bei Vorlage der Sparbücher durch die Übergabe derselben und Mitteilung des Losungsworts sehr wohl in die Lage versetzt worden sei, über das Sparbuch zu verfügen. Der Umstand, dass die Gläubigerbank - offensichtlich aufgrund eines unzutreffenden Verständnisses des § 32 Abs 4 Z 2 BWG - die Auszahlung der Sparguthaben an die Klägerin infolge Zweifel an ihrer materiellen Berechtigung verweigerte, könne dem Umstand, dass hier eine wirksame Schenkung vorliege, keinen Abbruch tun (8 Ob 22/07d = EvBl 2007/144 = Zak 2007/483; dazu auch Rieder/Sloboda, Zak 2007, 303).

4.1. Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt nun allerdings darin, dass durch die vom Erblasser verfügte „Banksperre", die eine Auszahlung des Sparbuchs erst an die Vorlage einer Sterbeurkunde knüpfte, die bloße Übergabe des Sparbuchs und Nennung des Losungsworts dem Empfänger gerade keine unmittelbare Verfügung über das Sparguthaben ermöglichte. Zu dieser „Banksperre" fehlen jedoch nähere Feststellungen. Weil es sich bei einer „Banksperre" im vorliegenden Zusammenhang nicht um ein standardisiertes Institut handelt, sind Geltungsgrund und Inhalt dieser „Sperre" nicht eindeutig. Zu klären ist, ob es sich dabei um einen einseitigen Auftrag des Erblassers oder eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem Erblasser und der Bank handelte und ob und unter welchen Voraussetzungen diese Sperre gegebenenfalls wieder aufgehoben hätte werden können.

4.2. Die zitierten Entscheidungen, nach denen die Übergabe des Sparbuchs und gegebenenfalls Mitteilung des Losungsworts ausreicht, sind nämlich vor dem Hintergrund der üblichen Konstellation zu verstehen, dass damit dem Empfänger die Verfügung über das Sparguthaben ermöglicht wird, sodass diese Vorgangsweise eine „wirkliche Übergabe" im Sinne des § 943 ABGB darstellt. Die hier verfügte „Banksperre" unterscheidet sich aber von einer zeitlichen Bindung des Sparbuchs, weil sie - im Gegensatz zur Bindung - auch keine vorherige Auflösung allenfalls unter Verlust bestimmter in Anspruch genommener Zinsenvorteile ermöglicht (vgl § 32 Abs 8 BWG), sondern offenbar der Auszahlung schlechthin entgegensteht.

4.3. Im Hinblick auf diese Besonderheit könnte eine wirkliche Übergabe im Sinne des § 943 ABGB nur dann vorliegen, wenn der Erblasser sich mit der Übergabe jeder Dispositionsmöglichkeit über das Sparbuch begeben hätte und auch keine Möglichkeit mehr gehabt hätte, durch eine allfällige Rücknahme der Sperre die beim Sparbuch bestehenden Dispositionsmöglichkeiten zu beeinflussen. Diesbezüglich sind jedoch noch nähere Feststellungen erforderlich. Sollte die „Banksperre" demgegenüber noch einer nachträglichen, von der Vorlage des Sparbuchs allenfalls sogar unabhängigen Disposition des Erblassers unterlegen sein, so hätte er mit der bloßen Übergabe des Sparbuchs eine Konstruktion gewählt, bei der er zwar sich selbst der Behebungsmöglichkeit begab, aber dem Empfänger gerade nicht die gesamte dem Erblasser zustehende Rechtsposition übertrug, sondern erst mit seinem Tod die Verfügung über das Sparguthaben ermöglichen sollte. Dies wäre für eine „wirkliche Übergabe" im Sinne des § 943 ABGB aber nicht ausreichend. Bei einer derartigen Konstellation könnte die Übergabe allein die damit auch verbundene Warnfunktion zum Schutz vor Übereilung nicht erfüllen. Vielmehr hätte dann der Erblasser seinen Willen in einem Notariatsakt gemäß § 943 ABGB iVm § 1 Notariatsaktsgesetz dokumentieren müssen.

4.4. Die bloße Übergabe als solche ist jedenfalls noch nicht aussagekräftig, weil sie zur Erfüllung verschiedenster Rechtsgeschäfte (Verwahrung, Leihe, Prekarium, Miete, Schenkung ua) erfolgen kann und über ihren Zweck für sich allein nichts aussagt (5 Ob 521/85). Muss aber erst auf eine hinzutretende Erklärung des Erblassers zurückgegriffen werden, kann durch die Übergabe als solche der Beweiszweck nicht erreicht sein (5 Ob 521/85).

5. In Stattgebung der Revision war daher das angefochtene Urteil aufzuheben und dem Berufungsgericht die Verfahrensergänzung aufzutragen. Die Vornahme der Verfahrensergänzung durch das Berufungsgericht erschien im Sinne des § 496 Abs 3 ZPO zweckmäßig, zumal das Berufungsgericht ohnehin bereits eine (teilweise) Beweiswiederholung durchgeführt hat und daher auf deren Ergebnisse zurückgreifen kann.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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