BVwG W241 2130725-2

BVwGW241 2130725-228.5.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W241.2130725.2.00

 

Spruch:

W241 2130725-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch RA Dr. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2018, Zl. 1052632602/171204817, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Erstes Verfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein Staatsangehöriger des Iran, brachte nach nicht rechtmäßiger Einreise am 27.02.2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) einen Antrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge AsylG), ein.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bzw. dem BFA brachte der BF im Wesentlichen Folgendes vor:

Er habe sich dem Christentum zugewendet und im Iran eine Hauskirche besucht. Durch einen Spion sei diese Hauskirche aufgeflogen. Der BF habe wegen der Konversion eine Ladung des Gerichtes erhalten, weshalb er sich zur Flucht entschlossen habe. Zudem habe sich der BF nicht zum Wehrdienst gemeldet.

1.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid vom 01.07.2016 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen als unglaubwürdig, da der BF bei der Einvernahme durch das BFA nicht in der Lage gewesen sei, seine inneren Beweggründe für die Zuwendung zum Christentum auch nur annähernd glaubhaft zu machen und dass er sich so sehr für das Christentum interessiere, dass er bereit gewesen sei, sein Leben zu riskieren, seine Familie in Gefahr zu bringen und das Heimatland verlassen zu müssen. Die von BF vorgelegten Beweismittel seien nicht glaubhaft.

1.3. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (in der Folge BVwG) vom 06.09.2016, L519 2130725-1/7E, die Beschwerde gegen diesen Bescheid in Anwendung der § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Begründend hielt das erkennende Gericht im Wesentlichen fest, dass dem BF aufgrund widersprüchlicher Angaben sowohl zu seiner Person als auch zu seinen Fluchtgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen war. Er habe in der Verhandlung nur rudimentäre Kenntnisse der christlichen Glaubenslehre gezeigt und eine innere Hinwendung zum Glauben nicht überzeugend darzulegen vermocht.

Der BF sei gesund und liege im Iran keine allgemein existenzbedrohende Notlage vor, weshalb eine Rückkehr für den BF keine Gefährdung seiner Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK bedeute.

Der BF verfüge über keine familiären Bindungen im Bundesgebiet, sei nicht selbsterhaltungsfähig und beziehe Grundversorgung. Angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer stelle eine Rückkehrentscheidung daher keine Verletzung des Art. 8 EMRK dar.

2. Zweites Verfahren

2.1. Am 24.10.2017 stellte der BF den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Begründend führte er aus, dass er zum Christentum konvertiert sei. Es seien Fotos von ihm in einer Kirche gemacht worden, welche in einer Zeitung veröffentlicht worden seien. Im Iran drohe ihm die Todesstrafe. Ihm seien vor einem Jahr die Dokumente abgenommen worden, deshalb könne er nicht zum Arzt gehen. Er leide an Zahnschmerzen, psychischen Problemen und Angstzuständen.

2.2. In einer Einvernahme vor dem BFA am 05.02.2018 gab der BF an, dass er keine E-Card habe, weshalb er nicht zum Arzt gehen könne. Er leide unter Stress und Schlafstörungen und sein Augenlid zucke. Er nehme Medikamente, die er von einem Bekannten bzw. aus dem Iran erhalten habe. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass sich nichts geändert habe, seine Fluchtgründe seien die gleichen.

Der anwesende Rechtsvertreter gab an, dass die Hinwendung des BF zum Christentum aufgrund seines nunmehr dreijährigen Aufenthalts in Österreich im Vergleich zum letzten Verfahren deutlich stärker sei. Er sei ein überzeugter Christ, feiere Weihnachten und besuche regelmäßig die Kirche. Dies stelle einen neuen Sachverhalt dar, welcher eine neue inhaltliche Entscheidung voraussetze. Es werde beantragt, eine namentlich genannte Schwester als Zeugin einzuvernehmen. Der BF habe ein schützenswertes Privatleben entwickelt, seine Integration sie hervorragend. Er werde demnächst eine Deutschprüfung ablegen und könne eine Arbeitsplatzzusage vorweisen.

Der BF legte eine Kopie eines Artikels in einer Regionalzeitung (ein Foto darin zeigt den BF mit einer Nonne), eine Anmeldung zu einer Deutschprüfung, eine Mietvereinbarung, eine Arbeitsplatzzusage, einen nicht unterschriebenen Gesellschaftsvertrag (der BF ist als Kommanditist eingetragen), ein Empfehlungsschreiben, mehrere Rechnungen einer Fahrschule, eine deutsche Übersetzung des Führerscheins des BF sowie eine Ladung zur praktischen Fahrprüfung vor.

2.3. Mit gegenständlichem Bescheid des BFA vom 27.02.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entscheidender Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG werde ein auf zwei Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.) Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII.).

Begründend wurde im Wesentlichen angeführt, dass der BF keine neuen Fluchtgründe vorgebracht habe und sich auch kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt feststellen habe lassen.

Er habe keine medizinischen Befunde vorgelegt. Der BF habe die Streichung der Grundversorgung und damit der Krankenversicherung durch sein Nichtmitwirken an der Identitätsfeststellung selbst zu verantworten. Es bestehe jedoch die Möglichkeit, eigenfinanziert medizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen, zumal der BF auch eine Mietwohnung finanzieren könne. Der BF hätte auch an seiner Identitätsfeststellung mitwirken und um Wiederaufnahme in die Grundversorgung ansuchen können. Bei Vorliegen eines medizinischen Notfalls würde er auch ohne bestehende Krankenversicherung behandelt werden.

Zum Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass der BF seiner Ausreise- bzw. Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen sei. Das Erkenntnis des BVwG sei mit 07.09.2016 in Rechtskraft erwachsen. Einer Ladung zur Identitätsfeststellung habe der BF nicht Folge geleistet. Er beziehe keine Grundversorgung und habe nicht die Möglichkeit, einer legalen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Es sei davon auszugehen, dass der BF seine Lebenserhaltungskosten aus nicht genannten, unrechtsmäßigen Quellen bestreite. Da der BF nicht in der Lage sei, seine Lebenserhaltungskosten legal aus eigenem zu bestreiten, sei ein Einreiseverbot zu erlassen.

2.4. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 04.04.2018 Beschwerde erhoben.

Zum Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass der BF unbescholten und dieses daher rechtswidrig sei. Zu den Fluchtgründen wurde im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt. Der BF halte sich seit mehr als drei Jahren in Österreich auf, spreche sehr gut Deutsch und verfüge über einen Freundeskreis. Er engagiere sich in der Kirche, könne eine Arbeitsplatzzusage und einen Gesellschaftsvertrag über die Teilnahme an einer KG als Kommanditist vorweisen. Nachweise zu Deutschprüfungen würden nachgereicht. Die Rückkehrentscheidung werde unverhältnismäßig in das Privatleben des BF eingreifen und daher seine Rechte nach Art. 8 EMRK/Art. 7 GRC verletzen. Abschließend wurde die aufschiebende Wirkung der Beschwerde beantragt.

2.5. Die Beschwerdevorlage an die zuständige Gerichtsabteilung des BVwG iSd § 16 Abs. 4 BFA VG erfolgte am 10.04.2018.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Aufgrund jener der Entscheidung zugrundeliegenden Akten des BFA sowie des BVwG steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

Der BF ist Staatsangehöriger des Iran.

Der BF reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 27.02.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid vom 01.07.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Mit Erkenntnis des BVwG vom 06.09.2016, L519 2130725-1/7E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

Der BF stellte am 24.10.2017 den gegenständlichen, zweiten Antrag auf internationalen Schutz und stützte diesen auf die gleichen Fluchtgründe, die er bereits im vorigen Verfahren über seine Anträge auf internationalen Schutz geltend gemacht hatte.

Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine maßgebliche Änderung in Bezug auf die den BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat, noch in sonstigen, in der Person des BF gelegenen Umständen.

In Bezug auf die individuelle Lage des BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat kann keine in Bezug auf jenen Zeitpunkt, in dem letztmalig über den Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich entschieden wurde, maßgeblich andere Situation festgestellt werden.

Der BF hält sich seit Februar 2015 ununterbrochen im Bundesgebiet auf.

Er leidet an keinen schweren psychischen oder physischen Erkrankungen oder Gebrechen.

Es bestehen keine familiären Bindungen im Bundesgebiet.

Er ist strafgerichtlich unbescholten und bezieht seit Dezember 2016 keine Leistungen aus der Grundversorgung. Der BF ist in Österreich nicht legal erwerbstätig.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Gefälschte bzw. mit falschen Angaben erstellte Dokumente sind im Iran einfach erhältlich. Die vorgelegten Dokumente sind in den meisten Fällen echt, der Inhalt gefälscht oder verfälscht. Sowohl die von iranischen Behörden als auch von der afghanischen Botschaft im Iran ausgestellten Dokumente bestätigen unrichtige Angaben. Eine Überprüfung ist seitens der Botschaft nicht möglich. Die Überprüfungen von Dokumenten im Wege des Vertrauensanwaltes mussten eingestellt werden, da ihm seitens iranischer Stellen dies eindringlich nahegelegt wurde. Die Überprüfung von Haftbefehlen kann von der Botschaft aufgrund des Datenschutzes nicht durchgeführt werden. Die Überprüfung von Dokumenten von Afghanen (Aufenthaltsbestätigungen, Arbeitserlaubnis,...) ist auch kaum möglich, da deren Erfassung durch die staatlichen Behörden selten erfolgt, viele illegal im Land sind, geduldet werden und sich auch die Wohnorte häufig ändern. Allfällige allgemeine Erhebungen durch den Vertrauensanwalt führen daher zu nicht wirklich belastbaren, da nicht überprüfbaren Aussagen. Die afghanische Botschaft hat laut UNHCR jedenfalls kürzlich begonnen, Identitätsnachweise an afghanische Personen im Iran auszustellen (ÖB Teheran 9.2017).

Quellen:

Am 19.5.2017 wurde der als moderat geltende Präsident Hassan Rohani im Amt bestätigt. Er setzte sich gegen den Konservativen Ebrahim Raisi durch. Seine Wahl gilt als Signal, dass die iranische Bevölkerung seinen Kurs der internationalen Öffnung des Landes unterstützt (Zeit 21.5.2017).

Als Verlierer der Wahl sieht die Frankfurter Allgemeine Zeitung den Obersten Führer Ali Khameini, da der Verlierer Raisi sein Kandidat war. Raisi war vor der Abstimmung als möglicher Nachfolger des kränkelnden Khamenei genannt worden. Das Amt des Präsidenten, hieß es, werde für Raisi im Falle eines Wahlsieges nur ein Zwischenschritt sein. Diesen Plan hat die Jugend in Irans Städten mit ihrem Ruf nach mehr Freiheit durchkreuzt. Das Votum zeigt: Der Oberste Führer ist nicht allmächtig. Amtsinhaber Rohani hat ein starkes Mandat erhalten, seine Politik der Öffnung des Landes fortzusetzen. Ein Grund zum Jubeln ist das aber noch lange nicht. Schon die erste Amtszeit Rohanis hat gezeigt, dass ihm die Kraft fehlt, um die von ihm versprochenen Freiheiten und Reformen durchzusetzen. Mit großer Härte ist die Justiz auch in den vergangenen vier Jahren gegen Regimekritiker vorgegangen. Meinungs- und Versammlungsfreiheit bleiben eingeschränkt. Die Sittenpolizei patrouilliert weiter, wenn auch weniger aggressiv als unter Rohanis Amtsvorgänger. Wenn Irans Reformer sich dennoch entschlossen haben, Rohani abermals mit ihrer beachtlichen Wählerbasis zu unterstützen, liegt das nicht daran, dass Rohani selbst ein Reformer wäre. Vielmehr haben sie ihre Hoffnungen, dass ein schneller Wandel möglich wäre, spätestens seit der Niederschlagung der Protestbewegung von 2009 aufgegeben. Auch die von Rohani verkündete Annäherung an den Westen kommt nur in kleinen Schritten voran. Einer Normalisierung der Beziehungen zum Westen steht zudem Irans militärisches Vorgehen in der Region entgegen. Teheran hat Tausende Milizionäre nach Syrien entsandt, um Diktator Baschar al-Assad an der Macht zu halten. Es finanziert und bewaffnet die libanesische Hizbollah und die palästinensische Hamas, die beide Israel bedrohen. Präsident Rohani wird daran auch in seiner zweiten Amtszeit nichts ändern. Nicht er bestimmt die Sicherheitspolitik, sondern der Oberste Führer. Wirkliche Veränderungen werden im Iran erst möglich sein, wenn Ali Khamenei nicht mehr Oberster Führer ist (FAZ 22.5.2017).

Am selben Tag der Präsidentschaftswahl fanden auch Kommunalwahlen in Teheran statt. Die Vertreter einer gemäßigten Politik haben auch den Stadtrat von Teheran erobert - alle 21 Sitze gingen an Kandidaten des moderaten Lagers. Damit verloren die Konservativen zum ersten Mal seit 14 Jahren die Macht im Stadtrat der iranischen Hauptstadt. Das Ergebnis der Kommunalwahl in Teheran ist eine schwere Niederlage für den amtierenden konservativen Bürgermeister Mohammed Bagher Ghalibaf. Er hatte seine Kandidatur für das Präsidentenamt kurz vor der Wahl zurückgezogen, um Raisi zu unterstützen. Ghalibaf war zwölf Jahre lang Bürgermeister von Teheran, er folgte 2005 dem ultrakonservativen Hardliner Mahmud Ahmadinedschad (Zeit 21.5.2017).

Quellen:

* FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (22.5.2017): Präsidentenwahl in Iran. Kein Grund zum Jubeln, http://www.faz.net/aktuell/politik/praesidentenwahl-in-iran-kein-grund-zum-jubeln-15025515.html , Zugriff 22.5.2017

* Zeit (21.5.2017): Moderates Lager gewinnt Mehrheit in Teheran, http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-05/iran-wahl-teheran-stadtrat-hassan-rohani , Zugriff 22.5.2017

2. Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution", Ayatollah Seyed Ali Khamene'i, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt. Leiter der Exekutive ist der iranische Staatspräsident, seit August 2013 Dr. Hassan Rohani, der vom Volk in direkten Wahlen auf vier Jahre gewählt und vom Revolutionsführer bestätigt wird. Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden im Juni 2013 statt. Der Staatspräsident bildet ein Kabinett; das Parlament muss den einzelnen Ministern zustimmen und kann ihnen das Vertrauen auch wieder entziehen. Auch das Parlament wird auf vier Jahre direkt vom Volk gewählt. Sowohl Parlament als auch Regierung haben legislatives Initiativrecht. Als Kontrollinstanz fungiert im Gesetzgebungsverfahren der "Wächterrat" (bestehend aus sechs vom Revolutionsführer ausgewählten islamischen Rechtsgelehrten und sechs vom Parlament bestellten juristischen Experten), der auch über weitreichende Befugnisse der Verfassungsauslegung und bei der Vorauswahl der Kandidaten bei Parlaments-, Präsidentschafts- und Expertenratswahlen verfügt. Der "Schlichtungsrat" fungiert im Gesetzgebungsverfahren als vermittelndes Gremium und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der "Gesamtinteressen des Systems" zu achten (AA 6 .2016a, vgl. ÖB Teheran 10.2016).

Das iranische Volk hat am 26. Februar 2016 das Parlament und den Expertenrat gewählt. Während Letzterer weiterhin stark konservativ dominiert ist, ist das neue Parlament deutlich zentristischer als zuvor. Der wiedergewählte traditionell-konservative Parlamentspräsident Larijani und Teile seiner Unterstützer haben sich im Zuge des Konflikts um die Verabschiedung des Nuklearabkommens im letzten Sommer der Regierung sichtbar angenähert. Die pragmatische Unterstützung Rohanis durch Larijani dürfte sich auch in Zukunft fallabhängig wiederholen und wirkt insgesamt systemstabilisierend. Weiterhin zeigen institutionelle Vetorechte des konservativen Establishments der Regierung Rohani und ihrer innenpolitischen Agenda von mehr Bürgerrechten und mehr Freiheiten Grenzen auf. Die Regierung Rohani ist überdies weiterhin bestrebt, den Iran aus seiner außenpolitischen Isolierung herauszuführen. Wichtige Grundlage hierfür war der Abschluss des Nuklearabkommens. Die Revolutionsgarden (IRGC) bleiben militärischer, politischer und wirtschaftlicher Machtfaktor im Gefüge der Islamischen Republik. Sie begrenzen die Macht des Staatspräsidenten in grundsätzlichen Fragen. Es gelang der Regierung, den dramatischen Rückgang der Wirtschaftsaktivität seit 2011 aufzuhalten, die Inflation auf unter 10 % zurückzufahren und die Währung zu stabilisieren (AA 8.12.2016).

Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden. Das iranische Regierungssystem ist ein präsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Majlis - Majles-e Shorâ-ye Eslami / Islamische Beratende Versammlung -, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das (mit europäischen Parlamenten vergleichbare) legislative Kompetenzen hat sowie Regierungsmitgliedern das Vertrauen entziehen kann. Über dem Präsidenten, der laut Verfassung auch Regierungschef ist, steht der Oberste Führer, seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Der Oberste Führer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran; Abk.: IRGC) und damit auch die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. Für die entscheidenden Fragen der Islamischen Republik ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2016).

Ausschließlich politische Parteien und Fraktionen, die sich dem Establishment und der Staatsideologie als loyal erweisen, ist es erlaubt, im Iran zu arbeiten. Reformistische Parteien und Politiker sind seit 2009 immer wieder unter Druck geraten (FH 2017).

Das Parlament, der Expertenrat sowie der Präsident werden in geheimen und direkten Wahlen vom Volk gewählt. Dabei sind Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert. Den OECD-Standards entspricht das Wahlsystem jedoch schon aus dem Grund nicht, dass sämtliche Kandidaten im Vorfeld durch den vom Revolutionsführer und Justizchef ernannten Wächterrat zugelassen werden müssen (AA 8.12.2016, vgl. IPG 27.1.2014). Der Revolutionsführer ist oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter, kann zentrale Entscheidungen aber nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Parteien [im westeuropäischen Verständnis] gibt es in Iran nicht. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Die Mitgliedschaft und Allianzen untereinander unterliegen dabei ständigem Wandel. Aufgrund der schwierigen Lage der reformorientierten Opposition unterstützt diese im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems Islamische Republik angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 8.12.2016).

Die Mitte Juli 2015 in Wien erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm im "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA) genannten Abkommen und dessen Umsetzung am 16. Jänner 2016 führten zu einer Veränderung der Beziehungen zwischen dem Iran und der internationalen Gemeinschaft:

Die mit dem iranischen Atomprogramm begründeten Sanktionen wurden aufgehoben bzw. ausgesetzt. Seither gibt es einen intensiven Besuchs- und Delegationsaustausch mit dem Iran, zahlreiche neue Wirtschaftsverträge wurden unterzeichnet. Die Erwartung, dass durch den erfolgreichen Abschluss des JCPOA die reformistischen Kräfte im Iran gestärkt werden, wurde in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt: Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. 217 der bisherigen 290 Abgeordneten wurden nicht wiedergewählt. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen "unislamisches" oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden; insbesondere für einige religiöse Minderheiten, wie die Bahai, und Journalisten wird eher von einer Verschlechterung der Situation im Jahr 2015 ausgegangen. Dies zeigt sich gegenwärtig etwa in der Vorlage einer Gesetzesnovelle für das Medienrecht, welche die Meinungsfreiheit von Journalisten weiter einschränkt. (ÖB Teheran 10.2016).

Die Machtkämpfe zwischen Hardlinern und Reformern dauern im Iran schon fast vierzig Jahre an. Nie zuvor jedoch disqualifizierten die greisen Kleriker des allmächtigen Wächterrates so viele Bewerber bei einer Parlamentswahl [26.2.2016] wie diesmal. Sieben lange Wochen dauerte das Ringen hinter den Kulissen, sieben kurze Tage der eigentliche Wahlkampf. Am Ende kam auf den Stimmzetteln ein Reformkandidat auf 30 Hardliner. Landesweit lag die Zahl der zugelassenen Politiker, die für eine Öffnung der Islamischen Republik eintreten, bei kümmerlichen 200 und damit sogar unterhalb der Gesamtmenge von 290 Wahlkreisen. Und trotzdem erteilte das Volk den durch beispiellose klerikale Machtwillkür dezimierten Mitstreitern des moderaten Präsidenten Hassan Rohani ein eindeutiges Mandat. In der 16-Millionen-Metropolregion Teheran eroberten die Reformer sämtliche Sitze. In der Provinz verschoben sich ebenfalls die Gewichte, wenn auch nicht so fundamental wie in der Hauptstadt. Doch die lähmende Dominanz der Erzkonservativen ist vorbei. Die Mehrheit der Iraner zeigte auf dem Stimmzettel, dass sie dem Ende des Atomkonflikts zustimmt und für mehr Offenheit und Pluralität im Inneren votiert. Hassan Rohani, der den Wahltag zu einem Referendum über seine Politik erklärt hatte, ist gestärkt. Er kann künftig bei der Regierungsbildung freier agieren. Zudem sind die Hardliner durch diese Niederlage mit ihrem Ziel gescheitert, den Handlungsspielraum des Präsidenten in einer möglichen zweiten Amtszeit ab 2017 einzuschränken. Nun aber hat Rohani gute Chancen, während der ersten Neuwahl eines Revolutionsführers in der Geschichte der Islamischen Republik Präsident zu sein. Machthaber Ali Chamenei ist betagt [76 Jahre] und hat [Prostata]Krebs. 2009 verhinderten er und seine erzkonservative Gefolgschaft den Ansturm der Reformer mit einer Unterdrückungskampagne. Doch seit dem Atomkompromiss verschieben sich die innenpolitischen Gewichte massiv. Das Volk will nach dem außenpolitischen Aufbruch nun auch die Umsetzung der Reformen im Inneren. 2013 bei seiner Wahl hatte Rohani den Bürgern sogar eine Grundrechtecharta in Aussicht gestellt, die die Willkürmacht der islamischen Herrschaft begrenzen soll. Gut zwei Jahre hielten die 81 Millionen Iraner still und ertrugen die Betonfraktion, wohl wissend, dass ihr Präsident zunächst den Atomstreit lösen würde. Die Zahl der Hinrichtungen stieg auf ein Rekordniveau, politische Aktivisten und sogar Musiker wurden zu drakonischen Haftstrafen verurteilt, Zeitungen geschlossen. Entsprechend lang ist die politische, soziale und kulturelle Forderungsliste der Menschen für die nächsten beiden Jahre - angefangen von Pressefreiheit und Parteienvielfalt bis hin zur Freilassung aller politischen Häftlinge, allen voran der Ikonen der Grünen Bewegung von 2009, die damaligen Präsidentschaftsbewerber Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi. Ob Rohani diese Erwartungen erfüllen kann, ist ungewiss (Zeit Online 29.2.2016).

Quellen:

3. Sicherheitslage

Auch wenn die allgemeine Lage als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land, speziell in den größeren Städten. Sie haben in der Vergangenheit gelegentlich zu Kundgebungen geführt, besonders während (religiösen) Feiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Das Risiko von Anschlägen kann nicht ausgeschlossen werden (EDA 21.3.2016). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 10.5.2017b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen (AA 10.5.2017b, vgl. BMEIA 10.5.2017).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gab es vor einigen Jahren wiederholte Anschlagsserien gegen lokale Repräsentanten aus Justiz, Sicherheitskräften und sunnitischem Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr bereits seit Frühjahr 2009 intensiviertes Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt Kampfhandlungen zwischen Militär und kurdischen Separatistenorganisation wie PJAK und DPIK, mit mehreren Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK am 6. und 7. September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. In Kurdistan besteht ein erhöhtes Aufkommen an Sicherheitskräften, mit häufigen Kontrollen bzw. Checkpoints ist zu rechnen (AA 21.3.2016b, vgl. BMeiA 10.5.2017).

Quellen:

4. Rechtsschutz/Justizwesen

Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2016). In der Verfassung ist eine unabhängige Justiz verankert, in der Praxis steht sie unter politischem Einfluss. Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Der Oberste Führer ernennt den Chef der Judikative. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 3.3.2017, vgl. AI 22.2.2017).

Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Er ist laut Art. 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz formalen Verbots in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association"; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen insbesondere in politischen Verfahren ausgesetzt (AA 8.12.2016).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung des Iran steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß Art. 167, 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

Das Sondergericht für Geistliche und die Revolutionsgerichte waren besonders empfänglich für Druck seitens der Geheimdienste und anderer Sicherheitsbehörden, die darauf drängten, Angeklagte schuldig zu sprechen und harte Strafen zu verhängen (AI 22.2.2017).

Im Juni 2015 trat die neue Strafprozessordnung in Kraft, die nahezu ein Jahrzehnt in Arbeit war. Es sind nun einige überfällige Reformen im Justizsystem enthalten, wie Einschränkungen der provisorischen Untersuchungshaft bei Fällen von Fluchtgefahr oder Gefahr für die öffentliche Sicherheit, striktere Regulierungen betreffend Befragungen von beschuldigten Personen und die Ausweitung des Rechts auf einen Anwalt. Nichtsdestotrotz scheitert die Strafprozessordnung an vielen großen Mängeln im iranischen Strafjustizsystem (AI 11.2.2016). Justizbedienstete des Ministeriums für Geheimdienste, der Revolutionsgarden und anderer Behörden setzten sich ständig über Bestimmungen hinweg, die die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsah, wie das Recht auf einen Anwalt unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft und das Recht auf Aussageverweigerung. Strafverteidiger erhielten oft keine vollständige Akteneinsicht und konnten ihre Mandanten erst unmittelbar vor Prozessbeginn treffen. Untersuchungshäftlinge befanden sich über lange Zeiträume hinweg in Einzelhaft und hatten entweder überhaupt keinen Kontakt zu einem Rechtsbeistand und ihrer Familie oder nur sehr selten. Unter Folter erzwungene "Geständnisse" wurden vor Gericht als Beweismittel zugelassen. Richter begründeten ihre Urteile häufig nicht ausreichend, und die Justizverwaltung machte die Urteile nicht öffentlich zugänglich. Die Staatsanwaltschaft nutzte Paragraph 48 der Strafprozessordnung, um Gefangenen einen Rechtsbeistand ihrer Wahl zu verweigern (AI 22.2.2017, vgl. ÖB Teheran 10.2016).

Das iranische Strafrecht ist islamisch geprägt. Es ist kodifiziert im "Gesetz über die islamischen Strafen" vom 30. Juli 1991. Die letzte Änderung des Gesetzes trat am 18.06.2013 in Kraft. Zudem existieren einige strafrechtliche Nebengesetze, darunter das Betäubungsmittelgesetz sowie das Antikorruptionsgesetz. Die statuierten Straftatbestände und Rechtsfolgen enthalten zum Teil unbestimmte Formulierungen. Den Kern des "Scharia-Strafrechts", also des islamischen Strafrechts mit seinen z.T. erniedrigenden Strafen wie Auspeitschung, Verstümmelung, Steinigung, sowie der Todesstrafe bilden die Abschnitte zu den Qesas-und Hudud-Delikten:

Die "Taazirat"-Vorschriften (vom Richter verhängte Strafen), Strafnormen, die nicht auf religiösen Quellen beruhen, bezwecken in erster Linie den Schutz des Staates und seiner Institutionen. Während für Hudud- und Qesas-Straftaten das Strafmaß vorgeschrieben ist, hat der Richter bei Taazirat-Vorschriften einen gewissen Ermessensspielraum (AA 9.12.2015).

Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Personen zu Peitschenhieben verurteilt werden, die selbst Alkohol weder besessen noch konsumiert haben, u.U. ist bereits die bloße Anwesenheit bei einer Veranstaltung, bei der Alkohol konsumiert wird, für die Betroffenen gefährlich. So wurden etwa im Mai 2016 mehr als 30 Studenten wegen Teilnahme an einer Party mit Alkohol und Tanz zu je 99 Peitschenhieben verurteilt. Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch Auspeitschungen wer-den zum Teil öffentlich vollstreckt. Berichten zufolge werden auch die Strafen der Amputation (z.B. von Fingern bei Diebstahl) und der Blendung noch angewandt - auf die Anwendung letzterer kann die/der ursprünglich Verletzte jedoch gegen Erhalt eines Abstandsgeldes verzichten (ÖB Teheran 10.2016).

Entgegen anfänglicher Erwartungen ist in der Strafrechtsnovelle die Steinigung als Bestrafung für Ehebruch noch immer vorgesehen, auch wenn der Richter auf eine andere Form der Hinrichtung ausweichen kann. Darüber hinaus wurden alternative Maßnahmen für Kinder im Alter von 9 bis 15 implementiert, wie zum Beispiel Besuche beim Psychologen oder die Unterbringung in einer Besserungsanstalt, Auch nach neuem Strafrecht ist die Verhängung der Todesstrafe für Minderjährige möglich, wobei im Einzelfall auch die mangelnde Reife des Täters festgestellt und stattdessen eine Haft- oder Geldstrafen verhängt werden kann (AA 9.12.2015).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Häftlinge ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse. Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach iStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind allerdings keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist (AA 8.12.2016).

Körperstrafen sowie die Todesstrafe sind nach wie vor an der Tagesordnung. Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, "Mohareb", Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen, sowie auf Vergehen wie Drogenkonsum oder außerehelichen Geschlechtsverkehr (ÖB Teheran 10.2016).

Es gibt verfahrensrechtliche Bestimmungen, die den Richtern die Anweisung geben, Quellen zu kontaktieren, wenn es keinen Gesetzestext zum Vorfall gibt. Weiters gibt es eine Bestimmung im Strafgesetzbuch, die Richtern ermöglicht, sich auf ihr persönliches Wissen zu berufen, wenn sie Urteile fällen (ICHR 7.12.2010).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1455175709_mde1327082016english.PDF , Zugriff 24.4.2017

4.1. Feststellung der Staatsangehörigkeit

Die offizielle Registrierungsbehörde nimmt alle iranischen Staatsangehörigen in ihre Datenbank auf. Auslandsvertretungen sind nicht ermächtigt, Auskünfte einzuholen (AA 8.12.2016).

Quellen:

5. Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung zur Vollstreckung der Gesetze und Aufrechterhaltung der Ordnung. So das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums und die Revolutionsgarden, die direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Die Sicherheitskräfte werden nicht als völlig effektiv bei der Verbrechensbekämpfung angesehen und Korruption und Straffreiheit sind weiter problematisch. Menschenrechtsgruppen beschuldigten reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Missbräuche der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter diszipliniert (US DOS 3.3.2017).

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami) ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer. Organisatorisch den Pasadaran unterstellt ist die sog. Bassij-Bewegung, ein paramilitärischer Freiwilligenverband, dem auch Frauen angehören. Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst ("Vezarat-e Etela'at") mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität. Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz. Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem "Hohen Rat für den Cyberspace" beschäftigt sich die iranische Cyberpolice mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfälle und Verletzungen von Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU-Menschenrechtssanktionsliste (AA 8.12.2016).

Die "Sepah Pasdaran" (Revolutionsgarden) sind heute die mächtigste Instanz im Iran, sowohl politisch, als auch wirtschaftlich und militärisch. Die reguläre Armee spielt neben den Pasdaran eine sehr sekundäre Rolle. Die Pasdaran sind mit modernsten Waffen ausgerüstet. Sie sind schlagkräftig und entscheiden alle militärischen Fragen, und die reguläre Armee ist dagegen völlig in den Hintergrund geraten. Inzwischen gelten sie auch als die größte wirtschaftliche Macht des Landes. Die Pasdaran bekommen zum einen Konzessionen für alle größeren infrastrukturellen Projekte im Iran. Ob es um Staudämme geht oder um den Straßenbau, den Bau von Häfen oder Flughäfen: An allen Großprojekten sind die Pasdaran beteiligt. Darüber hinaus kontrollieren sie die Häfen und Flughäfen und damit auch den gesamten Markt, Aus- und Einfuhren und vor allem auch den Schwarzmarkt. Sie können Waren ins Land bringen und ausführen, ohne Zoll oder Steuern zu bezahlen. Die Pasdaran sind auch beteiligt an Ölprojekten. Die Pasdaran sind an den Entscheidungen sowohl im Atomstreit als auch in sonstigen politisch wichtigen Angelegenheiten direkt mitbeteiligt. Sie sind sehr stark involviert in das Atomprogramm. Ihre ehemaligen Kommandeure sitzen an den Schalthebeln der Macht. 2005 hat Mahmud Ahmadinedschad, als er zum ersten Mal zum Staatspräsidenten gewählt wurde, die meisten und wichtigsten Schlüsselpositionen mit Kommandanten der Pasdaran besetzt (DW 13.6.2013). Sie sind eng mit der Politik verzahnt und konnten in den vergangenen Jahren ihren wirtschaftlichen Einfluss ausbauen. Sie sind in allen Sektoren aktiv, mit teilweise monopolartigen Stellungen in der Rüstungs- und Bauindustrie, bei Energieprojekten, im Schmuggel von Konsumgütern und im Telekommunikationssektor (DW 13.6.2013, vgl. FH 2016).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da vor allem die Basijis nicht nach iranisch-rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander. Viele Schätzungen nehmen an, dass heute mehrere Millionen Basijis im Iran tätig sind. Bereits auffälliges Hören (insb. westlicher) Musik, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen kann den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügelung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden. Zu Verhaftungen kommt es immer wieder auch, wenn (junge) Menschen gemischtgeschlechtliche Partys feiern oder sie sich nicht an die Bekleidungsvorschriften halten. Manchmal kann bei Frauen schon ein zu kurzer/ enger Mantel oder das Hervorlugen von Haarsträhnen unter dem Kopftuch für eine Verhaftung, bei Männern zu eng anliegende Jeans, das Tragen von Goldschmuck oder ein außergewöhnlicher Haarschnitt reichen (ÖB Teheran 10.2016).

Quellen:

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet alle Formen der Folter, um Geständnisse oder andere Informationen zu erlangen, es gibt aber glaubwürdige Berichte, dass Sicherheitskräfte und Gefängnispersonal Häftlinge folterten oder missbrauchten. Einige Gefängnisse, einschließlich das Evin Gefängnis (Trakt 209 ist unter Kontrolle des Geheimdienstes) in Teheran sind berüchtigt für grausame und anhaltende Folter von politischen Gefangenen (US DOS 3.3.2017, vgl. AA 8.12.2016). Menschenrechtsorganisationen berichteten, dass Verweigerung von medizinischer Versorgung in Gefängnissen als Bestrafung genutzt wurde (US DOS 3.3.2017, vgl. AI 22.2.2017).

Es war nach wie vor üblich, Inhaftierte zu foltern und anderweitig zu misshandeln, insbesondere während Verhören, um auf diese Weise "Geständnisse" zu erpressen. Gefangene, die sich in Gewahrsam des Ministeriums für Geheimdienste oder der Revolutionsgarden befanden, mussten routinemäßig lange Zeiträume in Einzelhaft verbringen, was den Tatbestand der Folter erfüllte. Vorwürfen von Inhaftierten, dass sie gefoltert oder anderweitig misshandelt worden seien, gingen die Behörden grundsätzlich nicht nach. In einigen Fällen drohten sie den Betreffenden weitere Folter und harte Strafen an. Richter ließen weiterhin unter Folter erpresste "Geständnisse" als Beweismittel gegen Angeklagte zu, obwohl dies nach der Strafprozessordnung von 2015 nicht zulässig ist. In der Strafprozessordnung war nicht geregelt, wie Richter und Staatsanwälte vorzugehen haben, um Foltervorwürfe zu untersuchen und sicherzustellen, dass Geständnisse freiwillig erfolgen. Andere Bestimmungen der Strafprozessordnung, wie z. B. die Garantie, dass ein Gefangener unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft das Recht auf einen Rechtsbeistand hat, wurden in der Praxis häufig ignoriert, wodurch Folter begünstigt wurde (AI 22.2.2017).

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich massiv von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe sind nach wie vor an der Tagesordnung. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom "Geschädigten" gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Zwar wurde im Jahr 2002 ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, jedoch wurde dies im Jahr 2009 vom damaligen Justizsprecher für nicht bindend erklärt. Es befinden sich noch mehrere Personen beiderlei Geschlechts auf der "Steinigungsliste". Seit 2009 sind jedoch keine Fälle von Steinigungen belegbar. Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch) (ÖB Teheran 10.2016, vgl. UN Human Rights Council 13.3.2017). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen - teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 10.2016).

Quellen:

7. Wehrdienst

Die Länge des verpflichtenden Wehrdienstes ist von den individuellen Verhältnissen abhängig und beträgt 18 bis 24 Monate. Aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen können Wehrpflichtige ausgemustert werden. Studenten können, wenn sie im Ausland studieren möchten, unter Hinterlegung einer Kaution (150.000.000 IRR, ca. 4.000,-€) zurückgestellt werden (AA 8.12.2016).

Wehrdienstpflichtige, d.h. männliche Staatsangehörige über 18 Jahren, die nicht etwa aufgrund eines Studiums vorübergehend von der Wehrdienstpflicht befreit sind, dürfen mit wenigen Ausnahmen vor Ableistung ihres Wehrdienstes das Land nicht verlassen (d.h. sie erhalten erst danach einen Reisepass). Angehörige der Streitkräfte und der Polizei dürfen das Land nur mit Zustimmung ihres Dienstes verlassen. Es gibt einige Möglichkeiten, nur einen kürzeren Wehrdienst abzuleisten, etwa für Iraner, deren Väter bereits im Irak-Iran-Krieg gekämpft haben. Die Zustände beim iranischen Militär sind in der Regel wesentlich härter als in europäischen Streitkräften (berichtet wird regelmäßig über unzureichende Verpflegung, unzureichende Ausrüstung, drakonische Strafen etc). Da Homosexualität offiziell als Krankheit gilt, werden Homosexuelle vom Militärdienst befreit und können keine Beamtenfunktionen ausüben. Es gibt keinen Wehrersatzdienst. In besonderen Fällen, etwa Sportler oder bei guten Beziehungen zu relevanten Stellen, kann nach einer 60-tägigen Grundausbildung jedoch eine Art "Ersatzdienst" für weitere 22 Monate u.a. in Ministerien oder bei Sportverbänden absolviert werden (ÖB Teheran 10.2016).

Männer, die keinen Wehrdienst ableisten und auch nicht vom Wehrdienst ausgenommen sind, kommen nicht für Jobs in der Regierung in Frage und haben üblicherweise auch keinen Zugang zu gut bezahlten Jobs. Sie können zudem auch keinen Reisepass beantragen (Al Monitor 19.12.2013)

Mit 21.3.2015 wird der Wehrdienst für alleinstehende Männer auf 24 Monate verlängert. Für verheiratete Wehrpflichtige reduziert sich die Dauer um drei Monate pro Kind (Voice of America 10.10.2014).

Quellen:

7.1. Wehrdienstverweigerung / Desertion

Die Strafen bei Nichtmeldung variieren abhängig von der Frage, ob sich das Land im Kriegszustand befindet oder nicht. Personen, die sich zu spät melden, sind verpflichtet zusätzlich drei Monate Wehrdienst zu verüben. Wehrpflichtige, die sich zu spät oder gar nicht melden und aufgegriffen werden, erhalten ihre Bescheinigung über die Ableistung des Wehrdienstes teilweise mit erheblicher Verspätung. Ein Freikauf von der Wehrpflicht ist nicht mehr möglich. Religionsführer Khamenei hat aber die Jahrgänge bis einschließlich 1975, die bislang keinen Wehrdienst geleistet hatten, freigestellt (AA 8.12.2016).

Junge Männer ab 18 Jahren, die zum Wehrdienst einberufen wurden und sich nach der Einberufung nicht bei den Behörden melden, werden als Wehrdienstverweigerer betrachtet. Im Iran gibt es keinen Wehrersatzdienst, und eine Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen wird nicht anerkannt. Die Verweigerung bzw. Umgehung des Wehrdienstes ist strafbar. Entzieht sich eine Person in Friedenszeiten für bis zu drei Monate (bzw. 15 Tage in Kriegszeiten) dem Wehrdienst, wird die Dauer des verpflichtenden Wehrdienstes um drei Monate verlängert. Entzieht sich jemand in Friedenszeiten länger als drei Monate (bzw. in Kriegszeiten länger als 15 Tage) dem Wehrdienst, so wird die Dauer des Wehrdienstes um sechs Monate verlängert. Bei noch längerer Wehrdienstentziehung (ein Jahr in Friedenszeiten bzw. zwei Monate in Kriegszeiten) droht außerdem ein Strafverfahren vor einem Militärgericht. Weiters müssten Wehrdienstverweigerer mit dem Entzug sozialer und bürgerlicher Rechte wie etwa dem Recht auf Arbeit, auf Bildung oder auf Gründung eines eigenen Unternehmens rechnen. Im Fall, dass sich die betreffende Person freiwillig doch noch zum Wehrdienst meldet, wird die Dauer des Wehrdienstes als Strafe um drei Monate verlängert. Bei Personen, die wegen Wehrdienstentziehung verhaftet werden, verlängert sich der Wehrdienst um sechs Monate. Im Fall einer Desertion hängt das Strafmaß von dem Umständen ab, unter denen die Desertion erfolgt ist, etwa davon, ob diese zu Friedens- oder Kriegszeiten, während des Dienstes oder im Urlaub begangen worden ist bzw. bei welcher Art von Tätigkeit bzw. Mission es zur Desertion gekommen ist. Weiters ist relevant, ob die betreffende Person mit oder ohne Waffen, Munition und Kriegsgerät desertiert ist, und ob der Fall unter die Kompetenz der Militärgerichte (in Friedenszeiten) oder eines militärischen Standgerichts (in Kriegszeiten) fällt (ACCORD 7.2015).

Das iranische Islamische Strafgesetzbuch von 1996, von dem eine im Jänner 2012 novellierte Fassung im Jahr 2013 verabschiedet wurde, regelt in Artikel 504, dass jede Person, die mit der Absicht, die Regierung zu stürzen oder die sich im Kampf befindlichen nationalen Streitkräfte zu besiegen, Kombattanten bzw. Angehörige der Streitkräfte erfolgreich zur Rebellion, zu Fahnenflucht, zur Kapitulation oder zur Befehlsverweigerung anstachelt, als Mohareb (d.h. eine Person, die ihre Waffen gegen Gott bzw. den Staat erhebt) anzusehen ist. Wenn eine Person solche Taten begeht, ohne die oben genannte Absicht zu verfolgen, so ist sie im Falle der erfolgreichen Begehung mit zwei bis zehn Jahren Gefängnis zu bestrafen. Bei nicht erfolgreicher Ausführung der Tat ist die Person mit sechs Monaten bis drei Jahren Gefängnis zu bestrafen (Iranisches Strafgesetzbuch 22.5.1996, letzte Novelle 1.2012, verabschiedet 2013).

Quellen:

8. Allgemeine Menschenrechtslage

Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 8.12.2016). Der Iran zählt zu den Ländern mit einer beunruhigenden Lage der Menschenrechte, was sich auch auf die Asyl- und Migrationsströme auswirkt. Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des "Defenders of Human Rights Center", deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 10.2016). Ehemals aktive iranische Menschenrechtsaktivisten sitzen in ihrer überwiegenden Mehrheit entweder in Haft oder halten sich in Europa oder Nordamerika auf (AA 8.12.2016).

Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit waren 2016 weiterhin stark eingeschränkt. Personen, die friedlich Kritik äußerten, wurden festgenommen und nach grob unfairen Verfahren von Revolutionsgerichten zu Gefängnisstrafen verurteilt. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen waren weiterhin an der Tagesordnung und blieben straflos. Die Behörden verhängten und vollstreckten nach wie vor grausame Körperstrafen wie Auspeitschungen und Zwangsamputationen. Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten wurden diskriminiert und strafrechtlich verfolgt. Frauen und Mädchen erlitten Gewalt und Diskriminierung in vielfacher Weise. Die Behörden verhängten zahlreiche Todesurteile und richteten Hunderte von Menschen hin, einige von ihnen in der Öffentlichkeit. Unter den Hingerichteten waren mindestens zwei Personen, die zur Tatzeit noch minderjährig waren. Im März 2016 verlängerte der UN-Menschenrechtsrat das Mandat des UN-Sonderberichterstatters über die Menschenrechtssituation in der Islamischen Republik Iran. Die iranische Regierung verweigerte sowohl dem Sonderberichterstatter als auch anderen UN-Experten weiterhin die Einreise. Die iranische Regierung und die EU berieten über eine Wiederaufnahme des Menschenrechtsdialogs (AI 22.2.2017, vgl. UN Human Rights Council 26.5.2016). Die Behörden erhöhten 2016 vor allem den Druck auf Menschenrechtsverteidiger und verurteilten sie für ihr friedliches Engagement zu langen Haftstrafen. Immer häufiger wurde Angeklagten vorgeworfen, sie hätten die Menschenrechtssituation im Iran in den sozialen Medien kritisiert oder mit internationalen Menschenrechtsinstitutionen zusammengearbeitet, insbesondere mit dem UN-Sonderberichterstatter für den Iran und ausländischen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International. Sie hätten damit "kriminelle" Aktivitäten verübt, die dazu dienen sollten, die nationale Sicherheit zu gefährden. Die Behörden gingen auch hart gegen Musikveranstaltungen vor, indem sie Konzerte unterbrachen oder deren Absage erzwangen, darunter auch solche, die das Ministerium für Kultur und islamische Führung zuvor genehmigt hatte. Außerdem untersagten sie Veranstaltungen, wie z. B. private Feiern, an denen sowohl Männer als auch Frauen teilnahmen, mit der Begründung, sie seien "sozial verdorben" und "unislamisch". Hunderte Personen wurden deswegen festgenommen und viele zu Auspeitschungen verurteilt. Die Oppositionsführer Mehdi Karroubi und Mir Hossein Mussawi sowie dessen Ehefrau Zahra Rahnavard standen immer noch ohne Anklage oder Gerichtsverfahren unter Hausarrest, der 2011 gegen sie verhängt worden war. Ihre Privatsphäre wurde mehrfach empfindlich verletzt, und sie hatten keinen ausreichenden Zugang zu medizinischer Versorgung. Im Januar 2016 wurde ein neues Gesetz zu politischen Straftaten verabschiedet, das im Juni in Kraft trat. Als politische Straftat galt demnach alles, was sich nach Ansicht der Behörden "gegen die Führung des Landes, seine politischen Institutionen und die Innen- und Außenpolitik" richtet und "darauf abzielt, die Angelegenheiten des Landes zu reformieren, ohne den Grundlagen des Systems schaden zu wollen" (AI 22.2.2017).

Die Regierung und ihre Beamten belästigten, inhaftierten, missbrauchten und verfolgten Herausgeber, Redakteure und Journalisten strafrechtlich, auch im Internet Tätige. Auch Familien von Journalisten wurden belästigt. Reporter ohne Grenzen schätzt, dass mit Ende 2016 19 Journalisten und 15 Netzbürger in Haft waren (US DOS 3.3.2017).

Die Anzahl von Exekutionen, vor allem bei Drogenvergehen blieb hoch. Obwohl die Zahlen im ersten Halbjahr 2016 zurückgegangen sind, wurden zumindest 203 Personen bis 25.10.2016 exekutiert. Menschenrechtsorganisationen berichten, dass mindestens 437 Personen hingerichtet wurden, die meisten in der zweiten Jahreshälfte. Die Revolutionsgarden verhörten und inhaftierten hunderte Nutzer der Social Media. Viele Social Media Plattformen wie Twitter und Facebook wurden weiterhin geblockt (HRW 12.1.2017).

In der zweiten Jahreshälfte 2016 gab es auch ermutigende Verbesserungen. Die Menschenrechtssituation im Allgemeinen bleibt aber besorgniserregend. Die Anzahl von Exekutionen soll im gesamten Jahr 2016 470 Personen umfassen. Obwohl diese Anzahl geringer ist als 2015, bleibt der Iran ein Land, das die Todesstrafe sehr häufig anwendet (FCO 8.2.2017).

Quellen:

9. Todesstrafe

Zu den Delikten, die in der Strafzumessung die Todesstrafe vorsehen, zählen: Drogendelikte (510 Personen 2015), Mord (154 Personen 2015), terroristische Aktivitäten, Kampf gegen Gott ("mohareb") (10 Personen 2015), Staatsschutzdelikte wie Spionage, bewaffneter Raub, Waffenbeschaffung, Hoch- und Landesverrat, Veruntreuung und Unterschlagung öffentlicher Gelder, Bandenbildung, Beleidigung oder Entweihung von heiligen Institutionen des Islams oder heiligen Personen (z.B. durch Missionstätigkeit), Vergewaltigung (52 Personen 2015), Homosexualität, Ehebruch sowie Geschlechtsverkehr eines Nicht-Muslimen mit einer Muslimin. Auch der Abfall vom Islam kann mit der Todesstrafe geahndet werden. In den letzten 20 Jahren ist es zu keiner Hinrichtung aus diesem Grund gekommen (AA 8.12.2016, vgl. ÖB Teheran 10.2016).

Die Verhängung der Todesstrafe ist gegen männliche Jugendliche ab dem 15. Lebensjahr, für Mädchen ab dem 9. Lebensjahr möglich und kann bei Eintritt der Volljährigkeit vollstreckt werden. Die letzte Hinrichtung eines zur Tatzeit Minderjährigen (bei Vollzug Volljährigen) fand am 18.7.2016 statt (AA 8.12.2016, vgl. ÖB Teheran 10.2016). Vor allem bei Drogendelikten wird die Todesstrafe häufig angewendet (2015 etwa 65% aller Hinrichtungen), regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießung, z.T. öffentlich (mind. 49 im Jahr 2015), und auch gegen (zum Tatzeitpunkt) Minderjährige. Der zweitgrößte Anteil an Hinrichtungen ist auf Verurteilungen wegen Mord bzw. Sexualdelikten zurückzuführen. Der Iran exekutiert weltweit pro Kopf die meisten Menschen. Im Jahr 2015 wurde die höchste Anzahl an Todesstrafen seit zehn Jahren vollstreckt (ÖB Teheran 10.2016, vgl. AI 22.2.2017, HRW 12.1.2017, AA 8.12.2016).

Eine Diskussion um die Abschaffung der Todesstrafe für Drogendelikte hat nach langer Stagnation wieder an Fahrt gewonnen. Der Chef der Menschenrechtskommission der Justiz Larijani bezeichnete die Aussichten als "schwierig aber nicht unmöglich". Für die Mitgründung einer Initiative zur schrittweisen Abschaffung der Todesstrafe ("Legam") wurde die Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi indes im September 2016 zu 16 Jahren Haft verurteilt (AA 8.12.2016, FH 2017).

Die Hingerichteten waren zumeist wegen Drogendelikten verurteilt worden, die nicht zu den "schwersten Verbrechen" zählten und damit unterhalb der Schwelle liegen, die internationale Menschenrechtsnormen für die Verhängung eines Todesurteils festlegen. Der Oberste Gerichtshof entschied, dass Gefangene, die vor Inkrafttreten der Strafprozessordnung von 2015 wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt wurden, das Recht hätten, Rechtsmittel einzulegen. Viele Todeskandidaten wussten jedoch nichts von dieser Regelung. Todesurteile ergingen auch für Mord oder aufgrund vage formulierter Anklagen wie "Feindschaft zu Gott". Nach der Massenexekution von 25 sunnitischen Männern im August 2016 strahlten die Behörden im Fernsehen erpresste "Geständnisse" aus, die offenbar dazu dienen sollten, die Männer zu dämonisieren und von den groben Mängeln der Verfahren, in denen diese zum Tode verurteilt worden waren, abzulenken. 2016 wurden mindestens zwei Männer zum Tode verurteilt, die man wegen "Beleidigung des Propheten" für schuldig befunden hatte, was eine Verletzung ihrer Rechte auf Glaubens-, Religions- und Meinungsfreiheit darstellte (AI 22.2.2017, vgl. HRW 12.1.2017, FH 2017). In den Todeszellen saßen mindestens 78 Personen, die zum Tatzeitpunkt minderjährig waren, unter ihnen 15, die zum Tode verurteilt worden waren, nachdem die neuen Leitlinien zur Bestrafung jugendlicher Straftäter im islamischen Strafgesetzbuch von 2013 in Kraft getreten waren. Andere, deren Verfahren gemäß den Leitlinien wiederaufgenommen worden waren, wurden erneut zum Tode verurteilt. Nach Kenntnis von Amnesty International wurden 2016 zwei zur Tatzeit minderjährige Straftäter hingerichtet. Tatsächlich dürfte die Zahl sehr viel höher gewesen sein. Das islamische Strafgesetzbuch sah auch weiterhin Steinigung als Hinrichtungsmethode vor. 2016 wurde mindestens eine Frau zum Tod durch Steinigung verurteilt. Einige einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen konnten weiterhin mit der Todesstrafe geahndet werden (AI 22.2.2017).

Eine angestrebte Gesetzesänderung soll zur Abschaffung der Todesstrafe bei (reinen) Drogendelikten führen. Derzeit ist die Todesstrafe bei Handel von mehr als 5kg aus Opium gewonnenen Substanzen bzw. von mehr als 30g Heroin, Morphium, Kokain oder Derivate davon zwingend zu verhängen. Nach der Novelle soll die Todesstrafe nur noch bei gewalttätigen Drogendelikten gefällt werden können, wodurch die Zahl der Exekutionen deutlich sinken würde. Ob und wie diese bereits in der letzten Legislaturperiode vorgelegte Novelle angenommen wird, ist derzeit aber ungewiss. Im Juni 2015 wurde wegen Drogendelikten zum Tod Verurteilten zumindest das Recht eingeräumt, Berufung gegen das Strafurteil einzulegen. Viele Todesurteile werden nach internationalen Verfahrensstandards widersprechenden Strafverfahren gefällt: Es wird immer wieder von durch Folter erzwungenen Geständnissen oder fehlende Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Verteidiger vor dem Prozess bzw. keiner freien Verteidigerwahl berichtet. Es ist auch zumindest ein Fall bekannt (Kurde Behruz Alkhani), bei welchem die Entscheidung des Obersten Gerichts über die Berufung gegen die Todesstrafe nicht abgewartet wurde (ÖB Teheran 10.2016).

Die Anzahl von Exekutionen soll im gesamten Jahr 2016 470 Personen umfassen. Obwohl diese Anzahl geringer ist als 2015 bleibt der Iran ein Land, das die Todesstrafe sehr häufig anwendet (FCO 8.2.2017).

Quellen:

10. Religionsfreiheit

Die Bevölkerung besteht zu ca. 89% Schiiten, 10% Sunniten, Zoroastrier, Juden, Christen, und 1% Baha'i (Länderdaten o.D., vgl. CIA 12.1.2017, ACCORD 9.2015). Im Iran ist der schiitische Islam (Zwölfer-Schia) Staatsreligion. Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) ChristInnen - werden diskriminiert, nicht anerkannte nicht-schiitische Gruppen - Bahá'í, konvertierte evangelikale ChristInnen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten - werden in unterschiedlichem Grad verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Missionarische Tätigkeit - d.h. jegliches nicht-islamisches religiöses Agieren in der Öffentlichkeit - und Konversion vom Islam sind verboten und werden streng geahndet (ÖB Teheran 10.2016, vgl. AA 8.12.2016, US DOS 10.8.2016, FH 2017).

Statistische Daten über missionarische Tätigkeit bzw. deren regionale Aufteilung liegen nicht vor. Es gibt im Iran anerkannte religiöse Minderheiten, deren Vertreter immer wieder betonen, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Anerkannte religiöse Minderheiten sind laut Verfassung Christen, Juden und Zoroastrier. Diese sind in ihrer Religionsausübung - im Vergleich mit anderen Ländern der Region - nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten). Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa - unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke - eigene Vertreter im Parlament sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Moslems anwesend sind. Beispiel für die rechtliche Diskriminierung anerkannter religiöser Minderheiten ist, dass ihren Angehörigen höhere Positionen im Staatsdienst verwehrt sind und, dass ihnen in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht nicht dieselben Rechte zukommen wie Moslems. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Dennoch sind die hauptsächlichen Akteure von denen eine Verfolgung ausgeht, staatliche Akteure. Der Auswanderungsdruck ist auf Grund der für alle IranerInnen geringeren wirtschaftlichen Perspektiven auch bei den Angehörigen der anerkannten religiösen Minderheiten weiterhin groß (ÖB Teheran 10.2016).

Grundrechtlich besteht "Kultusfreiheit" innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der - auch von außen als solche klar erkennbaren - Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime keine Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, weder Freiheit der Meinungsäußerung noch Versammlungsfreiheit (Proselytismusverbot). Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen ("Hauskirchen") oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich aus unterschiedlichen Gründen penibel an das Verbot. Mitglieder mancher Glaubensgemeinschaften sind angewiesen, Mitgliedskarten mit sich zu tragen, die von Behördenvertretern außerhalb von Gottesdiensten kontrolliert werden (ÖB Teheran 10.2016, vgl. US DOS 10.8.2016).

Anhänger der Baha'i-Glaubensgemeinschaft, Sufis, die Gemeinschaft der Ahl-e Haqq [Yaresan] und andere religiöse Minderheiten konnten ihren Glauben nicht frei praktizieren und wurden durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert, u. a. im Bildungswesen, auf dem Arbeitsmarkt und bei Erbschaftsangelegenheiten. Dies galt auch für Muslime, die zum Christentum konvertiert waren, und für Sunniten (AI 22.2.2017, vgl. FH 2017).

Quellen:

10.1. Christen

Die christliche Minderheit besteht vor allem aus Armeniern verschiedener Konfessionen. Daneben gibt es noch einige Ostchristen, unter denen die Assyrer die größte Gruppe stellen. Die Christen lebten traditionell vor allem im Nordwesten des Landes, außerdem in Teheran und Esfahan. Nach der Islamischen Revolution zogen viele Armenier nach Teheran, so dass heute 75% von ihnen dort leben. Insgesamt gibt es etwa - je nach Quelle - 100.000 (GIZ 3.2017a, vgl. US DOS 10.8.2016) bis 300.000 christliche Iraner, ihnen stehen zwei Parlamentssitze zu (FIS 21.8.2015, vgl. US DOS 10.8.2016).

Das Christentum im Iran kann in ethnische und nicht-ethnische Christen unterteilt werden. Die Mehrheit der iranischen Christen ist den ethnischen Christen zuzuordnen und beziehen sich auf armenische und assyrische (oder auch chaldäische) Christen, die eine lange Geschichte im Iran vorweisen und ihre eigenen linguistischen und kulturellen Traditionen besitzen. Die nicht-ethnischen Christen gehören hauptsächlich der katholischen und protestantischen Kirche an und haben ihren Ursprung in der Zeit des Schah Regimes. Die Mitglieder sind - wenn auch nicht alle - Konvertierte aus dem Islam. Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird berichtet (ÖB Teheran 10.2016, vgl. FIS 21.8.2015, ICHRI 2013). Im Dezember 2015 sollen etwa eine Reihe von Privatwohnungen wegen Weihnachtsfeiern von den Behörden gestürmt und rund zehn Personen festgenommen worden sein. Ende 2015 waren Berichten zufolge mindestens 90 Christen wegen ihres Glaubens bzw. ihrem Übertritt zum Christentum in Haft. Den verhafteten Christen werden, zumindest teilweise, nicht die vollen Prozessrechte gewährt - oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Iranische Menschenrechtsgruppen berichteten zudem von einem Anstieg von gewalttätigen Übergriffen in den Gefängnissen im Jahr 2015, welche möglicherweise als Abschreckung gegen einen Übertritt zum Christentum dienen sollte (ÖB Teheran 10.2016). Laut der Gefangenenliste von Open Doors befinden sich mit Stand Dezember 2016 60 Christen in Haft, zwei wurden auf Kaution freigelassen, zwei freigelassen und zehn freigelassen mit Verbot Land zu verlassen (Open Doors 12.2016).

Soweit Christen die Ausübung ihres Glaubens ausschließlich auf die Angehörigen der eigenen Gemeinden beschränken, werden sie nicht behindert oder verfolgt. Christlichen Kirchen wurde untersagt, ihre Gottesdienste an einem Freitag und in persischer Sprache abzuhalten. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 8.12.2016, vgl. FIS 21.8.2015, US DOS 10.8.2016). So wurde der Christ Ebrahim Firouzi im Juni 2013 zu 10 Jahren Haft verurteilt, weil er 12.000 Bibeln verteilt und zu Gottesdiensten in sein Haus eingeladen hatte (AA 8.12.2016).

Vor allem evangelikale Christen und Konvertiten sahen sich weiterhin Schikanen und Beobachtung ausgesetzt. Die Behörden verhafteten Christen unverhältnismäßig oft. Viele dieser Verhaftungen passierten während Razzien bei religiösen Zusammentreffen bei denen die Behörden auch religiöses Eigentum beschlagnahmten. Die Behörden verlangen von Kirchengängern Ausweise und hielten muslimische Konvertiten davon ab, assyrische oder armenische Kirchen zu betreten (US DOS 10.8.2016).

Quellen:

10.2. Apostasie / Konversion zum Christentum / Proselytismus

Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund von "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der 2015 bzw. für das erste Halbjahr 2016 dokumentierten Hinrichtungen gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen wurde von mindestens 20 Exekutionen im Jahr 2015 wegen "moharebeh" berichtet (ÖB Teheran 10.2016).

Im Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind. Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter im Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit "Konversion" vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese "Konversion" ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich "konvertierte" Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind 22 Sunniten vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2016, vgl. DIS 23.6.2014).

Laut iranischer Verfassung hat ein muslimischer Bürger nicht das Recht, seinen Glauben auszusuchen, zu wechseln oder aufzugeben. Die Regierung sieht das Kind eines muslimischen Mannes als Muslim an und erachtet eine Konversion vom Islam als Apostasie. Obwohl das iranische Strafrecht keine Regelung bezüglich Apostasie beinhaltet, können Richter aufgrund der Scharia Apostasie mit der Todesstrafe belegen. Nicht-Muslime dürfen ihre religiösen Ansichten und Überzeugungen nicht öffentlich ausdrücken, da dies als Missionierung gilt (Proselytismus) und ebenso mit der Todesstrafe bedroht ist. Christen, die vom Islam konvertiert sind, können von staatlichen Behörden bedroht sein, da sie als Apostaten gelten und dies eine Straftat ist (US DOS 10.8.2016, vgl. AA 8.12.2016, ACCORD 9.2015).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken. Die Regierung vollzieht weiterhin das Verbot des Proselytismus. Die Behörden halten Muslime davon ab, kirchliche Grundstücke zu betreten. Kirchen wurden geschlossen und Konvertiten verhaftet. Evangelikale Gottesdienste bleiben auf Sonntag [Werktag] beschränkt. Christliche Gottesdienste auf Farsi sind verboten. Sicherheitspersonal, das vor den Kirchen postiert ist, führt weiterhin Identitätskontrollen der Gläubigen durch. Offizielle Berichte und die Medien charakterisierten die christlichen Hauskirchen weiterhin als "illegale Netzwerke" und "Zionistische Propagandainstitutionen" (US DOS 10.8.2016).

Im FFM Bericht des Danish Immigration Service wird von mehreren Quellen berichtet, dass sich Konvertiten in Bezug auf ihren Religionswechsel eher ruhig verhalten, um keine Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zu lenken. Wenn aber ein Konvertit z.B. in Hauskirchen aktiv ist oder missioniert, können sich Probleme mit Behörden ergeben. Es wird weiter berichtet, dass sich an Arbeitsstätten Herasat Büros [Geheimdienst] mit Repräsentanten des Informationsministeriums und der Staatssicherheit befinden, die die Mitarbeiter überwachen. Diese Büros befinden sich auch bei Universitäten, staatlichen Organisationen und Schulen. Auch in privaten Firmen ab einer bestimmten Größe gibt es solche Büros. Wenn Herasat Informationen über eine Konversion einer Person erhält, kann es durchaus sein, dass diese Person gekündigt bzw. von der Universität ausgeschlossen wird. Auch Familienangehörige sind dadurch von einem etwaigen Jobverlust bzw. vom Zugang zu höherer Bildung ausgeschlossen. Seit 1990 gab es keinen Fall mehr, indem ein Konvertit wegen Apostasie exekutiert worden wäre. Der letzte Apostasie Fall war jener von Youssef Naderkhani, einem Pastor der Kirche von Iran, der international großes Medienecho hervorrief. Der FFM Bericht berichtet weiter, dass ab 2009-2010, als Naderkhanis Fall aufkam, Gerichte vom Regime unter Druck gesetzt wurden, Apostasieanklagen gegen Konvertiten zu verwenden. Die Gerichte wären aber eher zögerlich gewesen, da Apostasiefälle den religiösen Gerichtshöfen vorbehalten waren. Religiöse Gerichtshöfe waren die einzigen die Apostasiefälle verhandeln durften und demzufolge würde eine Anklage wegen Apostasie nur bei einem konvertierten Kleriker zur Anwendung kommen. Stattdessen würden Gerichte, die nicht den religiösen Gerichtshöfen zuzurechnen sind, Konversionsfälle eher mit Anklagen wegen Störung der öffentlichen Ordnung als Apostasie bearbeiten. Die einzige größere Änderung seit 2011, wie die Behörden Konvertiten zum Christentum behandeln, scheint darin zu bestehen, dass Apostasie nicht auf christliche Konvertiten anwendbar ist. Die iranischen Behörden gaben offiziell bekannt, dass Hauskirchen in direkter Verbindung mit ausländischen Bewegungen stehen, beispielsweise mit zionistischen Bewegungen oder Organisationen im Ausland, z.B. in den USA. Das Regime sieht die Anstrengungen der evangelikalen Bewegungen als Angriff gegen das iranische Regime an. Als Ergebnis werden evangelikale Kirchen und Hauskirchen als Bedrohung der nationalen Sicherheit gesehen. Diese Sichtweise erklärt auch, dass einige Fälle von Konversionen, im speziellen von Führern von Hauskirchen, ebenso Anklagen, die eher politischer Natur sind, beinhalten. In Bezug auf Naderkhani gibt Christian Solidarity Worldwide im FFM Bericht des Danish Immigration Service an, dass laut ihren Informationen Naderkhani weiterhin als Pastor in Rasht tätig ist. Seitdem Naderkhanis Anklage gekippt wurde, gab es keine Apostasieanklage gegen Christen im Iran. Heutzutage sind alle Anklagen gegen Konvertiten und Pastoren/Hauskirchenführer von politischer Natur, immer im Zusammenhang mit Bedrohung der nationalen Sicherheit oder Spionage, einschließlich Verbindungen zu ausländischen Organisationen und Feinden des Islam. Auch werden Konvertiten häufig mit sehr vagen und weit definierten Anklagen konfrontiert, wie z.B. "Bildung einer illegalen Gruppierung", "Handlungen gegen die nationale Sicherheit durch illegale Versammlungen" und anderen Anklagen, die ähnlich unpräzise und eine große Bandbreite an Aktivitäten umfassen können (DIS 23.6.2014).

Die Sicherheitsbehörden zielten weiterhin auf zum Christentum konvertierte Muslime und Mitgliedern von Hauskirchen ab (HRW 12.1.2017, vgl. FH 2017). Zahlreiche zum Christentum konvertierte Personen wurden bei Razzien in Hauskirchen festgenommen, in denen sie friedlich ihren Glauben praktiziert hatten (AI 22.2.2017, vgl. FCO 21.4.2016, FH 2017).

Quellen:

11. Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor, es gab jedoch einige Einschränkungen in der Praxis. Die Behörden arbeiteten mit dem Büro von UNHCR zusammen, um afghanischen und irakischen Flüchtlingen Hilfe bereitzustellen. Die Regierung verlangt von allen Bürgern für Auslandsreisen Ausreisebewilligungen. Bürger, die auf Staatskosten ausgebildet wurden oder Stipendien erhalten haben, müssen dieses entweder zurückzahlen, oder erhalten befristete Ausreisebewilligungen. Die Regierung schränkte auch die Reisefreiheit von einigen religiösen Führern und Mitgliedern von religiösen Minderheiten ein. Ebenso sind Wissenschaftler in sensiblen Bereichen und Journalisten, Akademiker, oppositionelle Politiker und Menschen- und Frauenrechtsaktivisten von Reiseverboten und Konfiszierung der Reisepässe betroffen (US DOS 3.3.2017). Das iranische Gesetz gibt Ehemännern die Entscheidung darüber, ob ihre Frauen das Land oder auch nur die Stadt verlassen dürfen (Die Welt 6.10.2015, US DOS 3.3.2017). Soweit Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos (AA 8.12.2016).

Quellen:

11.1. Aus/Einreise

Zur Ausreise aus dem Iran benötigt ein iranischer Staatsangehöriger einen gültigen Reisepass, und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr (derzeit 750.000 Rial, ca. 19 €). Am internationalen Flughafen Imam-e Khomeini werden zunehmend strenge Kontrollen durchgeführt. Die illegale Ausreise erfolgt zumeist auf dem Landweg unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Türkei. Weitere Informationen über Ausreisewege sowie Kontrollen der Außengrenzen liegen derzeit nicht vor. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren (AA 8.12.2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (8.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

11.2. Gefälschte Dokumente

Es ist für iranische Staatsangehörige relativ leicht, an gefälschte Dokumente zu gelangen, was auch mit der regelmäßig schlechten Qualität originaler Unterlagen zu erklären ist. Entsprechend existiert eine Vielzahl fälschungstypischer Fehler. Die Bandbreite reicht von falschen Stempeln über spürbare Klebekanten bis zur Nichtbeachtung von Formalien. Fälle in denen iranische Reisepässe gefälscht wurden, sind nicht bekannt. Auch echte Dokumente unrichtigen Inhaltes sind einfach zu beschaffen (z.B. ein echtes Stammbuch (Shenasname) in dem Privatpersonen eine nicht existierende Ehefrau eintragen) (AA 8.12.2016). Dies schließt jegliche Art von Urkunden wie Reisedokumente, Geburts- oder Heiratsurkunden sowie Gerichtsurteile ein. Auch Bescheinigungen über die Betätigung in politischen Parteien oder Mitgliedsausweise insbesondere "monarchistischer" (d.h. Schahtreuer) Gruppen sind leicht zu beschaffen. Auch echte Dokumente unrichtigen Inhaltes, insbesondere auch die o.g. Mitgliedsausweise, sind einfach bei den zuständigen Stellen zu beschaffen (AA 9.12.2015).

Quellen:

12. Grundversorgung/Wirtschaft

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 8,1 Mio IRR im Monat (knapp über 200,- €). Das durchschnittliche pro Kopf Einkommen bei knapp über 380,- € pro Monat. Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Einzahlungsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch i.H.v. 800.000 IRR (ca. 20,- €) pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld i.H.v. 70 - 80% des Gehaltes. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 11,- €, sog. Yarane). Dabei handelt es sich jedoch um ein auslaufendes System, das keine Neuaufnahmen zulässt. Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z. B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Die Hilfen an Bedürftige werden durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 8.12.2016).

Die Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs bereitet in Teheran keinerlei Schwierigkeiten. Neben einer Vielzahl kleiner Läden mit einem breiten Sortiment gibt es mehrere Basare, auf denen etwa frisches Obst, Gemüse und weitere Lebensmittel zu sehr niedrigen Preisen gekauft werden können. Außerdem eröffnen in Teheran in letzter Zeit immer mehr große Einkaufszentren nach westlichem Vorbild. Anders als auf dem Basar wird in den Läden und Supermärkten nicht gehandelt, auch wenn die Waren nicht immer ausgezeichnet sind. Verboten ist der Verkauf von Alkohol und Schweinefleisch (GIZ 3.2017b).

Seit dem Amtsantritt der Regierung Rohani 2013 konnte sich die iranische Wirtschaft etwas erholen. Die Kontraktion der Wirtschaft (-6,6 % im Jahr 2012; -1,9 % im Jahr 2013) konnte 2014 gestoppt werden. Hauptauslöser des vormalig massiven Konjunktureinbruchs war ein starker Verfall der iranischen Währung seit Mai 2012, verbunden mit einer massiven Inflation in praktisch allen Produktbereichen und einem starken Rückgang der Erdölexporte als wichtigste Devisenquelle durch die Erdölsanktionen. Für 2016 rechnet die Regierung in ihrem im April des Vorjahres verabschiedeten Budget mit einem Wirtschaftswachstum von ca. 5%. Dies ist jedoch wesentlich von den eingangs erwähnten Sanktionserleichterungen abhängig und ohne einen stark zunehmenden Außenhandel nicht realistisch. Auch wenn iranische Banken dank des JCPOA wieder an das SWIFT System angebunden sind, sind europäische und amerikanische Banken aufgrund fehlender Compliance-Standards iranischer Banken und der noch bestehenden OFAC-Sanktionen zurückhaltend. Die Möglichkeit der Eröffnung von Akkreditiven und Bankgarantien geht langsam vonstatten. Erst gegen Ende 2016 wird eine Verbesserung erwartet. Seit Anfang 2014 ist es der iranischen Regierung gelungen, den Abwärtstrend des Rial zu stoppen. Im iranischen Jahr 1394 (2014/2015) betrug die durchschnittliche Inflation 14,7%; derzeit liegt sie bei 9%. Es ist abzusehen, dass sich die Währung durch die positiven Impulse des JCPOA auf die iranische Wirtschaft auch 2016 stabil halten wird. Neben der Senkung der Arbeitslosenquote ist die Inflationsbekämpfung weiterhin eines der erklärten Wirtschaftsziele der aktuellen Regierung für das Jahr 1395. Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund 1 Mio. Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Die Arbeitslosenrate im Iran betrug im Juni 2015 nach offiziellen Statistiken 10,5% mit Tendenz nach oben. Inoffiziellen Zahlen zufolge ist der Wert jedoch fast doppelt so hoch. Neben Arbeitslosigkeit spielt im Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechenden Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger "brain drain", der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigen wird. Eine nachhaltige Erholung der iranischen Wirtschaft wird auch davon abhängen, ob es der Regierung gelingt, die Devisenknappheit und das Inflationsproblem langfristig unter Kontrolle zu bringen. Devisenreserven befinden sich großteils im Ausland und können von der iranischen Regierung nur eingeschränkt verwendet werden. Beide Problembereiche sind eng mit dem Zugang zu ausländischen Devisenquellen und Investitionen aus dem Ausland verbunden. Gegenwärtig halten sich sowohl einheimische als auch ausländische Investoren aufgrund der derzeit noch nicht absehbaren politischen Risiken mit Investitionen zurück. Mit der erfolgreichen Implementierung des JCPOA ist aber ein wesentlicher Schritt gesetzt worden, der erste Investoren aus Europa und Asien anzieht. Die im Iran vorhandenen Devisenreserven werden von Analysten auf etwa 25 bis 40 Mrd. USD geschätzt. Dazu kommen im Ausland eingefrorene Guthaben von ca. 100 bis 120 Mrd. USD aus Erdölverkäufen. Im Zuge der Sanktionserleichterungen wurden bereits 2015 4,2 Mrd. EUR aus diesen Mitteln freigegeben, mit dem erfolgreichen Abschluss des JCPOA stehen dem Iran erneut etwa 30 Mrd. USD zur Verfügung. Die Regierung ist bemüht, das unter Präsident Ahmadinejad eingeführte, nicht finanzierbare, großzügige System indirekter Subventionen an die Bevölkerung schrittweise zurückzufahren. Auch die Direkttransfers werden schrittweise reduziert und betragen nunmehr umgerechnet zwischen € 11 bis € 12 pro Person im Monat. Auch dieses System ist jedoch langfristig unfinanzierbar. Die Regierung Rohani schränkte im Jänner 2016 daher den Kreis der Empfänger aufgrund einer Beurteilung der Vermögenslagen auf 3,3 Millionen Iraner noch einmal erheblich ein. Im April 2016 verabschiedete das iranische Parlament eine Gesetzesvorlage, bei dem ein Drittel der Bevölkerung vom Subventionssystem ausgeschlossen wurde. Diese Sparmaßnahmen traten im September 2016 in Kraft. Im April 2015 wurden Treibstoffpreise und Gaspreise noch einmal erhöht und werden aktuell nicht mehr direkt subventioniert. Die negativen Auswirkungen dieser Erhöhungen sowohl auf die Popularität der Regierung als auch auf die Inflationsentwicklung waren vergleichsweise gering. Der starke Verfall des Erdölpreises seit Oktober 2014 stellt für das iranische Budget eine ernsthafte Belastung dar. Die Erdölexporte bringen durch den niedrigen Ölpreis nicht die erhofften Einnahmen (ÖB Teheran 10.2016).

Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht fast komplett unter staatlicher Kontrolle. So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen, auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher kaum eine eigenständige Wirtschaft entwickeln. Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe. Erst in den letzten Jahren wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80-85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner sowie das politische Überleben iranischer Regierungen hängt vom Ölpreis ab. Das große Problem der iranischen Ölförderung ist, neben den Schwankungen des Ölpreises, die völlig veralteten Förderanlagen und Raffinerien des Landes. Diese, meist noch von den USA in den 70er Jahren an die Regierung des Schahs geliefert, können sich längst nicht mehr mit den modernsten Anlagen etwa in Saudi-Arabien messen, was zu großen Verlusten führt. Aufgrund der jahrelangen Sanktionen konnte der Iran sie jedoch lange nicht durch importierte Teile modernisieren, wodurch es in iranischen Raffinerien in den letzten Jahren immer wieder zu Unfällen kam. Diese Hindernisse bei der Modernisierung führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin staatlich subventioniert ist, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hob er den Benzinpreis an oder begrenzte die ausgegebenen Rationen, führte das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen. Vor diesem Hintergrund darf man davon ausgehen, dass der Modernisierung der Infrastruktur des Erdölsektors nach dem Ende der Sanktionen eine hohe Priorität eingeräumt werden wird (GIZ 3.2017c).

Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads. Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil‑)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company. Politisch steht sie den Revolutionswächtern nahe, viele ihrer hohen Beamten kommen aus deren Reihen. Vor allem mit Hilfe dieser Stiftungen, die beide offiziell direkt dem Revolutionsführer unterstehen, setzt der iranische Staat seine Vorstellungen einer islamischen Wirtschaftspolitik um und verteilt großzügig Gelder für politische Gefälligkeiten (GIZ 3.2017c).

Quellen:

12.1. Sozialbeihilfen

Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber angeboten werden (IOM 2016).

Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Obgleich der Iran keine universelle soziale Absicherung bietet, schätzte das Iranische Zentrum für Statistik (the Iranian Center for Statistics) 1996, dass mehr als 73% der iranischen Bevölkerung von der Sozialversicherung erfasst waren. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialversicherung sichert allen Arbeitnehmern einen Schutz bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter und Berufsunfällen zu. Im Jahr 2003 begann die Regierung ihre Wohlfahrtsorganisationen zusammenzulegen, um Überflüssigkeiten und Ineffizienz zu beseitigen. Im Jahr 2003 lag die Mindestrente bei 50% des Lohns, aber bei nicht weniger als dem Mindestlohn. Der Iran gab 22,5% seines Haushaltes für Sozialhilfeprogramme aus, von welchen mehr als 50% die Renten betrafen. Von 15.000 Obdachlosen im Iran im Jahr 2015 waren 5.000 Frauen. Arbeitnehmer im Alter von 18 und 65 Jahren werden vom Sozialversicherungssystem erfasst. Die Finanzierung ist zwischen Arbeitnehmer (7% des Lohns), Arbeitgeber (20-23%) und dem Staat, welcher den Beitrag des Arbeitnehmers um weitere 3% erhöht, aufgeteilt. Das Sozialversicherungssystem ist für Selbständige zugänglich, sofern diese zwischen 12% und 18% ihres Einkommens freiwillig zahlen. Beamte, Soldaten, Polizisten und IRGC haben ihre eigenen Rentensystems. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren (IOM 2016).

Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die sadeqe, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, dass der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 3.2017c).

Quellen:

13. Medizinische Versorgung

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Zwar ist es fast flächendeckend - laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung (100% in Städten, 95% auf dem Land), aber die Qualität schwankt. Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, indem die Versorgung des Kranken mit Dingen des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 3.2017a). Die medizinische Versorgung ist in Teheran und anderen großen Städten ausreichend bis gut. In den zahlreichen Apotheken [Persisch: daru-khane] sind die meisten auch in Europa gebräuchlichen Medikamente zu kaufen und nicht sehr teuer (GIZ 3.2017b).

Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 15.3.2017). Grundsätzlich entspricht die medizinische Versorgung nicht (west-) europäischen Standards. Gegen Zahlung hoher Summen ist jedoch in den Großstädten eine medizinische Behandlung nach erstklassigem Standard erhältlich. Die Versorgung mit Medikamenten ist weitgehend gewährleistet. Behandlungsmöglichkeiten auch für schwerste Erkrankungen sind zumindest in Teheran und ggf. gegen Zahlung entsprechender Kosten grundsätzlich gegeben. Iran verfügt über ein staatliches Versicherungswesen, welches prinzipiell auch die Deckung von Krankheitskosten umfasst. Allerdings müssen Patienten hohe Eigenleistungen teils in Form von Vorauszahlungen erbringen und regelmäßig lange Wartezeiten in Kauf nehmen (AA 8.12.2016).

Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten. Es gibt zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI genannt: www.tamin.ir/ . Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern gedeckt (IOM 2016).

Versicherung durch Arbeit: Regierungsangestellte profitieren vom kostenfreien Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Private Firmen decken die Unfallversicherung für ihre eigenen Mitarbeiter.

Private Versicherung: Mit Ausnahme von Regierungsangestellte müssen sich alle iranischen Bürger selbst privat versichern, wenn deren Arbeitgeber dies nicht bereits erledigen. Um die Versicherung zu erhalten sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig.

Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten.

Die Registrierung erfolgt online unter:

http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html (IOM 2016).

Zugang speziell für Rückkehrer:

Anmeldeverfahren: Alle iranischen Bürger einschließlich Rückkehrer können beim Tamin Ejtemaei eine Krankenversicherung beantragen, http://www.tamin.ir/

Notwendige Dokumente: Eine Kopie des iranischen Geburtszertifikats, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können jedoch noch verlangt werden.

Zuschüsse: Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/sie während der Registrierung ausführlich informiert wird.

Kosten: Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen sobald die Person eine Arbeit im Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2016).

Mehr als 85% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essentiellen Gesundheitsdienstleistungen. In den letzten drei Jahrzehnten wurden im Iran diverse Reformen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung vorgenommen, nach deren Implementierungen wesentliche Fortschritte im sozialen sowie wirtschaftlichen Sektor verzeichnet werden konnten. In ländlichen Regionen verfügt jedes Dorf über ein sogenanntes Gesundheitshaus, in dem ausgebildete "Behvarz" und Gesundheitsarbeiter zur medizinischen Behandlung bereit stehen. In städtischen Regionen stehen, ebenfalls ähnlich verteilt, eine Vielzahl an Gesundheitszentren zur Verfügung. Das gesamte Gesundheitssystem wird vom Ministerium für Gesundheit und Medizinische Bildung verwaltet. Die Universitätskliniken, von denen in jeder Provinz eine vorhanden ist, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle hinsichtlich der medizinischen Versorgung. Der Universitätsleiter fungiert hier als Oberhaupt aller medizinischen Dienstleistungen und ist verantwortlich für alle Gesundheitshäuser und Kliniken in der jeweiligen Region. Trotz kürzlicher Sanktionen gegen den Iran die zu einer vorläufigen Knappheit bestimmter Medikamentengruppen geführt haben, gibt es generell keinen Mangel an Medikamenten, Spezialisten sowie Behandlungsmöglichkeiten. Pharmazeutische Produkte werden unter der Aufsicht des Gesundheitsministeriums ausreichend importiert. Darüber hinaus gibt es vor allem in größeren Städten mehrere private Kliniken die für Privatpatienten Gesundheitsdienste anbieten (IOM 2016).

Einweisung: In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren.

Verfügbarkeit von Medikamenten: "The Red Crescent" ist die zentrale Stelle bezüglich des Imports von speziellen Medikamenten, die für Patienten in bestimmten Apotheken erhältlich sind. Generell sind alle Medikamentengruppen im Iran erhältlich, welche üblicherweise in kleinen Mengen ausgeteilt werden um den Weiterverkauf auf dem Schwarzmarkt zu unterbinden (IOM 2016).

Quellen:

14. Behandlung nach Rückkehr

Allein der Umstand, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. Es kann in Einzelfällen aber zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden auch gar nicht bekannt werden. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Die Hilfen an Bedürftige werden durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 8.12.2016).

Zum Thema Rückkehrer gibt es nach wie vor kein systematisches Monitoring, auch nicht durch befreundete europäische Botschaften, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch die IOM Iran, die im Iran Services für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt nach Auskunft des niederländischen ERIN-Programmmanagers ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr (ÖB Teheran 10.2016).

Quellen:

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Der Gesundheitszustand des BF ergibt sich aus der Tatsache, dass keine ärztlichen Befunde vorgelegt wurden. Wie im Bescheid ausgeführt, hat der BF die Abmeldung von der Grundversorgung durch seine Weigerung, an der Identitätsfeststellung mitzuwirken, selbst zu verantworten. Es stünde ihm aber die Möglichkeit offen, um Wiederaufnahme in die Grundversorgung anzusuchen. Ebenso könnte er eigenfinanziert medizinische Leistungen in Anspruch nehmen. Der BF legte einen Mietvertrag vor, weshalb davon auszugehen ist, dass er über finanzielle Mittel verfügt. Darüber hinaus wird in Notfällen eine medizinische Behandlung auch ohne Krankenversicherung gewährt. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass keine schweren psychischen oder physischen Krankheiten vorliegen.

Dass der BF keine Grundversorgung mehr bezieht, ergibt sich aus einen Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem. Die Abmeldung wurde durchgeführt, da der BF einer Ladung zu Identitätsfeststellung nicht Folge geleistet hatte. Der BF hat nicht dargelegt, wie er die Kosten für seinen Lebensunterhalt aufbringt. Eine legale Beschäftigung wurde nicht vorgebracht.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer Einsichtnahme ins Strafregister.

Dass der BF im gegenständlichen Verfahren bezüglich seines Antrags auf internationalen Schutz keine neuen Gründe geltend machte, sondern sich hierbei nur auf jene bereits im vorherigen Verfahren geltend gemachten gestützt hat, ergibt sich sowohl aus dem Vorbringen des BF bei der Erstbefragung als auch aus seinen Angaben vor dem Bundesamt ("F: Hat sich bezüglich der Ausreisegründe, die Sie im ersten Verfahren angegeben haben, etwas geändert? A: Nein es sind immer noch die gleichen Fluchtgründe. F: Haben Sie, außer den geschilderten, weitere Probleme? A: Nein es ist nichts hinzugekommen." AS 88). Das in der Erstbefragung erwähnte Foto, das den BF in einer Kirche zeige und in einer Zeitung erschienen sei, wurde bereits im ersten Verfahren vorgelegt und bei der Entscheidung berücksichtigt. Dabei handelt es sich um einen Artikel in einer österreichischen Regionalzeitung, wobei ein Foto den BF mit einer Nonne zeigt.

Die vom BF vorgebrachte Konversion zum Christentum wurde bereits im Erkenntnis des BVwG vom 06.09.2016 als unglaubwürdig beurteilt. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass er bei der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG im August 2016 angab, demnächst getauft zu werden. Der BF gab im gegenständlichen Verfahren weder an, bereits getauft zu sein, noch legte er eine Bestätigung über die Taufe vor. Auch sonst wurde keinerlei neues Vorbringen erstattet, sondern nur darauf verwiesen, dass sich die Bindung des BF zum Christentum, die wie gesagt schon mit Erkenntnis vom 06.09.2016 als unglaubwürdig bewertet wurde, seit Rechtskraft dieser Entscheidung verstärkt habe. Damit wurde kein Sachverhalt vorgebracht, der eine neuerliche Auseinandersetzung mit der angeblichen Konversion des BF für geboten erscheinen lässt.

2.2. Die Feststellungen zu den familiären und persönlichen Verhältnissen in Österreich beruhen auf den Angaben des BF. Dass er in Österreich auf keine ausreichend ausgeprägten und verfestigten individuellen integrativen Anknüpfungspunkte hinsichtlich seines Privat- und Familienlebens verweisen konnte, gründet sich auf den Umstand, dass Gegenteiliges im Verfahren nicht hervorgekommen ist. Diesbezüglich wird auch auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.

2.3. Die zur Lage im Iran getroffenen Feststellungen basieren auf aktuellen Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen, denen der BF nicht entgegengetreten ist. Angesichts des bereits Ausgeführten, insbesondere der nach wie vor gegebenen Aktualität, stellt dies im konkreten Fall eine hinreichende Basis zur Beurteilung dar. Aufgrund der vorliegenden Länderfeststellungen stellt sich die aktuelle Sicherheitslage im Iran nicht derart dar, dass von einer wahrscheinlichen Gefährdung des BF bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland auszugehen ist. Weitere Recherchen waren nicht mehr erforderlich.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. zB VwGH 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2007, 2004/20/0100). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (zweiten) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266).

Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes; vgl. VwGH 20.02.1992, 91/09/0196) fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd. § 69 Abs. 1 Z 2 AVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. zB VwGH 04.05.2000, 99/20/0192; 21.09.2000, 98/20/0564; 24.08.2004, 2003/01/0431; 04.11.2004, 2002/20/0391), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes iSd § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identischem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn dasselbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183 mwN; 24.08.2004, 2003/01/0431).

Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen iSd. § 18 Abs. 1 AsylG - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1 AsylG, nämlich § 28 AsylG 1997). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben ihre Ermittlungen, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; 24.02.2000, 99/20/0173; 19.07.2001, 99/20/0418; 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl. auch VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 04.05.2000, 98/20/0578; 99/20/0193; 07.06.2000, 99/01/0321; 21.09.2000, 98/20/0564; 20.03.2003, 99/20/0480; 04.11.2004, 2002/20/0391; vgl. auch 19.10.2004, 2001/03/0329; 31.03.2005, 2003/20/0468; 30.06.2005, 2005/18/0197; 26.07.2005, 2005/20/0226; 29.09.2005, 2005/20/0365; 25.04.2007, 2004/20/0100).

Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt bzw. verpflichtet die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 04.05.2000, 99/20/0192).

Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies allerdings nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der neu behaupteten Tatsachen von Bedeutung sein, macht eine neue Beweiswürdigung aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar unzulässig, etwa in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden. "Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit" (VwGH 29.09.2005, 2005/20/0365; 22.11.2005, 2005/01/0626; 16.02.2006, 2006/19/0380; vgl. auch VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391; 26.07.2005, 2005/20/0343; 27.09.2005, 2005/01/0363; 22.12.2005, 2005/20/0556; 22.06.2006, 2006/19/0245; 21.09.2006, 2006/19/0200; 25.04.2007, 2005/20/0300; vgl. weiters VwGH 26.09.2007, 2007/19/0342).

Im Rahmen des vorangegangenen Asylverfahrens wurde das Vorbringen des BF zu den (behaupteten) Fluchtgründen im Hinblick auf deren Wahrheits- bzw. Glaubhaftigkeitsgehalt untersucht und letztlich in dem als Vergleichserkenntnis heranzuziehenden Erkenntnis des BVwG vom 06.09.2016 als unglaubwürdig beurteilt. Es wurde auch verneint, dass der BF für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung im asylrelevanten Ausmaß ausgesetzt ist oder ein Refoulementschutz geboten ist.

Da der BF seinen gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz auf jene Gründe, die er bereits im Vorverfahren geltend machte, stützte, liegt zweifelsfrei entschiedene Sache vor. Damit bezieht sich der BF nämlich auf die im Zuge der ersten Asylantragstellung vorgebrachten Fluchtgründe und wird diesbezüglich auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum "Fortbestehen und Weiterwirken", VwGH 20.03.2003, 99/20/0480 ("Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt") verwiesen. Von einer relevanten, wesentlichen Änderung des Sachverhalts seit der rechtskräftigen Entscheidung über den ersten Asylantrag kann daher diesbezüglich nicht gesprochen werden.

Es entspricht im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz der ständigen hg. Rechtsprechung, dass die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufzuweisen hat, dem Asylrelevanz zukommt (vgl. zB VwGH vom 21.03.2006, 2006/01/0028 sowie vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0029, mwN).

Ein Antrag auf internationalen Schutz richtet sich aber auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und daher sind auch Sachverhaltsänderungen, die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, von den Asylbehörden im Rahmen von Folgeanträgen einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

Auch im Hinblick auf Art. 3 EMRK ist nicht erkennbar, dass die Rückführung des BF in den Iran zu einem unzulässigen Eingriff führen und er bei seiner Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihm jedwede Lebensgrundlage fehlen würde. Wie bereits mit Erkenntnis des BVwG vom 06.09.2016 festgehalten wurde und sich mit den vorliegenden Länderinformationen deckend, ist es dem BF möglich und zumutbar, wie bereits vor der Ausreise für den Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Es ergeben sich aus den Länderfeststellungen zum Iran auch keine Gründe, davon auszugehen, dass jeder zurückgekehrte Staatsbürger der reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sodass nicht von einem Rückführungshindernis im Lichte der Art. 2 und 3 EMRK auszugehen ist. Aufgrund der Länderberichte ergibt sich, dass sich die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung im ersten Asylverfahren nicht wesentlich geändert hat.

Da weder in der maßgeblichen Sachlage - und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des BF gelegen ist, bzw. auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist - noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden konnte.

Der Antrag des BF auf internationalen Schutz war daher sowohl im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen.

3.2. Zu den Spruchpunkten III., IV. und V. des angefochtenen Bescheides:

Vorauszuschicken ist, dass das Bundesamt zu Recht davon ausgeht, dass auch Zurückweisungen von Anträgen auf internationalen Schutz gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG - soweit die sonstigen Voraussetzungen dafür vorliegen - mit Rückkehrentscheidungen zu verbinden sind (siehe VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082).

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des BF weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der BF Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der BF das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 55 AsylG lautet:

"§ 55 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

§ 57 AsylG lautet:

"§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt."

§ 58 AsylG lautet:

"§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird."

Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG lauten:

"§ 46 (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

§ 50 (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

§ 52 (1) [...]

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

[...]

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

§ 55 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt."

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

der Grad der Integration,

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Der BF verfügt im Bundesgebiet über keine familiären Anknüpfungspunkte. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls in das Privatleben des BF eingreifen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob der BF in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Ausgehend davon, dass der Verwaltungsgerichtshof bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer ausgeht (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf die VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354; 27.03.2007, 2005/21/0378), und im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon ausgeht, "dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte", liegt im Fall des BF, der sich seit Februar 2015 - sohin seit etwas mehr als drei Jahren - in Österreich aufhält, eine kurze Aufenthaltsdauer vor.

Sollte aber - entgegen der Ansicht des BVwG - davon auszugehen sein, dass die Ausweisung des BF in sein Recht auf Privat- oder Familienleben eingreifen würde, wäre ein solcher Eingriff jedenfalls insofern iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt, als das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung das Interesse des BF an einem weiteren Verbleib in Österreich überwiegt:

Sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als auch der Verwaltungsgerichtshof stellen in ihrer Rechtsprechung darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist (VwGH 30.04.2009, 2009/21/086, VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721 und die dort zitierte EGMR-Judikatur).

Der BF stellte erstmals nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 27.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach rechtskräftiger Abweisung dieses Antrags stellte er einen neuerlichen, den gegenständlichen Antrag.

Der EGMR hat in seiner Judikatur zu Art. 8 EMRK (vgl. EGMR 31.01.2006, Nr. 50435/99, Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande) wiederholt ausgeführt, dass der Staat unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK im Zusammenhang mit positiven wie auch negativen Verpflichtungen einen fairen Ausgleich zwischen den konkurrierenden Interessen des Einzelnen und jenen der Gemeinschaft als Ganzes schaffen muss und hierbei den Vertragsstaaten jedoch ein gewisser Ermessenspielraum zukommt. Art. 8 EMRK enthält keine generelle Pflicht für die Vertragsstaaten, die Wohnortwahl von Immigranten zu respektieren und auf ihrem Staatsgebiet Familienzusammenführungen zuzulassen. In Fällen, die sowohl das Familienleben als auch die Thematik der Zuwanderung betreffen, wird das Maß an Verpflichtung, Verwandte von rechtmäßig aufhältigen Personen auf seinem Staatsgebiet zuzulassen, je nach den Umständen des Einzelfalls der betroffenen Personen und des Allgemeininteresses variieren. Dabei ist zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß das Familienleben tatsächlich gestört wird, wie stark die Bande mit dem Vertragsstaat sind, ob es für die Familie unüberwindbare Hindernisse gibt, im Herkunftsland eines oder mehrerer Familienmitglieder zu leben, ob konkrete Umstände im Hinblick auf die Einreisekontrolle (z.B. Verstöße gegen die Einreisebestimmungen) oder Überlegungen im Hinblick auf die öffentliche Sicherheit eher für eine Ausweisung sprechen und auch ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, als sich die betroffenen Personen bewusst gewesen sind, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart gewesen ist, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher gewesen ist. Dazu hat der EGMR auch wiederholt festgehalten, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitglieds in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Art. 8 MRK bewirkt (vgl. sich darauf berufend VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721 mit Hinweis auf VfGH 29.09.2007, B 1150/07 und die darin referierte Judikatur des EGMR).

Weiters ist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des EGMR vom 11.04.2006, Nr. 61292/00, Useinov gegen die Niederlande, hinzuweisen, der ein Beschwerdefall zu Grunde lag, in dem ein Fremder, der mit einer Inländerin zwei gemeinsame minderjährige Kinder hatte und bereits mehrere Jahre in den Niederlanden lebte, aber nicht damit rechnen durfte, sich auf Dauer in diesem Staat niederlassen zu dürfen, ausgewiesen wurde. In dieser Entscheidung erachtete der EGMR die Bestimmung des Art. 8 EMRK als durch die Ausweisung des Fremden nicht verletzt. Hierbei stellte der EGMR (u.a.) darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt begründet wurde, in dem auf ein dauerhaftes Familienleben im Gastland vertraut werden durfte. Weiters erachtete der EGMR in dieser Entscheidung eine Übersiedlung in den Heimatstaat des Fremden nicht als übermäßige Härte für die Familienangehörigen, zumal der Kontakt des Fremden zu seinen Familienangehörigen auch von seinem Heimatland aufrechterhalten werden könne (vgl. ebenfalls VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721). Vor diesem Hintergrund vermag auch die Beziehung des Beschwerdeführers nicht entscheidend zu stärken. Das Gewicht seiner privaten und familiären Interessen wird daher dadurch gemindert, dass das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war (vgl. VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721; 30.04.2009, 2009/21/0086; VfSlg. 18.382/2008 mHa EGMR 24.11.1998, 40.447/98, Mitchell; EGMR 11.04.2006, 61.292/00, Useinov).

Auch liegt somit kein Eingriff in das Privatleben des BF vor, welcher zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele nicht geboten oder zulässig wäre. Wie festgestellt reiste der BF illegal nach Österreich und gründete sich sein Aufenthalt auf eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem das Asylgesetz und auf zwei letztlich unbegründete Anträge auf internationalen Schutz. Somit lag zu keinem Zeitpunkt ein gesicherter Aufenthaltsstatus vor und kam der BF seiner eindeutigen Ausreiseverpflichtung niemals nach. Vielmehr widersetzte sich der BF bewusst der oben genannten Entscheidung des BVwG.

Eine außerordentliche und entscheidungserhebliche Integration des BF während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet kann seitens des erkennenden Richters nicht festgestellt werden. Dies aus folgenden Gründen:

Der BF verfügt über starke Bindungen zum Herkunftsstaat, wo er den Großteil seines Lebens verbracht hat, die Landessprache beherrscht und seine Ausbildung genossen hat. Er ging einer Erwerbstätigkeit nach. Weiters verfügt er über seine Eltern, einen Bruder und seine Ehefrau im Herkunftsstaat.

Im Gegensatz dazu ist der BF in Österreich nur schwach integriert:

Er legte bisher keine Nachweise über Deutschprüfungen vor und nahm keine Bildungsmaßnahmen in Anspruch. Er war in der Vergangenheit nie legal erwerbstätig und bezog bis Dezember 2016 Grundversorgung. Er hat sich im Bundesgebiet auch nicht aus-, fort- oder weitergebildet.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst die - hier bei weitem nicht vorhandenen - Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (vgl. VwGH vom 06.11.2009, Zl.2008/18/0720 sowie vom 25.02.2010, Zl. 2010/18/0029).

Schließlich ist nochmals darauf hinzuweisen, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet nur ein vorläufig berechtigter war. Gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes ist dieser Zeitraum als kein ausreichend langer zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib in Österreich die öffentlichen Interessen überwiegen können (vgl. VwGH vom 09.05.2003, Zl. 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (vgl. VwGH vom 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124), was jedoch im gegenständlichen Fall eindeutig verneint werden kann.

Die Dauer des Verfahrens übersteigt auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtsschutzmöglichkeiten entsprechenden Asylverfahrens angemessen ist, zumal auch mehrere, letztlich unbegründete Anträge auf internationalen Schutz gestellt wurden. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht hätten, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09, Z 85 f.).

Die Zeitspanne des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet kann hinsichtlich einer Aufenthaltsverfestigung nicht zu seinen Gunsten ausschlagen.

Hinzu kommt, dass nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen ist, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH vom 17.12.2007, Zl. 2006/01/0126, mwN).

Dem BF hätte im Hinblick auf die unberechtigten Anträge auf internationalen Schutz bewusst sein müssen, dass er etwaige eingegangene Bindungen im Bundesgebiet nicht aufrechterhalten kann. Insgesamt betrachtet überwiegt daher insbesondere im Hinblick auf die noch relativ kurze Dauer des Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen das private Interesse des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet (vgl. VwGH vom 25.02.2010, Zl. 2009/21/0142).

Es sind zudem keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine tatsächliche, fortgeschrittene Integration des BF hervorgekommen, aufgrund derer eine die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation anzunehmen wäre.

Dass der BF strafgerichtlich unbescholten sind, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken, noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (zB VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).

Den privaten Interessen des BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen somit die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutzes verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich.

Ferner wird darauf verwiesen, dass der BF aus einem Staat stammt, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist, auch wenn diese verbesserungswürdig ist. Aufgrund dessen und aufgrund der vorhandenen familiären Anknüpfungspunkte ist davon auszugehen, dass der BF bei seiner Wiedereingliederung in die iranische Gesellschaft Unterstützung durch die ansässigen Familienangehörigen und Bekannten erhalten könnte.

Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass sich der BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in die dortige Gesellschaft wieder eingliedern kann, zumal er Jahrzehnte seines Lebens im Herkunftsland verbrachte und daher mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten im Iran vertraut ist und er dort über Verwandte verfügt.

Bei einer Zusammenschau überwiegen im vorliegenden Fall jene Umstände, die für eine Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat sprechen, wobei dem unrechtmäßigen Aufenthalt sowie der nicht vorhandenen beruflichen und sozialen Integration besonderes Gewicht zukommt.

Die Voraussetzungen des § 10 AsylG liegen vor: Da der Antrag des BF auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG von Amts wegen zu erteilen.

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG vorliegt und dem BF kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Da der Antrag des BF im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG zurückgewiesen wurde, liegt weder ein Fall des § 8 Abs. 3a noch des § 9 Abs. 2 AsylG vor. Es sind keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, wonach der BF über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens verfügt und hat er derartiges auch nicht vorgebracht.

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde mit Entscheidung des BVwG vom 06.09.2016 nach umfassender Prüfung verneint.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde mit Entscheidung des BVwG vom 06.09.2016 nach umfassender Prüfung verneint.

Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für den Iran nicht.

Die Abschiebung des BF in den Iran ist daher zulässig.

3.3. Zu Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides:

§ 53 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. Nr. I 145/2017, lautet:

"Einreiseverbot

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht."

Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, Zl 2011/21/0237, zur Rechtslage vor dem FPG idgF (in Kraft seit 01.01.2014) erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (vgl. ErläutRV, 1078 BlgNR 24. GP 29 ff und Art 11 Abs. 2 Rückführungs-RL) sei. Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzes-systematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 anzunehmen. In den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 8 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinn der Z 5 bis 8 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht.

Aus der Formulierung des § 53 Abs. 2 FPG ergibt sich, dass die dortige Aufzählung nicht als taxativ, sondern als demonstrativ bzw. enumerativ zu sehen ist ("Dies ist insbesondere dann anzunehmen, ..."), weshalb die belangte Behörde in mit den in Z 1 - 9 leg. cit expressis verbis nicht genannten Fällen, welche jedoch in ihrer Interessenslage mit diesen vergleichbar sind, ebenso ein Einreisverbot erlassen kann.

Da die aktuelle Formulierung des § 53 FPG auch der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie, RL 2008/115/EG vom 18.12.2008, dient (vgl. RV 1078 XXIV GP : "Mit dem vorgeschlagenen § 53 wird Art. 11 der RückführungsRL Rechnung getragen") und europarechtlichen Grundsätzen folgend nationale Rechtvorschriften richtlinienkonform zu interpretieren sind (vgl. Art. 11 der Rückführungsrichtlinie, RL 2008/115/EG vom 18.12.2008: "Rückkehrentscheidungen gehen mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. In anderen Fällen kann eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen."), ist davon auszugehen, dass schon aufgrund des Umstandes, dass im gegenständlichen Fall keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht, ein unter §§ 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG zu subsumierender Sachverhalt vorliegt, auch wenn dieser in Abs. 2 leg. cit. nicht expressis verbis aufgezählt wird.

Die belangte Behörde war im gegenständlichen Fall schon aufgrund Art. 11 der Rückführungsrichtlinie berechtigt, die Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot zu verbinden. Zum gegenständlichen Verfahren sei festgehalten, dass die belangte Behörde in nicht zu beanstandender Weise ausführt, dass der BF während seines gesamten Aufenthalts in Österreich gezeigt hat, dass er nicht gewillt ist den Anweisungen der österreichischen Fremdenbehörden Folge zu leisten bzw. die österreichischen fremdenrechtlichen Bestimmungen anzuerkennen. Dies ergibt sich daraus, dass der BF, nachdem die Entscheidung des BVwG über seinen ersten unbegründeten Asylantrag in Rechtskraft erwachsen ist, weder seiner Ausreiseverpflichtung nachkam noch einer Ladung des BFA zur Feststellung seiner Identität Folge leistete und daher aus der Grundversorgung abgemeldet wurde. Kurz darauf stellte der BF den gegenständlichen Folgeantrag. Schon das Ignorieren der behördlichen Aufträge und der fremdenrechtlichen Bestimmungen zeigt für das erkennende Gericht die Gleichgültigkeit des BF, sich der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen. Der BF zeigte in der kurzen Zeit seiner Anwesenheit in Österreich eine auffällige Missachtung von fremdenrechtlichen Bestimmungen. Der belangten Behörde ist daher nicht entgegenzutreten, wenn sie davon ausgeht, dass der BF eine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt und hat der BF kein Verhalten an den Tag gelegt, das eine positive Zukunftsprognose zulässt. Insbesondere ist der belangten Behörde beizutreten, wenn sie als erschwerend wertete, dass der BF nicht nur illegal in Österreich aufhältig war, sondern auch dem Ausreisebefehl in sein Heimatland nicht nachkam. In Zeiten des illegalen Migrationsstromes nach Europa ist das Interesse der Republik Österreich an der Einhaltung von fremdenrechtlichen Bestimmungen besonders hoch einzustufen.

Ebenso beizupflichten ist der behördlichen Feststellung des Umstandes der Mittellosigkeit des BF. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Juni 2012, Zl. 2011/23/0305, mwN).

Der BF hat in keiner Weise dargelegt, dass er irgendwelche Mittel zur nicht einmal kurzfristigen Sicherung seines Lebensbedarfes hat. Er wurde aus der Grundversorgung abgemeldet und bewohnt eine Mietwohnung. Woher die Mittel für diese Wohnung kommen, hat der BF nicht dargelegt. Es wurde kein Nachweis einer legalen Beschäftigung in Österreich erbracht. Wie bereits dargelegt, verfügt der BF über kein feststellbares Privat- und Familienleben in Österreich.

Zur Dauer des Einreiseverbotes wird festgehalten, dass die belangte Behörde nicht einmal die Hälfte der möglichen Dauer verhängt hat, was angesichts der Hartnäckigkeit des Ablehnens der österreichischen Rechtsordnung nicht zu beanstanden ist. Die Beschwerde zeigt auch keine Gründe auf, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.

3.4. Zu Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nach § 55 Abs. 1 FPG nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68

AVG.

3.5. Die Beschwerde machte keine weiteren für das Verfahren relevanten Umstände geltend.

Da dem BF weder Asyl noch subsidiärer Schutz zu gewähren war und alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung vorliegen, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Zudem kann die Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist. Dies ist hier der Fall.

Es erscheint der Sachverhalt aus der Beschwerde in Verbindung mit den Verfahrensakten des ersten und zweiten Antrags auf internationalen Schutz des BF hinreichend geklärt. Die Lebensumstände des BF in Österreich wie im Herkunftsstaat sind den genannten Quellen umfassend zu entnehmen. Auch die örtlichen Gegebenheiten im Herkunftsstaat sind dem Akt des Bundesamtes zum Folgeantrag des BF aktuell und umfassend zu entnehmen. Zum nunmehrigen Vorbringen wurde der BF durch das Bundesamt zweimal einvernommen. Wie oben ausgeführt, wurde kein neues Vorbringen erstattet. Das herangezogene Länderinformationsblatt der Staatendokumentation wurde dem BF gemeinsam mit der Ladung zur Einvernahme vor dem Bundesamt am 05.02.2018 übermittelt; auch wurde ihm Gelegenheit geboten, dazu Stellung zu nehmen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die ordentliche Revision gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG erweist sich insofern als nicht zulässig, als der gegenständliche Fall ausschließlich tatsachenlastig ist und keinerlei Rechtsfragen - schon gar nicht von grundsätzlicher Bedeutung - aufwirft. Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es zu irgendeinem Sachverhaltsaspekt des gegenständlichen Falles an einer Rechtsprechung. Auch ist die im gegenständlichen Fall maßgebende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im Übrigen liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen vor.

In der rechtlichen Beurteilung in Bezug auf das Vorliegen des Prozesshindernisses der entschiedenen Sache verweist das BVwG in seiner Entscheidung auf die umfassende höchstgerichtliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Diese ist zwar teils zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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