OGH 3Ob2372/96m

OGH3Ob2372/96m5.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Helmut Buchgraber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R*****gmbH, ***** vertreten durch Dr. Wolfgang Weinwurm und andere Rechtsanwälte in Neunkirchen, wegen Aufhebung eines Schiedsspruches (Streitwert S 4,877.417,98 s.A.), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 20. Juni 1996, GZ 2 R 53/96w-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 24. Februar 1996, GZ 11 Cg 134/95h-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I) Der Antrag, zur Frage der Wirksamkeit der 6. USt-Richtlinie das Vorab-Entscheidungsverfahren nach Art 177 EG-V einzuleiten, wird zurückgewiesen.

II) Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden teilweise abgeändert, so daß die Entscheidung - unter Einschluß des bestätigten Ausspruchs - insgesamt zu lauten hat:

"Der angefochtene Schiedsspruch des Schiedsgerichtes Dr. Otto F*****, Dipl. Ing. Werner S***** und Dr. Rudolf D***** vom 21. 2. 1995 wird in seinem Zuspruch von 20 % USt aus den Zinsen aufgehoben und für unwirksam erklärt. In seinem übrigen Zuspruch bleibt der Schiedsspruch aufrecht; das Klagebegehren, den Schiedsspruch auch in diesem Umfang aufzuheben und für unwirksam zu erklären, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 58.992.- (darin S 9.832.- USt) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 97.726,29 (darin S 16.287,71 USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin als Werkbestellerin beauftragte die Beklagte als Generalunternehmerin mit Vertrag vom 27. 1. 1990 mit der Errichtung einer Reihenhausanlage in A***** um einen Werklohn von S 14,352.500.-. Punkt 9 des Vertrages lautet: "Schiedsgericht - Gerichtsstand. Als Gerichtsstand gilt der jeweils für den AG [=Auftraggeber] zuständige. Im Streitfalle anerkennen die Vertragspartner die Anrufung eines Schiedsgerichtes lt. ÖNORM an". Punkt 3 der besonderen Vertragsbedingungen sieht vor, daß die den Umfang des Auftrages überschreitenden Lieferungen und Arbeitsleistungen sowie alle Regiearbeiten der vorherigen schriftlichen Anordnung bedürfen; Regielisten müssen täglich dem örtlichen Bauleiter des Auftraggebers vorgelegt werden, wobei diese für sich allein lediglich als Nachweis für erbrachte Stunden bzw. Materialverbräuche gelten. ÖNORM A 2060 bestimmt: "Sofern sich die Parteien auf ein Schiedsgericht einigen, gelten die einschlägigen Bestimmungen der Zivilprozeßordnung".

Im Zuge der Abwicklung des Bauvorhabens kam es zu Verzögerungen, die die Klägerin dazu bewogen, der Beklagten auf das vereinbarte Entgelt nur einen Teilbetrag von S 10,918.519,34 zu zahlen. Die Beklagte löste in der Folge durch Bestellung eines Schiedsrichters ein Schiedsverfahren aus. Das am 13. 1. 1992 vollständig konstituierte Schiedsgericht nahm in mehreren Tagsatzungen Beweise auf, bestellte einen Sachverständigen und schloß am 6. 6. 1994 seine Verhandlung. In dem am 21. 2. 1995 ergangenen und am 4. 4. 1995 zugestellten Schiedsspruch wurde die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit verworfen und die Klägerin zur Zahlung von S 4,877.417,98 samt 5 % Zinsen und 20 % USt aus den Zinsen aus S 4,249.046,75 seit 25. 4. 1992 und aus S 628.371,23 seit 15. 1. 1994 verpflichtet.

Mit am 4. 7. 1995 überreichter Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung des Schiedsspruchs des Schiedsgerichtes Dr. Otto F*****, Dipl. Ing. Werner S***** und Dr. Rudolf D*****. Es liege kein Schiedsvertrag vor; sollte ein Schiedsvertrag abgeschlossen worden sein, beziehe sich dieser nur auf den Werkvertrag, nicht aber auf elf weitere (über die Schlußrechnung hinaus geltend gemachte) Rechnungen im Gesamtbetrag von S 636.459,11 s.A. Geltend gemacht werden auch die Aufhebungsgründe des § 595 Abs 1 Z 2 ZPO (Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs) und Z 6 (Unvereinbarkeit mit den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung) infolge unrichtiger Beurteilung der Fragen der Übergabe des Werkes, des Haftrücklasses und der Pönalevereinbarung sowie infolge Zuspruchs von 20% USt aus den Zinsen, was gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes verstoße.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung, weil kein Aufhebungsgrund vorliege.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es legte die Bestimmung in Punkt 9 des Werkvertrages dahin aus, daß damit eine wirksame Schiedsvereinbarung getroffen worden sei, die sich auch auf jene elf Rechnungen erstrecke, mit denen Zusatzaufträge über den ursprünglichen Werkvertrag hinaus abgerechnet worden seien. Der Schiedsspruch verstoße weder gegen zwingende Rechtsvorschriften, noch sei im Verfahren das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt worden. Für den Zuspruch von USt aus den Zinsen sei der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung am 6. 6. 1994 entscheidend, in dem Österreich noch nicht Mitglied der EU gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über S 50.000.- und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es in Übereinstimmung mit höchstgerichtlicher Rechtsprechung entschieden habe und die Auslegung einer Vereinbarung keine erhebliche Rechtsfrage bilde.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob in einem Verfahren auf Aufhebung eines Schiedsspruches eine Gesetzesänderung dann zu berücksichtigen ist, wenn sie erst nach dem Schluß der Verhandlung im Schiedsverfahren, aber noch vor der Fällung des Schiedsspruches eingetreten ist; sie ist auch teilweise berechtigt.

Der angebliche Verfahrensmangel erster Instanz, der in der Übergehung von Personalbeweisen begründet sein soll, kann in der Revision allerdings nicht mehr geltend gemacht werden, weil ihn schon das Berufungsgericht verneint hat (MietSlg 35.438 uva).

Die Klägerin hält weiterhin an ihrer Auffassung fest, es liege keine gültige Schiedsvereinbarung vor, weshalb der Aufhebungsgrund des § 595 Abs 1 Z 1 ZPO verwirklicht sei.

Entscheidend für die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes ist der Text der Schiedsvereinbarung mit Berücksichtigung vernünftiger und den Zweck der Vereinbarung begünstigender Auslegung (SZ 58/60; SZ 59/86; 1 Ob 2193/96y). Für die Auslegung des Schiedsvertrages als Prozeßvertrag ist grundsätzlich Prozeßrecht maßgebend. Soweit jedoch die Vorschriften des Prozeßrechts nicht ausreichen, sind analog die Auslegungsregeln des ABGB heranzuziehen, wobei die Parteienabsicht und die Grundsätze des redlichen Verkehrs zu berücksichtigen sind (SZ 68/112; EvBl 1998/5 mwN). Die Vereinbarung, daß ein Schiedsgericht "gemäß den einschlägigen Normen" zu bestellen ist, macht die Vereinbarung nicht unbestimmt; es ist vielmehr darin ein Verweis auf die Bestimmungen der §§ 577ff ZPO zu verstehen (SZ 59/86). Nichts anderes kann dann aber gelten, wenn für den Streitfall die Anrufung eines Schiedsgerichtes "lt. ÖNORM" vereinbart ist, wobei die ÖNORM A 2060 ihrerseits wieder auf die einschlägigen Bestimmungen der ZPO verweist. Die Vorinstanzen sind deshalb zutreffend von einer grundsätzlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichtes für das Bauvorhaben Reihenhausanlage A***** ausgegangen. Ebensowenig ist zu beanstanden, daß sie die Schiedsklausel dahin ausgelegt haben, daß darunter nicht nur Streitigkeiten aus der Schlußrechnung selbst, sondern auch aus jenen elf weiteren Rechnungen fallen, mit denen Zusatzaufträge abgerechnet worden sind. Sämtliche dieser Rechnungen beziehen sich auf Leistungen im Zusammenhang mit dem genannten Bauvorhaben, sind also - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht als wirtschaftlich selbständige Ansprüche zu beurteilen; überdies berücksichtigt der zugrundeliegende Werkvertrag die Möglichkeit von (zusätzlichen) Regiearbeiten (Punkt 4) bzw. Nachtragsangeboten (Punkt 10) und normiert in Punkt 4 der Vertragsbedingungen die Vorgangsweise bei Lieferungen und Arbeitsleistungen, die den Umfang des Auftrages überschreiten. Nach dem Grundsatz, daß Schiedsklauseln ausdehnend auszulegen sind (JBl 1930, 18; 5 Ob 208/71), fallen somit im Zweifel auch die auf Zusatzleistungen bezogenen Rechnungen unter die Schiedsvereinbarung.

Der von der Klägerin auch in dritter Instanz (unsubstantiiert) behauptete Aufhebungsgrund des § 595 Abs 1 Z 2 ZPO (Verletzung des rechtlichen Gehörs) liegt nicht schon dann vor, wenn das Schiedsgericht Beweisanträge übergeht oder den Sachverhalt unvollständig erhebt (RZ 1993/65).

Zum Aufhebungstatbestand des § 595 Abs 1 Z 6 ZPO ist davon auszugehen, daß nach der österreichischen Rechtsordnung die Zuständigkeit für die Entscheidung eines Rechtsstreites durch die ordentlichen Gerichte aufgrund einer Schiedsgerichtsvereinbarung den ordentlichen Gerichten entzogen werden kann; wählen die Parteien diesen Weg zur Entscheidung ihres Streitfalls, sind die ordentlichen Gerichte sodann in einem Verfahren auf Aufhebung des Schiedsspruchs auf die Prüfung beschränkt, ob im Schiedsgerichtsverfahren Mindestgarantien eines rechtsstaatlichen Erkenntnisverfahrens gewährleistet waren, das Schiedsgericht die Grenzen seiner Zulässigkeit nicht überschritten hat (SZ 65/95) und der Schiedsspruch den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung nicht widerspricht. Ein Aufhebungsbegehren kann dabei nur auf die in § 595 ZPO erschöpfend aufgezählten Anfechtungsgründe gestützt werden (JBl 1995, 598; GesRZ 1983, 102). Unter den "Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung" im Sinne des § 595 Abs 1 Z 6 ZPO werden vor allem die tragenden Grundsätze der Bundesverfassung, des Straf-, Privat- und Prozeßrechts, aber auch des öffentlichen Rechts verstanden. Maßgebend für die durch die ordentlichen Gerichte in diesem Rahmen mögliche Überprüfung ist nicht die Begründung, sondern das Ergebnis des Schiedspruchs. Der Kreis der durch die Rechtsordnung geschützten Grundwertungen ist auch enger als der Bereich zwingenden

Rechtes (SZ 68/153 = EvBl 1996/42 = ÖBA 1996, 311 = ecolex 1996, 461

[Elsner] = RdW 1996, 362). Zwingende Rechtsvorschriften im Sinne des § 595 Abs 1 Z 6 ZPO sind nur solche des materiellen Rechtes (GesRZ 1983, 102; SZ 13/131). Inländische Schiedssprüche können wie sich aus dem Gesetzeswortlaut ergibt ("zwingende Rechtsvorschriften ..., deren Anwendung ...") im übrigen entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht (Backhausen, Schiedsgerichtsbarkeit) nicht wegen jeden Verstoßes gegen zwingendes Recht angefochten werden (Fasching, LB**2 Rz 2231; dazu - abgesehen vom entschiedenen Sonderfall - auch allgemein: SZ 68/153 = EvBl 1996/42). Der in § 595 Abs 1 Z 6 ZPO geregelte Aufhebungsgrund bietet also außerhalb des bereits dargestellten engen Überprüfungsrahmens keine Rechtsgrundlage für eine Klärung, ob und wie weit das Schiedsgericht die im Verfahren aufgeworfenen Tat- und Rechtsfragen im Schiedsspruch richtig gelöst hat (JBl 1992, 192; 3 Ob 2374/96f), würde dies doch einer Nachprüfung des Schiedsspruches (revision au fonds) gleichkommen, die nicht Zweck der Aufhebungsklage ist (Rechberger in Rechberger Rz 10 zu § 595 ZPO).

Im Lichte dieser Grundsätze unterliegt der Schiedsspruch weder in seiner Beurteilung, daß gemäß ÖNORM A 2060 auch eine formlose Übernahme des Werks erfolgen konnte (hier: spätestens im Zeitpunkt der Ausfolgung der Schlüssel an die Käufer der Häuser durch die Beklagte), noch in seinem Ausspruch über die Fälligkeit des Haftrücklasses und die Berechnung der Vertragsstrafe einer überprüfenden Kontrolle durch das Gericht, beruhen doch die Rechtsfolgen zu allen genannten Umständen auf Rechtsgrundlagen, die durch Parteienvereinbarung abdingbar sind und damit kein zwingendes Recht im oben beschriebenen Sinn sind.

Anders ist die Sachlage hingegen zu beurteilen, soweit der Schiedsspruch auch Umsatzsteuer aus den Verzugszinsen zuspricht und damit die durch den Beitritt Österreichs zur EU eingetretene Änderung der Rechtslage unberücksichtigt gelassen hat. Gemäß Art 2 der EU-Beitrittsakte, BGBl 45/1995, sind die ursprünglichen Verträge und die vor dem Beitritt erlassenen Rechtsakte der Organe für die neuen Mitgliedsstaaten verbindlich und gelten in diesen Staaten nach Maßgabe der genannten Verträge und dieser Akte mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beitrittvertrages (1. 1. 1995). Das primäre Gemeinschaftsrecht sowie das sekundäre Gemeinschaftsrecht (wozu auch Richtlinien zählen) nach Maßgabe der Gemeinschaftsrechtsordnung wurden damit im Wege einer generellen Transformation bindender Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung (Fischer/Köck, Europarecht3 115). Entscheidende Bedeutung bei der Auslegung von Gemeinschaftsnormen kommt den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes zu; sie binden die Gerichte der Mitgliedstaaten auch für andere Fälle (Kuras, EWR-Organisation und Auswirkungen auf die juristische Praxis - Aspekte einer kommenden EU-Mitgliedschaft, Heft 65 der Schriftenreihe der niederösterreichischen juristischen Gesellschaft, 12), so daß insoweit § 12 ABGB eingeschränkt ist. Die Richtersprüche des EuGH schaffen damit objektives Recht. Daher ist für diese Rechtssache insbesondere auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes Rs 222/81 zur 6. USt-Richtlinie des Rates vom 17. 5. 1977 für die Frage der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Verzugszinsen maßgeblich. Danach handelt es sich bei Verzugszinsen um eine Entschädigung für eine verspätete Zahlung und damit um echten Schadenersatz. Die österreichische Finanzverwaltung trägt dieser Rechtsprechung Rechnung und erläutert im Erlaß des BM für Finanzen vom 31. 7. 1995, Zl R 2181/1/1-IV/9/95 betreffend § 4 UStG 1994, daß die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage nicht die Verzugszinsen umfaßt (vgl. Pavlik in ZIK 1995, 147; Takacs in RdW 1995, 123; Fucik in RZ 1995, 275); dem ist die Rechtsprechung gefolgt (SZ 69/26; SZ 69/102; SZ 69/181; 4 Ob 2307/96).

Zwar ist gemäß § 406 ZPO Entscheidungsgegenstand der Bestand oder Nichtbestand des Anspruches im Zeitpunkt der Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz; der Entscheidung ist die Sach- und Rechtslage, wie sie sich in diesem Zeitpunkt darstellt, zugrundezulegen (SSV-NF 1/6; 8 Ob 38/95 ua). Lehre und Rechtsprechung stimmen aber darin überein, daß Änderungen des zwingenden Rechts (sofern nicht Übergangsrecht etwas anderes bestimmt) vom Rechtsmittelgericht ohneweiteres von Amts wegen seiner Entscheidung zugrundezulegen ist, auch wenn der zu beurteilende Sachverhalt bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht wurde (Fasching III 661; Fasching LB**2 Rz 1927; SZ 69/238 = EvBl 1997/71). Gleiches muß auch für die nachprüfende gerichtliche Kontrolle in einem Verfahren zur Aufhebung eines Schiedsspruches gelten.

Steuer- und abgabenrechtliche Normen regeln nicht nur das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien allein, sondern dienen auch dem Schutze öffentlicher Interessen; sie sind daher zwingendes Recht iS des § 595 Abs 1 Z 6 ZPO (Fasching IV 883). Hat demnach der Schiedsspruch die durch den Beitritt Österreichs zur EU erfolgte Rechtsänderung in der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Verzugszinsen nicht beachtet, verstößt er insoweit gegen zwingende Rechtsvorschriften; er war deshalb in diesem Umfang aufzuheben.

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Partei nicht befugt zu begehren, daß der Oberste Gerichtshof beim VfGH den Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit stelle; das gleiche muß auch für die Anrufung des EuGH nach Art 177 EG-V gelten. Auch hier hat allein das Gericht von Amts wegen darüber zu befinden, ob die Voraussetzungen für die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH vorliegen; der darauf abzielende Antrag der Klägerin war daher zurückzuweisen (EvBl 1995/121). Die Frage, ob in einem Verfahren auf Aufhebung eines Schiedsspruches eine Gesetzesänderung dann zu berücksichtigen ist, wenn sie erst nach dem Schluß der Verhandlung im Schiedsverfahren, aber noch vor der Fällung des Schiedsspruches eingetreten ist, ist ausschließlich nach innerstaatlichem Prozeßrecht zu lösen und betrifft somit nicht die Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Normen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 2 erster Fall ZPO, für das Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 Abs 1 ZPO.

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