VwGH 99/20/0193

VwGH99/20/01934.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde der KS in Wien, geboren am 5. Februar 1977, vertreten durch Dr. Rainhard Schanda, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stallburggasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. November 1998, Zl. 205.899/0-XI/33/98, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages gemäß § 68 AVG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §18 Abs1;
AsylG 1997 §29 Abs1 impl;
AsylG 1997 §44;
AVG §68 Abs1;
AsylG 1997 §18 Abs1;
AsylG 1997 §29 Abs1 impl;
AsylG 1997 §44;
AVG §68 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, nach ihren Angaben eine am 5. Februar 1977 geborene Staatsangehörige von Ruanda, reiste am 16. Juni 1995 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 27. Juni 1995 Asyl. Sie begründete ihren Asylantrag damit, dass sie Ruanda verlassen habe, weil in diesem Land derzeit Bürgerkrieg herrsche und ein geordnetes Leben dort nicht möglich sei.

Mit Bescheid vom 27. Juni 1995 - der gesetzlichen Vertreterin der damals minderjährigen Beschwerdeführerin am 30. Juni 1995 zugestellt - wies das Bundesasylamt diesen Asylantrag gemäß § 3 Asylgesetz 1991 ab. Dagegen wurde keine Berufung erhoben.

Am 26. Juni 1998 stellte die Beschwerdeführerin einen zweiten Asylantrag, den sie bei ihrer Einvernahme durch das Bundesasylamt am 9. September 1998 wiederum damit begründete, dass sie nicht in ihr Heimatland zurückkehren könne, weil dort Bürgerkrieg herrsche.

Mit Bescheid vom 8. Oktober 1998 wies das Bundesasylamt diesen zweiten Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 44 Abs. 5 Asylgesetz 1997 (AsylG) wegen entschiedener Sache mit der Begründung zurück, dass die Rechtskraft des den ersten Asylantrag abweisenden Bescheides vom 27. Juni 1995 einem neuen, gleich begründeten Asylantrag entgegenstehe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bekräftigt die Beschwerdeführerin, neue Fluchtgründe vorgebracht zu haben, ohne jedoch anzugeben, worin diese bestehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 68 AVG in Verbindung mit § 44 Abs. 5 AsylG ab, weil die Beschwerdeführerin keinerlei neue Fluchtgründe vorgetragen habe und der zweite Asylantrag daher wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sei.

Dagegen richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 und 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegen vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage (vgl. insoweit aber § 44 Abs. 5 AsylG) oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren (abgesehen von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind) abweicht (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze2 E. 80 zu § 68 AVG sowie das hg. Erkenntnis vom 10. Juni 1998, Zl. 96/20/0266). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und ist in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten, so steht die Rechtskraft des ergangenen Bescheides dem neuerlichen Antrag entgegen.

In Anbetracht des identen Begehrens, der im Wesentlichen gleich lautenden Begründung und der gemäß § 44 Abs. 5 AsylG gleichwertigen rechtlichen Grundlagen des Begehrens kann der Auffassung der belangten Behörde, der neuerlichen Antragstellung stehe das Verfahrenshindernis der entschiedenen Sache entgegen, nicht entgegengetreten werden.

Die Beschwerde macht jedoch geltend, dass der genannte Erstbescheid der Beschwerdeführerin gegenüber nicht wirksam geworden sei, weil Spruch und Rechtsmittelbelehrung nicht in eine ihr verständliche Sprache, etwa Englisch, übersetzt gewesen seien. Aus diesem Grunde sei der Erstbescheid des Bundesasylamtes (vom 27. Juni 1995) ihr gegenüber nicht rechtskräftig.

Der § 18 Abs. 1 des für diesen Bescheid geltenden Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, lautete:

"Ist ein Asylwerber der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig, so ist von Amts wegen seiner Vernehmung sowie einer mündlichen Verhandlung ein geeigneter Dolmetscher beizuziehen, der den gesamten Verlauf der Vernehmung oder Verhandlung in die Muttersprache des Asylwerbers oder eine andere ihm ausreichend verständliche Sprache zu übersetzen hat. Bescheiden, die einem solchen Asylwerber zuzustellen sind, ist eine Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung in diese Sprache anzuschließen."

Ein Verstoß gegen diese Bestimmung konnte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weder die Rechtswirksamkeit eines ohne die Beigabe der Übersetzung zugestellten Bescheides noch dessen Rechtmäßigkeit berühren, weil es sich lediglich um eine Ordnungsvorschrift handelte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/1054, und vom 16. September 1993, Zl. 92/01/1074; vgl. auch das die unterbliebene Beigabe einer Übersetzung der maßgeblichen Gesetzesbestimmung gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz AsylG betreffende hg. Erkenntnis vom 6. Oktober 1999, Zl. 99/01/0056). Ob mit dem § 29 Asylgesetz 1997 (AsylG) in diesem Punkt eine wesentliche Änderung eingetreten ist (vgl. dazu Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, RZ 880 f zu § 29), kann für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben.

Der angefochtene Bescheid leidet auch nicht an einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil eine die Begründung des Asylantrags betreffende Ermittlungspflicht (§ 28 AsylG) in Anbetracht seiner Unzulässigkeit nicht bestand.

Die Beschwerde bemängelt schließlich unter Hinweis auf das vor dem Bundesasylamt aufgenommenen Protokoll vom 9. September 1998, dass dort eine andere Person, nämlich ein am 5. Februar 1977 geborener Asylwerber aufscheine. Dabei handelt es sich aber nur um einen Schreibfehler. An der Identität der Beschwerdeführerin besteht wegen der identen Unterschriften und des von der Beschwerdeführerin ebenfalls am 9. September 1998 ausgefüllten Datenblattes "Geschlecht: weiblich" kein Zweifel. Die Beschwerdeführerin hat bei dieser Vernehmung ihr Geburtsdatum mit

5. (statt "15.") Februar 1977 klargestellt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 4. Mai 2000

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