AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:I414.2248814.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Christian EGGER über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias geb. XXXX , StA. Marokko alias staatenlos (Palästina), vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.11.2021, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Marokkos, stellte am 12.09.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen mit der Benachteiligung der im Saharagebiet (Polisario) lebenden Bevölkerung durch die marokkanische Regierung begründete. Bei einer allfälligen Rückkehr nach Marokko habe er Angst um seine Freiheit und er befürchte eingesperrt zu werden (AS 21, 43).
Am 28.09.2021 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als BFA bezeichnet) niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass die Bürger in der Westsahara von der marokkanischen Regierung ungerecht behandelt werden würden. Die Menschen aus diesem Gebiet hätten keine Rechte und wenn man kontrolliert werde, würde man aufgrund Abstammung aus der Westsahara vierundzwanzig Stunden festgehalten und einvernommen werden. Er habe sich für ein Studium in Rabat anmelden wollen, jedoch sei dies abgelehnt worden, weil er aus der Westsahara stamme. Er werde seit fünfzehn Jahren benachteiligt (AS 147).
Am 12.10.2021 wurde der Beschwerdeführer ein weiteres Mal von der belangten Behörde einvernommen. Er brachte im Wesentlichen noch vor, dass er bei einer Rückkehr nach Marokko eingesperrt werde. Die dortigen Behörden würden ihn Fragen weshalb er Marokko verlassen habe und ihn einvernehmen, da er aus dem Gebiet der Westsahara stamme. Er habe dies von anderen Marokkanern erfahren. Er wolle in Österreich leben und arbeiten (AS 181).
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 07.11.2021 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 12.09.2021 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko abgewiesen (Spruchpunkt II.). Eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.), und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen die Entscheidung über diesen Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).
Es wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 26.11.2021 vollumfänglich Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. In dieser wiederholte die Rechtsvertretung das bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers und führte zudem im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vom 28.09.2021 unter anderem angab aufgrund seiner Abstammung aus der Westsahara verfolgt worden zu sein. Am 28.09.2021 sei dem Beschwerdeführer zwei Verfahrensordnungen überreicht worden, welche auf seine Staatenlosigkeit Rückschlüsse geben sollen. Bei der am 12.10.2021 weiteren durchgeführten Einvernahme vor der belangten Behörde sei angegeben worden, dass eine Rechtsberatung anwesend gewesen sei. Die belangte Behörde habe zudem dem Beschwerdeführer kein Länderinformationsblatt zur Verfügung gestellt. Ergänzend brachte der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vor, dass er vom Gericht und der Polizei verfolgt werde, da er an einer Demonstration gegen die marokkanische Besatzungsmacht teilgenommen habe, jedoch sei dies nicht entsprechend protokolliert worden, obwohl dem Beschwerdeführer mitgeteilt worden sei, dass er zu diesem Vorbringen Nachweise vorlegen solle. Die im Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien zudem unvollständig und unrichtig. Zwar handle es sich bei Marokko um einen sicheren Herkunftsstaat, jedoch werde der Beschwerdeführer aufgrund seiner Abstammung aus der Westsahara als „staatenlos“ behandelt, besonders im Hinblick darauf, dass er gegen die Besatzung demonstriert habe. Die relevante Sicherheitslage in Marokko könne ohne weiteres Fachwissen nicht beurteilt werden. Es werde daher die Einholung eines Gutachtens der länderkundigen Sachverständigen für die Westsahara beantragt. Der Beschwerdeführer habe entgegen der Ansicht der belangten Behörde sein Vorbringen lebensnah gestaltet. Allfällige Widersprüche hätten sich leicht aufklären lassen, wenn sich die belangte Behörde mit dem Fluchtvorbringen näher auseinandergesetzt hätte. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde würde sich lediglich auf die Behauptung stützen, dass der Beschwerdeführer aus dem sicheren Herkunftsstaat Marokko stamme, wobei die Abstammung aus der Westsahara völlig unberücksichtigt geblieben sein solle.
Es werde daher beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes anberaumen; den gegenständlichen Bescheid zu Gänze beheben und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zuerkennen; in eventu dem Beschwerdeführer den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko zuerkennen sowie die aufschiebende Wirkung zuerkennen; in eventu den angefochtenen Bescheid im angefochtenen Umfang ersatzlos beheben und zur neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen.
Am 29.11.2021, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck am 03.12.2021, erfolgte die Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Marokkos und wuchs in der Provinz bzw. der Stadt Guelmim auf. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.
Er ist gesund und arbeitsfähig. In Marokko besuchte er die Grundschule und die Berufsschule sowie Privatschulen und absolvierte eine Ausbildung zum Automechaniker. Vor seiner Ausreise (Ende 2019) hat der Beschwerdeführer als Automechaniker gearbeitet. Aufgrund seines Bildungsstandes und der bisherigen Tätigkeiten in Marokko hat er eine Chance, auch hinkünftig am dortigen Arbeitsmarkt unterzukommen.
Ende 2019 reiste der Beschwerdeführer legal von Marokko in die Türkei; er reiste über Griechenland, Albanien, Kosovo, Serbien (Aufenthalt von ungefähr zwei Jahren) und Ungarn bis nach Österreich, das er frühestens am 27.08.2021 erreichte (AS 19) und wo er den gegenständlichen Asylantrag stellte. Die Kosten für die Reise betrugen ungefähr 4.000 Euro (AS 147).
Die Eltern des Beschwerdeführers, sein Bruder sowie drei Schwestern leben in Marokko. Der Beschwerdeführer lebte bis zu seiner Ausreise in Gelmium. Die Familie des Beschwerdeführers wohnt in einem Mietshaus. Sein Vater arbeitet gelegentlich und sorgt für die Familie (AS 147).
Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich sowie auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten über keine familiären Anknüpfungspunkte. Der Beschwerdeführer befindet sich erst ungefähr drei Monaten in Österreich und ist hier daher nicht verfestigt. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft. Er geht keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.
1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer macht für sein Verlassen des Herkunftsstaates die Benachteiligung aufgrund der Abstammung aus der Westsahara verantwortlich. So gab er in der Erstbefragung am 12.09.2021 an, dass er Marokko verlassen habe, da er im Saharagebiet wohne und er von der marokkanischen Regierung benachteiligt werde (AS 43). In der Einvernahme vor der belangten Behörde am 28.09.2021 gab er an, dass die Bürger in der Westsahara von Marokko ungerecht behandelt werden würden. Die Menschen die dort leben würden, hätten keine Rechte (AS 147). Eine konkrete Verfolgung oder Bedrohung aus irgendeinem in der GFK angeführten Grund (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung) brachte er nicht vor. Aus der allgemeinen Schilderung, sein Land verlassen zu haben, weil er aus der Westsahara stamme, lässt sich keine asylrelevante Verfolgung feststellen.
Der Beschwerdeführer wird in seinem Herkunftsland Marokko weder aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe noch aufgrund seiner politischen Gesinnung verfolgt und ist in seinem Herkunftsstaat nicht gefährdet, aus solchen Gründen verfolgt zu werden.
Dem Beschwerdeführer ist es insbesondere nicht gelungen, die erstmal in der Beschwerde vorgebrachte Verfolgung von staatlicher Seite aufgrund einer Demonstration in Marokko glaubhaft zu machen.
Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Marokko mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner realen Gefahr der Folter, einer unmenschlichen Bestrafung oder Behandlung, der Todesstrafe ausgesetzt sein. Im Fall seiner Rückkehr nach Marokko droht ihm nicht die Gefahr, durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt in seinem Herkunftsstaat in seiner körperlichen Integrität verletzt zu werden. Ihm droht im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auch keine reale Gefahr, in seiner Existenz bedroht zu werden.
1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat:
Gemäß § 1 Z 9 der HStV (Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II Nr. 145/2019) gilt Marokko als sicherer Herkunftsstaat.
Zur Corona-Pandemie ist festzuhalten, dass es in Österreich am 04.12.2021 insgesamt 1.196.476 bestätigte Fälle und 12.429 Verstorbene gab (abrufbar unter https://coronavirus.datenfakten.at/ ), in Marokko wurden bis zum 29.11.2021 949.732 Infizierte und 14.774 Todesfälle gemeldet (abrufbar unter https://www.laenderdaten.info/Afrika/Marokko/gesundheit.php ). Die Zahlen sind daher durchaus vergleichbar, doch muss berücksichtigt werden, dass Marokko mit 36 Millionen weitaus mehr Einwohner hat als Österreich. In Relation zur Einwohnerzahl liegt die Infektions- sowie die Sterberate in Marokko somit prozentual noch deutlich unter jener von Österreich.
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie zB Diabetes, Herzkrankheiten, Immunschwächen, etc.) auf. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit COVID-19 zudem mit nur geringen Symptomen vergleichbar einer Grippe. Bei Personen in der Altersgruppe bis 39 Jahre ist die Sterblichkeit sehr gering und liegt unter 1%.
Viele Arbeitnehmer oder Kleinstunternehmer in Marokko haben im Zuge der COVID-19-Pandemie ihre Arbeitsplätze und Einnahmequellen verloren. Der Export ist stark rückläufig, die Tourismuseinnahmen sind eingebrochen. Es gibt Direktzahlungen aus dem staatlichen Krisenfonds an Haushalte, eine Stundung von Krediten, eine Ankündigung zur Unterstützung der Wirtschaft, eine Aussetzung von Steuerprüfungen und von Zöllen auf bestimmte Grundnahrungsmittel. Gemessen am Prozentsatz des BIP steht Marokko bei der Mobilisierung von Ressourcen weltweit an 4. Stelle (ÖB Rabat 5.2020). Für die Dauer der Pandemie wurde eine Art bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt, das auch die im informellen Sektor beschäftigten Menschen erhalten. Die Hilfe kommt 4,3 Millionen Menschen zugute (i.d.R. werden die Familienoberhäupter gezählt) (Focus 6.7.2020).
Im Gesundheitsbereich ist die Situation unter Kontrolle. Es gibt keinen Wasser- oder Nahrungsmittelengpass (ÖB Rabat 5.2020).
König Mohammed VI gab Anfang Dezember den Auftrag an seine Regierung, dass all seinen Staatsbürgern und ansässigen Ausländern ein gratis Impfschutz gegen COVID-19 bereitgestellt werden soll. Seit 29. Januar ist die Impfkampagne angelaufen, es werden je nach verfügbarem Impfstoff bis zu 400.000 Menschen pro Tag geimpft (WKÖ).
Quellen:
- AGES: FAQ Coronavirus, https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/
- Focus (6.7.2020): Mehrere Millionen Tote erwartet: Die schlimmste Corona-Epidemie droht der Welt erst noch, https://www.focus.de/gesundheit/news/corona-in-afrika-die-schlimmste-epidemie-droht-der-welt-erst-noch_id_12170350.html
- ÖB Rabat –Österreichische Botschaft Rabat (5.2020): Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation per E-Mail
- WKÖ, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-situation-in-marokko.html
Marokko ist von COVID-19 stark betroffen, wobei von einer hohen Dunkelziffer bei den Infektionszahlen auszugehen ist. Marokko ist als Hochrisikogebiet (AA 3.9.2021) bzw. als hohes Sicherheitsrisiko (Stufe 4) (BMEIA 7.9.2021) eingestuft. Die Ausbreitung von Covid-19 führt weiterhin zu Einschränkungen des internationalen Luft- und Reiseverkehrs (AA 3.9.2021; vgl. BMEIA 7.9.2021). Es ist mit weitgehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben zu rechnen (BMEIA 7.9.2021).
Die marokkanische Regierung hat aufgrund der steigenden COVID-Zahlen in Marokko die Präventivmaßnahmen im Land verschärft. Folgende Maßnahmen sind ab dem 3.8.2021 um 21:00 Uhr in Kraft getreten:
Eine landesweite Ausgangssperre von 21:00 bis 5:00 Uhr. Ausgenommen sind Personen, die in lebenswichtigen Sektoren tätigt sind, sowie jene, die dringende medizinische Versorgung benötigen.Reisen von und nach Casablanca, Marrakesch und Agadir sind nur für Personen erlaubt, die voll immunisiert sind oder dringende medizinische Versorgung benötigen oder Warentransporte durchführen oder dienstlich unterwegs sind und eine Bestätigung (ordre de mission) des Arbeitgebers mitführen.Die Kapazitäten von Hotels und anderen touristischen Einrichtungen sind auf 75% reduziert.Die Kapazitäten von öffentlichen Verkehrsmitteln, Kaffeehäusern, Restaurants und Freibädern bleiben auf 50% reduziert.Kaffeehäuser und Restaurants schließen um 21:00 Uhr.Hallenbäder, Fitnessstudios sowie Hamams sind geschlossen.Versammlungen im Freien oder in geschlossenen Räumen sind mit maximal 25 Personen erlaubt, soweit eine behördliche Genehmigung vorgewiesen werden kann.Bestattungszeremonien mit mehr als 10 Personen sind verboten.Hochzeiten und andere Feierlichkeiten bleiben verboten (WKO 17.8.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.9.2021): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080 , Zugriff 23.9.2021
- BMEIA - Bundesministerium europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (7.9.2021): Marokko – Reiseinformationen, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/ , Zugriff 23.9.2021
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (17.8.2021): Coronavirus: Situation in Marokko, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-situation-in-marokko.html , Zugriff 23.9.2021
Zur aktuellen Lage in Marokko werden zudem folgende Feststellungen getroffen, soweit sie für den vorliegenden Beschwerdefall von Relevanz sind:
Politische Lage
Marokko ist eine islamisch legitimierte Monarchie mit konstitutionellen und demokratischen Elementen. Die zentralen politischen Vorrechte und die Führung des Landes liegen bei König Mohammed VI. (AA 9.2.2021; vgl. AA 31.1.2021, USDOS 30.3.2021). Die Verfassung belässt maßgebliche exekutive Reservat- und Gestaltungsrechte beim König. Er steht über den Staatsgewalten und ist staatsrechtlicher Kontrolle entzogen. In Bezug auf die Königsmacht bringt die Verfassung nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung, aber keinen Bruch mit dem bisherigen politischen System an sich (ÖB 8.2021).
Seit der Reform der Verfassung aus dem Jahr 2011 wird die Regierung jedoch durch das Parlament gebildet (AA 9.2.2021). Diese Reformen haben die Autorität über die Regierung teilweise vom Monarchen zur gewählten Legislative verschoben. Marokko führt regelmäßig Wahlen in einem parlamentarischen Mehrparteiensystem durch (FH 3.3.2021). Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die Verfassung aus dem Jahr 2011 aufgewertet, und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Neu ist die Einführung einer regionalen Staatsebene mit demokratisch gewählten Institutionen und gestärkter Selbstverwaltung, die im Zuge des Jahres 2015 mit zahlreichen Wahlgängen konkret Gestalt angenommen hat (ÖB 8.2021). Dennoch verfügt König Mohamed VI. durch formale Machtbefugnisse sowie informelle Einflussmöglichkeiten in Staat und Gesellschaft über eine dominante Stellung (FH 3.3.2021).
Am 8. September 2021 wurde ein neues Parlament gewählt. Aus der Wahl ging die Partei Unabhängige Nationalversammlung (RNI) als Sieger hervor. Sie erhielt 102 Sitze. Die ebenfalls liberale Partei für Ehrlichkeit und Modernität (PAM) stellt 87 Abgeordnete vor der Mitte-Rechts-Partei Istiqlal, welche auf 81 Mandate kommt. Die seit 2011 führende gemäßigt-islamistische Partei für Recht und Gerechtigkeit (PJD) konnte lediglich 13 ihrer 125 Sitze verteidigen. Als Reaktion auf die Wahlniederlage traten die Mitglieder des Generalsekretariats der PJD sowie der bisherige Parteivorsitzende und Regierungschef zurück. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 50%. Im Rahmen der Wahlen ist es laut Collectif Associatif pour l’Observation des Élections (CAOE) zu Unregelmäßigkeiten gekommen (BAMF 13.9.2021).
Die Verwaltungsstrukturen sind vornehmlich zentralistisch. Marokko ist in 12 Regionen unterteilt, die sich ihrerseits in 62 Provinzen und 13 Präfekturen untergliedern. Hierin ist auch die Westsahara enthalten, die Marokko als integralen Teil seines Territoriums betrachtet, was international jedoch nicht anerkannt wird (AA 9.2.2021).
Die Judikative wird in der Verfassung 2011 als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist dennoch vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 8.2021).
Am 24.8.2021 sind die diplomatischen Beziehungen zwischen Algerien und Marokko aufgrund von Spannungen zwischen den beiden Ländern seitens Algerien abgebrochen worden (Reuters 25.8.2021). Auslöser war u.a., dass Marokko die interne Krise in Algerien ausgenutzt hat, um in den letzten Jahren Erfolge im Bereich der Westsahara-Frage zu verbuchen - etwa den Beitritt zur Afrikanischen Union (AU) 2017 und die Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Westsahara durch die USA. Die im Zuge dieser Anerkennung erfolgte Normalisierung der marokkanischen Beziehungen zu Israel hat Algerien ebenfalls unter Druck gesetzt. Gleichzeitig interpretierte Algerien einige marokkanische Äußerungen der jüngerer Vergangenheit als „feindliche Aktionen“ - etwa die Forderung eines marokkanischen Diplomaten nach Selbstbestimmung für die algerischen Kabylen (ACWDC 4.11.2021).
Am 1.11.2021 wurden darüber hinaus drei algerische Staatsbürger im umstrittenen Territorium der Westsahara bei einem Drohnenangriff getötet. Die rhetorischen Spannungen zwischen Algerien und Marokko sind in der Folge weiter angestiegen (MEI@75 10.11.2021). Algerien hat Gaslieferungen nach Marokko via Maghreb-Europa- Gaspipeline ebenfalls am 1.11.2021 eingestellt (MEU@75 10.11.2021; vgl. ACWDC 4.11.2021) und liefert Gas nur noch nach Spanien (ACWDC 4.11.2021). Die Lage kann als regionaler kalter Krieg bezeichnet werden, diplomatische Bemühungen von beiden Seiten sind nötig, um militärische Konfrontationen zu vermeiden (MEU@75 10.11.2021), die jedoch als unwahrscheinlich gelten. Die gegenwärtigen diplomatischen Spannungen zwischen Algerien und Marokko hingegen könnten Jahrzehnte dauern (ACWDC 4.11.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (9.2.2021): Marokko – Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/poltisches-portrait/224120 , Zugriff 23.9.2021
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf , Zugriff 20.9.2021
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (13.9.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw37-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff 20.9.2021
- FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html , Zugriff 20.9.2021
- MEI@75 / Zine Labidine Ghebouli (10.11.2021): Algeria-Morocco tensions: The onset of a regional cold war, https://www.mei.edu/publications/algaeri-morocco-tensions-onset-regional-cold-war , Zugriff 17.11.2021
- Reuters (25.8.2021): Algeria cuts diplomatic relations with Morocco, https://www.reuters.com/world/algeria-says-cutting-diplomatic-ties-with-morocco-2021-08-24/ , Zugrrff 17.11.2021
- USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html , Zugriff 20.9.2021
Sicherheitslage
Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 30.8.2021). Das französische Außenministerium rät bis auf einige Regionen zu normaler Aufmerksamkeit im Land, dem einzigen in Nordafrika, das auf diese Weise bewertet wird. In den Grenzregionen zu Algerien wird zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten (FD 19.8.2021), bzw. wird deutschen Staatsbürgern von Reisen abgeraten (AA 3.9.2021). Die Grenze zu Algerien ist seit 1994 geschlossen (AA 3.9.2021; vgl. EDA 30.8.2021). Für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara besteht eine Reisewarnung (AA 3.9.2021; vgl. FD 19.8.2021, BMEIA 7.9.2021).
Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besteht im ganzen Land das Risiko terroristischer Angriffe. Im Dezember 2018 wurden zwei Touristinnen auf einer Wandertour in der Nähe des Mont Toubkal im Atlasgebirge Opfer eines Gewaltverbrechens mit terroristischem Hintergrund (AA 3.9.2021; vgl. EDA 30.8.2021, BMEIA 7.9.2021).
Demonstrationen und Protestaktionen sind jederzeit im ganzen Land möglich (EDA 30.8.2021; vgl. BMEIA 7.9.2021).
Das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara erstreckt sich südlich der marokkanischen Stadt Tarfaya bis zur mauretanischen Grenze. Es wird sowohl von Marokko als auch von der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario beansprucht. Die United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara MINURSO überwacht den Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien. Auf beiden Seiten der Demarkationslinie (Sandwall) sind diverse Minenfelder vorhanden. Seit November 2020 haben die Spannungen in der Westsahara zugenommen. In El Guerguerat an der Grenze zu Mauretanien und entlang der Demarkationslinie ist es wiederholt zu Scharmützeln zwischen marokkanischen Truppen und Einheiten der Frente Polisario gekommen (EDA 30.8.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.9.2021): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080 , Zugriff 23.9.2021
- BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (7.9.2021): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/ , Zugriff 23.9.2021
- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (30.8.2021): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/marokko/reisehinweise-marokko.html , Zugriff 23.9.2021
- FD - France Diplomatie [Frankreich] (19.8.2021): Conseils aux Voyageurs - Maroc - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/#derniere_nopush , Zugriff 23.9.2021
Westsahara
Vormals spanische Kolonie, besetzte Marokko mittels Militäreinsatz und dem sogenannten grünen Marsch 1975 das Gebiet der Westsahara, Spanien zog sich 1976 offiziell zurück. Die Volksfront zur Befreiung von Saguia el-Hamra und Rio de Oro (Polisario-Front) war bereits 1973 gegründet worden. Am 27.2.1976 rief die Polisario die Demokratische Arabische Republik Sahara (SADR) aus und gründete wenige Tage später eine Exilregierung in Algerien. Es kam zum offenen Konflikt zwischen marokkanischen Streitkräften und der Polisario, der erst 1991 durch einen Waffenstillstand beendet wurde. Seitdem ist die UN Mission MINURSO vor Ort (bpb 29.3.2021).
Der Westsaharakonflikt tritt seit Jahrzehnten auf der Stelle: Marokko beansprucht Souveränität über das Gebiet der ehemaligen spanischen Kolonie, die Befreiungsbewegung Polisario pocht auf das Selbstbestimmungsrecht der saharauischen Bevölkerung und auf die Abhaltung eines Referendums. Die zahlreichen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und der UN-Generalversammlung werden von beiden Seiten vom jeweiligen Standpunkt interpretiert (ÖB 8.2021). Während des Krieges begann Marokko 1981 mit der Errichtung einer mittlerweile 2.700 Kilometer langen, verminten und befestigten Sand- und Steinmauer (Berm), die die Westsahara in zwei Hälften teilt (bpb 29.3.2021).
Das Volk der Sahraui ist heute in vier geographisch verstreute Gruppen zersplittert: diejenigen, die in dem von Marokko besetzten Gebiet leben, diejenigen, die in den von der Polisario kontrollierten Gebieten wohnen, diejenigen, die in Flüchtlingslager in Algerien geflohen sind, und die saharauische Diaspora in anderen Teilen der Welt, hauptsächlich in Europa. 2014 veröffentlichten Daten zufolge sind von den 530.000 Einwohnern des von Marokko besetzten Gebiets in der Westsahara 180.000 (34%) Angehörige des marokkanischen Militärs, 245.000 sind marokkanische Zivilisten (46%) und 105.000 gehören zum Volk der Saharaui (20%). Marokko hat eine Anreiz-Politik betrieben, um Marokkaner zu ermutigen, sich in der Westsahara niederzulassen, indem neue Häuser gebaut und Arbeitsplätze angeboten wurden. Diese Strategie hatte einen großen Einfluss auf die soziale und demographische Entwicklung und Zusammensetzung der Bevölkerung im von Marokko besetzen Gebiet und hat dazu geführt, dass die Sahrauis zu einer Minderheit in ihrem eigenen Land geworden sind. Ihre Präsenz im besetzen Territorium ist auf bestimmte Gebiete und Stadtteile beschränkt (bpb 29.3.2021).
Am 13.11.2020 rückten Rund 1.000 marokkanische Soldaten in den UN-überwachten Guerguerat-Pufferstreifen, was einen Verstoß gegen das Waffenstillstandsabkommen von 1991 darstellt. Das Ende des jahrzehntealten Waffenstillstandes zwischen Marokko und der für die Unabhängigkeit eintretenden Polisario weckte die Sorge, dass der lange eingefrorene Konflikt wieder aufflammen könnte. Die Polisario beschuldigte marokkanische Sicherheitskräfte, auf Zivilisten geschossen zu haben, die friedlich demonstriert hatten, und erklärte das Ende des Waffenstillstands und die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten. Die marokkanische Regierung wies die Anschuldigungen sofort zurück und bekräftigte ihre Verpflichtung zur Waffenruhe. In den darauffolgenden Tagen griffen die Truppen der Polisario verschiedene Militärposten entlang der Ost-West-Sandbank an, die das von Marokko kontrollierte Gebiet der Westsahara von dem von der Arabischen Demokratischen Republik Sahara kontrollierten Gebiet trennt; die Zahl der Toten ist unbekannt. Die UN-Mission in der Westsahara bestätigte am 16.11.2020, dass sich die gegnerischen Seiten in den vorangegangenen Tagen einen Schlagabtausch geliefert hatten. Gewalt auf niedrigem Niveau hielt den ganzen November über an (ICG 3.12.2020).
Die Anerkennung der Souveränität Marokkos‘ über die Westsahara durch die USA im Dezember 2020 im Zuge eines Abraham Accords (bei Zusage der Normalisierung der Beziehungen Marokko-Israel) erzeugte eine neue Dynamik. Marokko tritt seither selbstbewusster auf und versucht andere Staaten dazu zu bewegen sich diesem Schritt anzuschließen. Marokko sieht die Zukunft im Verhandeln einer Autonomielösung, wobei es Verhandlungen mit der Polisario, die sich aus marokkanischer Sicht desavouiert hat, möglichst vermeiden möchte. Die Eröffnung von Konsulaten von großteils mit Marokko befreundeten afrikanischen Staaten in der Westsahara und die Zusage der Eröffnung eines Büros der USA sieht Marokko als Anzeichen einer Welle der Anerkennung der marokkanischen Souveränität. Die Polisario bzw. die kritischen Staaten lehnen diesen Ansatz ab. Algerien hat im August 2021 seine diplomatischen Beziehungen zu Marokko unter Hinweis auf eine feindselige marokkanische Politik in verschiedenen Bereichen (u.a. auch Aufbringen der Frage einer Autonomie der Kabylen in Algerien) abgebrochen (ÖB 8.2021).
Marokko und Israel haben 2021 nach 20 Jahren wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen (BAMF 15.2.2021).
Quellen:
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (15.2.2021): Briefing Notes, Marokko: Diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw07-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff 24.9.2021
- bpb - Bundeszentrale für politische Bildung (29.3.2021): Der vergessene Konflikt in Westsahara und seine Flüchtlinge, https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/laenderprofile/329090/westsahara , Zugriff 24.9.2021
- ICG - International Crisis Group (3.12.2020): CrisisWatch November 2020: Western Sahara, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/CrisisWatch%20Print%20_%20Crisis%20Group_11.pdf , Zugriff 15.3.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
Rechtsschutz / Justizwesen
Die Justiz ist laut Verfassung unabhängig (USDOS 30.3.2021). In der Praxis wird diese Unabhängigkeit jedoch durch Korruption (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 31.1.2021) und außergerichtliche Einflüsse unterlaufen (USDOS 30.3.2021). Das Gerichtssystem ist nicht unabhängig vom Monarchen, der dem Obersten Justizrat vorsitzt (FH 3.3.2021). Rechtsstaatlichkeit ist vorhanden, aber noch nicht ausreichend entwickelt. Unabhängigkeit der Justiz, Verfassungsgerichtsbarkeit, Transparenz durch Digitalisierung, Modernisierung der Justizverwaltung befinden sich noch im Entwicklungsprozess, der teils von der Verfassung gefordert und teils von der Justizverwaltung angestoßen worden ist. Mit dem in der Verfassung vorgesehenen und im April 2017 eingesetzten Conseil supérieur du pouvoir judiciaire (Oberster Rat der Rechtssprechenden Gewalt - Oberster Justizrat) wurden Richter- und Staatsanwaltschaft aus dem Verantwortungsbereich des Justizministeriums herausgelöst und verwalten sich nun selbst. Der Rat agiert als unabhängige Behörde. Mit der Herauslösung der Staatsanwaltschaft wurde formal die Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden von der Politik gestärkt. Es gibt jedoch Stimmen, die eine direkte Einflussnahme des Palastes befürchten, da sich Richterschaft und Staatsanwaltschaft nunmehr jeder demokratisch legitimierten Kontrolle entziehen (AA 31.1.2021).
Die Verfassung sieht darüber hinaus eine Reihe von Räten und Kommissionen vor, denen konsultative und überwachende Funktionen zukommt (der erwähnte Oberste Justizrat, Gleichstellungs-Rat, Hohe Rundfunk-Behörde, Wettbewerbsrat, Nationalstelle für korrekte Verwaltung und Korruptionsbekämpfung, Familien- und Jugendbeirat). Diese Gremien stehen aber teilweise noch vor oder am Beginn der Tätigkeit bzw. muss ihr rechtlicher Unterbau erst geschaffen werden, sodass noch schwer absehbar ist, inwieweit sie für Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und Achtung der Grundrechte in der Praxis Bedeutung gewinnen (ÖB 8.2021).
Formal besteht Gleichheit vor dem Gesetz. Das extreme Gefälle in Bildung und Einkommen, die materielle Unterentwicklung ländlicher Gebiete und der allgegenwärtige gesellschaftliche Klientelismus behindern allerdings die Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes (AA 31.1.2021). Gesetzlich gilt die Unschuldsvermutung. Der Rechtsweg ist formal sichergestellt. Angeklagte haben das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, auf rechtzeitigen Zugang zu ihrem Anwalt und das Recht, Berufung einzulegen. Das marokkanische Recht sieht Pflichtverteidiger für mittellose Angeklagte vor. Der Zugang zu juristischem Beistand ist in der Praxis noch immer unzulänglich (AA 31.1.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). NGOs kritisieren, dass die Beschuldigten zu Geständnissen gedrängt werden (FH 3.3.2021; vgl. AA 31.1.2021). Das Strafprozessrecht erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen bis zu 48 Stunden in Gewahrsam (garde à vue) zu nehmen. Der Staatsanwalt kann diese Frist zweimal verlängern. Der Entwurf für ein neues Strafprozessgesetz sieht verbesserten Zugang zu Anwälten bereits im Gewahrsam vor. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet (AA 31.1.2021). Berichten zufolge werden Untersuchungshäftlinge in der Praxis länger als ein Jahr festgehalten, und das Gesetz enthält keine Bestimmungen, die es Untersuchungshäftlingen erlauben, ihre Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Einige Verdächtige, insbesondere diejenigen, die des Terrorismus beschuldigt werden, werden tage- oder wochenlang in geheimer Haft gehalten, bevor eine formelle Anklage erhoben wird. Zudem wird Angeklagten nach ihrer Verhaftung der sofortige Zugang zu Anwälten verwehrt, und Verteidiger stoßen beim Zugang bei der Vorlage von Prozessbeweisen auf Hindernisse (FH 3.3.2021).
Im Bereich der Strafzumessung wird häufig kritisiert, dass bestehende Möglichkeiten zur Vermeidung von Haft bei minder schweren Delikten (z.B. Geldstrafen, Sozialstunden) nicht genutzt werden. Auch die Möglichkeit der Entlassung auf Bewährung (libération conditionnelle) wird kaum genutzt (AA 31.1.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf , Zugriff 20.9.2021
- FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html , Zugriff 20.9.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf , Zugriff 20.9.2021
- USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html , Zugriff 20.9.2021
Sicherheitsbehörden
Der Sicherheitsapparat verfügt über einige Polizei- und paramilitärische Organisationen, deren Zuständigkeitsbereiche sich teilweise überlappen. Die DGSN „Direction Générale de la Sûreté Nationale“ (Nationalpolizei) ist für die Umsetzung der Gesetze zuständig und untersteht dem Innenministerium. Bei den Forces Auxiliaires handelt es sich um paramilitärische Hilfskräfte, die dem Innenministerium unterstellt sind und die Arbeit der regulären Sicherheitskräfte unterstützen. Die Gendarmerie Royale ist zuständig für die Sicherheit in ländlichen Gegenden und patrouilliert auf Nationalstraßen. Sie untersteht dem Verteidigungsministerium (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 31.1.2021, ÖB 8.2021). Es gibt zwei Nachrichtendienste: den Auslandsdienst DGED (Direction Générale des Etudes et de Documentation) und den Inlandsdienst DGST (Direction Générale de la Surveillance du Territoire). Im April 2015 wurde zusätzlich das Bureau Central d'Investigations Judiciaires (BCIJ) geschaffen. Es untersteht dem Inlandsdienst DGST (AA 31.1.2021; vgl. ÖB 8.2021).
DAS BCIJ hat originäre Zuständigkeiten und Ermittlungskompetenzen im Bereich von Staatsschutzdelikten sowie Rauschgift- und Finanzdelikten im Rahmen von Verfahren der Organisierten Kriminalität (AA 31.1.2021; vgl. ÖB 8.2021) sowie Entführungen. Damit wurde die Schlagkraft des Polizeiapparats gestärkt, diese spezialisierte Polizeitruppe ist besser ausgebildet und besser ausgerüstet. Seit der Gründung des BCIJ im Jahr 2015 wurden 84 Terrorzellen ausgehoben (ÖB 8.2021).
Die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte ist gemäß USDOS wirksam (USDOS 30.3.2021), gemäß Auswärtigem Amt hingegen sind die Sicherheitskräfte weitgehend der zivilen Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit entzogen (AA 31.1.2021). [Anm.: Das auswärtige Amt bezieht sich hier wohl auf die weitgehende Kontrolle der Sicherheitskräfte durch den König und sein Umfeld.] Typisch für das marokkanische politische System ist, dass die Weisungskette der Polizeidienste an der Regierung vorbei unmittelbar zur Staatsspitze führt (ÖB 8.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf , Zugriff 20.9.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf , Zugriff 20.9.2021
- USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html , Zugriff 20.9.2021
Folter und unmenschliche Behandlung
Die als Reaktion auf den sogenannten arabischen Frühling reformierte Verfassung von 2011 enthält einen umfangreichen Katalog an Grund- und Menschenrechten (AA 31.1.2021) und verbietet Folter und unmenschliche Behandlung oder Bestrafung. Folter ist gemäß Verfassung unter Strafe gestellt (USDOS 30.3.2020; vgl. AA 31.1.2021). Marokko ist Vertragsstaat der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen und hat auch das Zusatzprotokoll unterzeichnet (AA 31.1.2021). Der CNDH (Conseil National des Droits de l'Homme / Nationaler Menschenrechtsrat) soll künftig die Rolle des Nationalen Präventionsmechanismus gegen Folter einnehmen (CNDH o.D.; vgl. AA 31.1.2021). Die Regierung bestreitet, dass sie die Anwendung von Folter erlaubt (USDOS 30.2.2021). Sie lehnt den Einsatz von Folter ab und bemüht sich um aktive Prävention (AA 31.1.2021).
Wenn auch eine systematische Anwendung von Folter und anderen erniedrigenden Behandlungsweise nicht anzunehmen ist (ÖB 8.2021; vgl. AA 31.8.2021), werden Folter und folterähnliche Methoden punktuell praktiziert (ÖB 8.2021; vgl. FH 3.3.2021). Es gibt Berichte, dass Folter (FH 3.3.2021; vgl. USDOS 30.3.2021) oder exzessive Polizeigewalt vorkommen (FH 3.3.2021). Es kommt weiterhin zu Berichten von übermäßiger Gewaltanwendung und Folter in Haft (FH 3.3.2021). Inhaftierte Islamisten werfen dem Sicherheitsapparat und insbesondere dem Inlandsgeheimdienst DGST vor, Methoden anzuwenden, die rechtsstaatlichen Maßstäben nicht immer genügen (z.B. lange U-Haft unter schlechten Bedingungen, kein Anwaltszugang). Betroffen sind laut Bericht des UN-Menschenrechtsausschusses vom Oktober 2016 vor allem Terrorverdächtige und Personen, die Straftaten verdächtig sind, welche die Sicherheit oder die territoriale Integrität des Staats gefährden. Die marokkanische Menschenrechtsorganisation AMDH (Association Marocaine des Droits Humains) geht vom Fehlverhalten einzelner Personen aus (AA 31.1.2021).
Diese Umstände werden von Menschenrechts-NGOs (ÖB 8.2021; vgl. FH 3.3.2021) und von unabhängigen Beobachtern wiederholt angeprangert, wie insbesondere von der CNDH, vom UN-Sonderbeauftragten für Folter Juan Mendez, von der Arbeitsgruppe über willkürliche Verhaftungen, und von der früheren UN-HCHR Navi Pillay. Der seinerzeitige Justizminister Ramid hat die Staatsanwälte aufgerufen, Hinweisen und Anzeigen auf Folter rigoros nachzugehen, gleichzeitig aber auch auf den Verleumdungstatbestand hingewiesen, falls sich Anschuldigungen als haltlos erweisen (ÖB 8.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf , Zugriff 20.9.2021
- CNDH - Conseil National des Droits de l'Homme [Marokko] (o.D.): CNDH mandate for the protection of human rights, https://www.cndh.org.ma/an/presentation/cndhs-mandate-area-human-rights-protection , Zugriff 20.9.2021
- FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html , Zugriff 20.9.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf , Zugriff 20.9.2021
- USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html , Zugriff 20.9.2021
Korruption
Das Gesetz sieht für behördliche Korruption Strafen vor, doch setzt die Regierung die gesetzlichen Regelungen nicht effektiv um (USDOS 30.3.2021). Korruption ist in den staatlichen Institutionen und in der Wirtschaft weit verbreitet (FH 3.3.2021). Staatsbedienstete, die in Korruptionsfälle verwickelt sind, gehen straffrei aus. Es gibt Berichte über Korruptionsfälle bei der Exekutive, Legislative und in der Justiz. Korruption ist bei der Polizei weit verbreitet (USDOS 11.3.2020).
Trotz der offiziellen Rhetorik über die Korruptionsbekämpfung ist die Bilanz bei der Durchsetzung der Gesetze gemischt. Tiefgreifende Reformen zur Bekämpfung der Korruption werden durch einen Mangel an politischem Willen, geringe institutionelle Kapazitäten und den Einfluss von Eliten, die vom Status quo profitieren, gebremst (FH 3.3.2021) .
Die Antikorruptionsbehörde National Authority for Probity, Prevention, and Fighting Corruption (INPPLC), das Justizministerium und die Hohe Rechnungskontrollbehörde (High Audit Institution - Government Accountability Court) sind für Korruptionsfragen zuständig. Die Regierung behauptet, Korruption und anderes polizeiliches Fehlverhalten mittels interner Mechanismen zu untersuchen. Dennoch stellen internationale und nationale Menschenrechtsorganisationen fest, dass die Behörden viele Beschwerden ignorieren und sich auf Behauptungen seitens der Polizei stützen (USDOS 30.3.2020).
Marokko belegt auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2020 den 86. von insgesamt 180 Plätzen (TI 4.2.2021).
Quellen:
- FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html , Zugriff 20.9.2021
- TI - Transparency International (4.2.2021): Corruption Perceptions Index 2020 – Morocco, https://www.transparency.org/en/cpi/2020/index/mar , Zugriff 20.9.2021
- USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html , Zugriff 20.9.2021
Allgemeine Menschenrechtslage
Der Grundrechtskatalog (Kapitel I und II) der Verfassung ist substantiell; wenn man noch die durch internationale Verpflichtungen übernommenen Grundrechte hinzuzählt, kann man von einem recht umfassenden Grundrechtsrechtsbestand ausgehen. Als eines der Kerngrundrechte fehlt die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Verfassung selbst stellt allerdings den Rechtsbestand unter den Vorbehalt der traditionellen „roten Linien“ - Monarchie, islamischer Charakter von Staat und Gesellschaft, territoriale Integrität (i.e. Annexion der Westsahara) - quasi als „Baugesetze“ des Rechtsgebäudes. Der vorhandene Rechtsbestand, der mit der neuen Verfassungslage v.a. in Bereichen wie Familien- und Erbrecht, Medienrecht und Strafrecht teilweise nicht mehr konform ist, gilt weiterhin (ÖB 8.2021). In den Artikeln 19 bis 35 garantiert die Verfassung die universellen Menschenrechte. Im Mai 2017 stellte sich Marokko dem Universellen Staatenüberprüfungsverfahren (UPR) des UN-Menschenrechtsrats. Marokko akzeptierte 191 der 244 Empfehlungen (AA 31.1.2021).
Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen. Gewichtige Ausnahme: wer die Vorrangstellung der Religion des Islam in Frage stellt, die Person des Königs antastet oder die Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko anzweifelt (AA 31.1.2021).
Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, einige Gesetze schränken jedoch die Meinungsfreiheit im Bereich der Presse und in den sozialen Medien ein (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 31.1.2021). Ausländische Satellitensender und das Internet sind frei zugänglich. Die unabhängige Presse wurde in der Covid-19-Krise ruhig gestellt (Stopp von Printmedien, Online-Berichterstattung weitgehend über offizielle Kommuniqués, Gesetzentwurf gegen Nutzung sozialer Medien) (AA 31.1.2021). Die – auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten – Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation, wobei Aktivisten, die für eine unabhängige Westsahara eintreten – vor allem im Gebiet der Westsahara selbst – besonders exponiert sind (ÖB 8.2021).
Es kommt vereinzelt zur Strafverfolgung von Journalisten. Staatliche Zensur existiert nicht, sie wird durch die Selbstzensur der Medien im Bereich der oben genannten drei Tabuthemen ersetzt (AA 31.1.2021). Gesetzlich unter Strafe gestellt und aktiv verfolgt sind und werden kritische Äußerungen betreffend den Islam, die Institution der Monarchie und die offizielle Position der Regierung zur territorialen Integrität bzw. den Anspruch auf das Gebiet der Westsahara (USDOS 30.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021, AA 31.1.2021, FH 3.3.2021, ÖB 8.2021). Dies gilt auch für Kritik an Staatsinstitutionen oder das Gutheißen von Terrorismus (HRW 13.1.2021; vgl. ÖB 8.2021). Für Kritik in diesen Bereich können weiterhin Haftstrafen verhängt werden. Zwischen September 2019 und Januar 2020 verhafteten und verfolgten die Behörden in verschiedenen Städten mindestens zehn Aktivisten, Künstler, Studenten oder andere Bürger, weil sie sich in sozialen Medien kritisch über die Behörden äußerten. Sie wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, unter anderem wegen "mangelnden Respekts vor dem König", "Diffamierung staatlicher Institutionen" und "Beleidigung von Amtsträgern" (HRW 13.1.2021). Obwohl Kritik an den Staatsdoktrinen strafrechtlich sanktioniert wird, werden entsprechende Verurteilungen in den vergangen Jahren eher selten bekannt. Marokkanische NGOs sind der Auffassung, dass administrative Schikanen eingesetzt und Strafverfahren zu anderen Tatbeständen (z. B. Ehebruch oder Steuervergehen) angestoßen oder auch konstruiert werden, um politisch Andersdenkende sowie kritische Journalisten einzuschüchtern oder zu verfolgen (AA 31.1.2021).
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind in der Verfassung von 2011 verfassungsrechtlich geschützt, werden aber durch die „roten Linien“ Glaube, König, Heimatland eingeschränkt (AA 31.1.2021). Versammlungen von mehr als drei Personen sind genehmigungspflichtig (USDOS 30.3.2021). Die Behörden gehen meist nicht gegen öffentliche Ansammlungen und die häufigen politischen Demonstrationen vor, selbst wenn diese nicht angemeldet sind (AA 31.1.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). In Einzelfällen kommt es jedoch zur gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen (AA 31.1.2021; vgl. FH 3.3.2021, USDOS 30.3.2021, HRW 13.1.2021). Laut Angaben der Menschenrechtsorganisation AMDH haben die Behörden im Jänner und Feber 2020 mindestens 13 öffentliche Versammlungen, Proteste oder Veranstaltungen verboten (HRW 13.1.2021).
2017 gab es eine Vielzahl von Protesten gegen staatliches Versagen, Korruption und Machtwillkür in der Rif-Region, die unter dem Schlagwort „Hirak“ zusammengefasst werden. Berichtet wurde von zunehmend hartem Durchgreifen der Sicherheitskräfte, Videos von Polizeieinsätzen wurden durch Aktivisten in Facebook hochgeladen (AA 31.1.2021).
Obwohl verfassungsmäßig Vereinigungsfreiheit gewährleistet ist, schränkt die Regierung dieses Recht manchmal ein (USDOS 30.3.2021). Organisationen wird die offizielle Registrierung verweigert (HRW 13.1.2021). Politischen Oppositionsgruppen und Organisationen, die den Islam als Staatsreligion, die Monarchie, oder die territoriale Integrität Marokkos infrage stellen, wird kein NGO-Status zuerkannt (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf , Zugriff 20.9.2021
- FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html , Zugriff 20.9.2021
- HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Morocco/Western Sahara, https://www.ecoi.net/en/document/2043675.html , Zugriff 20.9.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf , Zugriff 20.9.2021
- USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html , Zugriff 20.9.2021
Bewegungsfreiheit
Gesetzlich sind innerhalb des Landes Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung gewährleistet. Die Behörden respektieren diese Rechte üblicherweise (USDOS 30.3.2021). Auch Sahrawis/Sahraouis genießen innerhalb Marokkos uneingeschränkte Bewegungsfreiheit (AA 31.1.2021). Die Regierung stellt Sahrawis üblicherweise weiterhin Reisedokumente zur Verfügung. Es wird allerdings von Fällen berichtet, wo die Behörden Sahrawis daran hinderten, Reisen anzutreten (USDOS 30.3.2021).
Wer nicht per Haftbefehl gesucht wird, kann unter Beachtung der jeweiligen Visavorschriften in der Regel problemlos das Land verlassen. Dies gilt auch für bekannte Oppositionelle oder Menschenrechtsaktivisten (AA 31.1.2021).
Es gibt einige Berichte wonach Regierungsbehörden lokalen und internationalen Organisationen sowie der Presse den Zugang zum Rif und der östlichen Region verweigern. Die Regierung bestreitet dies (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf , Zugriff 20.9.2021
- USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html , Zugriff 20.9.2021
Grundversorgung
Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert. Staatliche soziale Unterstützung ist kaum vorhanden, vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Die entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger spielt nach wie vor die Familie (AA 31.1.2021).
Die marokkanische Wirtschaft ist grundsätzlich in einer guten Verfassung und von einem langjährigen Aufschwung geprägt. Der Anstieg in den zwei Jahren vor der Corona-Pandemie wurde in erster Linie von staatlichen und ausländischen Investitionen, dem privaten Konsum, stärkeren Exporten und durch verbesserte Agrarerträge getragen. Für die Jahre 2021/2022 wird das Wirtschaftswachstum auf 4 bis 5% prognostiziert. Die Leistungsbilanz wird weiterhin von der Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen aus Europa stark beeinflusst. Eine Rückkehr der Wirtschaftsleistung auf das Niveau von 2019 ist erst ab 2022 realistisch (WKO 2021).
Abgesehen von den Firmen- und Grenzschließungen aufgrund der Covid-19 Pandemie ist die Wirtschaftslage Marokkos von weiteren Faktoren beeinflusst. Positiv wirken sich auf die Wirtschaftslage z.B. die steigenden Exporte in der Automobilindustrie aus. Dennoch hängt das Wachstum weiterhin stark vom wetterabhängigen Agrarsektor ab. Im industriellen Bereich kam es bereits zu zahlreichen Investitionen in Umwelt- und Wassertechnologien, außerdem wurde der Maschinenpark modernisiert. Vor allem gibt es bei der absolut notwendigen und auch von der EU unterstützten Modernisierung des Industriesektors (programme de mise à niveau) zahlreiche Investitionschancen (WKO 2021).
Mittel- bis langfristig können die Wachstumsperspektiven, nicht zuletzt auch aufgrund der politischen Stabilität, als sehr gut eingestuft werden. Es herrscht eine grundsätzlich optimistische Stimmung und die Entwicklung Marokkos hin zu einem höheren Entwicklungsstand ist im Land auch visuell wahrnehmbar (WKO 2021).
Marokko ist ein agrarisch geprägtes Land: Die Landwirtschaft erwirtschaftet in Marokko ca. 20% des BIP und ist damit der bedeutendste Wirtschaftszweig des Landes. Ca. zwei Drittel der Landesfläche wird landwirtschaftlich genutzt, davon 18% als Ackerland. Da davon nur rund 15% systematisch bewässert werden, ist die Wetterabhängigkeit sehr hoch. Der Sektor schafft 40% der Arbeitsplätze und ist Einkommensquelle für drei Viertel der Landbevölkerung. Von den 1,5 Mio. landwirtschaftlichen Betrieben sind mehr als zwei Drittel Kleinstbetriebe, die über weniger als drei Hektar Land verfügen, mit geringer Mechanisierung arbeiten und nur zu 4% am Export beteiligt sind. Die modernen Landwirtschaftsbetriebe decken erst rund ein Achtel der kultivierbaren Gesamtfläche ab (WKO 15.9.2021).
Der Beschäftigungsgrad der Bevölkerung liegt bei 47%, die Arbeitslosigkeit hat sich 2018 von 10,2% leicht auf 9,8% vermindert (WKO 15.9.2021). Nach anderen Angaben lag die Arbeitslosigkeit 2018 laut marokkanischem Statistikamt bei 12,8%. Die Dunkelziffer liegt wesentlich höher - vor allem unter der Jugend. Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z.B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org ), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mit Hilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/ ) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen (ÖB 8.2021).
Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.828 Dirham (ca. EUR 270). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als durchaus bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.060 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur Sozialversicherung angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) ca. 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara erhalten weniger (ÖB 8.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf , Zugriff 20.9.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf , Zugriff 20.9.2021
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (15.9.2021): Die marokkanische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-marokkanische-wirtschaft.html , Zugriff 23.9.2021
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (2021): Marokko - Los geht's - Länderreport Außenwirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/marokko-laenderreport.pdf , Zugriff 23.9.2021
Medizinische Versorgung
Die medizinische Grundversorgung ist vor allem im städtischen Raum weitgehend gesichert. Es gibt einen großen qualitativen Unterschied zwischen öffentlicher und (teurer) privater Krankenversorgung. Selbst modern und gut ausgestattete medizinische Einrichtungen garantieren keine europäischen Standards (AA 31.1.2021). Der öffentliche Gesundheitssektor ist in seiner Ausstattung und Qualität sowie bei der Hygiene überwiegend nicht mit europäischen Standards zu vergleichen. Lange Wartezeiten und Mangel an medizinischen Versorgungsgütern und Arzneien sind zu beobachten (ÖB 8.2021). Insbesondere das Hilfspersonal ist oft unzureichend ausgebildet, Krankenwagen sind in der Regel ungenügend ausgestattet. Die Notfallversorgung ist wegen Überlastung der Notaufnahmen in den Städten nicht immer gewährleistet, auf dem Land ist sie insbesondere in den abgelegenen Bergregionen unzureichend (AA 31.1.2021).
Private Spitäler, Ambulanzen und Ordinationen bieten medizinische Leistungen in ähnlicher Qualität wie in Europa an, wenn auch nicht in allen fachmedizinischen Bereichen gleich und örtlich auf die Städte beschränkt (Casablanca, Rabat, Tanger und andere größere Städte). Diese Dienstleistungen sind freilich mit entsprechenden Honoraren verbunden. Ein Konsultation beim Wahlarzt (Allgemeinmedizin) kostet ab 150 Dirham (13 €), beim Facharzt ab 200 (17 €) Dirham bis 500 (45 €) Dirham und mehr bei Spezialisten (zum Vergleich der Mindestlohn: 2.570 Dirham/234 €) (ÖB 8.2021).
Chronische und psychiatrische Krankheiten oder auch AIDS-Dauerbehandlungen lassen sich in Marokko vorzugsweise in privaten Krankenhäusern behandeln. Bei teuren Spezialmedikamenten soll es in der öffentlichen Gesundheitsversorgung bisweilen zu Engpässen kommen. Bei entsprechender Finanzkraft ist allerdings fast jedes lokal produzierte oder importierte Medikament erhältlich (AA 31.1.2021).
Auf 1.775 Einwohner entfällt ein Arzt. 152 öffentliche Krankenhäuser führen etwas mehr als 25.440 Betten (ein Spitalsbett auf ca. 1.381 Einwohner); daneben bestehen 2.408 Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung. Inhaber der Carte RAMED können bei diesen Einrichtungen medizinische Leistungen kostenfrei erhalten. Wer weder unter das RAMED-System fällt, noch aus einem Anstellungsverhältnis pflichtversichert ist, muss für medizinische Leistungen aus eigenem aufkommen (ÖB 8.2021). Nach anderen Angaben sind medizinische Dienste kostenpflichtig und werden bei bestehender gesetzlicher Krankenversicherung von dieser erstattet. Es gibt ein an die Beschäftigung geknüpftes Kranken- und Rentenversicherungssystem (CNSS). Seit 2015 können sich unter bestimmten Umständen auch Studierende und sich legal im Land aufhaltende Ausländer versichern lassen. Mittellose Personen können auf Antrag bei der Präfektur eine Carte RAMED zur kostenfreien Behandlung erhalten (AA 31.1.2021).
Im Bereich der Basis-Gesundheitsversorgung wurde 2012 das Programm RAMED eingeführt und erstreckt sich auf 8,5 Mio. Einwohner der untersten Einkommensschichten bzw. auf vulnerable Personen, die bisher keinen Krankenversicherungsschutz genossen. Im Oktober 2012 waren bereits 1,2 Mio. Personen im RAMED erfasst (knapp 3% der Haushalte). RAMED wird vom Sozialversicherungsträger ANAM administriert, der auch die Pflichtkrankenversicherung AMO der unselbständig Beschäftigten verwaltet. Zugang haben Haushaltsvorstände und deren Haushaltsangehörige, die keiner anderen Pflicht-Krankenversicherung unterliegen. Die Teilnahme an RAMED ist gratis (Carte RAMED), lediglich vulnerable Personen zahlen einen geringen Beitrag (11 € pro Jahr pro Person). Ansprechbar sind die Leistungen im staatlichen Gesundheitssystem (Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung und Vorsorge sowie Krankenhäuser) im Bereich der Allgemein- und Fachmedizin, stationärer Behandlung, Röntgendiagnostik etc. Die Dichte und Bestückung der medizinischen Versorgung ist auf einer Website des Gesundheitsministeriums einsehbar (ÖB 8.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf , Zugriff 20.9.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf , Zugriff 20.9.2021
Rückkehr
Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet (AA 31.1.2021).
Staatliche und sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer gibt es nicht (AA 31.1.2021). Auf institutioneller Basis wird Rückkehrhilfe von IOM organisiert, sofern der abschiebende Staat mit IOM eine diesbezügliche Vereinbarung (mit Kostenkomponente) eingeht; Österreich hat keine solche Abmachung getroffen. Rückkehrer ohne eigene finanzielle Mittel dürften primär den Beistand ihrer Familie ansprechen; gelegentlich bieten auch NGOs Unterstützung. Der Verband der Familie und Großfamilie ist primärer sozialer Ankerpunkt der Marokkaner. Dies gilt mehr noch für den ländlichen Raum, in welchem über 40% der Bevölkerung angesiedelt und beschäftigt sind. Rückkehrer würden in aller Regel im eigenen Familienverband Zuflucht suchen. Der Wohnungsmarkt ist über lokale Printmedien und das Internet in mit Europa vergleichbarer Weise zugänglich, jedenfalls für den städtischen Bereich (ÖB 8.2021).
Mit August 2021 konnten die seit der Verhängung des Ausnahmezustandes aufgrund der Covid-19 Pandemie am 20. März 2020 auf „stand by“ befindlichen Rückführungsaktivitäten von Österreich nach Marokko wiederaufgenommen werden (ÖB 8.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf , Zugriff 20.9.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf , Zugriff 20.9.2021
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor dieser (Protokoll der Einvernahme am 28.09.2021 und 12.10.2021) und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Protokoll der Erstbefragung vom 12.09.2021), in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in die zitierten Länderberichte zu Marokko.
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht fest. Er gab an, dass sein marokkanischer Reisepass von der türkischen Polizei abgenommen worden sei (AS 145) bzw. er seinen marokkanischen Reisepass während seiner Reise verloren habe (AS 43).
Die Feststellungen zu seiner Herkunft, seinem Gesundheitszustand, seiner Schulbildung, seiner Erwerbsfähigkeit, seiner Berufserfahrung, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppenzugehörigkeit und seiner Konfession gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung (AS 35) sowie seinen Angaben vor der belangten Behörde. Zu seiner Staatsangehörigkeit darf zudem noch ausgeführt werden, dass der Beschwerdeführer am 11.09.2021 versucht hat in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen, jedoch wurde ihm von den deutschen Behörden die Einreise verweigert. Vor den deutschen Behörden gab der Beschwerdeführer an, dass er XXXX heiße und aus Palästina (staatenlos) sei (AS 65). Aus einem Bericht der Landespolizeidirektion Salzburg geht hervor, dass der Beschwerdeführer in Österreich unter einem anderen Datensatz, lautend auf XXXX , geb. 03.11.1998, staatenlos, geführt wurde (AS 79). Aufgrund der weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers in der Erstbefragung sowie in der Einvernahme vor der belangten Behörde ist jedoch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich aus Marokko stammt, zumal seine Schilderungen über seine Familie und seinen Heimatort bzw. seiner Heimatprovinz glaubhaft erscheinen.
Die Feststellung über seine Reiseroute und die dadurch entstandenen Kosten ergibt sich aus der aus der Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde am 28.09.2021 (AS 147). Auch wenn der Beschwerdeführer in der Erstbefragung angibt, dass er die Reise selbst organisiert habe (AS 43), ist den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde zu folgen, zumal es für den erkennenden Richter nachvollziehbarer ist, dass eine Reise wie die vom Beschwerdeführer ohne Unterstützung kaum machbar ist, zumal bis das österreichische Staatsgebiet erreicht wird, viele zumeist illegale Grenzübertritte nötig sind.
Die Feststellung, dass seine Eltern, sein Bruder und seine drei Schwestern in Marokko in einem Mietshaus leben und er in Gelmium gelebt hat, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde am 28.09.2021. Dass sein Vater gelegentlich arbeitet und für die Familie sorgt ergibt sich ebenso aus den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde am 28.09.2021.
Die Feststellung zu seinen Lebensverhältnissen in Österreich ergibt sich aus der Einvernahme vor der belangten Behörde am 28.09.2021 sowie aus dem aktuellen Grundversorgungsauszug. Dass er keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich oder auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten verfügt ergibt sich ebenfalls aus der Einvernahme vor der belangten Behörde am 28.09.2021 (AS 145).
Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
2.2. Zu den Rückkehrbefürchtungen des Beschwerdeführers:
Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der Glaubhaftmachung im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinn der Zivilprozessordnung zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der hierzu geeigneten Beweismittel, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers, voraus (vgl. VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058 mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt ebenso wie die Beweisführung den Regeln der freien Beweiswürdigung (VwGH 27.05.1998, Zl. 97/13/0051). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, Zl. 92/03/0011; 1.10.1997, Zl. 96/09/0007).
Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers sind positive Feststellungen von der Behörde nicht zu treffen (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).
Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Angaben eines Asylwerbers hat der Verwaltungsgerichtshof als Leitlinien entwickelt, dass es erforderlich ist, dass der Asylwerber die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, Zl. 93/18/0289). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht. Der Asylwerber hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage und allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069; 30.11.2000, Zl. 2000/01/0356). Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
Es entspricht ferner der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens bzw. der niederschriftlichen Einvernahmen unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650). Die Unkenntnis in wesentlichen Belangen indiziert ebenso mangelnde Glaubwürdigkeit (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).
Unter Berücksichtigung der vorstehend angeführten Rechtsprechung ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, ein asylrelevantes Vorbringen glaubwürdig und in sich schlüssig darzulegen.
Der Beschwerdeführer begründete seinen verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz unter anderem mit der Benachteiligung seiner Person aufgrund der Abstammung aus der Westsahara. So gab er in der Erstbefragung am 12.09.2021 an, dass er Marokko verlassen habe, da er im Saharagebiet wohne und er von der marokkanischen Regierung benachteiligt werde (AS 43). In der Einvernahme vor der belangten Behörde am 28.09.2021 gab er an, dass die Bürger in der Westsahara von Marokko ungerecht behandelt werden würden. Die Menschen die dort leben würden, hätten keine Rechte (AS 147). In dem Beschwerdeschriftsatz steigerte er sein Vorbringen dahingehend, dass er aufgrund der Teilnahme an einer Demonstration von der marokkanischen Regierung verfolgt werde (AS 202).
Vorab ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer versuchte am 11.09.2021 die deutsch-österreichische Grenze zu überwinden um nach Deutschland zu gelangen. Der Beschwerdeführer gab vor den deutschen Behörden an, dass er XXXX heiße, staatenlos sei und aus Palästina zu stammen. Darüber hinaus gab er an, dass er am XXXX geboren zu sein (AS 65). Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer die deutschen Behörden über seine Identität und seinen Herkunftsstaat täuschte. Daher leidet darunter die gesamte Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers.
Widersprüchlich sind die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seines marokkanischen Reisepasses. In der Erstbefragung gab er an, dass er seinen Pass auf der Reise verloren habe (AS 19). Im Gegensatz dazu gab er in der niederschriftlichen Einvernahme an, dass ihm sein Reisepass von türkischen Polizisten abgenommen worden sei (AS 145).
Grundsätzlich ist auszuführen, dass den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden müsse. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH). Für das erkennende Gericht ist insbesondere nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer ein derart wesentliches Element, nämlich, dass er aufgrund der Teilnahme an einer Demonstration von der marokkanischen Regierung verfolgt werde, weder in der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes noch in den Einvernahmen vor der belangten Behörde am 28.09.2021 und am 12.10.2021 erwähnte. Auch wenn in der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Schilderung der Fluchtgründe knapp wiederzugeben sind, ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer auch in den folgenden Einvernahmen durch die belangte Behörde die Verfolgung durch die marokkanische Regierung nicht vorbrachte. Wenn man bedenkt, dass die Verfolgung durch die marokkanische Regierung aufgrund der Teilnahme an einer Demonstration ein prägendes Ereignis gewesen sein soll, dann ist es nicht nachvollziehbar bzw. nicht schlüssig, dass in der Erstbefragung und vor der belangten Behörde lediglich die Benachteiligung seiner Person aufgrund seiner Abstammung aus der Westsahara für die Ausreise verantwortlich gewesen sein soll. Eine weitere Ungereimtheit stellt in diesem Hinblick die legale Ausreise des Beschwerdeführers aus Marokko dar. Der Beschwerdeführer ist über den Flughafen in Casa Blanca in die Türkei ausgereist. Er gab in der Einvernahme durch die belangte Behörde am 28.09.2021 an, dass er keine Probleme bei der Ausreise gehabt habe (AS 149). Wenn der Beschwerdeführer tatsächlich von der marokkanischen Regierung verfolgt bzw. von der Polizei gesucht werden würde, dann ist es für den erkennenden Richter nicht logisch nachvollziehbar, dass er trotzdem Ausreisen konnte und nicht bei seiner Ausreise gehindert worden ist. Zumal er mit seinem Reisepass ausgereist ist und diesen erst im Laufe der Reise verloren hat bzw. dieser ihm von türkischen Polizisten abgenommen worden ist. Wie auch zudem aus den Länderfeststellungen hervorgeht, kann jemand in der Regel nur problemlos das Land verlassen, der nicht per Haftbefehl gesucht wird. Da Der Beschwerdeführer angibt in Marokko vom Gericht und der Polizei gesucht zu werden (AS 262), scheint für den erkennenden Richter eine legale Ausreise (AS 19) über Casablanca (AS 149) unter diesen Umständen nicht für möglich, weshalb diesem Vorbringen allein aufgrund dieser Tatsache die Glaubhaftigkeit abzusprechen war.
Es kann in diesem Zusammenhang auch nicht als Aufgabe der belangten Behörde gesehen werden, dem Beschwerdeführer dahingehend anzuleiten, dass er ein Vorbringen erstattet welches unter Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumieren ist, sondern liegt es am Beschwerdeführer ein detailliertes und stimmiges Vorbringen zu erstatten, um die nötige Asylrelevanz feststellen zu können, zumal der Beschwerdeführer im Beschwerdeschriftsatz monierte, dass die Behörde mittels Nachfragen den Sachverhalt genauer ermitteln hätte müssen.
Auch der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (VwGH 20.1.1993, 92/01/0752; 19.5.1994, 94/19/0465 mwN.) und dass weder die erstinstanzliche Behörde noch das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet ist, den Antragsteller derart anzuleiten, dass sein Antrag von Erfolg gekrönt sein muss.
Der belangten Behörde ist daher zuzustimmen, dass dem Vorbringen vor der belangten Behörde weder eine konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers noch eine konkrete Rückkehrgefährdung zu entnehmen ist. Es lässt sich für den erkennenden Richter aus den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde sowie auch in der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht entnehmen, dass er an einer Demonstration in Marokko teilgenommen hat und deswegen verfolgt werde. Wie bereits erwähnt, liegt es an dem Beschwerdeführer, ein detailliertes und stimmiges Vorbringen zu erstatten. Auch wurde ihm durch die belangte Behörde eine ausreichende Möglichkeit dazu gegeben. In der ersten Einvernahme vor der belangten Behörde standen dem Beschwerdeführer dazu fünfundvierzig Minuten und in der zweiten Einvernahme vor die belangte Behörde fünfundzwanzig Minuten zur Verfügung. Auch in der Erstbefragung hätte er diesen Umstand bereits angeben können. Auch wenn in den Einvernahmen vor der belangten Behörde kein Rechtsbeistand für den Beschwerdeführer anwesend war, ist von einem erwachsenen Mann, der an keinen psychischen Störungen leidet und gesund ist, zu erwarten, dass er selbständig und ohne Hilfe einer Rechtsvertretung sein Fluchtvorbringen schildern kann. In der Einvernahme vor der belangten Behörde am 28.09.2021 wurde er von dieser zudem dezidiert gefragt, ob er noch etwas angeben möchte, was ihm besonders wichtig erscheine. Der Beschwerdeführer verneinte (AS 151).
Die Behauptung in der Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme angegeben habe, dass er an Demonstrationen gegen die marokkanische Besatzungsmacht in der Westsahara teilgenommen habe und dies nicht protokolliert wurde, ist spekulativ und nicht überzeugend angesichts der unbestritten gebliebenen und protokollierten Tatsache, dass ihm die Niederschrift der Einvernahme rückübersetzt wurde und er keine Beanstandungen machte.
Die Befürchtungen, dass er aufgrund seiner Ausreise bei einer allfälligen Rückkehr nach Marokko von den dortigen Behörden „eingesperrt“ werden würde, ist zu entgegnen, dass sich aus dem aktuellen Länderbericht nichts dergleichen finden lässt. Bei einer Rückkehr muss der Beschwerdeführer daher nicht mit einer Gefängnisstrafe rechnen, zumal im Länderbericht ausgeführt wird, dass selbst bei einer Asylantragsstellung in einem anderen Land mit keiner Strafe zu rechnen ist bzw. es keine Strafe für eine Asylantragsstellung gibt (siehe Punkt II. 1.3. Rückkehr). Auch die die Sorgen des Beschwerdeführers, dass er bei einer Rückkehr in sein Heimatland durch die marokkanischen Behörden aufgrund seiner Ausreise einvernommen werde sind daher unbegründet. Auch wenn er dies von anderen Marokkanern gehört habe (AS 181).
Selbst bei Zuziehung eines länderkundigen Sachverständigen würde der erkennende Richter nicht zu einer anderen Anschauung kommen, da aufgrund der Länderrecherchen und aus den Angaben des Beschwerdeführers feststeht, dass der Beschwerdeführer zumindest seit 2000 bis zu seiner Ausreise nicht in der Westsahara lebte. Nach seinen eigenen Angaben zufolge lebte der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise in der Provinz bzw. Stadt Guelmim. Nach einer vom erkennenden Richter durchgeführten Länderrecherche befindet sich die Provinz bzw. die Stadt Guelmim nicht in der Westsahara. Das Gebiet der Westsahara liegt weiter südlich von der Provinz Guelmim und erstreckt sich von der marokkanischen Stadt Tarfaya bis zur mauretanischen Grenze. Aus diesem Grund ist auch auf das Vorbringen der Partei nicht einzugehen, dass die wirtschaftliche Situation und die Versorgungslage in dem Gebiet der Westsahara eine andere sei.
Zu der im Beschwerdeschriftsatz vorgebrachten Staatenlosigkeit des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer selbst angibt einen marokkanischen Reisepass besessen zu haben, er diesen jedoch während seiner Reise nach Österreich verloren habe bzw. sei ihm dieser von der türkischen Polizei abgenommen worden. Herkunftsstaat ist derjenige Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes. Der Beschwerdeführer behauptete seit seiner Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, dass er Staatsangehöriger von Marokko wäre und behauptete auch in Bezug auf diesen Staat "Verfolgung". Er behauptete auch nicht, dass er vom marokkanischen Staat für seine Existenz wichtige Leistungen, Bewilligungen oder sonstige Zuwendungen bezogen hätte bzw. ihm solche auf Grund der vorgebrachten möglichen "Staatenlosigkeit" verweigert wurden oder er künftig auf solche angewiesen wäre. Der Beschwerdeführer behauptet lediglich, dass er aufgrund seiner Abstammung aus der Westsahara in Rabat nicht studieren hat können (AS 147).
Wie aus dem Länderbericht hervorgeht, sind in Marokko innerhalb des Landes Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung gesetzlich gewährleistet. Die Behörden würden diese Rechte üblicherweise respektieren. Auch kann der Beschwerdeführer des Weiteren nicht als staatenlos bezeichnet werden, wenn ihm von der marokkanischen Regierung ein Reisepass ausgestellt wurde. Auch gibt es keinen Anhaltspunkt, dass der Beschwerdeführer aus der Staatsangehörigkeit durch den marokkanischen Staat entlassen worden ist, zumal dieser mit seinem marokkanischen Reisepass über den Flughafen Casa Blanca problemlos in die Türkei reisen hat können (AS 149).
Zur Versorgungs- und Arbeitsmarktlage in Marokko ist anzuführen, dass sich aus dem soeben zitierten Länderinformationsblatt ergibt, dass die Arbeitslosigkeit zwar weiterhin ein Problem darstellt, das nationale Arbeitsmarktservice aber eine Internet-Plattform zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellt und auch Fortbildungsmöglichkeiten angeboten werden. Von der marokkanischen Regierung wird auch ein Programm zur Armutsbekämpfung und des sozialen Wohnbaus geführt und ist eine medizinische Behandlung auch für nicht krankenversicherte Personen mit sehr geringem Einkommen durch das System RAMED gesichert. Er sollte im Falle seiner Rückkehr durch die Aufnahme einer Tätigkeit, selbst wenn es sich dabei um eine Hilfstätigkeit handelt, seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Seine berufliche Erfahrung als Automechaniker sollte ihm dabei ebenso zugutekommen wie der Umstand, dass seine Familie in Marokko lebt. Selbst bei der Annahme, dass der Beschwerdeführer tatsächlich aus einer sehr einkommensschwachen Familie stammt, wird er mit seiner Berufserfahrung in der Lage sein, sich ein Grundeinkommen zu sichern, zumal eine Unterkunft gesichert ist (AS 147) und er bereits vor seiner Ausreise aus Marokko seinen Lebensunterhalt bestreiten hat können. Die Unterstützung der Familie durch den Vater war zudem schon vor seiner Ausreise gegeben (AS 147). Zudem ergibt sich aus dem oben zitierten Länderinformationsblatt, dass die Grundversorgung in Marokko gewährleistet ist.
Entgegen der Angaben im Beschwerdeschriftsatz verneinte der Beschwerdeführer in der ausführlicheren Einvernahme durch die belangte Behörde am 28.09.2021 eine Verfolgung oder Bedrohung seiner Person explizit (belangte Behörde: „Hatten Sie in Ihrem Herkunftsstaat je Probleme mit der Polizei, dem Militär oder den staatlichen Organen? Beschwerdeführer: Nein“). Wie bereits oben geschildert war dem Vorbringen durch die marokkanische Regierung verfolgt zu werden, die Glaubhaftigkeit zu versagen.
Der Beschwerdeführer macht somit keine Furcht vor Verfolgung aus einem Konventionsgrund glaubhaft geltend.
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine auch noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG 2005 erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinaus geht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Solche Gründe wurden vom Beschwerdeführer nicht ins Treffen geführt. Eine Verhinderung der Annahme einer Erwerbstätigkeit brachte er nicht vor und ergaben sich im Verfahren auch keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer dem Arbeitsmarkt nicht zu Verfügung stünde oder Diskriminierung in irgendeiner Hinsicht erfahren würde. So hat der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise Ende 2019 als Automechaniker gearbeitet.
Ebenso wenig darf außer Acht gelassen werden, dass wenn der Beschwerdeführer tatsächlich eine asylrelevante Verfolgung aus den von ihm genannten Gründen befürchtet hätte, er wohl bereits etwa bei seinem Aufenthalt in Griechenland (ein Monat) oder Serbien (ca. zwei Jahre) bzw. bei seiner Durchreise in Albanien, Kosovo und Ungarn einen Asylantrag gestellt hätte.
In diesem Zusammenhang ist auf die Richtlinie 2011/95/EG des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes zu verweisen, welche in ihrem Art. 4 Abs. 5 lit. d vorsieht, dass dann, wenn für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise fehlen, diese Aussagen keines Nachweises bedürfen, wenn der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war. Wendet man diese sekundärrechtliche Norm im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung auf das gegenständliche Verfahren an, so ergibt sich um Umkehrschluss, dass gegenständlich jedenfalls - glaubwürdige - Beweise erforderlich gewesen wären.
Weiters ist auf Art. 31 Abs. 8 der Richtlinie 2013/32/EU des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes zu verweisen, wonach die Mitgliedstaaten festlegen können, dass das Prüfungsverfahren im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II beschleunigt und/oder an der Grenze oder in Transitzonen nach Maßgabe von Artikel 43 durchgeführt wird, wenn nach dessen lit. h der Antragsteller unrechtmäßig in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats eingereist ist oder seinen Aufenthalt unrechtmäßig verlängert hat und es ohne stichhaltigen Grund versäumt hat, zum angesichts der Umstände seiner Einreise frühestmöglichen Zeitpunkt bei den Behörden vorstellig zu werden oder einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.
Der Beschwerdeführer musste auf seiner Reise nach Österreich durch zahlreiche andere als sicher geltende Staaten reisen und wäre es ihm möglich und zumutbar gewesen, schon dort um internationalen Schutz anzusuchen, zumal er zumindest in Serbien ungefähr zwei Jahre verbrachte. Durch das Unterlassen kann jedoch darauf geschlossen werden, dass er andere Motive als jene der Schutzsuche hat.
Letztlich ist noch zum Beschwerdevorbringen, das Recht auf Wahrung des Parteiengehörs sei verletzt worden, da der Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt zu Marokko nicht erhalten habe, anzumerken, dass der Beschwerdeführer bzw. die gesetzliche Vertretung die Gelegenheit hatten, zu den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid sowie zu deren Quellen in der Beschwerde Stellung zu nehmen, sodass selbst bei Annahme einer tatsächlichen Verletzung des Parteiengehörs davon auszugehen ist, dass diese durch die Möglichkeit der Einbringung der Beschwerde saniert wurde (vgl. VwGH vom 11.09.2003, Zl. 99/07/0062; VwGH vom 27.02.2003, Zl. 2000/18/0040, sowie VwGH vom 26.02.2002, Zl. 98/21/0299). Darüber hinaus wurde dem Beschwerdeführer im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme die Möglichkeit gegeben in das aktuelle Länderinformationsblatt Einsicht zu nehmen. Von dieser Möglichkeit machte der Beschwerdeführer keinen Gebrauch (AS 181).
Da der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde dem bekämpften Bescheid nicht substantiiert entgegen trat, ergeben sich auch keine Zweifel am Zutreffen der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen und ihrer Beweiswürdigung.
Die widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren (Angabe unterschiedlicher Personendaten; Angabe verschiedener Herkunftsstaaten; unterschiedliche Angabe zur Ausreise, ob er schlepperunterstützend ausgereist ist oder ohne fremde Hilfe; Reisepass während der Reise verloren versus Abnahme durch die türkische Polizei) begründen weitere Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und deuten zudem eindeutig darauf hin, dass dieser, wenn er Angaben über seine(n) angebliche(n) Fluchtgrund bzw. Fluchtgründe machte und in der Beschwerde einen weiteren Fluchtgrund aufzeigte, durchwegs keine tatsächlichen Geschehnisse bzw. Erlebnisse wiedergab, sondern damit versuchte eine Fluchtgeschichte – und dies in nicht stringenter Weise – zu konstruieren und sukzessive aufzubauen.
Zu dem Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz, dass die Behörde die UN Bestätigungen des Beschwerdeführers vorab den Beweiswert abgesprochen hat, ist auszuführen, dass die von der Mission der Vereinten Nationen für das Referendum in Westsahara (MINURSO) ausgestellten Dokumente vom Oktober 1999 die Personendaten der Eltern anführen (AS 153, 155). Für das gegenständliche Verfahren und für die Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers stellen diese Dokumente keine Relevanz dar, zumal diese aus dem Jahr 1999 stammen und nur die Personendaten der Eltern enthalten und sich daraus nicht ableiten lässt, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Abstammung benachteiligt wird bzw. wegen der Teilnahme an einer Demonstration verfolgt wird. Was jedoch aus den Dokumenten hervorgeht, ist, dass die Eltern des Beschwerdeführers in Guelmim im Jahr 1999 registriert worden sind. Auch die Tatsache, dass seine Eltern und seine Geschwister allesamt in Marokko leben und der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde nicht angeführt hat, dass diese Benachteiligungen oder Verfolgung ausgesetzt wären und als Staatenlose von Marokko behandelt werden würden. Im Beschwerdeschriftsatz wird dazu noch angeführt, dass seine Familie in der Westsahara keinen Schutz habe und sie selbst zum Überleben nur das Notwendigste erhalten würden. Wie bereits ausgeführt, liegt die Stadt bzw. Provinz Guelmim nicht in der Westsahara. Weiters weichen die Angaben des Beschwerdeführers bezüglich seiner Familie im Beschwerdeschriftsatz von dem vor der belangten Behörde ab. So gab er vor der belangten Behörde an, dass seine Familie in einem Mietshaus lebe und der Vater für sie sorgen würde und er sogar die Möglichkeit hatte Privatschulen zu besuchen (AS 147). Für den erkennenden Richter ist daher schwer nachvollziehbar, dass die Familie nur das Notwendigste zum Überleben habe, wenn sie ihr Sohn Privatschulen besuchen hat können, zumal der Besuch von Privatschulen im Regelfall mit hohen Kosten verbunden ist (Marokko - Die Zwei-Klassen-Bildungsgesellschaft (deutschlandfunk.de)).
Insoweit in der Beschwerde im Übrigen moniert wird, dass im angefochtenen Bescheid der belangten Behörde die Anwesenheit einer Rechtsberatung im Protokoll angeführt wird (AS 181; „Frage an die Rechtsberatung“), so handelt es sich hierbei um einen bloßen Schlampigkeitsfehler bzw. ein Versehen der belangten Behörde, welcher – wie auf der Aktenseite 181 entnommen werden kann – seitens der belangten Behörde korrigiert wurde.
2.3. Zum Herkunftsstaat:
Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht der erkennenden Richterin bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH 07.06.2000, Zl. 99/01/0210).
In Zusammenhang mit der COVID-19-Situation gilt es anzumerken, dass es sich um eine weltweite Pandemie handelt, somit sowohl Österreich als auch Marokko davon betroffen ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität und Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Im gegenständlichen Fall gelangt das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer, wie in der Beweiswürdigung bereits dargestellt, keiner individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt war oder im Fall der Rückkehr ausgesetzt wäre, sodass internationaler Schutz nicht zu gewähren ist. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100). Selbst bei Wahrunterstellung seines Vorbringens bezüglich der Benachteiligung aufgrund seiner Abstammung aus der Westsahara, kann aus den länderkundlichen Feststellungen zur Lage in Marokko nicht abgeleitet werden, dass in Marokko eine generelle und systematische Verfolgung der von der Westsahara stammenden Bevölkerung stattfindet. Wiewohl nicht auszuschließen ist, dass eine Diskriminierung auf Grund der Herkunft aus der Westsahara im Einzelfall vorkommen kann. Aufgrund der obigen Ausführungen hat der Beschwerdeführer selbst bei Wahrunterstellung aufgrund seiner Abstammung keine individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten.
Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt 2.2. bereits dargestellt, war der Verfolgung durch die marokkanische Regierung aufgrund der Teilnahme an einer Demonstration aus den obgenannten Gründen die Glaubhaftigkeit zu versagen und konnte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren daher keine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung durch staatliche Behörden darlegen bzw. glaubhaft machen.
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).
Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).
Dem Beschwerdeführer droht in Marokko - wie oben bereits dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung.
Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer ist volljährig, leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit und ist arbeitsfähig. Er hat eine langjährige Schulausbildung genossen und Erfahrungen als Automechaniker am Arbeitsmarkt gesammelt. Auch wenn die Arbeitsmarktsituation in Marokko angespannt ist, ergibt sich aus dem LIB, dass staatliche Subventionen verteilt werden und das nationale Arbeitsmarktservice eine Plattform zur Arbeitssuche und für Fortbildungsmöglichkeiten bereitstellt. Der Beschwerdeführer ist in der Lage, durch Annahme einer Tätigkeit, sich zumindest eine bescheidene Existenz zu sichern. Außerdem bestehen familiäre Anknüpfungspunkte. Er lebte bis zur Ausreise in Gelmium, wo auch seine übrige Familie noch lebt, und ist zumindest für die erste Zeit nach der Rückkehr eine Unterkunft bei seiner Familie gesichert.
Damit ist der Beschwerdeführer durch die Abschiebung nach Marokko nicht in seinem Recht gemäß Art 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Marokko besser gestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Marokko keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
Ganz allgemein besteht in Marokko derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für Marokko, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.
Im Übrigen hilft auch die Europäische Union Marokko mit 450 Mio. EUR, um die Behörden dabei zu unterstützen, die medizinische Versorgung im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie auszubauen und Maßnahmen zur Abmilderung der sozioökonomischen Auswirkungen zu ergreifen. Dank dieser Unterstützung konnte Marokko seine Reaktion auf die COVID-19-Pandemie verstärken, und zwar sowohl im Gesundheitssektor als auch in Bezug auf die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie. Seit Beginn der Pandemie hat Marokko strenge gesundheitspolizeiliche Maßnahmen ergriffen, darunter Abriegelungen, die sowohl die Wirtschaft als auch Zehntausende schutzbedürftiger Personen und Familien hart getroffen haben. Um die Familien, aber auch die kleinen und mittleren Unternehmen, die das wirtschaftliche Gerüst Marokkos bilden, zu schützen, hat die marokkanische Regierung eine Reihe von Finanzhilfeprogrammen eingerichtet. Diese Unterstützungsprogramme – die unter anderem Steuerstundungen, garantierte Darlehen und Zuschüsse für KMU sowie Soforthilfe für schutzbedürftige Familien umfassen – haben die öffentlichen Finanzen stark belastet. Die EU unterstützt Marokko bei der erfolgreichen Umsetzung dieser Maßnahmen (vgl. Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 23.12.2020: Team Europa: EU zahlt 169 Mio. EUR aus ihrem COVID-19-Hilfspaket für Marokko aus, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_20_2524 ).
Auch ergeben sich angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie keinerlei Rückführungshindernisse im Hinblick auf den Beschwerdeführer. Das Risiko, an Covid-19 zu erkranken, ist in Österreich nicht geringer als in Marokko und gehört der Beschwerdeführer zudem zu keiner Risikogruppe und ist bei ihm aufgrund seines Alters auch bei einer Infektion von keinem schweren Krankheitsverlauf auszugehen.
Die Beschwerde war daher hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.
Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Im gegenständlichen Fall verfügt der Beschwerdeführer über kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben in Österreich sowie auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten. Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren das Bestehen eines Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht behauptet und stellt somit die Ausweisungsentscheidung schon aus dieser Erwägung keine Verletzung des Art. 8 EMRK dar (AsylGH 03.12.2009, A2 253.985-0/200853).
Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder auch Erkenntnis vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 zu einem zweijährigem Aufenthalt in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (vgl. etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) muss angesichts des dreimonatigen Inlandsaufenthaltes des Beschwerdeführers davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes das Interesse an der Achtung seines Privat- und Familienlebens überwiegt.
Angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers, seiner fehlenden Integration sowie des Umstandes, dass er in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben führt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass seine privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen. Dies wurde in der Beschwerde auch nicht behauptet.
Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK – aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt jedoch im Fall des jungen und gesunden Beschwerdeführers nicht vor.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes IV. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):
Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Marokko zulässig ist.
Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ausgeschlossen ist, was es verunmöglicht, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. VwGH 25.09.2019, Ra 2019/19/0399 mwH).
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.6. Zur Nicht-Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides) und Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides):
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfolgte daher, soweit sie sich auf Z 4 der angesprochenen Bestimmung stützte, zu Recht.
Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. Im angefochtenen Bescheid wurde entsprechend festgestellt, dass aufgrund der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in Spruchpunkt VII. die Entscheidung gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfolgte seitens der belangten Behörde gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG, da der Beschwerdeführer aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt (Z 1). Im vorliegenden Fall stammt der Beschwerdeführer aus Marokko, was gemäß § 1 Z 9 der HStV (Herkunftsstaaten-Verordnung) als sicherer Herkunftsstaat gilt. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfolgte daher auch, soweit sie sich auf Z 1 stützte, zu Recht.
Darüber hinaus berief sich die belangte Behörde bei der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auch auf § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG und damit auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer Verfolgungsgründe nicht vorgebracht habe. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt zu § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 1997, einer mit § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG vergleichbaren Vorgängerbestimmung, dargelegt, dass bei der Prüfung, ob ein Anwendungsfall vorliegt, von den Behauptungen des Asylwerbers auszugehen ist und es in diesem Zusammenhang nicht auf die Frage der Glaubwürdigkeit der Angaben ankommt (VwGH 22.05.2003, 2000/20/0051).
Der Gesetzgeber geht demnach davon aus, dass das Rechtsschutzinteresse eines Antragstellers, der keine Verfolgungsgründe geltend gemacht hat, zwar geringer ausfällt (vgl. RV 2144 BlgNR XXIV. GP 13), gleichwohl aber nicht ausgeschlossen ist (VwGH, 21.05.2019, Ra 2018/19/0466).
Wie bereits oben erörtert, besteht bei der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Marokko keine Gefahr, dass diesem die Todesstrafe, die Folter, eine unmenschliche Behandlung oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohen. Ein von Art 8 EMRK geschützter Eingriff in sein Privat- und Familienleben ist ebenfalls mangels Bestehens eines schützenswerten Privat- und Familienlebens in Österreich nicht zu befürchten. Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ergibt – wie bereits oben ausgeführt – einen Überhang der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides. Damit waren keine Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG gegeben.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich der Spruchpunkte VI. und VII. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).
Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht nur etwa ein Monat liegt - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen, das Beschwerdevorbringen erwies sich als unsubstantiiert. Die wesentlichen Feststellungen sind unbestritten geblieben. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und es waren auch keine Beweise aufzunehmen. Bereits die belangte Behörde hatte an den Aussagen des Beschwerdeführers nicht gezweifelt und diese ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
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