VwGH 2006/19/0200

VwGH2006/19/020021.9.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Pollak und den Hofrat Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Trefil, über die Beschwerde des H, geboren 1964, vertreten durch Dr. Wilhelm Schuster, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Universitätsstraße 11, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 1. April 2005, Zl. 257.453/0-XI/34/05, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages wegen entschiedener Sache (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §37;
AVG §68 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §37;
AVG §68 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger aus dem Punjab, reiste seinen Angaben zufolge am 23. November 2003 in das Bundesgebiet ein und stellte am folgenden Tag einen (ersten) Asylantrag, den er im Wesentlichen damit begründete, als Mitglied der Akali Dal-Partei von Angehörigen der Kongresspartei verfolgt und von der Polizei im Punjab nicht geschützt zu werden.

Diesen Antrag wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 28. November 2003, rechtskräftig seit 30. Dezember 2003, vorrangig wegen mangelnder Glaubwürdigkeit der behaupteten Fluchtgründe, hilfsweise auch wegen Bestehens einer inländischen Fluchtalternative, gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (Asy1G) ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 8 AsylG für zulässig.

Mit Schriftsatz vom 18. November 2004 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich Asyl. Bei Einvernahmen vor dem Bundesasylamt am 21. und 23. Dezember 2004 brachte er dazu - nachdem er angegeben hatte, Österreich seit dem ersten Asylverfahren nicht verlassen zu haben und seine bisherige Verfolgungsbehauptung aufrecht zu erhalten - unter anderem vor, Mitglieder der Kongresspartei hätten am 3. September 2004 sein Haus im Punjab zerstört, seine Familie aufgefordert, ihn zur Rückkehr nach Indien zu bewegen, damit sie ihn töten könnten, und seinen Cousin so schwer misshandelt, dass dieser in der Folge verstorben sei. Die Familie des Beschwerdeführers habe sich an die Polizei gewandt, welche jede Hilfe verweigert und lediglich nach dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers gefragt habe. All dies habe er in einem etwa einen Monat zuvor mit seinem Nachbarn im Heimatort geführten Telefongespräch erfahren. Dazu komme, dass die Kongresspartei mittlerweile nicht nur im Punjab, sondern in ganz Indien an der Macht sei.

Mit Bescheid vom 30. Dezember 2004 wies das Bundesasylamt diesen (zweiten) Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG "in Verbindung mit § 32 Absatz 8 Asylgesetz 1997" wegen entschiedener Sache zurück.

Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG ab. Begründend führte sie zum "Vorbringen hinsichtlich der Verfolgung durch Anhänger der Congress Party und der Verletzung (des) Cousins" des Beschwerdeführers aus, "dass die Aufrechterhaltung derselben Verfolgungsbehauptungen und Bezugnahme darauf sich nicht als wesentlich geänderter Sachverhalt, sondern als Bekräftigung beziehungsweise als Behauptung des 'Fortbestehens und Weiterwirkens"' eines Sachverhalts darstellten, "über den bereits rechtskräftig abgesprochen wurde".

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung seines zweiten Asylantrags Verfolgungshandlungen vor, die sich erst nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens ereignet haben sollen. Die belangte Behörde hat diesem Vorbringen weder die grundsätzliche Asylrelevanz abgesprochen noch hat sie ihre Entscheidung auf die im Erstverfahren herangezogene Hilfsargumentation einer inländischen Fluchtalternative gestützt. Sie argumentierte vielmehr ausschließlich damit, dass die neu vorgebrachten Ereignisse bloß eine Fortwirkung des im ersten Asylverfahren vorgebrachten Sachverhalts wären, über den bereits rechtskräftig entschieden worden sei.

Davon ausgehend enthält der angefochtene Bescheid keine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit dem neuen Vorbringen, obwohl dieses, träfe es zu, vor dem Hintergrund der im Erstverfahren vorgenommenen Beurteilung der behaupteten Fluchtgründe als unglaubwürdig eine maßgebliche Sachverhaltsänderung bedeuten würde. Im Einzelnen kann zu den dafür maßgebenden rechtlichen Gesichtspunkten gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 4. November 2004, Zl. 2002/20/0391, verwiesen werden (vgl. dazu insbesondere auch das eine ganz ähnliche Fallkonstellation betreffende Erkenntnis vom 26. Juli 2005, Zl. 2005/20/0343, sowie die Erkenntnisse vom 27. September 2005, Zl. 2005/01/0363, vom 29. September 2005, Zl. 2005/20/0365, vom 22. Dezember 2005, Zl. 2005/20/0556, vom 16. Februar 2006, Zl. 2006/19/0380, und vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/19/0245, alle mwN.).

Da somit nicht geprüft wurde, ob das Vorbringen zum zweiten Asylantrag einen "glaubhaften Kern" aufwies, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das auf den zusätzlichen Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung.

Wien, am 21. September 2006

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte