VwGH 2011/23/0305

VwGH2011/23/030521.6.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14/1/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. Jänner 2009, Zl. SD 794/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z7;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Indien, reiste am 26. März 2002 illegal nach Österreich ein, wo er am 28. März 2002 einen Asylantrag stellte. Dieser wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 19. März 2003 rechtskräftig abgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien zulässig sei. Zwei weitere Asylanträge des Beschwerdeführers vom 22. Juli 2003 und vom 7. November 2003 wurden - letzterer am 15. April 2004 - vom Bundesasylamt rechtskräftig gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 16. Jänner 2009 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass dem Beschwerdeführer zunächst eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zugekommen sei. Nach seinen Angaben im fremdenpolizeilichen Verfahren sei er ohne Beschäftigung. Er erhalte Bundesbetreuungsgeld von monatlich EUR 180,-- und werde von Freunden finanziell unterstützt. Er habe ein "Zimmerbenützungsrecht" in einer Wohnung in Wien 3. Auch in der Berufung habe er zu den ihm zur Verfügung stehenden Mittel lediglich vorgebracht, neben den Wohnungskosten auch seinen Unterhalt (selbst) zu tragen und über eine Krankenversicherung zu verfügen. Er habe jedoch nicht darlegen und nachweisen können, dass ihm die erforderlichen Mittel zu seinem Unterhalt aus eigenem Einkommen oder Vermögen zur Verfügung stünden und auch nicht belegen können, dass eine andere Person auf Grund einer tragfähigen Haftungserklärung den erforderlichen Unterhalt sicherstelle. Der Beschwerdeführer sei daher als mittellos anzusehen, sodass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 7 FPG erfüllt sei. Seine Mittellosigkeit und sein unrechtmäßiger Aufenthalt beeinträchtigten die öffentliche Ordnung in hohem Maße, weshalb die Erlassung des Aufenthaltsverbots - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - im Grund des § 60 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei.

Der Beschwerdeführer verfüge über keine familiären Beziehungen im Bundesgebiet. Auch wenn er es unterlassen habe, über private Bindungen nähere Angaben zu machen, sei auf Grund seines knapp siebenjährigen inländischen Aufenthalts und der in dieser Zeit aufgebauten sozialen Kontakte von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. So komme der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Gegen dieses öffentliche Interesse verstoße der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt seit dem rechtskräftigen Abschluss seiner Asylverfahren in gravierender Weise. Seine Mittellosigkeit beeinträchtige die öffentliche Ordnung zusätzlich, sodass das Aufenthaltsverbot nach § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei. Einer aus seinem knapp siebenjährigen inländischen Aufenthalt ableitbaren Integration komme demgegenüber insofern kein entscheidendes Gewicht zu, als alle seine Asylanträge rechtskräftig ab- bzw. zurückgewiesen worden seien. Damit habe sich (nachträglich) herausgestellt, dass seine vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung zu Unrecht bestanden habe. Insgesamt hätten seine privaten Interessen daher gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf seine Lebenssituation würden auch keinesfalls schwerer wiegen als jene seines Verbleibes im Bundesgebiet auf die gegenläufigen öffentlichen Interessen, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbots auch gemäß § 66 Abs. 2 FPG zulässig sei. Die belangte Behörde erklärte schließlich, dass auch nicht im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand zu nehmen sei; vor Ablauf seiner Gültigkeitsdauer könne ein Wegfall der Gefährdung nicht erwartet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (Jänner 2009) geltende Fassung.

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlauft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 7 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 9. November 2009, Zl. 2009/18/0392, mwN).

Da die Asylverfahren des Beschwerdeführers unstrittig rechtskräftig abgeschlossen sind und der Beschwerdeführer auch über keinen sonstigen Aufenthaltstitel verfügt, ist die Annahme der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer seither unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, frei von Rechtsirrtum. Dem Beschwerdeführer kommt jedenfalls seit diesem Zeitpunkt keine eine Erwerbsausübung in Österreich zulassende Aufenthaltsberechtigung zu. Da der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren trotz Aufforderung keine konkreten Angaben über die Herkunft seiner Unterhaltsmittel gemacht hat, kann die Ansicht der belangten Behörde, dass überdies der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 7 FPG erfüllt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Der Umstand, dass einem Fremden Grundversorgung gewährt wird, bestätigt geradezu diese Beurteilung (vgl. dazu das Erkenntnis vom 23. Oktober 2008, Zl. 2007/21/0245, mwN). Wenn die Beschwerde gegen die Annahme der Mittellosigkeit lediglich vorbringt, der Beschwerdeführer könne durch seine Deutschkenntnisse für seinen Unterhalt sorgen, vermag sie eine Rechtswidrigkeit dieser Beurteilung nicht aufzuzeigen.

Aus der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers resultiert die Gefahr der Unterhaltsbeschaffung aus illegalen Quellen. Der seit mehreren Jahren bestehende unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers stellt überdies eine erhebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar. Die - entgegen den Beschwerdeausführungen ausreichend begründete - Ansicht der belangten Behörde, dass die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, erweist sich aus diesem Grund nicht als rechtswidrig.

Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist es gemäß § 60 Abs. 6 FPG iVm § 66 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Es darf nach § 66 Abs. 2 FPG jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthalts und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen (Z 1) und auf die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen (Z 2) Bedacht zu nehmen.

Auch die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung erweist sich als frei von Rechtsirrtum. So hat sie ausreichend auf den - zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung - knapp siebenjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich Bedacht genommen, dabei aber zutreffend auch darauf hingewiesen, dass sich dieser Aufenthalt auf unberechtigte Asylanträge gründete und dass der Beschwerdeführer weder über familiäre noch über berufliche Bindungen im Bundesgebiet verfüge. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert - wie ausgeführt -

die Gefahr strafbarer Handlungen oder einer finanziellen Belastung der öffentlichen Hand. Angesichts des öffentlichen Interesses an deren Hintanhaltung ist die belangte Behörde daher zu Recht zum Ergebnis gelangt, dass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Wahrung eines geordneten Fremdenwesens als gemäß § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten und im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 2 FPG als zulässig erweist.

Die Beschwerde zeigt auch keine Gründe auf, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht dem Gesetz entsprochen hätte.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 21. Juni 2012

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