OGH 7Ob65/06v

OGH7Ob65/06v21.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache von Markus M*****, geboren am *****, über den Revisionsrekurs des Sachwalters Dr. Martin G*****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 23. Dezember 2005, GZ 52 R 130/05g-89, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Schwaz vom 28. November 2005, GZ 1 P 98/01b-86, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben wie folgt:

„Die Einbringung der Klagen gegen die R***** reg GenmbH wegen EUR

34.400 sA und gegen die S***** S***** wegen EUR 14.873 sA wird pflegschaftsbehördlich genehmigt."

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 6. Dezember 2001 wurde Mario S***** zum Sachwalter für alle Angelegenheiten für den Betroffenen bestellt. Der Betroffene ist der Sohn von Maria M*****, die im Mai 2001 einen Schlaganfall erlitt und seit 8. August 2001 ohne Unterbrechung in einem Heim untergebracht war. Nach einem weiteren Schlaganfall am 11. September 2001 befand sie sich bis zu ihrem Ableben in einem komatösen Zustand bei völliger Unfähigkeit zu einer sprachlichen Äußerung. Der Betroffene ist Alleinerbe nach seiner am 17. November 2004 verstorbenen Mutter.

Mit Beschluss vom 26. März 2004 wurde Dr. Martin G***** zum Sachwalter für den Betroffenen gemäß § 273 ABGB zur Besorgung aller Angelegenheiten bestellt.

Aus den Klagserzählungen ergibt sich Folgendes:

Maria M***** hatte bei der R***** reg GenmbH zwei auf sie legitimierte Sparbücher lautend auf Überbringer, gebunden mit Losungswort. Von beiden Sparbüchern, die einen Einlagestand von je über EUR 15.000 hatten, hob Mario S***** diverse Beträge ab, wobei er sich unter Vorlage seines Führerscheins als „Bote für Maria M*****" auswies.

Der Betroffene selbst verfügt über ein auf ihn legitimiertes Sparbuch bei der S***** S*****, über das nur mit gerichtlicher Genehmigung verfügt werden durfte. Obwohl dem Sachwalter Mario S***** mehrfach mit gerichtlichem Beschluss die Auszahlung eines bestimmten Betrages bewilligt wurde, behob er in der Folge ohne gerichtliche Freigabe diverse Beträge.

Auch die Mutter des Betroffenen Maria M***** verfügte über ein auf sie legitimiertes Sparbuch bei der S***** S*****. Maria M***** und der Betroffene unterfertigten ein Unterschriftenblatt und waren seither nur gegen Unterschriftsleistung über das Sparbuch verfügungsberechtigt. Auch dieses Sparbuch wies einen EUR 15.000 übersteigenden Guthabensstand auf. Dennoch bezahlte die S***** S***** an Mario S***** diverse Beträge aus, nachdem er einige Auszahlungsbelege selbst unterfertigte. Einige Auszahlungen erfolgten aufgrund von vom Betroffenen selbst unterfertigten Auszahlungsbelegen.

Der Sachwalter beantragt nun die Bewilligung einer Klage gegen die R***** reg GenmbH wegen EUR 34.400 sA und einer Klage gegen die S***** S***** wegen EUR 14.873 sA wegen unberechtigter Auszahlungen aus den genannten Sparbüchern unter Nennung der Losungsworte. Einerseits stützt er die Begehren auf Schadenersatz, andererseits darauf, dass die Auszahlungen an den wegen Betrugs strafgerichtlich verurteilten Mario S***** nicht mit schuldbefreiender Wirkung erfolgt seien.

Das Erstgericht genehmigte die beiden Klagen nicht. Bei Sparbüchern handle es sich um Inhaberpapiere, bei dessen Vorlage zwecks Auszahlung von Beträgen die Banken nicht verpflichtet seien, das Recht des Vorlegers zu überprüfen. Den auszahlenden Banken habe nicht bekannt sein müssen, dass es sich bei Mario S***** um einen Betrüger gehandelt habe. Es erscheine daher fraglich, ob ein rechtswidriges und schuldhaftes Handeln der Banken nachgewiesen werden könne. Die Prozessführung erscheine äußerst riskant und es bestehe die große Gefahr, dass der Betroffene mit erheblichen Prozesskosten belastet werde.

Das Rekursgericht bestätigte den angefochtenen Beschluss. Es vertrat die Rechtsansicht, dass die Banken nach § 32 Abs 4 Z 2 BWG bei Spareinlagen, deren Guthabensstand mindestens EUR 15.000 betrage, nur an den gemäß § 40 Abs 1 identifizierten Kunden hätten auszahlen dürfen. Es teilte aber die Bedenken des Erstgerichtes, dass nicht abschätzbar sei, ob den Geldinstituten ein schuldhaftes Verhalten nachgewiesen werden könne. Die Erfolgsaussichten, die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Rechtsverfolgung seien sehr zweifelhaft.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 32 Abs 4 Z 2 BWG nicht vorliege. Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Sachwalters mit einem Abänderungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist auch berechtigt. Der Sachwalter muss die Klagsführung des Betroffenen gemäß § 154 Abs 3 ABGB genehmigen lassen (§§ 228, 282 ABGB). Der zur Genehmigung der Klage berufene Richter hat sich über den für die Prozessführung bedeutsamen Sachverhalt einen Überblick zu verschaffen, soweit dies mit den Mitteln des Außerstreitverfahrens möglich ist. Hiebei sind die Erfolgschancen nicht unter Vorwegnahme des über die Klage abzuführenden streitigen Verfahrens zu prüfen. Eine abschließende Beurteilung der Tat- und der Rechtsfrage ist nicht vorgesehen (5 Ob 212/04v, RIS-Justiz RS0022006, RS0048156, RS0108029). Es ist also zu prüfen, ob die Klagsführung im wohlverstandenen Interesse des Betroffenen liegt (RIS-Justiz RS0048156).

Unbeschadet eines Verfügungsvorbehalts gemäß § 31 Abs 3 (Losungswort) und unbeschadet § 40 Abs 1 Z 4 BWG (Identitätsfeststellung eines Kunden bei Einzahlung oder Auszahlung, wenn der ein- oder auszuzahlende Betrag mindestens EUR 15.000 oder Eurogegenwert beträgt) darf das Kreditinstitut gegen Vorlage der Sparurkunde bei einer Spareinlage, deren Guthabensstand mindestens EUR 15.000 oder Eurogegenwert beträgt, nur an den gemäß § 40 Abs 1 BWG identifizierten Kunden ausbezahlen (§ 32 Abs 4 Z 2 BWG). Nach dem Wortlaut des Gesetzes darf also nur an den identifizierten Kunden selbst ausbezahlt werden (vgl Bericht des Finanzausschusses 157 Beil XXI GP, 3; Roth, Die Rechtsnatur des Sparbuchs nach neuem Recht in ÖBA 2001, 295). Bei der vor der Klagsgenehmigung vorzunehmenden Vorwegprüfung im dargelegten Sinn ist daher davon auszugehen, dass das Kreditinstitut bei einem Guthabensstand von über EUR 15.000 bei Vorlage des Sparbuches nur an den nach § 40 Abs 1 identifizierten Kunden mit schuldbefreiender Wirkung zahlen kann. Hat die R***** reg GenmbH von den auf Maria M***** identifizierten Sparbüchern Nr ***** mit einem Guthabensstand von EUR 47.085,76 und Nr ***** mit einem Guthabensstand von EUR 77.758,10 Beträge an Mario S***** ausgezahlt, wie in der vorbereiteten Klage behauptet wird, so hatte dies keine schuldbefreiende Wirkung. Daran ändert sich auch nichts, wenn sich Mario S***** nach der Klagserzählung als „Bote" für die ohnehin geschäftsunfähige Maria M***** bezeichnet hat, weil eben nur an den identifizierten Kunden selbst ausbezahlt werden darf und eine Vertretungsvollmacht des Mario S***** nicht vorlag. Nach dem Klagsvorbringen erscheint daher eine Prozessführung des Betroffenen als Erbe von Maria M***** im Sinne der oben dargelegten Kriterien durchaus als zweckmäßig und im Wohl des Betroffenen gelegen. Die Klage ist nachvollziehbar und schlüssig, sodass sie zu genehmigen war. Unklar ist nach dem vorgelegten Teilakt nur, warum nicht auch die Auszahlungen vom 13. 2. 2003 über EUR 575 und vom 14. 2. 2003 über EUR 2.420 vom Sparbuch Nr ***** begehrt werden. Da das Pflegschaftsgericht die Interessen des Betroffenen wahren und sogar allenfalls Weisungen an den Sachwalter erteilen muss (RIS-Justiz RS0005755), wird das Erstgericht mit dem Sachwalter zu erörtern haben, warum er nicht auch diese Auszahlungen der Klage zugrundelegte. Sollten hiefür keine relevanten Gründe bestehen, wäre mit dem Sachwalter eine Klagsausdehnung zu erörtern. Was die Klagsführung gegen die S***** S***** anlangt, so fordert das der Klage zurgundeliegende auf Maria M***** legitimierte Sparbuch Nr ***** eine differenziertere Betrachtungsweise. Verfügungsberechtigt war nach der Klagserzählung nur Maria M***** selbst oder der Kläger jeweils durch Unterschriftsleistung. Die Auszahlungen, die aufgrund eines von Mario S***** selbst unterfertigten Auszahlungsbeleges erfolgten, wurden nach der Klagserzählung wieder zu Unrecht an einen Nichtberechtigten geleistet, sodass nicht mit schuldbefreiender Wirkung gezahlt wurde, was der Betroffene als Alleinerbe von Maria M***** geltend machen kann. Soweit Beträge aufgrund von Auszahlungsbelegen beglichen wurden, die der Betroffene selbst unterfertigte und die Mario S***** als dessen Sachwalter behob, wird die Klage auf den Titel des Schadenersatzes gestützt. Nur zur Darlegung der Kenntnis der Angestellten der S***** S***** von den näheren Lebensverhältnissen von Maria M***** und dem Betroffenen wurde auf die Umstände der Behebungen von dem auf den Betroffenen legitimierten Sparbuch Nr ***** verwiesen, bei dem die S***** S***** entgegen der verfügten Sperre zur Sicherung des Vermögens im Sinn der §§ 282, 222 ABGB iVm § 193 Abs 2 AußStrG ohne pflegschaftsbehördliche Freigabe an Mario S***** auszahlte. Diese Beträge hat die S***** S***** bereits an den Sachwalter zurück bezahlt (ON 70). Die Erfolgschancen, dass sich aufgrund des Beweisverfahrens und der daraus anschließenden rechtlichen Beurteilung ergibt, dass den Angestellten der S***** S***** aufgrund der Kenntnis der gesamten Vorgeschichte ein Verschulden anzulasten ist, wenn sie ohne weitere Nachforschungen und Aufklärungen Auszahlungen an Mario S***** vornehmen, sind gegeben. Eine abschließende Beurteilung kann in diesem Verfahren - wie oben dargelegt - nicht vorgenommen werden. Die Klagsführung ist im wohlverstandenen Interesse des Betroffenen.

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