OGH 5Ob272/07x

OGH5Ob272/07x1.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen

I. der klagenden Parteien 1. Maijken Hofmann, Pensionistin, 2. Anna Lokrantz, Angestellte, 3. Maria Müller, Angestellte, 4. Andreas Müller‑Hofmann, Angestellter und 5. Lena Müller‑Hofmann, Angestellte, alle Arsenalsgatan 4, 11147 Stockholm, Schweden, alle vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, und

II. der klagenden Parteien 1. George Bentley, Kaufmann, 2600 Lunada Lane, 94507‑1023 Alamo, USA, 2. Trevor Mantle, Angestellter, 1431 W. 534d Avenue, V7P 1L1, Vancouver, BC, Kanada, beide vertreten durch Dr. Stefan Gulner, Rechtsanwalt in Wien,

gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17‑19, 1010 Wien,

und der Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei 1. o. Univ.‑Prof. Dr. Peter Rummel, Hochschullehrer, Johannes‑Kepler Universität Linz, Rechtswissenschaftliche Fakultät, 4040 Linz, Altenbergerstraße 69, 2. o. Univ.‑Prof. Dr. Walter Rechberger, Hochschullehrer, Universität Wien, Rechtswissenschaftliche Fakultät, 1010 Wien, Schottenbastei 10‑16, und 3. Dr. Andreas Nödl, Rechtsanwalt, Salztorgasse 2, 1010 Wien, alle vertreten durch Spohn, Richter & Partner, Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Aufhebung eines Schiedsspruchs, über die außerordentlichen Revisionen sämtlicher Kläger gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 8. Oktober 2007, GZ 14 R 83/07i‑21, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0050OB00272.07X.0401.000

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden zurückgewiesen.

 

 

Begründung:

 

Das Gemälde „Amalie Zuckerkandl" von Gustav Klimt steht im Eigentum der beklagten Partei und befindet sich in der Österreichischen Galerie im Schloss Belvedere. Die beklagte Partei wurde durch Schenkung von Dr. Viktoria Künstler am 17. 3. 1988 Eigentümerin dieses Gemäldes.

Am 13. März 1938 stand dieses Gemälde im Eigentum von Ferdinand Bloch‑Bauer und befand sich in seinem Haus Elisabethstraße 18 in 1010 Wien und verblieb dort jedenfalls bis 28. Jänner 1939.

Danach gelangte das Bild in den Besitz der Familie Zuckerkandl/Müller‑Hofmann. Die näheren Umstände dieses Besitzwechsels blieben ungeklärt. Durch Verkauf um 1.600 RM gelangte das Bild noch während der NS‑Zeit an die Galeristin Dr. Viktoria Künstler. Diese wiederum schenkte es, wie oben ausgeführt, 1988 der Republik Österreich.

Das verfahrensgegenständliche Gemälde war bis zum Inkrafttreten des KunstrückgabeG 1998 niemals Gegenstand eines Rückstellungsverfahrens.

Die Klägerinnen und Kläger der Gruppe Müller‑Hofmann (Gruppe I) sind Rechtsnachfolger der porträtierten Amalie Zuckerkandl bzw deren Tochter Hermine Müller‑Hofmann. Die Klägerinnen und Kläger der Gruppe Altmann (Gruppe II) sind Erben nach Ferdinand Bloch‑Bauer. Alle erhoben nach Inkrafttreten des KunstrückgabeG 1998 gegen die Republik Österreich Ansprüche auf Rückgabe des Klimt‑Bildes.

Nach einer die Rückgabevoraussetzungen verneinenden Entscheidung des in § 3 KunstrückgabeG vorgesehenen Beirats, den die zuständigen Minister vor Übereignung anzuhören haben (§ 2 Abs 2 KunstrückgabeG), schlossen die Altmann‑Gruppe und DDr. Nelly Auersberg im Mai 2005 mit der Republik Österreich einen Schiedsvertrag, worin sie vereinbarten, dass ein Schiedsgericht über die Fragen entscheiden solle, ob hinsichtlich des Gemäldes „Amalie Zuckerkandl" die Voraussetzungen für eine Rückgabe ohne Bezahlung gemäß § 1 KunstrückgabeG erfüllt sind und bejahendenfalls, ob das Gemälde an die Erben von Ferdinand Bloch‑Bauer oder an jene von Amalie Zuckerkandl zurückgegeben werden soll. Als Schiedsrichter bestimmten die Altmann‑Gruppe und DDr. Auersberg den dritten Nebenintervenienten, die beklagte Partei den zweiten Nebenintervenienten, diese beiden einigten sich auf den ersten Nebenintervenienten als weiteren Schiedsrichter.

Ebenfalls im Mai 2005 schlossen die Parteien dieses bezeichneten Schiedsvertrags mit den Mitgliedern der Familie Müller‑Hofmann eine Beitrittsvereinbarung („joinder agreement"), wonach der Familie Müller‑Hofmann sämtliche Vorteile und Verpflichtungen aus dem Schiedsvertrag hinsichtlich des Gemäldes „Amalie Zuckerkandl" zukommen sollten. Die Familie Müller‑Hofmann verpflichtete sich, die Entscheidung des Schiedsgerichts anzuerkennen. Auf diese Beitrittsvereinbarung wurde auch im Schiedsvertrag Bezug genommen und festgehalten, dass deren Abschluss und insbesondere die Bereitschaft der Familie Müller‑Hofmann, das Ergebnis des Schiedsverfahrens als verbindlich zu akzeptieren, Bedingung für die Zustimmung der Parteien zum Schiedsvertrag sei.

Beide Klägergruppen erhoben daraufhin die Schiedsklage an das mit dem Schiedsvertrag konstituierte Schiedsgericht. Mit Schiedsspruch vom 7. 5. 2006 wies das Schiedsgericht beide Klagen ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 1 KunstrückgabeG für eine unentgeltliche Rückgabe des Bildes „Amalie Zuckerkandl" an die Erben von Ferdinand Bloch‑Bauer oder an die Familie Müller‑Hofmann nicht erfüllt seien.

Der Schiedsspruch enthält keine gesondert ausgewiesenen Sachverhaltsfeststellungen, sondern unter der Überschrift „Rechtliche Beurteilung" zusammengefasste Überlegungen zur Beweiswürdigung und deren Ergebnis sowie eine rechtliche Beurteilung dieser Umstände.

Danach ist das Schiedsgericht davon ausgegangen, dass das Bildnis „Amalie Zuckerkandl" über Veranlassung von Ferdinand Bloch‑Bauer nach dessen durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich verursachten Flucht ins Ausland von dem von den Nationalsozialisten eingesetzten Vermögensverwalter Dr. Führer ohne Gegenleistung an Hermine Müller‑Hofmann (eine Tochter der Amalie Zuckerkandl) herausgegeben wurde. Ursprünglich war das Bild nämlich im Eigentum der Familie Zuckerkandl gestanden und war von Herrn Bloch‑Bauer vor dem März 1938 von dieser gekauft worden.

Eine auf dem Weg über Müller‑Hofmann durch den Vermögensverwalter Dr. Führer vorgenommene Veräußerung an Dr. Viktoria Künstler hielt das Schiedsgericht nicht für erwiesen.

Die Familie Müller‑Hofmann, die ebenfalls während der NS‑Zeit der Verfolgung ausgesetzt war, Hermine Müller‑Hofmann war Jüdin, verkaufte während der NS‑Zeit aus Not das Bildnis an Dr. Viktoria Künstler, eine der Familie in Freundschaft verbundene Person. Hermine Müller‑Hofmann musste die erhaltene Summe verwenden, um ihr Leben zu retten. Bezüglich des Kaufpreises von 1.600 RM nahm das Schiedsgericht an, dass dieser zwar vergleichsweise niedrig, aber für die damalige Zeit nicht völlig unverhältnismäßig gewesen und daher immer noch im Rahmen des Vertretbaren gelegen sei.

Im Ergebnis verneinte das Schiedsgericht hinsichtlich beider Rechtshandlungen den Tatbestand einer Entziehung im Sinn des § 1 NichtigkeitsG 1946. Zufolge der Verweisung auf das Nichtigkeitsgesetz in § 1 KunstrückgabeG gehe es im Kern um Gegenstände einer Vermögensentziehung während der NS‑Zeit. Das sei zunächst im Verhältnis zu Ferdinand Bloch‑Bauer zu prüfen. Zwar sei eine Entziehung hinsichtlich aller Objekte zu bejahen, die Dr. Führer in seiner Eigenschaft als von den nationalsozialistischen Behörden eingesetzter Vermögensverwalter von Ferdinand Bloch‑Bauer ohne dessen freiwillige Mitwirkung veräußert, faktisch herausgegeben oder für sich behalten habe. Inkriminiert im Sinn des NichtigkeitsG sei jede Handlung oder Unterlassung, die nach der Rechtsordnung eine rechtliche Wirkung erzeugt habe. Nun habe sich aber erwiesen, dass die Herausgabe des Bildes aus der Sammlung Bloch‑Bauer an die Familie Zuckerkandl/Müller‑Hofmann freiwillig, durch die private Beziehung zu Amalie Zuckerkandl motiviert, über Veranlassung Ferdinand Bloch‑Bauers erfolgt sei. Das lasse die Annahme einer „Entziehung" im Sinn des Nichtigkeitsgesetzes verneinen, obwohl die Rückstellung des Bildes durch die Verfolgung Ferdinand Bloch‑Bauers insofern verursacht worden sei, als ohne die Ereignisse nach 1938 alle Dinge eine andere Wendung genommen hätten. Das Gesetz verlange aber, dass die Vermögensverschiebung erfolge, „um zu ... entziehen".

Was den zweiten Rechtsübergang betreffe, sei der Verkauf an Dr. Künstler zweifellos im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Machtübernahme gestanden. Die Umstände der Veräußerung seien jedoch besonders gelagert, sei doch der Verkauf an jemanden erfolgt, mit dem die Verkäuferfamilie befreundet gewesen sei. Die Verkäuferin habe dieses Rechtsgeschäft eher als Hilfe in der Not, denn als Mitwirkung bei der Beraubung durch die Nazis empfunden. Selbst wenn sie die Kaufsumme verwenden habe müssen, um ihr Leben zu retten, rechtfertige das nicht, den Verkauf an eine befreundete Person als „Entziehung" iSd NichtigkeitsG zu qualifizieren. Das werde auch durch das spätere Verhalten von Hermine Müller‑Hofmann bestätigt, die nach dem Krieg in keiner Weise versucht habe, eine Rückgabe des Bildes zu betreiben. Vielmehr habe sie die ihr von Dr. Künstler vorgeschlagene Möglichkeit, das Bild zurückzukaufen, ausgeschlagen. Das Schiedsgericht legte auch zugrunde, dass die Ablehnung des Rückerwerbs zum seinerzeit verlangten Preis trotz in der Zwischenzeit erfolgter Wertsteigerung freiwillig erfolgt sei, weil Hermine Müller‑Hofmann noch in den Jahren 1985 oder 1986 sich mit dem Verlauf der Dinge hinsichtlich des Bildes „ganz zufrieden" erklärt habe.

Beide Klägergruppen begehren mit ihren Klagen die Aufhebung des Schiedsspruchs, die Klägergruppe Müller‑Hofmann auch die Aufhebung der Beitrittsvereinbarung zum Schiedsvertrag sowie die gerichtliche Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 1 KunstrückgabeG für eine unentgeltliche Rückgabe an sie erfüllt seien, also eine Entscheidung in der Sache selbst.

In ihrer Aufhebungsklage macht die Klägergruppe Müller‑Hofmann gemäß § 595 Abs 1 Z 1 und 6 ZPO geltend, dass weder die Schiedsvereinbarung noch das Schiedsverfahren den Verfahrensgarantien des Art 6 Abs 1 MRK entspreche. Dadurch, dass diese Klägergruppe einer bereits bestehenden Schiedsvereinbarung beigetreten sei, habe sie keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts nehmen können, insbesondere sei ihr das Recht entzogen worden, einen eigenen Schiedsrichter zu benennen.

Überdies sei der vorliegende Schiedsvertrag bzw der Beitritt zum Schiedsvertrag (joinder agreement) ungültig, nicht nur, weil dieser einen Bestellungsmodus vorgesehen habe, der die Gleichbehandlung der Parteien nicht sicher gestellt habe und daher gegen die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung verstoße, sondern auch, weil diese Klägergruppe genötigt worden sei, der Schiedsvereinbarung beizutreten, weil sie sonst keine Möglichkeit gehabt hätte, ihren Restitutionsanspruch zu verfolgen. Der erzwungene Verzicht auf die Mitwirkung bei der Schiedsrichterbestellung widerspreche dem ordre public.

Beide Klägergruppen stützen ihr Aufhebungsbegehren auch darauf, dass der Schiedsspruch insgesamt an so krassen Verfahrensmängeln leide und Fehler der Beweiswürdigung und rechtlichen Beurteilung aufweise, dass sein Ergebnis mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar sei.

Zentrales Argument des Aufhebungsbegehrens ist, dass aufgrund einer gänzlich unvertretbaren Rechtsansicht im Schiedsspruch die Voraussetzungen des § 1 KunstrückgabeG 1998 verneint worden seien. Zentral sei der Begriff der „Vermögensentziehung". Weil sich aus § 1 NichtigkeitsG selbst keine unmittelbaren Rechtsfolgen ergäben, müsse auf die Definition des Tatbestands der Vermögensentziehung im einschlägigen 3. RStG zurückgegriffen werden. Demnach liege eine Vermögensentziehung bereits dann vor, wenn der Eigentümer politischer Verfolgung durch den Nationalsozialismus unterworfen gewesen war und der Erwerber des Vermögens nicht dartun konnte, dass die Vermögensübertragung auch unabhängig von der Machtergreifung des Nationalsozialismus erfolgt wäre. In anderen Fällen sei eine Vermögensentziehung zu verneinen, wenn der Erwerber dartun könne, dass der Eigentümer die Person des Käufers frei ausgewählt und eine angemessene Gegenleistung erhalten habe oder dass die Vermögensübertragung auch unabhängig von der Machtergreifung des Nationalsozialismus erfolgt sei.

Bei Anwendung dieses gesetzlichen Tatbestands auf die vorliegenden Rechtshandlungen bzw Vermögensübertragungen hätte schon der hier feststehende Umstand ausgereicht, dass jeweils jene Person, der Vermögen entzogen wurde, politischer Verfolgung ausgesetzt war. Die weiteren Umstände, nämlich dass eine Vermögensübertragung auch unabhängig von der Machtergreifung des Nationalsozialismus erfolgt wäre, hätte dann der Erwerber nachzuweisen gehabt. Das treffe auf beide Sachverhalte nicht zu. In beiden Fällen sei der Vermögenstransfer im unmittelbaren Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Machtergreifung und politischen Verfolgung gestanden. Völlig zu Unrecht, weil durch die einschlägigen Rückstellungsbestimmungen nicht erfasst, habe das Schiedsgericht stattdessen subjektive Momente in den Vordergrund gestellt, wie die Freundschaft zwischen der Familie Zuckerkandl/Müller‑Hofmann und Herrn Bloch‑Bauer einerseits, andererseits das freundschaftliche Verhältnis zwischen Müller‑Hofmann und Dr. Künstler. Solche Erwägungen gingen an der Bedeutung des NichtigkeitsG vorbei. Nach den historischen Materialien zum NichtigkeitsG sollte dieses dazu dienen, „dass alle Rechtsübertragungen, die während der Besetzungszeit im Zug der politischen Durchdringung unseres Landes durch das Dritte Reich erfolgten, null und nichtig sind". Das gehöre „zu den unverrückbaren Grundsätzen unseres Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs".

Das gefundene Ergebnis des Schiedsspruchs sei mit Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung daher nicht vereinbar.

Beide Vorinstanzen wiesen die Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen der behaupteten Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung und des Schiedsspruchs im Wesentlichen mit der Begründung, die Beitrittsvereinbarung zur Schiedsvereinbarung sei frei und ohne vom Gesetz verpönten Zwang zustande gekommen. Die „Drohung" der Republik Österreich, das Gemälde, das unzweifelhaft in ihrem Eigentum steht, zu behalten, wenn es nicht zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung bzw zum Beitritt zu einer bestehenden Schiedsvereinbarung komme, sei weder rechtsmissbräuchlich noch rechtswidrig gewesen, die Androhung eines „Übels" nicht „ungerecht", weil es der Republik Österreich zugestanden sei, ihre Rechtsposition als Eigentümerin zu wahren. Mit dem Beitritt zum Schiedsvertrag habe die Klägergruppe Müller‑Hofmann eine vertragliche Schiedsrichterbestellung vorgenommen.

Die Vorinstanzen verneinten auch die Unvereinbarkeit des Schiedsspruchs mit Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung. Ob das Schiedsgericht die aufgeworfenen Tat- und Rechtsfragen richtig gelöst habe, könne im Aufhebungsverfahren nicht geprüft werden (RIS‑Justiz RS0045124). Nur das Ergebnis eines Schiedsspruchs, nicht aber dessen Begründung sei dahin zu überprüfen, ob es zu einer unerträglichen Verletzung tragender Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung gekommen sei (RIS‑Justiz RS0110124).

Es unterliege keinem Zweifel, dass jegliche Billigung des Nationalsozialismus, seiner Verbrechen und durch das nationalsozialistische Regime erzwungener Vermögensverschiebungen in krassestem Gegensatz zu den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung stehe. Dazu gehöre es auch, erzwungene Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen. Die Republik Österreich dürfe sich nicht am geschehenen Unrecht bereichern. Das bedeute aber nicht, dass jede Ablehnung eines Rückstellungsbegehrens betreffend im Eigentum der Republik Österreich stehender Kunstwerke, die vor oder während der nationalsozialistischen Herrschaft einer vom Regime verfolgten Person gehörten, ordre‑public‑widrig sei. Beide Erwerbsvorgänge, die Gegenstand des Schiedsspruchs sind, hätten nicht durch unmittelbar ausgeübten Zwang des nationalsozialistischen Regimes stattgefunden.

Ob auch eine freiwillige, wenn auch durch die Umstände der nationalsozialistischen Verfolgung bedingte Vermögensveräußerung, wie sie hier von Ferdinand Bloch‑Bauer an Hermine Müller‑Hofmann und später von dieser an Dr. Viktoria Künstler erfolgt sei, im Sinn des § 1 NichtigkeitsG als null und nichtig zu qualifizieren sei und damit Anlass zu einer Rückstellung nach dem KunstrückgabeG gebe, sei eine Frage, die nicht mehr die Grundwertungen der Rechtsordnung berühre. Sie sei durch Auslegung der einschlägigen Gesetze zu lösen, weshalb die durch den Schiedsspruch vorgenommene Gesetzesauslegung keiner weiteren Überprüfung durch die ordentlichen Gerichte im Rahmen einer Anfechtung des Schiedsspruchs unterliege.

Schließlich sei in der Frage des Verstoßes gegen Grundwertungen in der österreichischen Rechtsordnung auch noch zu bedenken, dass das KunstrückgabeG keinen Rechtsanspruch früherer Eigentümer, sondern nur eine Ermächtigung des Bundesministers für Finanzen zur Rückübereignung von Kunstgegenständen vorsehe. Einen Rechtsanspruch schließe das KunstrückgabeG selbst aus. Ein durchsetzbarer Anspruch hätte überhaupt erst bei entsprechendem Ausgang des Schiedsverfahrens entstehen können. Verweigere nun ein Schiedsspruch die Voraussetzungen für die gesetzliche Ermächtigung, könne dies schon grundsätzlich nicht gegen den ordre public verstoßen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die aufgeworfenen Rechtsfragen in ihrer Bedeutung nicht über den konkreten Einzelfall hinaus gingen, im Übrigen im Sinn ständiger Rechtsprechung gelöst worden seien, sodass die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht vorlägen.

Gegen diese Berufungsentscheidung richten sich die außerordentlichen Revisionen beider Klägergruppen.

 

Rechtliche Beurteilung

Sie erweisen sich nach Prüfung der in ihnen vorgetragenen Argumente als unzulässig, weil sie sich nicht im Rahmen des gesetzlichen Umfangs der Anfechtung eines Schiedsspruchs halten, sondern auf eine Überprüfung der Richtigkeit der im Schiedsspruch vorgenommenen Rechtsauslegung und damit auf eine unzulässige revision au fond abzielen.

Schiedssprüche können, wie sich aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, nicht wegen jeden Verstoßes gegen Rechtsvorschriften, nicht einmal wegen jeden Verstoßes gegen zwingendes Recht angefochten werden (vgl 3 Ob 2372/96m = SZ 71/82 = EvBl 1998/179 = JBl 1999, 390 = RdW 1998, 742 mwN), sodass keine Rechtsgrundlage für das Begehren nach Klärung besteht, ob und wie weit das Schiedsgericht die im Verfahren aufgeworfenen Tat- und Rechtsfragen im Schiedsspruch richtig gelöst hat (1 Ob 582/91 = JBl 1992, 192 ua). Zweck der Aufhebungsklage ist nicht eine Nachprüfung des Schiedsspruchs. Selbst die Prüfung, ob eine ordre public‑Widrigkeit vorliegt, darf nicht zu einer (Gesamt‑)Überprüfung des Schiedsspruchs in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht führen (vgl 3 Ob 221/04b = SZ 2005/9 = JBl 2005, 661).

Nur dann, wenn es mit dem Ergebnis des Schiedsspruchs (vgl 2 Ob 158/00z = wobl 2001/115 [Reiner, 161 ff]) zu einer unerträglichen Verletzung tragender Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung kommt (vgl 3 Ob 221/04b = JBl 2005, 661), berechtigt dies zur Anfechtung des Schiedsspruchs nach § 595 Abs 1 Z 6 ZPO in der hier noch anzuwendenden Fassung der ZVN 1983. Zufolge § 595 Abs 1 Z 6 ZPO idF vor Inkrafttreten des SchiedsRÄG 2006 war ein Schiedsspruch aufzuheben, wenn er mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist oder gegen zwingende Rechtsvorschriften verstößt, deren Anwendung auch bei einem Sachverhalt mit Auslandsberührung nach § 35 IPRG durch eine Rechtswahl der Partei nicht abgedungen werden kann.

Übereinstimmung besteht in Lehre und Rechtsprechung dahin, dass der ordre public als „Ausschnitt aus dem prinzipiell zwingenden Recht" definiert wird (vgl Pitkowitz, Die Aufhebung von Schiedssprüchen, Rz 398 mwN; Fasching, Lehrbuch Rz 2231 f; 3 Ob 566/95 = SZ 68/154 ua), also nicht jede Verletzung zwingender Normen per se zur Aufhebung führt.

Das KunstrückgabeG 1998 als Ermächtigungsgesetz (§ 1 Einleitungssatz), das ausdrücklich keinerlei Anspruch auf Übereignung begründet (§ 2 Abs 2), ist keine zwingende Rechtsvorschrift im Sinn des § 595 Abs 1 Z 6 ZPO aF.

§ 1 NichtigkeitsG 1946, auf den das KunstrückgabeG verweist, bildet nach übereinstimmender Ansicht selbst keine Rückforderungsgrundlage, diese wird nur durch Ausführungsgesetze geschaffen (vgl für viele: G. Graf, Arme Amalie! - Kritische Anmerkungen zum Schiedsspruch iS Amalie Zuckerkandl, NZ 2007, 65 f).

Schon damit erweist sich die Argumentation der Revisionswerber, jede unrichtige Anwendung des Nichtigkeitsgesetzes und damit im Zusammenhang stehender Bestimmungen stelle bereits einen Verstoß gegen Grundwerte der österreichischen Rechtsordnung dar (vgl idS auch Pitkowitz, Ordre public‑widriger Klimt - Schiedsspruch, ecolex 2007, 663 ) als nicht zielführend.

In der RV zum NichtigkeitsG 1946, Nr 83 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Nationalrats (V.G.P.), heißt es (bei richtiger Wiedergabe!), es entspreche den unverrückbaren Grundsätzen unseres Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs, dass niemand zur Einhaltung eines Vertrags verpflichtet sei, dessen Abschluss durch ungerechte und gegründete Furcht veranlasst wurde (§ 870 ABGB).

Das Nichtigkeitsgesetz allein ist nur programmatisch und bildet keine Rechtsgrundlage für Rückforderungen. Aus ihm kann die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften nicht abgeleitet werden (vgl J. Jungwirth, NS‑Restitutionen und Zivilrecht 27 f N 121 bis 125).

Es ist daher die Auslegung durchaus vertretbar, dass sich das KunstrückgabeG 1998 infolge der Zitierung des § 1 NichtigkeitsG 1946 als ein Ausführungsgesetz eigener Art darstellt, das zwar keine Restitutionsansprüche schafft, wohl aber unter den Voraussetzungen des § 1 NichtigkeitsG eine Ermächtigung zur Rückgabe von rechtmäßig ins Eigentum des Bundes übertragenen Kunstgegenständen statuiert.

Weder der Gesetzestext des KunstrückgabeG noch die erläuternden Bemerkungen stellen einen Bezug zum Dritten Rückstellungsgesetz BGBl Nr 54/1947 idgF (3. RStG 1947) her, dessen § 2 wie folgt lautet:

Abs 1:

„Eine Vermögensentziehung im Sinn des § 1 Abs 1 liegt insbesondere vor, wenn der Eigentümer politischer Verfolgung durch den Nationalsozialismus unterworfen war und der Erwerber des Vermögens nicht dartut, dass die Vermögensübertragung auch unabhängig von der Machtergreifung des Nationalsozialismus erfolgt wäre."

Abs 2:

„In anderen Fällen liegt eine Vermögensentziehung insbesondere nicht vor, wenn der Erwerber dartut, dass der Eigentümer die Person des Käufers frei ausgewählt und eine angemessene Gegenleistung erhalten hat oder dass die Vermögensübertragung auch unabhängig von der Machtergreifung des Nationalsozialismus erfolgt wäre."

Wenn auch Ansprüche aus Vermögensentziehungen im Sinn des 3. RStG 1947 infolge Ablaufs der Frist (31. 7. 1956) nicht mehr geltend gemacht werden können, ist dieses doch nach wie vor Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung (OGH 1. 4. 1997, RkV 1/97; J. Jungwirth aaO 32).

Gerade aus rechtshistorischer Sicht (auf die die Revisionswerber hinweisen) und unter Berücksichtigung des Inhalts und Zwecks der einzelnen Rückstellungsgesetze, von denen jedes einzelne andere Sachverhalte aufzuarbeiten und einer Lösung zuzuführen suchte, ist für das 3. RStG wesentlich, dass es noch in zeitlicher Nähe zu den inkriminierten Handlungen primär Rückforderungen des früheren Eigentümers unmittelbar gegen den „Vermögensentzieher" zum Gegenstand hatte, was bei der Beurteilung der in § 2 Abs 1 normierten Beweislastumkehr nicht außer Acht gelassen werden darf. Es genügte nach § 1 des 3. RStG für den Rückgabeanspruch, dass Vermögen während der deutschen Besetzung Österreichs, sei es eigenmächtig, sei es aufgrund von Gesetzen oder anderen Anordnungen, insbesondere auch durch Rechtsgeschäfte und sonstige Rechtshandlungen dem Eigentümer (Berechtigten) im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Machtübernahme entzogen worden war und der Eigentümer politischer Verfolgung durch den Nationalsozialismus unterworfen war. Bei diesem Anscheinstatbestand konnte der Erwerber des Vermögens einer Rückforderung nur entgehen, wenn er nachwies, dass die Vermögensübertragung auch unabhängig von der Machtergreifung des Nationalsozialismus erfolgt wäre (§ 2 des 3. RStG).

Die beklagte Republik Österreich argumentiert in diesem Zusammenhang damit, dass sie bei Anwendung des 3. RStG dessen Entziehungsvermutung und Beweislastumkehr unterläge, obwohl sie keinerlei Beitrag zur Vermögensentziehung zu vertreten habe. Auch wären ihr die Umstände der seinerzeitigen Vermögensentziehung schon wegen des Zeitablaufs kaum mehr nachvollziehbar, sodass sie praktisch in jedem Fall dem Vorwurf ausgesetzt wäre, sich gesetzwidrig zu verhalten, wenn sie eine Rückstellung verweigere.

Dieses Argument wird von den Befürwortern der Anwendung des Vermögensentziehungsbegriffs des 3. RStG 1947 auf das KunstrückgabeG 1998 nicht ausreichend beachtet. Nach dem hier auf die Anfechtung eines Schiedsspruchs anzulegenden Maßstab des § 595 Abs 1 Z 6 aF ZPO müsste es mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar und unter diesem Aspekt eindeutig widerlegbar sein, was nicht zutrifft. Graf (aaO) sieht es als selbstverständlich an, der Republik Österreich den Entlastungsbeweis aufzuerlegen, weil doch auch nach dem 3. RStG Rechtsnachfolger des seinerzeitigen Entziehers in Anspruch genommen werden konnten (arg aus § 2 Abs 3 3. RStG: Als Erwerber gilt jeder Besitzer nach der Entziehung). Unbeachtet bleibt dabei, dass der spätere Erwerber sich beim Entzieher regressieren konnte, wofür bei Rückstellungen nach dem KunstrückgabeG, das keine Rückstellungsverpflichtung normiert, keine gesicherte Grundlage besteht. Auch sind heute seit dem Entziehungstatbestand bereits an die 60 Jahre verstrichen und die handelnden Personen meist verstorben, sodass ein Entlastungsbeweis praktisch nicht mehr möglich ist. Im Ergebnis würde die von den Klägern vertretene Ansicht dazu führen, dass über das KunstrückgabeG für die dort genannten Kunstgegenstände - und nur für diese - ansonsten längst präkludierte Ansprüche nach dem 3. RStG geltend gemacht werden könnten, gleichzeitig aber der Republik Österreich de facto der Entlastungsbeweis vorenthalten bliebe.

Dass der Gesetzgeber des KunstrückgabeG einen Verweis auf das 3. RStG bewusst vermieden haben könnte, um die Republik Österreich nicht mit der nur durch die Entziehungsvermutung zu rechtfertigenden Beweislastumkehr zu belasten, ist vor diesem Hintergrund immerhin so weit wahrscheinlich, dass die Forderung nach einer (analogen) Anwendung dieser Bestimmung keineswegs zwingend erscheint.

Im Schiedsspruch wurde § 1 NichtigkeitsG in wörtlicher Auslegung dahin verstanden, dass durch die Verwendung des Begriffs „um Vermögen zu entziehen" eine Entziehungs‑, eine Art Schädigungs- bzw Bereicherungsabsicht als Tatbestandsvoraussetzung gefordert wird. Die Wortinterpretation stellt nach der juristischen Methodenlehre und § 6 ABGB den ersten Interpretationsschritt dar. Der Schiedsspruch führt nicht aus, weshalb weitere Interpretationschritte, insbesondere die Analogie zum 3. RStG unterlassen wurden. Den Gesetzesmaterialien ist, wie schon ausgeführt, dazu nichts zu entnehmen.

Graf (aaO) führt in seiner Auseinandersetzung mit der Frage aus, es sprächen insgesamt „die besseren Gründe dafür, von jenem Entziehungsbegriff auszugehen, der seine Ausprägung im 3. Rückstellungsgesetz erfahren hat" (vgl Graf aaO).

Die Richtigkeit der Interpretation der maßgeblichen Gesetzesstelle kann im Aufhebungsverfahren nicht geklärt werden, weil - wie erwähnt - eine revision au fond des Schiedsspruchs gesetzlich nicht vorgesehen ist. Die Überprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob mit dem die Voraussetzungen für eine Rückgabe verneinenden Schiedsspruch - basierend auf der vorgenommenen Auslegung - im Ergebnis eine ordre public‑Widrigkeit bewirkt wurde.

Ob eine während der NS‑Zeit zwischen befreundeten Personen stattgefundene unentgeltliche Überlassung eines Gemäldes oder dessen entgeltliche Veräußerung an eine befreundete Galeristin zu einem jedenfalls nicht völlig unadäquaten Kaufpreis allein deshalb, weil die Betroffenen zum Personenkreis der vom NS‑Regime ungerecht Verfolgten gehörten, allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen und Grundwertungen der Rechtsordnung so sehr zuwiderläuft, dass die Rückgabe des Gegenstands dieser Rechtsgeschäfte bzw Rechtshandlungen als einzig gerechte Lösung erscheint und daher die Verweigerung der Rückgabe als unerträgliche Rechtsfolge gewertet werden muss, ist unter dem besonderen Aspekt des Anlass gebenden KunstrückgabeG 1998 zu beurteilen.

Anforderungen auf Rückgabe nach diesem Gesetz richten sich gegen die Republik Österreich, die - als Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieses Gesetzes - Kunstwerke rechtmäßig erworben haben muss (hier durch die völlig unbedenkliche Schenkung im Jahr 1988); außerdem darf kein Zusammenhang mit verpönten Rechtsgeschäften während der NS‑Zeit bestehen. Die Repräsentanten der Republik Österreich werden durch das KunstrückgabeG bloß „ermächtigt", entzogene Kunstwerke dem ursprünglichen Eigentümer ohne Gegenleistung „rückzustellen". Der Begriff „Rückstellung" bedeutet daher nicht „Zurückstellung", weil die Republik Österreich die Gegenstände nicht entzogen hat. Da kein Rechtsanspruch auf Rückstellung besteht, ein solcher wird im Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen, könnte nur eine Verweigerung unter Einnahme eines unvertretbaren Rechtsstandpunkts oder unter schwerwiegender Ungleichbehandlung von Betroffenen, die hier aber nicht behauptet wird, den Vorwurf eines ordre public‑Verstoßes rechtfertigen. Eine derartige Fehlinterpretation ist dem Schiedsgericht nicht anzulasten.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die sich in diesem Rahmen hält, ist daher gemäß § 502 Abs 1 ZPO einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof gar nicht zugänglich.

Was die noch nicht behandelte Frage eines Grundrechtsverstoßes durch Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere Art 6 MRK, betrifft, ist Folgendes anzumerken:

Zufolge § 580 ZPO idF vor dem SchiedsRÄndG erfolgt die Schiedsrichterbestellung vorrangig durch den Schiedsvertrag und bei einem gemeinschaftlich zu bestellenden Schiedsrichter durch Einigung der Parteien. Soweit ein Aufhebungsgrund Besetzungsmängel betrifft, entspricht er dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 2 ZPO, der nach § 260 Abs 4 ZPO durch Einlassung der Parteien geheilt werden kann, was auch bei einem Schiedsgericht gilt (3 Ob 740/25 = SZ 7/295; 2 Ob 906/36 = Rsp 1937/17; Rechberger/Melis Rz 7 zu § 595 ZPO²). Im Beitritt der Klägergruppe Müller‑Hofmann zum bereits bestehenden Schiedsvertrag mit der Beklagten unter Zustimmung sämtlicher Parteien wurde auch dem darin enthaltenen Schiedsrichterbestellungsmodus vorbehaltlos zugestimmt. An der Vertretbarkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass damit die Klägergruppe Müller‑Hofmann auf die Bestellung eines eigenen Schiedsrichters verzichtete, bestehen bei dieser Sachlage keine Bedenken. Immer dort, wo in der Schiedsvereinbarung oder im Verhalten während des Schiedsverfahrens, etwa durch Unterlassung einer Rüge, eine Partei zu erkennen gegeben hat, dass sie der Einhaltung einer Bestimmung kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen hat, wird eine maßgebliche Verletzung rechtlichen Gehörs verneint (vgl Pitkowitz, Die Aufhebung von Schiedssprüchen, Rz 195 ff [200] Fn 401, 403; zur Darstellung der Rechtsprechung Rz 206 bis 221). Maßgeblich ist stets, ob die Waffengleichheit mit dem Gegner eingehalten wird (vgl Pitkowitz aaO). Überhaupt besteht zwischen staatlichen Gerichten einerseits, die an strenge Verfahrensregeln gebunden sind und deren Entscheidungen meist einem Rechtszug unterliegen, und Schiedsgerichten andererseits, gegen deren Entscheidungen ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig ist und die bezüglich der Gestaltung des Verfahrens wesentlich freier vorgehen können als die staatlichen Gerichte, ein wesentlicher Unterschied. Nur bei ganz groben Verstößen gegen tragende Grundsätze eines geordneten Verfahrens ist eine Anfechtung des Schiedsspruchs möglich (RIS‑Justiz RS0117294).

Soweit sich die außerordentliche Revision auf die Entscheidung EuGRZ 1983, 428 Nr 91 (Bramelid und Malmström/S) hinsichtlich der Konventionswidrigkeit der Schiedsrichterbestellung im vorliegenden Fall bezieht, ist ihr entgegen zu halten, dass die zitierte Entscheidung nicht nur einen Fall sogenannter Zwangsschiedsgerichtsbarkeit zum Gegenstand hatte, sondern dort für die Schiedsbeklagte von einer staatlichen Stelle ein Schiedsrichter bestellt wurde, während die Schiedsklägerin, ein führendes schwedisches Wirtschaftsunternehmen, eine Person ihres Vertrauens zu ihrem Schiedsrichter bestellen konnte. Der Fall ist dem gegenständlichen also keineswegs vergleichbar.

Überhaupt stellt eine Schiedsvereinbarung einen - nach der MRK zulässigen - freiwilligen Teil‑Verzicht auf die Ausübung der in Art 6 Abs 1 MRK garantierten Rechte dar (vgl Matscher in FS Nagel, Schiedsgerichtsbarkeit und EMRK 238). Auch kann nach herrschender Ansicht im Schiedsvertrag auf Garantien des Art 6 MRK verzichtet werden (vgl Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention 116, 297 f, 312). Nur die Mindestgarantien rechtlichen Gehörs sind auch für private Schiedsverfahren jeweils im nationalen Recht festzulegen und nur der gänzliche Ausschluss vom rechtlichen Gehör rechtfertigt ein Begehren auf Aufhebung eines Schiedsspruchs (vgl Pitkowitz, aaO Rz 199 ff; 7 Ob 265/02z mwN = EvBl 2003/67).

Soweit die Klägergruppe Müller‑Hofmann in ihrer außerordentlichen Revision darauf zurückkommt, die Schiedsvereinbarung sei konventionswidrig, weil unter Zwang zu Stande gekommen, hat schon das Berufungsgericht unter Darstellung der Rsp dazu zutreffend Stellung genommen. Das der Klägergruppe Müller‑Hofmann „angedrohte Übel" war weder ungerecht noch der Vorgang selbst rechtsmissbräuchlich (RIS‑Justiz RS0014881). Die Rechtslage war einfach für die Klägergruppe Müller‑Hofmann ungünstig. Die Beklagte war nicht verpflichtet, das Bild herauszugeben. Die Drohung, wenn die Klägergruppe Müller‑Hofmann dem Schiedsvertrag nicht beitrete, werde die Beklagte das Bild behalten, stellt somit in keiner wie immer gearteten Hinsicht ein rechtswidriges Verhalten her, das die Kläger zur Anfechtung des Schiedsvertrags und der Behauptung der Verletzung eines Rechts nach Art 6 Abs 1 MRK berechtigt, sondern gibt nur die Rechtslage wieder.

Auch eine „Vielzahl einzelner Verfahrensverstöße", womit in Wahrheit Beweis- und Tatfragen angeschnitten werden, eignen sich nicht zu einer Anfechtung des Schiedsspruchs.

Insgesamt sind damit alle aufgeworfenen Rechtsfragen durch höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt. Soweit unzulässigerweise Fragen einer unüberprüfbaren rechtlichen Beurteilung eines Schiedsspruchs angeschnitten werden, sind sie unerheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

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