BVwG W103 2193626-1

BVwGW103 2193626-114.5.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs3
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W103.2193626.1.00

 

Spruch:

W103 2193626-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Auttrit als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA.:

Russische Föderation, vertreten durch die XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.03.2018, Zl. 733673902-170136095, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 iVm 6 Abs. 1 Z 4, 8 Abs. 1 Z 2, 57, 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 3 und Abs. 9, 46, 55 Abs. 1 bis 3 und 53 Abs. 3 Z 9 FPG, jeweils idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der damals XXXXjährige Beschwerdeführer reiste im November 2003 gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern in das Bundesgebiet ein. Mit rechtskräftigem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom XXXX, wurde dem Beschwerdeführer durch Erstreckung gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 1997 (abgeleitet von seinem Vater) Asyl gewährt. Seine gesetzliche Vertreterin hatte im damaligen Verfahren anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat am XXXX ausdrücklich vorgebracht, dass der damals minderjährige Beschwerdeführer keine individuellen Fluchtgründe aufweise. Dem Beschwerdeführer wurde in der Folge ein Konventionsreisedokument ausgestellt.

Am 20.01.2015 wurde durch eine Landespolizeidirektion die Einziehung des Konventionsreisedokuments des Beschwerdeführers in Zusammenhang mit dem Verdacht auf Verbindungen zum islamischen Extremismus/Terrorismus angeordnet. In diesem Zusammenhang liegt im Akt ein Schreiben des Beschwerdeführers vom 30.03.2015 ein, in welchem er im Wesentlichen erklärt, dass er seinen Eltern zu Unrecht von einem Aufenthalt in Syrien berichtet hätte, in Wahrheit hätte er sich im entsprechenden Zeitraum gemeinsam mit seiner Freundin in XXXX aufgehalten, zumal er diese Beziehung von seiner Familie habe verheimlichen wollen.

Am 27.05.2015 wurde der Beschwerdeführer in jener Angelegenheit niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei wurden dem Beschwerdeführer insbesondere Widersprüchlichkeiten in Bezug auf seinen behaupteten Türkeiaufenthalt zwischen seiner schriftlichen Stellungnahme und seinen Angaben anlässlich einer Einvernahme vor dem XXXX vorgehalten.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX (rechtskräftig am XXXX), Zl. XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 278e Abs. 2 und 278b Abs. 2 (infolge Rechtsmittelentscheidung durch das XXXX vom XXXX) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten, von denen ihm 12 Monate unter Anordnung eine dreijährigen Probezeit und von Bewährungshilfe bedingt nachgesehen wurden, verurteilt.

2. Mit Verfahrensanordnung vom 22.03.2017 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer die Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten mit und räumte ihm unter gleichzeitiger Übermittlung eines Ländervorhalts zur Lage in der Russischen Föderation Parteiengehör ein.

Der Beschwerdeführer erstattete mit Eingabe vom 07.04.2017 eine Stellungnahme, in der er (auf Basis des ihm vom BFA übermittelten Fragebogens) zusammengefasst ausführte, sich im Jahr 2013 in der Türkei an der Grenze von Syrien in einem Camp aufgehalten zu haben. Er sei durch einen näher genannten Freund an eine Gruppe von Männern gekommen, welche ihn ausbilden hätten sollen. Er habe jedoch nicht teilgenommen, da er dies nicht gewollt hätte. Er habe auf keinen Fall an Kampfhandlungen in XXXX teilgenommen, Menschen getötet oder verletzt. Er sei kein Terrorist und sei nicht hingefahren, um jemandem etwas Böses zu tun. Abgesehen davon habe er Österreich seit seiner Einreise im Jahr 2003 nie verlassen. In Österreich sei er seit dem JahrXXXX verheiratet, er habe einen im Jahr XXXX geborenen Sohn, im Sommer werde eine Tochter auf die Welt kommen. Für seine Ehefrau und seinen Sohn sei er unterhaltspflichtig, daneben unterstütze er seinen Vater und seine beiden Brüder. In Österreich würden sein Vater, seine beiden älteren Schwestern und zwei jüngere Brüder leben. Von diesen sei er finanziell jedoch nicht abhängig. Von 2008 bis 2011 habe er eine Lehre als KFZ-Techniker gemacht. Nach der Lehre habe er für kurze Zeit in der Produktion gearbeitet, von 2013 bis 2015 habe er als Mechaniker in einer näher genannten Firma gearbeitet, seit März 2017 sei er selbstständig. Er sei in Österreich aufgewachsen. Österreich sei zu seinem Heimatland geworden und er sehe seine Zukunft nur hier. Der Beschwerdeführer spreche fließend Deutsch; er sei als Flüchtling nach Österreich gekommen, sei hier aufgewachsen und habe sich mittlerweile gut integrieren können. Über Bindungen zu seinem Herkunftsstaat verfüge er nicht, er sei als Kind nach Österreich gekommen, hier befänden sich all seine Freunde und engste Familie. Zu Verwandten im Herkunftsstaat wie Tanten und Onkeln habe er selten über Whatsapp Kontakt. Eine Rückkehr in die Russische Föderation respektive Tschetschenien wäre ihm nicht möglich, da er sich an Österreich angepasst und gewöhnt hätte und sich hier zuhause und wohlfühlen würde. Ein Leben in Tschetschenien könne er sich nicht mehr vorstellen. Er leide an keinen Erkrankungen und befinde sich aktuell nicht in ärztlicher Behandlung. Seit er seinen Pass habe bzw. aus der Türkei zurückgekommen wäre, sei er durch nichts mehr aufgefallen; er habe nach Möglichkeit immer gearbeitet, sich selbständig gemacht und eine Familie gegründet. Was er damals gemacht habe, sei ein großer Jugendfehler gewesen und überhaupt kein Thema mehr für ihn. Beiliegend wurden eine Reisepasskopie des Beschwerdeführers, die österreichische Geburtsurkunde und ein Staatsbürgerschaftsnachweis seines minderjährigen Sohns, seine Heiratsurkunde sowie der österreichische Staatsbürgerschaftsnachweis seiner Frau übermittelt.

Am 05.02.2018 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen des Aberkennungsverfahrens niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Der Beschwerdeführer wurde eingangs über die Gründe des gegen seine Person eingeleiteten Aberkennungsverfahrens informiert und gab an, dass einer Befragung aus seiner Sicht keine Hinderungsgründe entgegenstünden. Seine Einvernahme vernahm im Wesentlichen den folgenden Verlauf:

"(...) F: Wie ist die Verständigung mit der Dolmetscherin? Haben Sie Einwände gegen dieselbe

A: Ich verstehe die Dolmetscherin gut und habe nichts gegen diese einzuwenden. Meine Muttersprache ist Tschetschenisch. Ich spreche aber auch Deutsch.

Anmerkung: VP spricht sehr gut Deutsch, gibt an das er keinen Dolmetsch braucht. Dolmetscherin wird aber weiterhin der Einvernahme beigezogen, sollte es zu Verständigungsschwierigkeiten kommen.

...

F: Leben oder lebten Sie je in einer Ehe oder eheähnlichen Beziehung oder dem gleichkommenden Partnerschaft?

A: Ich bin verheiratet.

F: Seit wann sind Sie verheiratet?

A: Seit ungefähr drei Jahren. Ich habe eine Heiratsurkunde mit.

Ausgestellt am XXXX, ausgestellt vom Standesamt- und Staatsbürgerschaftsverband XXXX

F: Wo haben Sie Ihre Ehefrau kennengelernt?

A: Hier in Österreich über Bekannte.

F: Welche Familienangehörigen leben in Österreich?

A: Ich habe zwei Brüder, Vater, meine Mutter ist vor zwei Jahren verstorben in Österreich und ich habe noch zwei verheiratete Schwestern in XXXX.

F: Wo und wovon lebt Ihr Vater?

A: Genau gesagt von mir, ich habe Top 5 und er Top 6, sonst ist es die gleiche Adresse.

F: Was arbeitet er?

A: Er ist bei einer Transportfirma Fahrer.

F: Was machen Ihre Brüder?

A: Mein jüngster Bruder hat jetzt nach dem Gymnasium eine Elektrotechniker Ausbildung angefangen und mein anderer Bruder will Versicherungsvertreter oder Bautechnischer Zeichner werden, er ist jetzt auf der Suche.

F: Haben Sie Kontakt zu Ihren Familienangehörigen nach Russland?

A: Kontakt schon, also zu meinen Bekannten.

F: Wer sind die Bekannten?

A: Onkeln, Tanten, Cousinen, die halt dazu gehören.

F: Wo leben diese?

A: In Tschetschenien, manche in XXXX und manche in einer anderen Stadt.

F: Wie geht es ihnen in Tschetschenien?

A: Manchen geht es gut, bei manchen geht es und manchen geht es sehr schlecht, es ist verschieden.

F: Wo und wovon leben Ihre Angehörigen in Russland?

A: Manche haben keine Arbeit, leben von der Landwirtschaft, manche arbeiten.

F: Was haben die für ein monatliches Einkommen?

A: Wenn man es in Euro umrechnet ca. 200,--.

F: Kann man mit den 200,-- gut leben?

A: Nein, die Lage ist viel zu schwer, viel zu riskant, ich könnte mir dort momentan nichts vorstellen.

F: Wie verstehen Sie sich mit diesen Angehörigen?

A: Relativ gut.

F: Wie oft haben Sie Kontakt?

A: Viel Kontakt habe ich nie, ich bin immer am Arbeiten, manchmal am Abend durch Whatsapp und so.

F: Wann hatten Sie zuletzt Kontakt zu den Angehörigen?

A: Vor ein paar Tagen.

F: Mit wem?

A: Mit der Frau meines Onkels inXXXX. Nachgefragt, wo genau weiß ich nicht wo sie leben.

F: Wie verstehen Sie sich mit Ihren Familienmitgliedern in Österreich?

A: Bestens. (lacht)

F: Erhalten Sie von diesen Besuche, allenfalls wie oft?

A: Wir besuchen uns so oft wie wir wollen, mein Vater ist sowieso Nachbar von mir, wir sehen uns jeden Tag. Mit meinen Schwestern bin ich oft in XXXX oder sie kommen zu uns.

F: Wovon leben Sie derzeit?

A: Ich bin Angestellter. VP legt einen Versicherungsdatenauszug vor. Dienstgeber (...)

F: Was machen Sie da?

A: Ich bin KFZ-Techniker dort.

F: Ist das eine Vollzeitbeschäftigung?

A: Ja, 40 Stunden, ganz normal.

F: Haben Sie KFZ-Techniker gelernt?

A: Ja, ich habe auch das Prüfungszeugnis mit.

F: Wann haben Sie Ihren Asylstatus zuerkannt bekommen?

A: Im Jahr 2006.

F: Von wann bis wann waren Sie seit Zuerkennung ihres Status beschäftigt?

A: Seit ich kann, ich habe zuerst die Pflichtschule abgeschlossen, dann die Polytechnische Schule abgeschlossen und dann habe ich gleich die Lehre angefangen. Ich glaube im Jahr 2009 habe ich mit der Lehre angefangen und habe sie 2013 abgeschlossen. Ich war ungefähr ein Jahr selbstständig, da hat mich das AMS unterstützt, weil ich Jungunternehmer war. Ich habe vor kurzem mit der Selbstständigkeit aufgehört, weil ich die Paragrafenprüfung machen (Pickerl), damit ich das auch machen kann.

F: Welches Einkommen lukrieren Sie derzeit durchschnittlich?

A: Ca. 1.500-1.600 Euro im Monat.

V: Sie werden angewiesen, Ihr Einkommen des letzten Jahres (Lohn- bzw. Einkommenssteuerbescheid) dem Bundesamt bis 19.02.2018 vorzulegen.

A: Ja ok, das mache ich gleich heute. Ich lege etwas Aktuelles vor und frage beim Finanzamt nach was ich für letztes Jahr bekomme.

F: Haben Sie einen Deutsch- oder sonstigen Integrationskurs absolviert? Allenfalls welches Niveau?

A: Ich habe gar keinen Kurs gemacht, ich habe gleich in der 2. Klasse Hauptschule angefangen als ich gekommen bin.

F: Waren Sie jemals in Haft, sei es in Österreich oder anders wo?

A: Nein. Ich bin zwar verurteilt worden, bin aber auf freien Fuß gesetzt worden, dann habe ich einen Antrag auf Fußfessel gestellt. Die Fußfessel habe ich noch nicht, bekomme ich aber demnächst für drei Monate. In Untersuchungshaft war ich gar nicht. Das Verfahren war vor 5 Jahren einmal eingestellt und jetzt ist es wieder aufgerollt worden.

F: Mit welchen Personen verkehren Sie in der Regel in Österreich?

A: Ab und zu mit bekannten aus XXXX und da habe ich zwei Kollegen.

F: Was haben die für Staatsangehörigkeit?

A: Die beiden in XXXX haben den gleichen Status wie ich und sind auch Tschetschenen, die Bekannten aus XXXX sind auch Tschetschenen. Ich habe aber auch Kontakt zu Österreichern, zu Türken, ich habe auch mit meinen Arbeitskollegen ein gutes Verhältnis.

F: Haben Sie in Österreich irgendwelche enge private oder familiäre Beziehungen außerhalb Ihrer Eltern bzw. Geschwister?

A: Nein.

F: Sind Sie gesund? Nehmen Sie regelmäßig Medikamente?

A: Nein, zum Glück bin ich gesund.

F: Stehen Sie derzeit in medizinischer oder gar Spitalsbehandlung?

A: Nein.

F: Hat sich zu Ihren früher dargelegten Ausreisegründen bzw. Rückkehrbefürchtungen sowie zu jenen Ihrer Familienangehörigen etwas verändert?

A: Da hat sich Null geändert, das ist für mich eigentlich schon vergessen worden. Warum das nochmal Aufgerollt worden ist weiß ich nicht. Die haben gemeint wegen eines Fotos oder so, also die Kriminalpolizei hat das gemeint. Das war 2013, das haben wir schon mit dem Kollegen besprochen gehabt, der hat mir meinen Pass schon weggenommen gehabt und als ich den Pass zurück haben wollte, egal ob ich schuld bin oder nicht, ich soll einfach nicht mehr auffallen, weil sonst der Pass weg ist. Seit dem gehe ich arbeiten, ich habe Familie und ich habe auch nichts auffallen lassen.

F: Aus dem Akt ergeht, dass Ihnen der Status ausschließlich im Familienverfahren zweitinstanzlich zuerkannt worden ist. Ist dies noch immer der Fall?

A: Für meinen Vater passt das auf jeden Fall und für mich auch, für mich ist Null in Tschetschenien, ich kann dort nichts anfangen.

F: Haben oder hatten Sie je Kontakt zu extremistischen, terroristischen Gruppierungen oder sind Sie für solche je engagiert gewesen? Sei es in Österreich oder anderswo

A: Nein.

F: Sie sind Moslem, welche Richtung?

A: Ich bin Moslem, ganz einfach, ich weiß nicht welche Richtungen oder Gruppierungen es gibt.

F: Welchen Stellenwert hat die Religion für Sie?

A: Religion ist Religion, die jeder hat, was soll ich dazu sagen.

F: Würden Sie sich als streng religiös bezeichnen?

A: Streng sicher nicht, beten zwar schon, also das Freitagsgebet, aber streng ist etwas anderes.

F: Was kann ich mir unter dem Freitagsgebet vorstellen?

A: Für uns Moslem gibt es jeden Freitag ein Gebet und da gehe ich jede dritte Woche hin.

F: Wo ist das?

A: Überall wo ich Zeit habe, eine Türkische oder Bosnische Moschee, bei der Arbeit wechsle ich mich mit den anderen Moslems ab, damit über die Mittagszeit immer einer da ist.

F: Wie stehen Sie zu den anderen muslimischen Religionen, etwa den Alawiten, Alewiten, Schiiten etc. Sind diese Ihrer Meinung nach rechtgläubig?

A: Das sind Mitmenschen wie alle anderen, ob das Alewiten oder Christen sind, das sind Menschen, ich habe keine Probleme mit niemanden.

F: Haben Sie Kontakte zu Personen, die einen Hang zu extremen religiösen Ansichten haben?

A: Nein.

F: Wie stehen Sie zu Ihren Glaubensbrüdern, die genau mit dieser Intention etwa nach Syrien gehen, um dort für die Errichtung eines Gottesstaates zu kämpfen?

A: Was soll ich davon denken. Klar und deutlich, das ist Quatsch. Ich habe sowieso kein Interesse an so etwas, die sollen lieber etwas erreichen. Die sollen ihre Lebensqualität verbessern. Die sollten aus ihrem Leben etwas gescheites machen.

F: Sie wurden laut unseren Ermittlungen am XXXX, dieses Urteil ist rechtskräftig seit XXXX wegen der Verbrechen der terroristischen Vereinigung und der Ausbildung für terroristische Zwecke nach §§ 278b Abs 2 und 278e Abs2 StGB verurteilt. Dies stellt einen absoluten Aberkennungsgrund Ihres Asylstatus dar. Es ergaben sich auch keinen Gründe denen zufolge Ihnen etwa subsidiärer Schutz zuerkennen sei und darüber hinaus hat sich die Lage im Herkunftsstaat derart geändert, dass die Befürchtungen, die zur Zuerkennung des Asylstatus geführt haben nicht mehr vorliegen. Ihr Herkunftsstaat ist inzwischen absolut befriedet und vor diesem Hintergrund ist Ihnen eine Rückkehr dorthin und eine Existenzgründung allenfalls durch Unterstützung von Angehörigen aus dem In- und Ausland zuzumuten! Es steht Ihnen frei überall in Russland zu leben und zu arbeiten, allenfalls die Hilfe Ihrer dort verbliebenen Angehörigen in Anspruch zu nehmen. Nehmen Sie dazu Stellung!

A: Wenn ich dort hinreise mit meiner Familie, dann könnte ich mich hier gleich aufhängen lassen. Ich habe mein Leben hier, für mich gibt es nichts dort, ich kann dort nichts anfangen, ich habe kein Leben dort, vor allem mit einer Familie mit zwei Kindern.

F: In Abwägung der Interessen am Verblieb in Österreich ergibt sich aufgrund der bisherigen Ermittlungen, dass eine Abwägung zwischen Verblieb und Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen einen Verbleib in Österreich ausfällt. Sie sind in Österreich nicht verfestigt. Es wird Ihnen die Möglichkeit eingeräumt, dazu bis

zum......eine Stellungnahme abzugeben.

A: Ich möchte keine schriftliche Stellungnahme abgeben, aber sagen, dass ich eben da Familie habe, zwei Kinder habe, dass miene zwei Brüder seit meine Mutter gestorben ist von mir abhängig sind, ich stelle sie auf den richtigen Weg, meine Familie ist von mir abhängig und also ich bin eben da aufgewachsen, da integriert, ich habe mein Leben hier, meine Freunde hier, meine Bekannten hier, das wäre etwas ganz neues für mich, wenn ich jetzt ausreisen müssten.

F: Wie ist es überhaupt zu dieser Verdächtigung gekommen, bzw. sind Sie auch verurteilt worden?!

A: Das sind nur Vermutungen der Justiz, nur weil ich ein Foto gemacht habe. Das ist ein Foto, wo einer in Syrien, XXXX und mit dem XXXX, und das war eben aus meiner Neugier, das ich zu denen hingeraten bin, weil ich in der Türkei war und der XXXXgehört hat das ich in der Türkei bin, hat mich angeschrieben und gefragt wo ich bin und so. Dann habe ich gesagt ich bin in XXXX, er hat gesagt wir haben uns schon lange nicht gesehen, und wenn ich möchte soll ich zu ihm fahren, wo er ist, er hat eine Stadt genannt in der Türkei, ca. 13-14 Stunden von XXXX entfernt, Namen der Stadt weiß ich nicht mehr, dann bin ich dort hin geraten und da ist der XXXX gekommen, das war ein Haus, und da waren alle Menschen drinen, das hat für mich eh komisch ausgeschaut, habe gleich mitbekommen das da etwas nicht stimmt. Dann habe ich Mitbewohner bzw. diese die im Haus waren dort gefragt wo wir sind, die haben mir die Handys gezeigt, dass ich den Netzbetreiber sehe, das war XXXX, damit ich weiß, dass ich in der Türkei bin, weil ich der Sprache nicht mächtig war. Dann ist XXXX gekommen und der XXXXzu besuch, den XXXX habe ich ein paar Mal gesehen und den XXXXnur ein oder zwei Mal gesehen. Dann habe ich das Gefühl bekommen, dass ich in falsche Hände gekommen bin und dass ich von XXXX angelogen wurde, das er mir nicht gesagt hat wo wir wirklich sind. Dann hat er mir aber keine Auskunft gegeben, so als wollte er vor mir etwas verbergen, dann hat er mir seine AK (Waffe) gegeben und gezeigt, aber keine Auskunft, null, niemand von dem Haus hat mir eine Auskunft gegeben. Am dritten oder zweiten Tag waren die Männer mit Bart dort und haben irgendwas gemacht, so quasi als ob sie Menschen kaufen würden, es sind ein paar Männer mit 3-4 Autos hergefahren und mit irgendwas gehandelt auf die Art und am gleichen Tag ist ein Verletzter gekommen, dann habe ich schon einen Schock bekommen, dann haben sie jemanden gesucht der den Verletzen nach XXXX begleiten kann. Dann habe ich gesagt ich helfe ihm und noch 2 oder 3 Leute haben uns begleitet. Dann als ich das gesagt habe, wollten sie meine Pass und meine ganzen Sachen dort lassen, da habe ich gesagt ich brauche den Pass, weil ich ein Visum habe, aber Geld und meine ganzen Sachen haben sie mir nur 300 USD oder 300 Euro gelassen und den Rest haben sie mir weggenommen, weil sie wollten, dass ich wieder zurückkomme. Dann sind wir in einen Bus nach XXXX, als wir in XXXX angekommen sind habe ich gesagt ich muss schnell telefonieren und bin weggerannt, habe mir ein Taxi genommen und bin am Flughafen XXXX und habe gleich mit meiner Familie Kontakt aufegenommen und sagte ihnen das sie mir durch Westernunion so schnell wie möglich Geld schicken und bis sie das Geld geschickt haben habe ich mir ein Flugticket besorgt nach XXXX, das habe ich zum Glück gleich bekommen. Und von XXXX bin ich dann mit dem Zug nach Hause gefahren.

F: Was ist mit dem Foto, haben Sie dieses?

A: Nein, das habe ich von der Justizanstalt nicht bekommen.

F: Wie ist die Justiz zu dem Foto gekommen?

A: Sie haben gesagt, dass Sie das Foto auf XXXX Handy gefunden haben. Dann haben sie mich auch gefragt, als sie das Foto gefunden haben, warum ich nicht von Anfang an gesagt habe wie es wirklich war und das habe ich aus Stress und Angst nicht gesagt, weil der XXXX hat mich angerufen gehabt und gefragt wo ich bin und so und deshalb habe ich es nicht genau gesagt weil es zu stressig war zu dieser Zeit. Und jetzt sind halt ein paar Geschichten rausgekommen, für mich war wichtig das die Geschichte schnell abgeschlossen wird und dass ich nichts mit dem zu tun habe, ich wollte es niemandem erklären, ich würde es auch niemanden erzählen.

F: Möchten Sie sonst noch etwas vorbringen?

A: XXXX hat mich angelogen, ich möchte mit so etwas nichts zu tun habe und habe auch nie etwas damit zu tun gehabt und werde auch nie, es stellt sich nicht einmal die Frage nach so etwas. Und ganz wichtig, die haben mich von verschiedenen Nummern angerufen und durch die Angst und den Stress den ich in der Türkei durch mein Erlebtes hatte, wollte ich mit keinen sprechen, deshalb habe ich ein paar Geschichten erfunden, weil derXXXX auch gewusst hat wo ich lebe und auch meine Familie gekannt hat.

F: Was ist jetzt mit dem XXXX passiert?

A: Der ist schon längst gestorben, hat man mir gesagt.

F: Was ist mit XXXX?

A: Der sitzt, der hat viel Mist gebaut gehabt. Er war zuerst in XXXX und jetzt weiß ich es nicht, irgendwo in XXXX oder so, wissen tue ich es nicht.

...

F: Ihnen wird nun ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, in die vom Bundesamt zur Beurteilung Ihres Falles herangezogenen Länderfeststellungen zur Situation im Herkunftsstaat und schriftlich zu den Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen.

A: Das interessiert mich nicht was die für Gesetze oder Vorschriften haben, ich wohne in Österreich. Schlussendlich stehe ich wie ein Depp da, ich habe gute Freunde und eine Arbeit hier.

Ich hatte echt mit dieser Sache nie etwas zu tun, der XXXXhat ein Auge auf mich, der weiß besser als wir beide zusammen was ich mache. Ich war jung und dumm, ich habe mit 19 Jahren nicht weiter gedacht, ich würde es gerne rückgängig machen.

Die Behörde geht davon aus, dass es unwahrscheinlich ist, dass Sie in Ihrem Herkunftsstaat einer Verfolgung oder Bedrohung im Falle einer Rückkehr ausgesetzt sein können.

Es bestehen demnach Rechtsschutzmechanismen, die Behörden sind schutzwillig und schutzfähig.

Es bestehen demnach ausreichende Möglichkeiten zu Ihrer Versorgung.

Politische, Religiöse, Betätigung ist in Ihrem Herkunftsstaat demnach nahezu ungehindert möglich.

Es bestehen demnach keine Hinweise, dass Personen infolge deren ethnischer Abstammung intensive Probleme erwachsen können

Es bestehen demnach ausreichende medizinische Einrichtungen und Medikamente sind erhältlich

Daraus ergibt sich auch, dass Ihnen ein alternativer Aufenthaltsort im Herkunftsstaat zur Verfügung steht

Darüber hinaus können sie überall im Herkunftsland ungehindert Aufenthalt nehmen und es sehr unwahrscheinlich ist, dass Sie von Ihren Feinden gefunden werden können.

Darüber hinaus ist es auch sehr unwahrscheinlich, dass Sie jedenfalls in den sicheren Regionen Ihres Heimatlandes von allfälligen Unruhen oder Anschlägen betroffen sind.

A: Wissen tue ich das nicht, weil ich schon gehört habe, dass schon welche so Vorfälle wie ich hatten und abgeschoben wurden oder selber nach Tschetschenien gefahren sind und dass sie dann weg sind. Jeder weiß es, dass es mit den Kadyrow Leuten schwierig ist. Dann steht im Akt Dschihadist und dann bin ich weg.

F: Haben Sie jetzt einen Reisepass?

A: Ja habe ich noch, den Konventionspass. Sonst habe ich keinen. Russischen habe ich keinen, ich hatte mal einen, der ist aber vor ein paar Jahren abgelaufen.

V: Es wird Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass das Bundesamt auch in Verbindung mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot bis zu zehn Jahren für den gesamten Schengenraum erlassen kann, da Sie verurteilt wurden. In einem solchen Fall wird für einen festgelegten Zeitraum, bemessen an Ihrem Verhalten, wonach Sie nach den bisherigen Ermittlungen und gültig ab dem von Ihnen nachzuweisenden Tag der Ausreise bestimmt wird, nicht in das Hoheitsgebiet der Schengenstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten. Nehmen Sie dazu Stellung. Sie haben die Möglichkeit dazu eine Stellungnahme abzugeben!

A: Ja wenn ich abgeschoben werde bin ich sowieso weg oder tot, dass bringt dann eh nichts. (...)"

Der Beschwerdeführer legte die österreichischen Reisedokumente seiner Frau und seiner beiden minderjährigen Kinder sowie deren Geburtsurkunden, eine Einstellungszusage, ein Lehrabschlussprüfungszeugnis, einen Lehrbrief aus dem Jahr 2013 sowie eine Erklärung über die gemeinsame Obsorge aus dem Jahr 2016 vor. Mit Eingabe vom 15.02.2018 übermittelte der Beschwerdeführer seinen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016.

3. Mit Bescheid vom 21.03.2018 erkannte das Bundesamt dem Beschwerdeführer den ihm mit Bescheid des UBAS vom XXXX, zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 erkannte es ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG erließ das Bundesamt gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 9 FPG verhängte es gegen ihn ein unbefristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).

Das Bundesamt stellte die Identität des Beschwerdeführers mangels vorgelegter geeigneter Personaldokumente nicht fest. Weiters wurde festgestellt, dass er an keinen lebensbedrohenden Erkrankungen leide bzw. sich derzeit nicht in ärztlicher Behandlung befinde. Er sei Sohn eines näher genannten Konventionsflüchtlings bezüglich dessen ein Aberkennungsverfahren anhängig wäre. Der Status des Asylberechtigten sei ihm am XXXX im Rahmen des Familienverfahrens bezogen auf seinen Vater zuerkannt worden. Eigene glaubhafte konventionsrelevante Gründe hätten zu keinem Zeitpunkt bestanden. Er sei arbeitsfähig, gesund, verheiratet und habe zwei Kinder. Der Beschwerdeführer habe einen Asylausschlussgrund verwirklicht, zumal er Angehöriger einer terroristischen Gruppierung wäre, welche fortdauernd Gewaltakte setzen würde um den Rechtsstaat und seine demokratische Ordnung zu destabilisieren. Der Beschwerdeführer stelle aus schwerwiegenden Gründen eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, eine Verhaltensprognose falle negativ aus. Der Beschwerdeführer sei wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden. Es sei nicht wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat von Verhältnissen betroffen wäre, welche einer Artikel 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung gleichkämen. Nicht festgestellt werden könne, dass ihm im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat die notwendige Lebensgrundlage entzogen wäre, dessen wirtschaftliche Verhältnisse im Herkunftsstaat würden sich als gesichert erweisen. Der Beschwerdeführer verfüge über familiäre Beziehungen und soziale Kontakte im Herkunftsstaat und spreche die Landessprachen. Er verfüge über Schulbildung, Berufserfahrung und es sei ihm eine Existenzbegründung im Herkunftsstaat reell möglich. Eine Rückkehr in den Herkunftsstaat stelle keine unzulässige Verletzung von Artikel 8 EMRK dar. Der Beschwerdeführer befinde sich seit dem Jahr 2003 im Bundesgebiet und spreche Deutsch. Er ginge erst wieder seit 02.01.2018 einer Beschäftigung nach, davor hätte er Notstandshilfe bezogen. Er sei unverheiratet und habe zwei Kinder. Den Mitgliedern seiner Kernfamilie stünde es frei, mit diesem in der Russischen Föderation als dessen Angehöre ihren Aufenthalt zu begründen. Der Beschwerdeführer sei durch ein Landesgericht gemäß §§ 278b Abs. 2 und 278e Abs. 2 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten, davon 12 Monate bedingt, verurteilt worden. Dessen Wertvorstellungen würden massiv den Grundsätzen der österreichischen Verfassung, dem europäischen Recht sowie den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen widersprechen und stelle der Beschwerdeführer eine massive Gefährdung für die Sicherheit der Republik Österreich dar.

Beweiswürdigend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"(...) Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten und zur Rückkehr:

Ihnen wurde der Status des Asylberechtigten durch Erstreckung auf Ihren Vater im Jahr 2006 zweitinstanzlich zuerkannt. Sie haben bzw. für Sie wurden niemals konventionsrelevante oder EMRK relevante Sachverhalte in Bezug auf den Herkunftsstaat geltend gemacht. Sie erklärten dazu ausdrücklich im Zuge der Einvernahme zum ggstl. Fall, dass Sie gar nicht wissen, warum Ihre Familie nach Österreich gereist ist und nannten auch bis zuletzt keine Sie betreffenden Rückkehr- oder Verfolgungsbefürchtungen und ist derartiges auch nicht von Amts wegen hervor gekommen. Sohin geht das Bundesamt davon aus, dass Sie auch im Falle einer Aufenthaltnahme in der Russischen Föderation keine Bedrohungen unterliegen werden.

Zufolge der Feststellungen ergibt sich, dass hier jedenfalls ein absoluter Asylausschlussgrund anzunehmen war: Da Sie zufolge der Feststellungen wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt, rechtskräftig verurteilt worden sind, wurden Sie straffällig weshalb die unwiderlegliche Vermutung der sozialen Verfestigung auf Sie nicht anwendbar ist.

Aufgrund der von Ihnen gesetzten Straftaten ist zu prüfen, ob Sie eine Gefahr für die Allgemeinheit des Aufnahmestaates bedeuten, weil Sie wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurden.

Zufolge der Ausführungen des UNHCR setzt die zweite Alternative des Art. 33 Absatz 2 GFK voraus, dass der Flüchtling eine Gefahr für die Allgemeinheit des Aufenthaltsstaates darstellt, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde. Ob eine besonders schwere Straftat bzw. nach dem maßgeblichen Konventionstext "a particularly serious crime" vorliegt, beurteilt sich nicht allein anhand der strafrechtlichen Einordnung der begangenen Tat; zu berücksichtigen sind vielmehr alle Umstände des entsprechenden Einzelfalles. In der Regel muss es sich um ein Kapitalverbrechen handeln (Mord, Brandstiftung, Vergewaltigung, Raub), eine abschließende Liste der in Betracht kommenden Straftaten kann allerdings nicht aufgestellt werden, da der Grund für den Ausschluss nicht die Straftat ist, sondern die Gefährlichkeit des Täters. Dies stellt schon der Wortlaut der Vorschrift klar. So heißt es nicht: auf die Vergünstigung kann sich nicht berufen, wer wegen eines Verbrechens verurteilt wurde, sondern: nur jener Flüchtling kann sich nicht auf Art. 33 Absatz 1 GFK berufen, der eine Gefahr für die Allgemeinheit des Staates bedeutet. Das Tatbestandsmerkmal "weil er wegen eines Verbrechens... verurteilt wurde" stellt lediglich eine zusätzliche formale Anforderung an eine solche Gefahrenprognose. Es ist keinesfalls ein Regelbeispiel für das Vorliegen einer Gefahr für die Allgemeinheit, sondern soll in Abgrenzung zu Art. 33 Absatz 2, 1. Alternative GFK strengere Beweisanforderungen aufstellen.

Handlungen, die eine Gefahr für die Sicherheit der Allgemeinheit oder das friedliche Zusammenleben der Bevölkerung darstellen können, können zum Beispiel sein: Sabotageakte gegen öffentliche Transportmittel, Inbrandsetzung von Häusern u.ä., gewalttätige Angriffe auf friedliche Bürger, Begehen von Einbruchserien, Geiselnahmen und Entführungen sowie andere Gefährdung des zivilen Lebens, insbesondere wenn dies in wiederholter und massiver Weise geschieht, so dass die betroffene Person zu einer öffentlichen Gefahr wird.

Zur Definition einer "terroristischen Handlung" verweist Art. 1 Z 4 der Verordnung auf die Begriffsbestimmung in Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP. Danach bezeichnet der Ausdruck "terroristische Handlung" im Einzelnen näher umschriebene vorsätzliche Handlungen, die durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen können und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert sind, wenn sie mit dem Ziel begangen werden, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigterweise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören. Relevant ist für die Sicherheitspolitik in Österreich der sog. "Transnationale Dschihad" (oder Salafismus), nationaler oder ethnischer Dschihad betrifft in der Regel nur die unmittelbaren Bedroher. Ziel der Dschihadisten es, durch Einschüchterung und Destabilisierung des zivilisatorischen Rechtsstaates auf die politische Willensbildung Einfluss zu nehmen. Dieser zivilisierte Rechtssaat wird durch Senghaas durch die fünf Grundpfeiler definiert: Gewaltmonopol, Rechtsstaatlichkeit, demokratische Partizipation, Konfliktkultur, soziale Gerechtigkeit und Affektkontrollmechanismen (Anerkennung der soz. Unterschiede). Die unter der Ägide des Europarates von allen Mitgliedstaaten in Rom unterzeichnete Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) vom 4. November 1950, die neben der GFK legt Mindestrechte und Freiheiten von Menschen in Europa fest und dadurch sollen nebst anderen Verfassungsakten die genannten Grundpfeiler der zivilisierten Gesellschaft primär garantiert werden. Sie sieht einen Schutz vor Tötung, Folter, Sklaverei, Leibeigenschaft und Zwangsarbeit vor und schützt das Privatleben, die Religionsfreiheit, die freie Meinungsäußerung sowie die Versammlungsfreiheit. Der Europäische Gerichtshof für Menschrechte hat darauf hingewiesen, dass insbesondere das Folterverbot es verbietet, einen Menschen in einen Staat abzuschieben, in dem ihm Folter oder unmenschliche Behandlung drohen. Die Unterzeichnerstaaten der EMRK sichern allen in ihrem Hoheitsbereich befindlichen Personen diese Rechte zu, und die EMRK bietet eine Rechtsgrundlage für deren gerichtliche Überwachung. Handlungsbedarf besteht vor allem in der "passiven Gefahr", also jenen Stadien des Terrorismus, die die Konstitution der jeweiligen Gruppen und das Vorbereitungsstadium betreffen. Die Republik Österreich ist verhalten die genannten Grundpfeiler zu garantieren, welche ein verfassungsmäßiges Fundament für den inneren Frieden darstellt. Wenn diese Grundrechte somit durch terroristische Aktivitäten oder staatsgefährdende Haltungen direkt oder indirekt angegriffen werden, stellt ein solcher Akt jedenfalls eine schwer Gründen als Gefahr für den inneren Frieden und somit für die Sicherheit des ganzen Landes dar.

Aus der Urteilsschrift zum Strafverfahren des Landesgerichts XXXX ergibt sich klar, dass Sie eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeuten, weil Sie zufolge der Feststellungen wegen eines solchen terroristischen Verbrechens rechtskräftig zu einer nicht unbeträchtlichen Strafe verurteilt wurden.

Die negative Gefahrenprognose muss an die begangene Straftat anknüpfen. Es muss ausdrücklich untersucht und festgestellt werden, dass die frühere durch die Straftat dokumentierte Gefährlichkeit des Täters noch fortbesteht und dass die ernst zu nehmende Gefahr besteht, dass der Flüchtling erneut eine besonders schwere Straftat begehen wird. Aus dem Wortlaut der Vorschrift folgt auch, dass die Gefahr für die Allgemeinheit unmittelbar von dem Flüchtling ausgehen muss. Nur auf die von ihm ausgehende Gefahr ist abzustellen, generalpräventive Überlegungen dürfen in die Entscheidung nicht mit einbezogen werden.

Von einer fortbestehenden Gefahr für die Allgemeinheit kann in der Regel nicht ausgegangen werden, wenn die Verurteilung bereits eine beachtliche Zeit zurückliegt. Dies ist hier nicht der Fall, das Urteil wurde vor etwas weniger als einem Jahr erlassen und liegen dem Urteil des XXXX Straftaten zugrunde, die 2013 begangen wurden. Gegen eine negative Gefahrenprognose könnte auch eine Strafaussetzung zur Bewährung, aber auch die vorzeitige Haftentlassung sprechen, da diese eine positive Prognose der Strafvollstreckungsbehörden voraussetzt. Die Strafe von 18 Monaten als Jugendstraftat als damals junger Erwachsener ist für sich schon genommen schwer, weil unter Anwendung der Bestimmungen für Erwachsene jedenfalls mindestens die doppelte Haftstrafe verhängt worden wäre. Keinesfalls lag hier eine Affekthandlung vor.

Vor allem aber die Ermittlungen des XXXX ergaben, dass Sie nach wie vor Kontakte zu Personen pflegen, die dem radikal islamischen Spektrum zuzuordnen sind und sind daher Ihre Aussage zur angeblichen Läuterung als auch ein offensichtlich nur nach außen als harmlos einzustufender Lebenswandel zu relativieren und sohin auch ein baldiger innerer Wertewandel völlig ausgeschlossen. Es ist infolge Ihrer Einstellung zu den Vorwürfen jedenfalls von einer permanenten und zukünftigen Gefahr seitens Ihrer Person auszugehen. Daher konnte auch eine Verhaltensprognose nicht zu Ihren Gunsten ausfallen. Die öffentlichen Interessen zur Abwehr einer solchen permanenten Gefahr sind jedenfalls als bei weitem höher zu bewerten als das Interesse an der Freizügigkeit Ihrer Person und davon auszugehen ist, dass Sie "nach wie vor einer Ideologie folgen, in der die Billigung bzw. Identifizierung mit terroristischen bzw. islamisch- extremistischen Gedankengut zum Ausdruck kommt". Ungeachtet, dass dieser Schluss durch das XXXX als weiterer Beweis für die Entscheidung der Behörde zu unterstellen ist, zumal das XXXX als Spezialbehörde Zugang zu Informationen hat, die der entscheidende Behörde verwehrt sind und logischerweise davon auszugehen ist, dass derartige Informationen nicht durch die Verfahrenspartei selbst dargetan werden, ist die Heranziehung dieser Informationen des XXXX, die im Verfahren einem Gutachten im Sinne des § 52 AVG gleichkommen absolut zulässig. Dass das XXXX inkompetent wäre, derartige Aussagen zu treffen, kann nicht im Geringsten angenommen werden, da dieses zur Überparteilichkeit, Objektivität, Angemessenheit, Konsequenz, Professionalität, Kompetenz, Transparenz und Kontrolle verpflichtet ist, wie sich aus den periodisch herausgegebenen Verfassungsschutzberichten ergibt.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass Sie in der Russischen Föderation als Person in irgendeiner Form mit Terrorismus in Verbindung gebracht werden. Ihr Vorbringen in der Stellungnahme geht somit ins Leere. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass Sie automatisch einer Überwachung der Behörden der Russischen Föderation unterliegen würden. In Hinblick auf eine Gefährdung bzw. menschenrechtswidrige Behandlung im Falle Ihrer Rückkehr nach Russland ist auch auf die aktuelle Rspr. (Siehe Punkt E) d. EGMR und VwGH wie des BVwG zu verweisen, dass eine solche Gefährdung nicht angenommen werden kann, als keinesfalls davon auszugehen ist, dass die russischen Behörden davon und deren nähere Umstände wissen. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass sich Russland der EMRK unterworfen hat. Das Bundesamt verkennt nicht, dass die russischen Behörden für den Fall Ihrer weiteren Betätigung vor Ort im Rahmen einer terroristischen Organisation ihren Anspruch auf Gewährung der Sicherheit des Staates durchaus durchsetzen werden. Ein solcher Sachverhalt liegt aber zur Bescheiderlassung nicht vor und kann daher nicht Gegenstand der Entscheidung sein. Darüber hinaus muss Ihnen dieser Umstand bewusst sein und ist Ihnen schon zumutbar, nach der Abschiebung derlei Aktivitäten zu unterlassen und sich rechtstreu zu verhalten.

Sohin ist auch die Erfüllung des Tatbestandes eines Ausschluss- bzw. Aberkennungsgrundes (wie unter Punkt E) rechtlich näher erläutert) gegeben und erübrigt sich jede weitere inhaltliche Prüfung, wenngleich auf die eingangs erwähnten Sachverhalte hinsichtlich eines Endigungsgrundes in Verbindung mit dem Aberkennungsverfahren zu Ihrer damaligen Bezugsperson zu verweisen ist, und daher das Bundesamt alleine dadurch davon ausgehen kann, dass bei Berücksichtigung des sohin verbleibenden Sachverhaltes Ihnen im gesamten Herkunftsstaat keine konventionsrelevante Verfolgung bzw. kein reales Risiko droht, einer Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Gefahr ausgesetzt zu sein. Es gibt (im Gegensatz zu Ihren Angaben) keine asylrelevante intensive Diskriminierung etwa aufgrund der ethnischen Herkunft. Weder ist daher eine solche Gefahr somit glaubhaft willkürlich oder schwer, noch stellt dies zwingend und wahrscheinlich eine ernsthafte und glaubhafte Bedrohung für Ihre Person dar. Ihre Niederlassung im, sowie eine Einreise und Hinreise in den Herkunftsstaat (somit auch in jedem Teil des Gesamtstaates) ist somit reell möglich, ebenso wie eine Existenzgründung. Sie leiden an keiner aktuellen lebensbedrohenden physischen oder psychischen Erkrankung oder sonstigen Beeinträchtigung. Es ist davon auszugehen, dass Sie gesund und arbeitsfähig sind und angesichts familiärer Bindungen und der Möglichkeit zumindest bei Onkeln und Cousins, mit denen Sie sich "bestens" verstehen und den zwangsläufig vorhandenen weiteren Angehörigen Aufenthalt zu nehmen und allenfalls, sollten sich Ihre Kernfamilienangehörigen dafür entscheiden, in Russland mit Ihnen Aufenthalt zu nehmen, Unterstützung zu erfahren, kann nicht von einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Falle einer Rückkehr gesprochen werden, auch wenn Sie als Jugendlicher zuletzt dort waren. Sie sind auch der russischen Sprache mächtig und haben Kenntnisse der tschetschenischen Sprache. Es steht Ihnen wie vielen anderen russischen Staatsbürgern frei, sich an einem anderen Ort anzusiedeln, etwa in den erdöl- bzw.- erdgas- und bodenschatzreichen Regionen Sibiriens, um damit etwa Vorteile im Zuge der Arbeitsaufnahme (etwa erhöhter Lohn, Unterkunft oder soziale Wohlfahrt-vgl. Länderfeststellungen) lukrieren können, sollten Sie sich dafür entscheiden nicht mehr nach Tschetschenien (zu den Angehörigen) zu ziehen. Die Feststellungen zu Ihrem Herkunftsland basieren auf einer Zusammenstellung des BFA.

Es wurde Ihnen Gelegenheit geboten, zum Sachverhalt und den herangezogenen Länderfeststellungen schriftlich Stellung zu nehmen, was Sie abgelehnt haben.

Betreffend die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben und zu Ihrem Aufenthalt in Österreich:

Zur Beurteilung einer festen Verankerung in Österreich können alle Lebensumstände, Verhaltensmuster und Tatsachen herangezogen werden und sind in der Regel sämtliche Für und Wider gegenüberzustellen:

Zufolge der Ermittlungen ergibt sich, dass Sie zwar seit 2003 in Österreich sind, in Österreich Kernfamilienangehörige haben und die Schule besucht haben, Deutsch sprechen und arbeitstätig sind, wie allerdings aus nachfolgend angeführten Fakten liegen trotz sozialer und familiärer Beziehungen in Österreich keine Hinweise vor, welche den Schluss zulassen, dass durch eine zwingende Rückkehr auf sonstige Weise unzulässiger Weise in Ihr Privat- oder Familienleben eingegriffen wird.

Sie sind Ehegatte der österreichischen Staatsbürgerin (...) geb. und Vater der österreichischen Staatsbürger (...) geb. und können das Vorliegen eines anderen besonderen Abhängigkeitsverhältnisses (etwa die Abhängigkeit von einem andern Familienmitglied auf Grund der körperlichen Verfassung) im Verfahren nicht festgestellt werden.

Wie bereits oben ausgeführt stellen sie eine derart massive Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar, dass ein Eingriff in Ihr Familienleben (zu den österreichischen Staatsangehörigen mit russischen Wurzeln) unausweichlich ist (siehe auch zu Punkt E). In Ergänzung zur obigen Prognose wird ausdrücklich auf Ihre Verurteilung und die aktuelle Risikoeinschätzung des XXXX hingewiesen und ist sohin eine zu Ihren Gunsten ausfallende Verhaltensprognose definitiv auch hier nicht möglich, da Sie jedenfalls derart stark in Wertvorstellungen verwurzelt sind, welche vorwiegend durch Intoleranz gegenüber anderen Lebensformen gekennzeichnet sind, verwurzelt und es nur eine Frage der Zeit darstellt, bis von Ihnen weitere terroristischen Aktivitäten ausgehen werden. Im Lichte der dieses Umstandes ist davon auszugehen, dass diese Vorstellungen dem österreichischen Verfassungsrecht widersprechen und gefährden das ordentliche und sichere Zusammenleben der Gemeinschaft.

Wie aus den Feststellungen ersichtlich ist, steht es Ihren Familienangehörigen, die österreichische Staatsangehöriger mit russischen Wurzeln sind, frei, in der Russischen Föderation im Rahmen eines quotenfreien Nachzuges Aufenthalt zu nehmen. Es ist nicht hervor gekommen, dass diesen damit erhebliche Nachteile entstehen werden.

Auch aus den im Akt vorhandenen Beweismitteln, Ihren Aussagen als auch entsprechenden Abfragen aus dem Fremdeninformationssystem wie den Feststellungen ergibt sich, dass Ihnen in Österreich kein anderes Aufenthaltsrecht zusteht.

Betreffend die Feststellungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes:

In Ihrem Fall liegt eine Qualifikation vor, die dazu führt, dass ein unbefristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum auf unbefristete Zeit erlassen werden kann, da zufolge der obigen Würdigung unmissverständlich davon auszugehen ist, dass Sie ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung haben und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können. (...)"

4. Mit Schriftsatz vom 13.04.2018 erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsberater als gewillkürten Vertreter Beschwerde gegen diesen Bescheid in vollem Umfang und beantragte, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und festzustellen, dass dem Beschwerdeführer der mit Bescheid vom XXXX zuerkannte Status des Asylberechtigten nicht gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 abzuerkennen ist und dem Beschwerdeführer daher der Status des Asylberechtigten zukommt; eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts durchführen; in eventu den angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - bezüglich des Spruchpunktes II. zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG zuzuerkennen sowie festzustellen, dass die gemäß § 52 FPG erlassene Rückkehrentscheidung gem. § 9 Abs. 3 BVA-VG auf Dauer unzulässig ist; den Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes V., Einreiseverbot, ersatzlos zu beheben; in eventu das unbefristete Einreiseverbot unter Spruchpunkt V. (unter Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens des BF) aufzuheben bzw. auf eine angemessene Dauer herabzusetzen; in eventu die ordentliche Revision zuzulassen.

Begründend führt die Beschwerde aus, der Beschwerdeführer sei Staatsangehöriger der Russischen Föderation, welcher im Jahr 2003 im Alter von XXXX Jahren gemeinsam mit seiner Familie nach Österreich eingereist wäre und in der Folge den Status eines Asylberechtigten zuerkannt bekommen hätte. Der Beschwerdeführer sei bis zu seiner Tat im Jahr 2013, wegen derer er 2017 wegen der Mitgliedschaft zu einer terroristischen Vereinigung (§ 278b Abs. 2 StGB) und Ausbildung für terroristische Zwecke (§ 278e Abs. 2 StGB) verurteilt worden wäre, nie straffällig geworden und habe alles für seine Integration gegeben. Auch nach der Tat 2013 sei der Beschwerdeführer nie mehr straffällig geworden. Der Beschwerdeführer sei zunächst zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt, verurteilt worden. Das OLG habe diese Strafe aufgrund weiterer Milderungsgründe auf 18 Monate, davon 12 Monate bedingt, herabgesetzt. Der Beschwerdeführer sei viele Jahre Mitglied im XXXX gewesen und sei XXXX. Der Beschwerdeführer habe zunächst die Hauptschule, anschließend die Polytechnische Schule und die Landesberufsschule im Rahmen seiner Lehre als Kraftfahrzeugtechniker besucht. Die Lehre habe er im Mai 2013 abgeschlossen. Nach unter anderem versuchter Selbstständigkeit arbeite der Beschwerdeführer seit Anfang 2018 in einem KFZ-Betrieb. Der Beschwerdeführer sei standesamtlich mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, mit welcher er zwei gemeinsame Kinder hätte, die ebenfalls die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen. Der Beschwerdeführer spreche perfekt Deutsch und habe viele österreichische Freunde und einen ganz "normalen" Lebenswandel. Derzeit hoffe er, dass ihm die Fußfessel bewilligt werde, damit er seine Arbeitsstelle nicht verliere und er weiter für seine Familie sorgen könne. Die Behörde habe den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren nicht genüge getan. So stelle die Behörde aktenwidrig fest, dass der Beschwerdeführer unverheiratet sei. Ohne weitere Ermittlungen zu tätigen, behaupte die Behörde, dass der der Beschwerdeführer nach wie vor Angehöriger einer terroristischen Gruppierung wäre, wobei es sich um eine nicht nachvollziehbare und nicht den Tatsachen entsprechende Unterstellung handle. Der Beschwerdeführer betrachte Österreich als sein Heimatland und sei für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei zwar österreichische Staatsbürgerin, sei jedoch in XXXX geboren und als Kind nach Österreich geflüchtet, wo sie einen Asylstatus erhalten hätte. Wenn die belangte Behörde annehme, die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers könnten mit diesem als dessen Angehörige in der Russischen Föderation Aufenthalt nehmen, geschehe dies ohne weitere Berücksichtigung der damaligen Statuszuerkennung. Eine Rückkehr in die Russische Föderation sei der Ehefrau des Beschwerdeführers nicht möglich, sohin sei auch eine dortige Fortführung des Familienlebens nicht möglich. Der Beschwerdeführer verfüge über keine enge Bindung zu seinen Verwandten im Herkunftsstaat und wäre diesen eine Unterstützung seiner Person nicht möglich. Er habe den Großteil seines Lebens in Österreich verbracht und würde vor Ort in der Russischen Föderation nicht klarkommen. Er wüsste nicht, an welche Behörden er sich zu wenden hätte und würde in eine ausweglose Situation geraten. Außerdem würde er bereits aufgrund seiner Verurteilung in Österreich in der Russischen Föderation ohne weiteres lebenslänglich eingesperrt oder ermordet werden. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig und teilweise veraltet. Insbesondere würde es an Berichten zur Doppelbestrafung in der Russischen Föderation fehlen, wodurch das Verfahren mit einem wesentlichen Mangel behaftet wäre. Hätte die belangte Behörde sich mit der Situation des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, wäre sie zu dem Schluss gelangt, dass der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation aufgrund der in Österreich begangenen Straftat Verfolgung ausgesetzt sein könnte. Die Behandlung von mutmaßlichen Terroristen bzw. Islamisten ergebe sich ansatzweise aus den Länderberichten der Behörde, welche jedoch nicht ausreichend gewürdigt worden wären. Auch zur erschwerten Situation des Beschwerdeführers in der Russischen Föderation aufgrund seiner Zugehörigkeit zur tschetschenischen Volksgruppe fänden sich zumindest kurze Berichte im Bescheid. Aufgrund der vorliegenden Milderungsgründe (bisher ordentlicher Lebenswandel, Unbescholtenheit, bereits längeres Zurückliegen der Tat, Alter des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Straftat unter 21, Beitrag zur Wahrheitsfindung) sei das vom Beschwerdeführer begangene Verbrechen in seiner Gesamtheit keinesfalls als subjektiv besonders schwerwiegend anzusehen, weswegen schon die erste Voraussetzung für eine Aberkennung, nämlich die objektive und subjektive besonders schwere Straftat, nicht vorliege. Bezüglich der Beurteilung, ob der Beschwerdeführer eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle, wäre unter anderem auch das Strafausmaß zu berücksichtigen gewesen, welches gegenständlich im unteren Rand der Strafsanktionen liege. Weiters habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf elektronisch überwachten Hausarrest gestellt. Die belangte Behörde argumentiere, dass der Beschwerdeführer nach wie vor Kontakte zu Personen pflege, welche dem radikal islamischen Spektrum zuzuordnen wären und daher seine Aussagen zur angeblichen Läuterung und ein baldiger innerer Wertewandel ausgeschlossen wären. Dabei berufe sich die Behörde unter massiver Verletzung des Parteiengehörs auf Ermittlungen des XXXX. Im Rahmen der Akteneinsicht habe kein entsprechendes Schreiben des XXXX vorgefunden werden können, wobei die Vertretung vom BFA darüber informiert worden wäre, dass keine Aktenbestandteile von der Akteneinsicht ausgenommen wären. Wie die belangte Behörde also davon ausgehen könne, der Beschwerdeführer weise nach wie vor Kontakt zu radikal islamischen Personen auf, sei nicht nachvollziehbar. Dem Beschwerdeführer sei nicht bewusst, dass er Leute kenne, die dieser Szene zuzuordnen seien, andernfalls werde er sich von diesen sofort distanzieren. Der gesamte Lebenswandel des Beschwerdeführers spreche gegen eine Gefährdung der Allgemeinheit durch seine Person und gegen eine radikal islamistische Einstellung. Der Beschwerdeführer bereue seine Tat sehr. Ihm sei bewusst, dass diese ein großer Fehler gewesen wäre, für die es keine Entschuldigung gebe. Seit 2013 sei Gesetzestreue oberste Priorität für ihn. Der Beschwerdeführer gehe derzeit einer Arbeit nach und der Antrag auf elektronischen Hausarrest sowie das aufgebaute Familienleben würden jedenfalls für eine positive Zukunftsprognose sprechen. Hierzu werde auf ein anbei übermitteltes Schreiben der Bewährungshilfe verwiesen. Der Beschwerdeführer stelle demnach keine Gefahr (mehr) für die österreichische Gesellschaft dar. Auch wäre ein Überwiegen des der öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung gegenüber den Interessen an einem Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat zu prüfen gewesen. Die Schwere der zu erwartenden Verfolgung sei gegen die Art der Straftat, derer der Betroffene verdächtigt werde, abzuwägen. Entgegen der Ansicht der Behörde, wäre der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation nach wie vor asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt, jedenfalls auch aufgrund seiner Verurteilung in Österreich. Der Beschwerdeführer erfülle die Aufenthaltsverfestigung gemäß § 9 Abs. 4 BFA-VG, weshalb als Maßstab eine schwerwiegende Gefährdung für die öffentliche Sicherheit heranzuziehen wäre. Wie bereits mehrfach angeführt, habe der Beschwerdeführer nicht an Kampfhandlungen teilgenommen, er wäre so schnell wie möglich wieder von der türkisch-syrischen Grenze nach Hause gegangen, da ihm selbst bei der Sache nicht wohl gewesen wäre. Er habe die Straftat im Jahr 2013 als junger Erwachsener begangen und habe sich seither wohlverhalten. Der Beschwerdeführer sei seit nunmehr fast 12 Jahren in Österreich asylberechtigt und habe hier den Großteil seines Lebens verbracht. Der Familie des Beschwerdeführers wäre es nicht möglich, sich gemeinsam mit diesem in der Russischen Föderation niederzulassen. Hätte die Behörde eine mangelfreie Zukunftsprognose angestellt, wäre sie zum Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen für eine Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen. Entgegen der Ansicht der Behörde könne im Falle einer Rückkehr eine Verletzung der Rechte nach Art 2, 3 EMRK sowie der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nicht ausgeschlossen werden. Um die Frage einer möglichen Verletzung des Non Refoulement-Gebots abschließend zu prüfen, hätte die Behörde aktuellere Länderberichte heranziehen und sich konkret mit dem Fall des Beschwerdeführers beschäftigen müssen. Durch die angeordnete Rückkehrentscheidung werde massiv ins Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Der Beschwerdeführer lebe bereits seit 2003 in Österreich. Seine ganze Familie (Eltern, österreichische Ehefrau und Kinder, mit denen er im gemeinsamen Haushalt lebe) hielten sich in Österreich auf, wohingegen zur Russischen Föderation keine sozialen Bindungen bestünden. Der Beschwerdeführer sei von seiner Heimat entwurzelt, habe dort noch nie selbständig gelebt und habe dort keine Kernfamilie. Die Behörde unterlasse eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf die Dauer der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung, hier wäre zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer die Straftat im Jahr 2013 begangen hätte, seither auf freiem Fuß lebe und sein Familienleben ausgebaut hätte. Im Bescheid werde nicht nachvollziehbar begründet, weshalb die Behörde ein Einreiseverbot gerade im unbefristeten Ausmaß als erforderlich erachte. Die Behörde beziehe sich ausschließlich auf die Verurteilung des Beschwerdeführers und setze sich in keiner Weise mit der tatsächlichen Situation und dem aktuellen Leben des Beschwerdeführers in Österreich auseinander. Hätte die belangte Behörde eine einwandfreie Interessensabwägung durchgeführt, hätte sie berücksichtigen müssen, dass eine Abschiebung eine Verletzung seiner Rechte nach Artikel 3 EMRK bedeuten würde. Der Beschwerdeführer sei erst einmal strafgerichtlich verurteilt worden und bereue die ihm vorgeworfene Straftat zutiefst. Der Beschwerdeführer verfüge über beinahe perfekte Deutschkenntnisse und habe seinen Lebensmittelpunkt seit 2003 in Österreich. In Österreich habe der Beschwerdeführer Angehörige und soziale Kontakte. All diese Umstände sprächen dafür, dass dessen Resozialisierung nach Verbüßung der Haft positiv verlaufen und dieser keine weiteren Straftaten begehen werde. Vor diesem Hintergrund erweise sich die Verhängung eines unbefristeten Einreiseverbots als unverhältnismäßig.

Beiliegend wurden eine Stellungnahme der Bewährungshelferin des Beschwerdeführers vom 17.04.2018, dessen Boxausweis, diverse Schulzeugnisse und Unterlagen zum Lehrabschluss, Geburtsurkunden und österreichische Staatsbürgerschaftsnachweise der Mitglieder seiner Kernfamilie, seine Heiratsurkunde, eine Erklärung der gemeinsamen Obsorge und eine Einstellungszusage vorgelegt.

5. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 26.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Eingabe vom 03.05.2018 wurde seitens der Bewährungshelferin des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass dessen Antrag auf elektronisch überwachten Hausarrest positiv bewilligt worden wären, gleichzeitig sei ihm die Weisung erteilt worden, sich während der Zeit des Vollzugs im elektronisch überwachten Hausarrest einem Anti-Gewalt-Training zu unterziehen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der XXXX-jährige Beschwerdeführer trägt den im Spruch genannten Namen, ist russischer Staatsangehöriger, Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe und muslimischen Glaubens. Er reiste 2003 als XXXX-jähriger mit seinen Eltern und Geschwistern ins Bundesgebiet ein, mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom XXXX, wurde diesem in Stattgabe einer Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX, gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 1997 durch Erstreckung (abgeleitet von seinem Vater) Asyl gewährt und gemäß § 12 leg. cit. festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

1.2. Der Beschwerdeführer selbst ist vor seiner Ausreise nach Österreich als XXXX-jähriger keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen. Dem Beschwerdeführer droht im Falle seiner Rückkehr in die Russische Föderation außerhalb der Republik Tschetschenien keine Verfolgung wegen des Aufenthalts in Österreich als Asylberechtigter.

1.3. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX, wurde der im Tatzeitraum XXXXjährige Beschwerdeführer schuldig gesprochen, sich im Zeitraum von XXXX im türkisch-syrischen Grenzgebiet als Mitglied einer terroristischen Vereinigung mit dem Wissen beteiligt zu haben, dass er dadurch diese oder deren strafbare Handlungen fördert (§ 178 Abs. 3 StGB), indem er am XXXXin das türkisch-syrische Grenzgebiet in ein Ausbildungslager der Gruppierung "XXXX" reiste und sich dort einer terroristischen Ausbildung unterzog; er hat sich in der Herstellung oder im Gebrauch von Sprengstoff, Schuss- oder sonstigen Waffen oder schädlichen oder gefährlichen Stoffen oder in einer anderen ebenso tätlichen oder gefährlichen spezifisch zur Begehung einer terroristischen Straftat nach § 278c Abs. 1 Z 1 bis 9 oder 10 StGB geeigneten Methode oder einem solchen Verfahren unterweisen lassen, um eine solche terroristische Straftat unter Einsatz der erworbenen Fähigkeiten zu begehen, indem er nach seiner Ankunft in dem genannten Ausbildungslager eine Kampf- und Waffenbildung absolvierte, wobei er insbesondere im Gebrauch von Sturmgewehren des Typs AK 47 geschult wurde. Er hat hierdurch das Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278 Abs. 2 StGB sowie das Verbrechen der Ausbildung für terroristische Zwecke nach § 278e Abs. 2 StGB begangen, wofür er erstinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt worden war, von welchen ein Teil in der Höhe von 16 Monaten unter Anordnung einer Probezeit von drei Jahren sowie von Bewährungshilfe bedingt nachgesehen wurde.

Bei der XXXX (übersetzt: XXXX) handelt es sich um einen auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung eine oder mehrere terroristische Straftaten ausgeführt werden. Die terroristische Vereinigung XXXX tritt seit XXXX unter diesem Namen auf. Sie wurde von dem aus Tschetschenien stammenden XXXX alias XXXX (im Folgenden: XXXX), gegründet. Die Anzahl der Kämpfer dieser Gruppierung liegt im niedrigen dreistelligen Bereich. Die Kämpfer setzen sich vorwiegend aus kaukasisch-stämmigen Dschihadisten zusammen, in ihren Reihen befinden sich jedoch auch Kämpfer aus Europa und anderen Ländern. Ziel der fundamental-islamistischen Vereinigung ist zunächst der Sturz des XXXX-Regimes und damit einhergehend die Errichtung eines auf den Grundsätzen der Scharia basierenden islamischen Kalifats, Darüber hinaus will die XXXX den Heiligen Krieg - nach Erfolg in XXXX - zurück in den XXXX verlagern. Ihr Ziel des Umsturzes in XXXX und der Errichtung eines auf die Scharia gegründeten Herrschaftssystems jedenfalls in XXXX, den angrenzenden Ländern sowie letztlich im XXXX versucht die Gruppierung durch militärische Operationen umzusetzen, bei denen die Tötung von Soldaten, Polizeikräften sowie sonstigen Angehörigen des XXXX-Regimes beabsichtigt ist. Die Taten der Gruppierung sind geeignet, eine schwere oder längere Zeit anhaltende Störung des öffentlichen Lebens oder eine schwere Schädigung des Wirtschaftslebens herbeizuführen. Es geht darum, die Bevölkerung XXXXauf schwerwiegende Weise einzuschüchtern und die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Grundstrukturen XXXX zu zerstören. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich an der terroristischen Ausrichtung der XXXXseit ihrer Gründung eine Änderung ergeben hat oder sie nicht von Beginn an als terroristisch einzustufen ist. Ihre Botschaften und ihre Propaganda verbreitet die XXXX vor allem über das Internet, wobei sie sich der Medienstelle "XXXX", welche in deutscher Sprache publiziert, bedient.

Die Schwerpunkte der militärischen Aktivitäten der XXXX liegen im Raum XXXX und im Norden der XXXX, wo sich auch ihr Hauptquartier befindet und neu angekommene Kämpfer ihre Kampfausbildung erhalten. Sie kooperiert dabei mit weiteren in XXXXkämpfenden Vereinigungen, bleibt aber eine eigenständige Gruppierung. Eine groß angelegte Offensive gegen Stellungen der syrischen Regierung um die Hügelkette von XXXX nahe XXXX im August 2013 führte die XXXX-XXXX gemeinsam mit XXXX und anderen Gruppierungen durch. Weitere Einsätze der XXXX fanden im Zusammenhang mit dem Angriff auf das XXXX in XXXX Anfang XXXX sowie mit Kämpfen um die Stadt XXXX und die XXXX im XXXX statt. In den Jahren 2013 und 2014 hielten sich XXXX und seine Kämpfer zusätzlich häufig in XXXX und seiner nördlichen Umgebung auf. Der Angriff auf das XXXX in XXXXwurde am Anfang XXXX von Angehörigen der XXXX unter der Führung vonXXXX durchgeführt. Die Erstürmung des Gefängnisses scheiterte daran, dass die Regierungstruppen durch gezielte Schüsse den von einem Selbstmordattentäter gelenkten Sprengstoff-LKW bereits vor dem Gebäudekomplex zur Detonation bringen konnten. XXXX, der eine in die XXXX integrierte Gruppe anführte, wurde bei diesem Angriff durch einen Schrapnell getroffen und getötet. Das Handeln der XXXX und des Beschwerdeführers war nicht auf die Herstellung oder Wiederherstellung demokratischer und rechtsstaatlicher Verhältnisse oder die Ausübung oder Wahrung von Menschenrechten ausgerichtet.

Dem Beschwerdeführer waren die von XXXX verfolgten Ziele, deren terroristische Zweckausrichtung und die eingesetzten Mittel zur Erreichung der Ziele, nämlich die Tötung von Soldaten, Polizeikräften und sonstigen Angehörigen derXXXX-Regierung bekannt und er nahm diese billigend in Kauf. Als der Beschwerdeführer in das Ausbildungslager der XXXX reiste und dort eine terroristische Ausbildung absolvierte, handelte er mit dem Wissen und Willen, sich als Mitglied an der XXXX zu beteiligen. Dieser begab sich mit dem Ziel in das Ausbildungslager der XXXX, um sich im Gebrauch von Schusswaffen unterwiesen zu lassen. Ihm kam es geradezu darauf an, im Anschluss daran die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Begehung terroristischer Straftaten einzusetzen. Nicht festgestellt werden kann, weshalb der Beschwerdeführer das Ausbildungslager nach neun bis zwölf Tagen wieder verließ und nach Österreich zurückreiste.

Aus den Erwägungen im Urteil des Landesgerichts XXXX ergibt sich weiters, dass der Beschwerdeführer bezüglich des Tathergangs widersprüchliche Angaben erstattete und sein Handeln durch Schutzbehauptungen zu rechtfertigen versuchte. Bei der Strafzumessung wurden als mildernd die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, dessen Alter unter 21 Jahren sowie der Umstand, dass die Tat bereist längere Zeit zurückliege, gewertet. Als erschwerend wurde das Zusammentreffen von zwei Verbrechen erachtet. Eine gegen dieses Urteil eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde wurde durch den XXXX am XXXX, Zl. XXXX, zurückgewiesen. Einer gegen das Urteil des Landesgerichts eingelegten Berufung wurde durch das XXXX XXXXmit Entscheidung von XXXX, teilweise Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 18 Monate, wovon 12 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, herabgesetzt. Dabei wurde ausgeführt, dass der Milderungsgrund des längeren Zurückliegens der Tat zu entfallen habe, als wesentlicher Milderungsgrund jedoch der Beitrag des Beschwerdeführers zur Wahrheitsfindung hinzutrete.

Im Zuge seines Aufenthalts im erwähnten Ausbildungslager hatte der Beschwerdeführer Kontakt mit dem russischen Staatsangehörigen XXXX, welcher ursprünglich ebenfalls als Asylberechtigter in Österreich aufhältig gewesen ist und dessen Status u.a. in Folge dessen Teilnahme an Kampfhandlungen in XXXX unter gleichzeitiger Verfügung einer Rückkehrentscheidung in seinen Herkunftsstaat aberkannt wurde (vgl. dazu im Detail die Erwägungen im hg. Erkenntnis vom 09.04.2018, Zl. W112 1315471-2/57E)

1.4. Dem Beschwerdeführer droht im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation außerhalb des Föderationskreises Nordkaukasus keine Verfolgung wegen seiner Verurteilung auf Grund der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Ausbildung zu terroristischen Zwecken.

1.5. Die vom Beschwerdeführer relevierte Änderung des Lebenswandels kann nicht festgestellt werden. Er stellt eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

1.6. Der Beschwerdeführer heiratete im November XXXX eine österreichische Staatsangehörige russischer Herkunft, mit welcher er zwei gemeinsame Kinder (geb. XXXX und XXXX) hat, welchen ebenfalls die österreichische Staatsbürgerschaft zukommt. Der Beschwerdeführer lebt mit den Angehörigen seiner Kernfamilie in einem gemeinsamen Haushalt und teilt sich die Obsorge für die beiden Kinder mit seiner Frau. Der Ehegattin des Beschwerdeführers wäre es möglich, den Lebensunterhalt für sich und die beiden minderjährigen Kinder ohne Unterstützung des Beschwerdeführers, durch eigene Erwerbstätigkeit und gegebenenfalls Unterstützung durch das in Österreich bestehende verwandtschaftliche Netz sowie allfälliger Inanspruchnahme staatlicher Unterstützungsleistungen, zu bestreiten. Dem Beschwerdeführer wäre es möglich, den Kontakt zu den Angehörigen seiner Kernfamilie vom Herkunftsstaat aus über moderne Kommunikationsmittel aufrechtzuerhalten, alternativ stünde es seiner Frau auch offen, den Beschwerdeführer gemeinsam mit den beiden Kindern in die Russische Föderation zu begleiten. Dass der 23-jährigen ehemaligen russischen Staatsbürgerin im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation (insb. XXXX) eine gezielte Verfolgung oder sonstige Gefährdung drohen würde, welche eine Niederlassung aufgrund des ihr vormals zugekommenen Status einer Asylberechtigten unzumutbar erscheinen ließe, wurde im Verfahren nicht konkret vorgebracht. Die Kinder des Beschwerdeführers im Alter von XXXX Jahren und XXXX Monaten befinden sich in einem mit hoher Lern- und Anpassungsfähigkeit verbundenen Alter, weshalb ein Umzug in die Russische Föderation gemeinsam mit ihren Eltern als nicht unzumutbar erscheint (siehe auch Seite 73-74).

Außerdem leben in Österreich der Vater, zwei volljährige Schwestern, sowie ein volljähriger und ein minderjähriger Bruder des Beschwerdeführers, mit welchen der Beschwerdeführer jeweils nicht im gemeinsamen Haushalt lebt und mit denen er Kontakte wie es zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern bzw. unter erwachsenen Geschwistern üblich ist, pflegt. Ein finanzielles oder persönliches Abhängigkeitsverhältnis besteht zu keinem seiner in Österreich aufhältigen Angehörigen. In Bezug auf den Vater des Beschwerdeführers ist ebenfalls ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig.

Der Beschwerdeführer absolvierte in Österreich die Pflichtschule sowie eine Lehre als KFZ-Mechaniker und spricht gut Deutsch. Er arbeitete mehrere Jahre in seinem erlernten Beruf, im Jahr 2016 bezog er Notstandshilfe, seit Anfang 2018 befindet er sich wieder in einem Angestelltenverhältnis.

1.7. Die ersten XXXX Jahre seines Lebens verbrachte der Beschwerdeführer mit seinen Eltern und seinen Geschwistern in der Russischen Föderation in der Teilrepublik Tschetschenien. Seine Muttersprache ist Tschetschenisch. In Tschetschenien verfügt er unverändert über ein verwandtschaftliches Netz (Tanten, Onkeln, Cousins), zu welchen er auch von Österreich aus gelegentlichen Kontakt pflegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Verwandten des Beschwerdeführers in der Russischen Föderation einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sind oder dass diese nicht willens oder in der Lage wären, den Beschwerdeführer nach einer Rückkehr im Bedarfsfall anfänglich zu unterstützen.

1.8. Dem Beschwerdeführer drohen im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation weder die Todesstrafe noch eine Haftstrafe unter unmenschlichen Bedingungen oder eine Verurteilung auf Grund des der Verurteilung in Österreich zugrunde liegenden Verhaltens. Dem Beschwerdeführer droht im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und des Föderationskreises Nordkaukasus keine Folter oder unmenschliche Behandlung auf Grund seiner Verurteilung in Österreich oder des dieser Verurteilung zugrunde liegenden Verhaltens.

1.9. Es ist dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar, sich in der Russischen Föderation außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und des Föderationskreises Nordkaukasus niederzulassen und anzumelden; die wirtschaftlich stärkeren Metropolen und Regionen in Russland bieten trotz der derzeitigen Wirtschaftskrise bei vorhandener Arbeitswilligkeit auch entsprechende Chancen für russische Staatsangehörige aus den Kaukasusrepubliken; der Beschwerdeführer hätte auch Zugang zu Sozialbeihilfen, Krankenversicherung und medizinischer Versorgung. Es besteht keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer in anderen Teilen der Russischen Föderation Opfer fingierter Strafverfahren würde. Dem Beschwerdeführer droht auch keine Verfolgung bei der Wiedereinreise in die Russische Föderation außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und des Föderationskreises Nordkaukasus.

1.10. Die allgemeine Lage in der Russischen Föderation stellt sich unter Heranziehung der im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen wie folgt dar:

Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 22.3.2016, vgl. GIZ 3.2016c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12.6.1 991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12.12.1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderations Subjekte). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Russischer Präsident ist seit dem 7.5.2012 Wladimir Wladimirowitsch Putin. Er wurde am 4.3.2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008 -2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Mit 238 von 450 Sitzen verfügt die Partei 'Einiges Russland' über eine absolute Mehrheit in der Staatsduma. Bei der Wahl am 4. Dezember 2011 wurde die Staatsduma erstmals für eine verlängerte Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Alle Abgeordneten wurden ausnahmslos über Parteilisten nach dem Verhältniswahlrecht mit einer Sieben -Prozent-Hürde gewählt. Neben 'Einiges Russland' sind aktuell die Kommunisten mit 92 Sitzen, die formal linksorientierte Partei 'Gerechtes Russland' mit 64 Sitzen und die 'Liberaldemokraten' des Rechtspopulisten Schirinowski mit 56 Sitzen in der Staatsduma vertreten. Wahlfälschungsvorwürfe bei diesen Duma-Wahlen waren ein wesentlicher Auslöser für Massenproteste im Dezember 2011 und Anfang 2012. Ab der nächsten Wahl soll die Hälfte der Abgeordneten mittels relativer Mehrheitswahl in Ein-Personen-Wahlkreisen (also in Wahlkreisen, in denen jeweils ein Kandidat/eine Kandidatin gewählt wird) bestimmt werden. Es soll wieder die Fünf-Prozent-Hürde gelten. Die nächste Duma-Wahl soll am 18. September 2016 stattfinden (AA 3 .2016a, vgl. GIZ 4.2016a).

Russland ist eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum. In zahlreichen russischen Regionen fanden am 13. September 2015 Gouverneurs - und Kommunalwahlen statt. In der Praxis kam es dabei wie schon im Vorjahr zur Bevorzugung regierungsnaher und Behinderung oppositioneller Kandidaten (AA 3 .2016a).

Angesichts einer zunehmenden internationalen Isolierung des Landes und wachsender wirtschaftlicher Probleme war die russische Regierung 2015 bemüht, die Bevölkerung auf Begriffe wie Einheit und Patriotismus einzuschwören, "traditionelle Werte" zu betonen und Angst vor angeblichen inneren und äußeren Feinden des Landes zu schüren. Meinungsumfragen zufolge traf Präsident Wladimir Putin mit seiner Art, das Land zu führen, unverändert auf breite Zustimmung. Regierungskritiker wurden in den Massenmedien als "unpatriotisch" und "anti -russisch" verunglimpft und gelegentlich auch tätlich angegriffen. Am 27.2.2015 wurde Boris Nemzow, einer der bekanntesten Oppositionspolitiker des Landes, in Sichtweite des Kremls erschossen. Trauernde Menschen, die am Tatort an ihn erinnern wollten, wurden von den Moskauer Behörden und Regierungsanhängern schikaniert. Die Regierung stritt die immer zahlreicheren Beweise für eine militärische Beteiligung Russlands in der Ukraine weiterhin ab. Im Mai 2015 erklärte Präsident Putin per Erlass alle Verluste der russischen Armee bei "Spezialeinsätzen" in Friedenszeiten zum Staatsgeheimnis. Bis November 2015 hatten sich amtlichen Schätzungen zufolge 2700 russische Staatsbürger, die zum Großteil aus dem Nordkaukasus stammten, in Syrien und im Irak der bewaffneten Gruppe Islamischer Staat (IS) angeschlossen. Unabhängige Experten nannten höhere Zahlen. Am 30.9.2015 begann Russland mit Luftangriffen in Syrien, die nach offiziellen Angaben den IS treffen sollten, sich häufig aber auch gegen andere Gruppen richteten, die den syrischen Präsidenten Bashar al -Assad ablehnten. Meldungen über zahlreiche zivile Opfer der Luftangriffe wurden von der russischen Regierung bestritten. Am 24.11.2015 schoss die Türkei ein russisches Kampfflugzeug ab, das in den türkischen Luftraum eingedrungen sein soll. Der Vorfall löste gegenseitige Schuldzuweisungen aus und führte zu einer diplomatischen Eiszeit zwischen den beiden Ländern (AI 24.2.2016).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (3.2016a): Russische Föderation - Innenpolitik, http://www.auswaertiges - am t.de/s id_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aus senpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/In nenpolitik_node.htm l, Zugriff 7.4.2016

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, http://www.ecoi.net/local_link/319681/45 8907_de.htl, Zugriff 7.4.2016

CIA - Central Intelligence Agency (22.3.2016): The World Factbook, https ://www.cia.gov/library/publications /the -world- factbook/geos /rs .htm l, Zugriff 7.4.2016

GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2016a): Russland, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/rus s land/ges chichte -s taat/#c17900, Zugriff 7.4.2016

GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2015c): Russland, Gesellschaft, http://liportal.giz.de/rus s land/ges ells chaft/, Zugriff 7.4.2016

Die Tschetschenische Republik ist eine der 21 Republiken der Russischen Föderation. Betreffend Fläche und Einwohnerzahl - 15.647 km2 und fast 1,3 Millionen Einwohner/innen (2010) - ist Tschetschenien mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik. Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnische r Russ/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

Den Föderationssubjekten stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsan Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien "ruhig" hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentra lregierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus Moskau (BAMF 10.2013, vgl. RFE/RL 19.1.2015).

In Tschetschenien gilt Ramzan Kadyrov als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres System geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und größtenteils außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert. Insbesondere die tschetschenischen Sicherheitskräfte, die offiziell zwar dem russischen Innenministerium unterstellt sind, de facto jedoch von Kadyrov kontrolliert werden, agieren ohne föderale Aufsicht. So blockieren tschetschenische Sicherheitskräfte seit Monaten die Untersuchungen der föderalen Behörden im Fall des im Februar 2015 ermordeten Oppositionspolitikers Boris Nemzov, dessen Drahtzieher in Tschetschenien vermutet werden. Im April 2015 - nachdem Polizisten aus der benachbarten Region Stawropol eine Operation in Grozny durchgeführt hatten - forderte Kadyrov seine Sicherheitsorgane auf, auf Polizisten anderer Regionen zu schießen, sollten diese ohne Genehmigung in Tschetschenien operieren. Gegen Extremisten, aber auch gegen politische Gegner, wird hart vorgegangen. Auch die Familien von Terrorverdächtigen werden häufig Repressionen ausgesetzt. Im Gegensatz zu Dagestan und Inguschetien wurden keine "soft power"-Ansätze wie die Gründung von Kommissionen zur Rehabilitierung ehemaliger Extremisten verfolgt. Das tschetschenische Parlament hat Anfang 2015 der Staatsduma vorgeschlagen, ein föderales Gesetz anzunehmen, das eine strafrechtliche Verantwortung für Angehörige von Terroristen vorsieht, wenn sie diese in ihren Aktivitäten unterstützten. Dass die von Kadyrov herbeigeführte Stabilität trügerisch ist, belegte der Terrorangriff auf Grosny im Dezember 2014, bei dem fast ein Dutzend Personen ums Leben kam (ÖB Moskau 10.2015). In Tschetschenien hat das Republikoberhaupt Ramsan Kadyrow ein auf seine Person zugeschnittenes repressives Regime etabliert. Vertreter russischer und internationaler NGOs zeichnen ein insgesamt düsteres Lagebild. Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bleiben dort an der Tagesordnung, es herrscht ein Klima der Angst und Einschüchterung (AA 5.1.2016).

Sowohl bei den gesamtrussischen Duma-Wahlen im Dezember 2011, als auch bei den Wahlen zur russischen Präsidentschaft im März 2012 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien bei über 99%. Die Zustimmung für die Regierungspartei "Einiges Russland" und für Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin lag in der Republik ebenfalls bei jeweils über 99%. Bei beiden Wahlen war es zu Wahlfälschungsvorwürfen gekommen (Welt 5.3.2012, vgl. Ria Novosti 5.12.2012, ICG 6.9.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (5.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013): Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg

ICG - International Crisis Group (6.9.2013): The North Caucasus: The Challenges of Integration (III), Governance, Elections, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1379094096_the -north-caucas us -the-challenges -of- integration-iii-226-the-north-caucasus -the-challenges -of-integration-iii-governance-elections -rule-of-law.pdf, Zugriff 7.4.2015

ÖB Moskau (10.2015): Asylländerbericht Russische Föderation

RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (19.1.2015): The Unstoppable Rise Of Ramzan Kadyrov, http://www.rferl.org/content/profile -ram zan-kadyrov-chechnya-rus s ia-putin/26802368.htm l, Zugriff 7.4.2016

Ria Novosti (5.12.2012): United Russia gets over 99 percent of votes in Chechnya,

http://en.rian.ru/s ociety/20111205/169358392.htm l, Zugriff 7.4.2016

Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds,

http://www.integrations

fonds.at/laenderinformation/laenderinformation_russiche_foederationtschetschenis che_republik/ , Zugriff 7.4.2016

Die Welt (5.3.2012): In Tschetschenien stimmen 99,76 Prozent für Putin, http://www.welt.de/politik/aus land/article13903750/In -Tschetschenien-s tim m en-99-76-Prozent-fuer-Putin.htm l, Zugriff 7.4.2016

Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus -Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf (AA 1.6.2016b).

Russland hat den IS erst Ende Dezember 2014 auf seine Liste terroristischer Organisationen gesetzt und dabei andere islamistische Gruppierungen außer Acht gelassen, in denen seine Staatsbürger, insbesondere Tschetschenen und Dagestaner, in Syrien und im Irak ebenfalls aktiv sind - wie die Jaish al-Muhajireen-wal-Ansar, die überwiegend von Kämpfern aus dem Nordkaukasus gegründet wurde. Ausländische und russische Beobachter, darunter die kremlkritische Novaja Gazeta im Juni 2015, erhoben gegenüber den Sicherheitsbehörden Russlands den Vorwurf, der Abwanderung von Dschihadisten aus dem Nordkaukasus und anderen Regionen nach Syrien tatenlos, wenn nicht gar wohlwollend zuzusehen, da sie eine Entlastung für den Anti-Terror-Einsatz im eigenen Land mit sich bringe. Tatsächlich nahmen die Terroraktivitäten in Russland selber ab (SWP 10.2015). In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 kehrte sich diese Herangehensweise um, und Personen, die z.B. Richtung Türkei ausreisen wollten, wurden an der Ausreise gehindert. Nichtsdestotrotz geht der Abgang von gewaltbereiten Dschihadisten weiter und Experten sagen, dass die stärksten Anführer der Aufständischen, die dem IS die Treue geschworen haben, noch am Leben sind. Am 1.8.2015 wurde eine Hotline eingerichtet, mit dem Ziel, Personen zu unterstützen, deren Angehörige in Syrien sind bzw. planen, nach Syrien zu gehen. Auch Rekrutiere und Personen, die finanzielle Unterstützung für den Dschihad sammeln, werden von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen. Einige Experten sind der Meinung, dass das IS Rekrutierungsnetzwerk eine stabile Struktur in Russland hat und Zellen im Nordkaukasus, in der Wolga Region, Sibirien und im russischen Osten hat (ICG 14.3.2016).

Das "Kaukasus-Emirat", das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Dem russischen Islamexperten Aleksej Malaschenko zufolge reisten gar Offizielle aus der Teilrepublik Dagestan nach Syrien, um IS-Kämpfer aus dem Kaukasus darin zu bestärken, ihren Jihad im Mittleren Osten und nicht in ihrer Heimat auszutragen. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS - Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al -Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Jihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren. Seitdem mehren sich am Südrand der Russischen Föderation die Warnungen vor einer Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat. Kurz zuvor hatten die föderalen und lokalen Sicherheitsorgane noch den Rückgang terroristischer Aktivitäten dort für sich reklamiert. Als lautester Mahner tut sich wieder einmal der tschetschenische Republikführer Ramzan Kadyrow hervor. Er rief alle muslimischen Länder dazu auf, s ich im Kampf gegen den IS, den er mit Iblis-Staat - also Teufelsstaat - übersetzt, zusammenzuschließen. Für Kadyrow ist der IS ein Produkt anti - islamischer westlicher Politik, womit er sich im Einklang mit der offiziellen Sichtweise des Kremls befindet, de r dem Westen regelmäßig fatale Eingriffe im Mittleren Osten vorwirft. Terroristische Aktivitäten im Nordkaukasus, die eindeutig den Überläufern zum IS zuzuschreiben sind, haben sich aber bislang nicht verstärkt. Bis September 2015 wurden nur zwei Anschläge in Dagestan der IS-Gefolgschaft zugeschrieben: die Ermordung des Imam einer Dorfmoschee und ein bewaffneter Angriff auf die Familie eines Wahrsagers. Auch im Südkaukasus mehren sich die Stimmen, die vor dem IS warnen. Aus dem Pankisi-Tal in Georgien, das mehrheitlich von einer tschetschenischen Volksgruppe bewohnt wird, stammen einige Teilnehmer an den Kämpfen in Syrien - so Umar al-Shishani (eigentl. Tarkhan Batiraschwili), der dort prominenteste Milizen-Führer aus dem Kaukasus (SWP 10.2015).

Seit Ende 2014 mehren sich Meldungen über Risse im bewaffneten Untergrund und Streitigkeiten in der damaligen Führung des Emirats, die vor allem mit der Beteiligung nordkaukasischer Kämpfer am Jihad des IS in Syrien zu tun haben. Eine wachsende Zahl von Feldkommandeuren (Emiren) aus Dagestan, Tschetschenien und anderen Teilen des Nordkaukasus haben IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi den Treueid geschworen (SWP 4.2015). Nach Dokku Umarows Tod 2013 wurde Aliaschab Kebekow [aka Ali Abu Muhammad] zum Anführer des Kaukasus Emirates. Dieser ist im Nordkaukasus bei einem Einsatzrussischer Spezialkräfte im Frühling 2015 getötet worden (Zeit Online 20.4.2015). Abu Usman Gimrinsky (Magomed Suleimanov) wurde zum Nachfolger (Open Democracy 29.6.2015). Im August 2015 erlitt der Rest des noch bestehenden Kaukasus Emirat einen erneuten harten Rückschlag. Drei der Top -Kommandanten wurden im Untsukul Distrikt in Dagestan von Regierungskräften getötet, darunter der neue Anführer des Emirates Abu Usman Gimrinsky (Magomed Suleimanov) (Jamesto wn 14.8.2015).

Bis ins Jahr 2015 hinein hat Russland die vom sogenannten Islamischen Staat ausgehende Gefahr eher relativiert und die Terrormiliz als einen von vielen islamistischen Akteuren abgetan, die das mit Moskau verbündete Assad -Regime, die

‚legitime Regierung Syriens', bekämpfen. In seiner jährlichen Tele-Konferenz mit der Bevölkerung am 18. April 2015

hatte Präsident Putin noch geäußert, der IS stelle keine Gefahr für Russland dar, obwohl die Sicherheitsbehörden schon zu diesem Zeitpunkt eine zunehmende Abwanderung junger Menschen nach Syrien und Irak registriert und vor den Gefahren gewarnt hatten, die von Rückkehrern aus den dortigen Kampfgebieten ausgehen könnten. Wenige Tage später bezeichnete Außenminister Lawrow den IS in einem Interview erstmals als Hauptfeind Russlands (SWP 10.2015).

Der russische Generalstaatsanwalt erklärte im November 2015, dass 650 Strafverfahren aufgrund der Beteiligung in einer illegalen bewaffneten Gruppierung im Ausland eröffnet wurden. Laut Chef des FSB (Inlandsgeheimdienst) sind davon 1.000 Personen betroffen. Zusätzlich wurden 770 Aufständische und ihre Komplizen inhaftiert und 156 Kämpfer wurden im Nordkaukasus 2015 getötet, einschließlich 20 von 26 Anführern, die dem IS die Treue geschworen hatten. Mehr als 150 Rückkehrer aus Syrien und dem Irak wurden zu Haftstrafen verurteilt. 270 Fälle wurden eröffnet, um vermeintliche Terrorfinanzierung zu untersuchen; 40 Rekrutiere sollen allein in Dagestan verhaftet und verurteilt worden sein. Vermeintliche Rekrutiere wurden verhaftet, da sie Berichten zufolge junge Personen aus angesehenen Familien in Tschetschenien, aber auch aus Moskau, St. Petersburg, Jekaterinburg, der Stavropol Region und der Krasnodar Region für den IS gewinnen wollten (ICG 14.3.2016).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (1.6.2016b): Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.aus waertiges - am t.de/s id_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinform ationen/00 -

SiHi/Nodes /Rus s is cheFoederationSicherheit_node.htm l , Zugriff 1.6.2016

ICG - International Crisis Group (14.3.2016): The North Caucasus Insurgency and Syria: An Exported Jihad?

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1458642687_238 -the-north-caucasus-insurgency-and-s yria-an-exported-jihad.pdf, S. 16-18, Zugriff 1.6.2016

Jamestown Foundation (14.8.2015): After Loss of Three Senior

Commanders, Is the Caucasus Emirate on the Ropes? Eurasia Daily

Monitor Volume 12, Issue 154, http://www.jam es

town.org/programs/edm/s ingle/?tx_ttnews

%5Btt_news%5D=44288&tx_ttnews%5BbackPid%5D=27&cH as

h=e1581c2f53e999f26a5cc0261f489d38 , Zugriff 1.6.2016

Open Democracy(29.6.2015): Is this the end of the Caucasus Emirate?, https ://www.opendemocracy.net/regis-gente/is - this -end-of-caucas us -em irate, Zugriff 1.6.2016

SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan:

Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.s wpberlin.org/fileadm in/contents /products /s tudien/2015_S08_hlb_is aeva.pdf, Zugriff 1.6.2016

SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (10.2015): Reaktionen auf den "Islamischen Staat" (ISIS) in Russland und

Nachbarländern, http://www.s wp-berlin.org/fileadm in/contents /products /aktuell/2015A85_hlb.pdf, Zugriff 1.6.2016

Zeit Online (20.4.2015): Islamistischer Rebellenführer Kebekow im Nordkaukasus getötet, http://www.zeit.de/news /2015 - 04/20/rus s land-is lam is tis cher-rebellenfuehrer-kebekow-im -nordkaukas us -getoetet-20222007, Zugriff 1.6.2016

Der russische Präsident Wladimir Putin setzt tschetschenische und inguschetische Kommandotruppen in Syrien ein. Bis vor kurzem wurden reguläre russische Truppen in Syrien überwiegend als Begleitcrew für die Flugzeuge eingesetzt, die im Land Luftangriffe fliegen. Von wenigen bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen - der Einsatz von Artillerie und Spezialtruppen in der Provinz Hama sowie von Militärberatern bei den syrischen Streitkräften in Latakia - hat Moskau seine Bodeneinsätze bislang auf ein Minimum beschränkt. Somit repräsentiert der anhaltende Einsatz von tschetschenischen und inguschetischen Brigaden einen strategischen Umschwung seitens des Kremls. Russland hat nun in ganz Syrien seine eigenen, der sunnitischen Bevölkerung entstammenden Elitetruppen auf dem Boden. Diese verstärkte Präsenzerlaubt es dem sich dort langfristig eingrabenden Kreml, einen stärkeren Einfluss auf die Ereignisse im Land auszuüben. Diese Streitkräfte könnten eine entscheidende Rolle spielen, sollte es notwendig werden, gegen Handlungen des Assad-Regimes vorzugehen, die die weitergehenden Interessen Moskaus im Nahen Osten unterlaufen würden. Zugleich erlauben sie es dem Kreml, zu einem reduzierten politischen Preis seine Macht in der Region zu auszubauen (Mena Watch 10.5.2017). Welche Rolle diese Brigaden spielen sollen, und ihre Anzahl ist noch nicht sicher. Es wird geschätzt, dass zwischen 300 und 500 Tschetschenen und um die 300 Inguscheten in Syrien stationiert sind. Obwohl sie offiziell als "Militärpolizei" bezeichnet werden, dürften sie von der Eliteeinheit Speznas innerhalb der tschetschenischen Streitkräfte rekrutiert worden sein (FP 4.5.2017).

Für den Kreml hat der Einsatz der nordkaukasischen Brigaden mehrere Vorteile. Zum einen reagiert die russische Bevölkerung sehr sensibel auf Verluste der russischen Armee in Syrien. Verluste von Personen aus dem Nordkaukasus würden wohl weniger Kritik hervorrufen. Zum anderen ist der wohl noch größere Vorteil jener, dass sowohl Tschetschenen, als auch Inguscheten fast alle sunnitische Muslime sind und somit derselben islamischen Richtung angehören, wie ein Großteil der syrischen Bevölkerung. Die mehrheitlich sunnitischen Brigaden könnten bei der Bevölkerung besser ankommen, als ethnisch russische Soldaten. Außerdem ist nicht zu vernachlässigen, dass diese Einsatzkräfte schon über Erfahrung am Schlachtfeld verfügen, beispielsweis e vom Kampf in der Ukraine (FP 4.5.2017). Bis jetzt war der Einsatz der tschetschenischen und inguschetischen Bodentruppen auf Gebiete beschränkt, die für den Kreml von entscheidender Bedeutung waren. Obwohl es momentan eher unwahrscheinlich scheint, dass die Rolle der nordkaukasischen Einsatzkräfte bald ausgeweitet wird, agieren diese wohl weiterhin als die Speerspitze in Moskaus Strategie, seinen Einfluss in Syrien zu vergrößern (FP 4.5.2017).

Quellen:

-FP - Foreign Policy (4.5.2017): Putin has a new secret weapon in Syria: Chechens,

http://foreignpolicy.com/2017/05/04/putin-has-a-new-secret-weapon-in-syria-chechens/ , Zugriff 15.5.2017

Die patriotische Begeisterung, mit der in Russland die Annexion der Krim einherging, rückte die Sicherheitslage im Nordkaukasus in ein trügerisch positives Licht. Dieser Landesteil ragt in der nachsowjetischen Periode aus dem regionalen Gefüge der Russischen Föderation wie kein anderer hervor, bedingt durch die zwei Kriege in Tschetschenien, anhaltende Kämpfe zwischen Sicherheitskräften und einem bewaffneten islamistischen Untergrund in weiteren Teilen der Region sowie mannigfache sozial-ökonomische Probleme. Bis vor kurzem rangierte der Nordkaukasus in der Gewaltbilanz des gesamten post-sowjetischen Raumes an oberster Stelle, fielen den bewaffneten Auseinandersetzungen doch jährlich mehrere Hundert Menschen zum Opfer - Zivilisten, Sicherheitskräfte und Untergrundkämpfer. 2014 wurde der Nordkaukasus in dieser Hinsicht von der Ostukraine überholt. Zugleich stufen auswärtige Analysen die Sicherheitslage im Nordkaukasus aber weiterhin mit ‚permanent low level insurgency' ein. Im Unterschied zum Südkaukasus mit seinen drei unabhängigen Staaten (Armenien, Aserbaidschan, Georgien) haben externe Akteure und internationale Organisationen kaum Zugang zum Nordkaukasus, dessen Entwicklung als innere Angelegenheit Russlands gilt (SWP 4.2015).

2015 wurden aus dem Nordkaukasus weniger Angriffe bewaffneter Gruppen gemeldet als in den Vorjahren. Die Strafverfolgungsbehörden setzten bei der Bekämpfung bewaffneter Gruppen weiterhin vor allem auf Operationen der Sicherheitskräfte. Es bestand nach wie vor der Verdacht, dass diese mit rechtswidrigen Inhaftierungen, Folter und anderen Misshandlungen von Häftlingen sowie verschwinden lassen einhergingen (AI 24.2.2016).

Während sich die Situation im westlichen Nordkaukasus in den letzten Jahren stabilisiert hat, gibt es immer wieder Meldungen über gewaltsame Vorfälle mit Toten und Verletzten in der Region. Besonders betroffen ist weiterhin die Republik Dagestan. Aber auch in Tschetschenien, Kabardino-Balkarien und Inguschetien kommt es regelmäßig zu gewaltsamen Zwischenfällen, so dass von einer Normalisierung nicht gesprochen werden kann. Anschlagsziele der Aufständischen sind vor allem Vertreter der Sicherheitskräfte und anderer staatlicher Einrichtungen sowie den Extremisten nicht genehme muslimische Geistliche. Auf Gewalt durch islamistische Aufständische oder im Zuge von Auseinandersetzungen zwischen Ethnien und Clans reagieren die regionalen und föderalen Behörden weiterhin mit Repression. Die Spirale von Gewalt und Gegengewalt dreht sich dadurch weiter, wobei manche Repressalien - etwa gegen Angehörige angeblicher Islamisten, wie z.B. die Zerstörung ihrer Wohnhäuser - zu einer Radikalisierung der Bevölkerung beitragen und damit die Sicherheitslage weiter eskalieren lassen könnten.

Menschenrechtsorganisationen beklagen, dass im Nordkaukasus Recht und Gesetz auf beiden Seiten missachtet werden und für Täter aus den Reihen der Sicherheitskräfte ein Klima der Straflosigkeit herrsche (AA 5.1.2016).

Trotz der Versuche Moskaus, die sozioökonomische Situation im Nordkaukasus zu verbessern, ist die Region nach wie vor weitgehend von Transferzahlungen des föderalen Zentrums abhängig. Im Mai 2014 wurde ein neues Ministerium für die Angelegenheiten des Nordkaukasus geschaffen und der bevollmächtigte Vertreter des Präsidenten im Nordkaukasischen Föderalbezirk Alexander Chloponin, durch den früheren Oberbefehlshaber der Vereinigten Truppen des Innenministeriums im Nordkaukasus, Generalleutnant Sergej Melikov, ersetzt. Insbesondere in Dagestan, wo es immer wieder zu blutigen Zusammenstößen zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften kommt, ist die Lage weiterhin kritisch. In Tschetschenien hat Ramzan Kadyrov die Rebellen mit Gewalt und Amnestieangeboten dezimiert bzw. zum Ausweichen auf die Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan gezwungen. Anschläge auf den Expresszug nach St. Petersburg im November 2009, die Moskauer Metro im April 2010, den Moskauer Flughafen Domodedovo im Jänner 2011 (mit zwei österr. Staatsbürgern unter den Opfern) sowie im Oktober und Dezember 2013 in Wolgograd zeigten, dass die Gefahr des Terrorismus auch Zentralrussland betrifft (ÖB Moskau 10.2015).

Ein Sicherheitsrisiko stellt auch die mögliche Rückkehr von nach Syrien oder in den Irak abwandernden russischen Kämpfern dar, sowie die Extremisten im Nordkaukasus, die ihre Loyalität gegenüber dem IS bekundet haben. Der Generalsekretär des russischen Nationalen Sicherheitsrats Nikolai Patrushev sprach von rund 1.000 russischen Staatsangehörigen, die an der Seite des IS kämpfen würden, der Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB Alexander Bortnikov hingegen sprach von mehreren Tausend Kämpfern). Laut einem rezenten Bericht der

regierungskritischen Zeitschrift "Novaya Gazeta" nehmen die russischen Sicherheitsdienste diese Abwanderung nicht nur stillschweigend zur Kenntnis, sondern unterstützen sie teilweise auch aktiv, in der Hoffnung, die Chance auf eine Rückkehr der Extremisten aus den Kampfgebieten in Syrien und dem Irak zu reduzieren. Gegen IS -Kämpfer, die aus den Krisengebieten Syrien und Irak zurückkehren, wird v.a. gerichtlich vorgegangen. Zu Jahresbeginn 2015 liefen rund 60 Strafprozesse, die meisten davon basierend auf Art. 58 StGB (Teilnahme an einer terroristischen Handlung), Art.

205.3 StGB (Absolvierung einer Terror-Ausbildung) und Art. 208 StGB (Organisation einer illegalen bewaffneten Gruppierung oder Teilnahme in ihr). Im nordkaukasischen Kreismilitärgericht wurde Ende August 2015 ein 26 -jähriger Mann aus Dagestan wegen Absolvierung einer Terror-Ausbildung, Teilnahme an einer illegalen bewaffneten Gruppierung und illegalen Waffenbesitzes zu 14 Jahren Straflager verurteilt. Der Nordkaukasus ist und bleibt trotz anhaltender politischer wie wirtschaftlicher Stabilisierungsversuche ein potentieller Unruheherd innerhalb der Russischen Föderation. Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Extremisten, teils ohne Rücksicht auf Verluste innerhalb der Zivilbevölkerung, trägt zur Bildung neuer Konflikte und Radikalisierung der Bevölkerung bei. Das Risiko einer Destabilisierung steigt darüber hinaus aufgrund der allfälligen Rückkehr von Kämpfern aus Syrien und dem Irak bzw. aufgrund des steigenden Einflusses des IS im Nordkaukasus selbst (ÖB Moskau 10.2015).

Im Jahr 2015 gab es nach Angaben von Caucasian Knot im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 258 Opfer des bewaffneten Konfliktes (2014: 525 Opfer). 209 davon wurden getötet (2014: 341), 49 verwundet (2014: 184) (Caucasian Knot 8.2.2016). Im ersten Quartal 2016 gab es im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 48 Opfer des bewaffneten Konfliktes, 20 davon getötet, 28 davon verwundet (Caucasian Knot 10.5.2016).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (5.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, http://www.ecoi.net/local_link/319681/458907_de.htl , Zugriff 1.6.2016

Caucasian Knot (8.2.2016): Statistics of victims in Northern Caucasus for 2015, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles /34527/, Zugriff 25.5.2016

Caucasian Knot (10.5.2016): Statistics of victims in Northe rn Caucasus in Quarter 1 of 2016, http://eng.kavkaz- uzel.ru/articles /35530/, Zugriff 1.6.2016

ÖB Moskau (10.2015): Asylländerbericht Russische Föderation

SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan:

Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.s wpberlin.org/fileadm in/contents /products /s tudien/2015_S08_hlb_is aeva.pdf, Zugriff 25.5.2016

Als Epizentrum der Gewalt im Kaukasus galt lange Zeit Tschetschenien. Die Republik ist in der Topographie des bewaffneten Aufstands mittlerweile aber zurückgetreten; angeblich sind dort nur noch kleinere Kampfverbände aktiv. Dafür kämpfen Tschetschenen in zunehmender Zahl an unterschiedlichen Fronten außerhalb ihrer Heimat - etwa in der Ostukraine sowohl auf Seiten prorussischer Separatisten als auch auf der ukrainischen Gegenseite, vor allem jedoch an der derzeit prominentesten und brutalsten Jihad -Front in Syrien und im Irak (SWP 4.2015).

2015 gab es in Tschetschenien 30 Opfer des bewaffneten Konfliktes (2014: 117), davon 14 Tote und 16 Verwundete (Caucasian Knot 8.2.2016).

Im Dezember 2014 ist Tschetschenien von den schwersten Gefechten zwischen islamistischen Kämpfern und Sicherheitskräften seit Jahren erschüttert. Dabei wurden am Donnerstag, den 4.12.2014, in der Hauptstadt Grosny mindestens 10 Angreifer und 10 Beamte getötet sowie 20 weitere Personen verletzt (NZZ 4.12.2014).

Quellen:

Caucasian Knot (8.2.2016): Statistics of victims in Northern Caucasus for 2015, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles /34527/, Zugriff 1.6.2016

NZZ - Neue Zürcher Zeitung (4.12.2014): Tote bei Gefechten in Grosn y, http://www.nzz.ch/international/as ien -und-

pazifik/tote-bei-gefechten-in-gros ny-1.1843806, Zugriff 1.6.2016

SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan:

Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.s wpberlin.org/fileadm in/contents /products /s tudien/2015_S08_hlb_is aeva.pdf, Zugriff 1.6.2016

Rechtsschutz/Justizwesen

Die russischen Gerichte sind laut Verfassung unabhängig, allerdings kritisieren sowohl internationale Gremien (EGMR, EuR) als auch nationale Organisationen (Ombudsmann, Menschenrechtsrat) regelmäßig Missstände im russischen Justizwesen. Einerseits kommt es immer wieder zu politischen Einflussnahmen auf Prozesse, andererseits beklagen viele Bürger die schleppende Umsetzung von Urteilen bei zivilrechtlichen Prozessen. In Strafprozessen kommt es nur sehr selten (rund 1 %) zu Freisprüchen der Angeklagten. Laut einer Umfrage des Levada-Zentrums über das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen aus Ende 2014 rangiert die Justiz(gemeinsam mit der Polizei) im letzten Drittel. 45% der Befragten zweifeln daran, dass man der Justiz trauen kann, 17% sind überzeugt, dass die Justiz das Vertrauen der Bevölkerung nicht verdient und nur 26% geben an, den Gerichten zu vertrauen. 2010 ratifizierte Russland das 14. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMR K), das Änderungen im Individualbeschwerdeverfahren vorsieht. Das 6. Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe ist zwar unterschrieben, wurde jedoch nicht ratifiziert. Der russische Verfassungsgerichtshof hat jedoch das Moratorium über die Todesstrafe im Jahr 2009 bis zur Ratifikation des Protokolls verlängert, so dass die Todesstrafe de facto abgeschafft ist. Auch das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs wurde von Russland nicht ratifiziert. Spannungsgeladen ist das Verhältnis der russischen Justiz zu den Urteilen des EGMR. Moskau sieht im EGMR ein politisiertes Organ, das die Souveränität Russlands untergraben möchte. Im Juli stellte der russische Verfassungsgerichtshof klar, dass wenn der EGMR von einer Konventionsauslegung ausgeht, die der Verfassung der Russischen Föderation widerspricht, Russland in dieser Situation aufgrund der Vorrangstellung des Grundgesetzes gezwungen sein wird, auf die buchstäbliche Befolgung der Entscheidung des Straßburger Gerichtes zu verzichten. Seit Ausbruch der Ukraine-Krise und der daraus resultierenden Konfrontation mit dem Westen laufen in Russland mehrere politisch motivierte Prozesse gegen ausländische Staatsangehörige (z.B. die ukrainische Pilotin Nadja Savchenko), die in einigen Fällen (z.B. ukrainischer Regisseur Oleg Sentsovoder estnischer Sicherheitsbeamter Eston Kohver) bereits zu Verurteilungen geführt haben und an der Unabhängigkeit der russischen Justiz von der Politik zweifeln lassen. Gleichzeitig ist ein Anstieg der Anklagen wegen Hochverrats gegen russische Staatsangehörige zu beobachten. Diese Prozesse finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und nur wenige Informationen geraten in die Medien (ÖB Moskau 10.2015, vgl. AA 5.1.2016).

Mehrere aufsehenerregende Prozesse machten 2015 die gravierenden und weit verbreiteten Mängel der russischen Strafjustiz deutlich. Dazu zählten Verstöße gegen den Grundsatz der "Waffengleichheit" und der Einsatz von Folter und anderen Misshandlungen in der Ermittlungsphase. Außerdem wurden unter Folter erpresste "Geständnisse", Aussagen geheimer Zeugen und andere geheime Beweise, die die Verteidigung nicht anfechten konnte, vor Gericht zugelassen und Angeklagten das Recht auf einen Rechtsbeistand ihrer Wahl verweigert. Weniger als 0,5% der Verfahren endeten mit einem Freispruch (AI 24.2.2016).

Im November 2013 ist in Russland ein neues Gesetzverabschiedet worden, mit denen man die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen erreichen wolle und die darauf abzielen würden, die "harte Form" des Kampfes gegen den Aufstand, die bereits in mehreren Republiken im Nordkaukasus praktiziert wird, zu legalisieren. Die neue Gesetzgebung erlaubt es den Behörden, die Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien dazu zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, die durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden sind. Die durch sie erlaubten Kollektivbestrafungen werden von den Behörden im Nordkaukasus bereits angewendet (CACI 11.12.2013, vgl. US DOS 13.4.2016).

Die Strafverfolgungs - oder Strafzumessungspraxis unterscheidet nicht nach Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität. Die Strafen in der Russischen Föderation sind generell erheblich höher als für vergleichbare Delikte in Deutschland, besonders im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität. Im März 2011 wurde aber bei 68 eher geringfügigen Delikten Freiheitsentzug als höchste Strafandrohung durch Geldstrafe oder gemeinnützige Arbeiten ersetzt. Auch wurde das Strafprozessrecht seit April 2010 dahingehend geändert, dass Angeklagte für Wirtschaftsdelikte bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr in Untersuchungshaft genommen werden sollen. In der Praxis werden die neuen Regeln jedoch bisher nur begrenzt angewendet. Bemerkenswert ist die unverändert extrem hohe Verurteilungsquote im Strafprozess. Für zu lebenslange Haft Verurteilte bzw. bei entsprechend umgewandelter Todesstrafe besteht bei guter Führung die Möglichkeit einer Freilassung frühestens nach 25 Jahren. Auch eine Begnadigung durch den Präsidenten ist möglich. Immer wieder legen einzelne Strafprozesse in Russland den Schluss nahe, dass politische Gründe hinter der Verfolgung stehen. Trotz der Entlassung von Michail Chodorkowski und den Mitgliedern der Punk -Aktionsgruppe Pussy Riot aus der Haft - bezeichnenderweise nicht durch die Justiz selbst, sondern durch Amnestie bzw. Begnadigung - bleiben deren Haftstrafen Beispiele für politisch motivierte Urteile. Auch unabhängig von politisch oder ökonomisch motivierten Strafprozessen begünstigt ein Wetteifern zwischen Strafverfolgungsbehörden um hohe Verurteilungsquoten die Anwendung illegaler Methoden zum Erhalt von "Geständnissen". Auffällig bleibt die geringe Zahl aufgeklärter Straftaten gegen Journalisten oder Kritiker bzw. der sehr schleppen de Verlauf von Ermittlungen in solchen Fällen. Auch die Morde an Oppositionspolitiker Boris Nemzow (27.02.2015) und Journalistin Politkowskaja können als Beispiel dafür dienen, dass sich Ausführende gegebenenfalls vor Gericht verantworten müssen, die eigentlichen Drahtzieher der Verbrechen häufig jedoch nicht ermittelt werden. Insgesamt sind die Unabhängigkeit von Ermittlungen und Rechtsprechung sowie die Gewaltenteilung in Russland nicht gewährleistet. Weiterhin mangelhaft ist der Vollzug von Gerichtsurteilen. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte werden in Russland in der Sache häufig nicht vollständig umgesetzt, sondern nur in Bezug auf verhängte Entschädigungszahlungen (AA 5.1.2016).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (5.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation AI - Amnesty International (24.2.2016): AmnestyInternational Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, http://www.ecoi.net/local_link/319681/458907_de.htl , Zugriff 7.4.2016

CACI Analyst - Central Asia-Caucasus Institute (11.12.2013): New Anti-Terrorism Law to Target Families of North Caucasus Insurgents, http://www.cacianalys t.org/publications /analytical -articles /item /12876-new-anti-terroris m -law-to- target-fam ilies -of-north-caucas us -ins urgents .htm l, Zugriff 7.4.2016

ÖB Moskau (10.2015): Asylländerbericht Russische Föderation

US DOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices for 2015 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/322455/461932_de.html , Zugriff 31.5.2016

Das russische föderale Recht gilt für die gesamte Russische Föderation einschließlich Tschetscheniens. Neben dem russischen föderalen Recht spielen sowohl Adat als auch Scharia eine wichtige Rolle in Tschetschenien. Präsident Ramsan Kadyrow unterstreicht die Bedeutung, die der Einhaltung des russischen Rechts zukommt, verweist zugleich aber auch auf den Stellenwert des Islam und der tschetschenischen Tradition. Das Adat ist eine Art Gewohnheitsrecht, das soziale Normen und Regeln festschreibt. Dem Adat-Recht kommt in Zusammenhang mit der tschetschenischen Lebensweise eine maßgebliche Rolle zu. Allgemein gilt, dass das Adat für alle Tschetschenen gilt, unabhängig von ihrer Clanzugehörigkeit. Das Adat deckt nahezu alle gesellschaftlichen Verhältnisse in Tschetschenien ab und regelt die Beziehungen zwischen den Menschen. Im Laufe der Jahrhunderte wurden diese Alltagsregeln von einer Generation an die nächste weitergegeben. Adat ist in Tschetschenien in Ermangelung einer Zentralregierung bzw. einer funktionierenden Gesetzgebung erstarkt. Die Religion fasste in Tschetschenien aus den verschiedensten Gründen nicht Fuß. Daher dient das Adat als Rahmen für die gesellschaftlichen Beziehungen. In der tschetschenischen Gesellschaft ist jedoch auch die Scharia von Bedeutung. Die meisten Tschetschenen sind sunnitische Muslime und gehören der sufistischen Glaubensrichtung des sunnitischen Islams an [für Informationen bezüglich Sufismus vgl.: ÖIF Monographien (2013): Glaubensrichtungen im Islam]. Der Sufismus enthält u. a. auch Elemente der Mystik. Eine sehr kleine Minderheit der Tschetschenen sind Salafisten. Formal gesehen hat das russische föderale Recht Vorrang vor Adat und Scharia, doch sind sowohl das Adat als auch die Scharia in Tschetschenien genauso wichtig wie die russischen Rechtsvorschriften. Iwona Kaliszewska, Assistenzprofessorin am Institut für Ethnologie und Anthropologie der Universität Warschau, führt an, dass sich die Republik Tschetschenien in Wirklichkeit außerhalb der Gerichtsbarkeit des russischen Rechtssystems bewegt, auch wenn sie theoretisch darunter fällt. Dies legt den Schluss nahe, dass sowohl Scharia als auch Adat zur Anwendung kommen und es unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Frage gibt, welches der beiden Rechte einen stärkeren Einfluss auf die Gesellschaft ausübt (EASO 9.2014a). Scharia -Gerichtsbarkeit bildet am Südrand der Russischen Föderation eine Art ‚alternativer Justiz'. Sie steht zwar in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands, wird aber, mit Einverständnis der involvierten Parteien, für Rechtsprechung auf lokaler Ebene eingesetzt (SWP 4.2015).

Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen ist weiterhin verbreitet, trotz der rund 200 diesbezüglichen Entscheidungen des EGMR. Diese Verletzungen beziehen sich auf ungerechtfertigte Gewaltanwendung, rechtswidrige Inhaftierungen, Verschwinden lassen, Folter und Misshandlungen, die Unterlassung effektiver Untersuchungen dieser Verbrechen und das Fehlen eines effektiven Rechtmittels, Versagen in der Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof und unrechtmäßige Durchsuchungen, Festnahmen und Zerstörung von Eigentum (CoE 12.11.2013). Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist in Tschetschenien völlig unzureichend. Tendenzen zur Einführung von Scharia-Recht sowie die Diskriminierung von Frauen haben in den letzten Jahren zugenommen (AA 5.1.2016).

Menschenrechtsorganisationen berichten glaubwürdig über Strafprozesse auf der Grundlage fingierten Materials gegen angebliche Terroristen aus dem Nordkaukasus, insbesondere Tschetschenen, die aufgrund von z.T. unter Folter erlangten Geständnissen oder gefälschten Beweisen zu hohen Haftstrafen verurteilt worden seien (AA 5.1.2016).

Grundsätzlich können Personen, die den Widerstand in Tschetschenien unterstützen - sei es mit Lebensmitteln, Kleidung oder Unterschlupf für Rebellen oder sei es durch Waffen - in der Russischen Föderation strafrechtlich verfolgt werden. Es kommt regelmäßig zu Verhaftungen aufgrund von Hilfeleistung an die Rebellen. Ob Personen, die unter diesem Vorwurf vor Gericht gestellt werden mit einem fairen Verfahren rechnen können, ist aufgrund der im Justizbereich verbreiteten Korruption und der bekannten Einflussnahme der Exekutive auf richterliche Entscheidungen fraglich. Das Strafmaß beträgt 8 bis 20 Jahre Freiheitsentzug (BAA/Staatendokumentation 20.4.2011).

In Bezug auf Vorladungen von der Polizei in Tschetschenien ist zu sagen, dass solche nicht an Personen verschickt werden, die man verdächtigt, Kontakt mit dem islamistischen Widerstand zu haben. Solche Verdächtige würden ohne Vorwarnung von der Polizei mitgenommen, ansonsten wären sie gewarnt und hätten Zeit zu verschwinden (DIS 1.2015). Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (5.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

BAA/Staatendokumentation (20.4.2011): Analyse der Staatendokumentation - Russische Föderation - Unterstützer und Familienmitglieder (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer in Tschetschenien

CoE-Commissioner for Human Rights (12.11.2013): Report by Nils Muižnieks Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Following his visit to the Russian Federation from 3 to 12 April 2013, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1384353253_com -ins tranetrf.p; Zugriff 31.5.2016

EASO - European Asylum Support Office (9.2014a): Bericht zu Frauen, Ehe, Scheidung und Sorgerecht in Tschetschenien (Islamisierung; häusliche Gewalt; Vergewaltigung; Brautentführung; Waisenhäuser), http://www.ecoi.net/file_upload/1830_1421055069_bz0414843den -pdf-web.p, S. 9, Zugriff 30.5.2016

DIS - Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1 423480989_2015-01-dis -chechnya-fact-finding-m is s ion-

report.pdf, Zugriff 31.5.2016

ÖIF Monographien (2013): Glaubensrichtungen im Islam

SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan:

Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.s wpberlin.org/fileadm in/contents /products /s tudien/2015_S08_hlb_is aeva.pdf, Zugriff 25.5.2016

Sicherheitsbehörden

Das Innenministerium, der Föderale Sicherheitsdienst FSB und die Generalstaatsanwaltschaft sind auf allen Regierungsebenen für den Gesetzesvollzug zuständig. Der FSB ist mit Fragen der Sicherheit, Gegenspionage und der Terrorismusbekämpfung betraut, aber auch mit Verbrechens - und Korruptionsbekämpfung. Die nationale Polizei untersteht dem Innenministerium und ist in föderale, regionale und lokale Einheiten geteilt. Nach dem Gesetz können Personen bis zu 48 Stunden ohne gerichtliche Zustimmung inhaftiert werden, wenn sie am Schauplatz eines Verbrechens verhaftet werden, vorausgesetzt es gibt Beweise oder Zeugen. Ansonsten ist ein Haftbefehl notwendig. Verhaftete müssen von der Polizei über ihre Rechte aufgeklärt werden und die Polizei muss die Gründe für die Festnahme dokumentieren. Der Verhaftete muss innerhalb von 24 Stunden einvernommen werden, davor hat er das Recht, für zwei Stunden einen Anwalt zu treffen. Im Allgemeinen werden die rechtlichen Einschränkungen betreffend Inhaftierungen eingehalten, mit Ausnahme des Nordkaukasus. Die Regierung verabsäumte e s angemessene Schritte zu setzen, um die meisten Behördenvertreter, welche Missbräuche begingen, zu verfolgen oder zu bestrafen, wodurch ein Klima der Straffreiheit entstand. Die Rechtsstaatlichkeit ist besonders im Nordkaukasus mangelhaft, wo der Konflikt zwischen Regierungstruppen, Aufständischen, islamischen Militanten und Kriminellen zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen führt, einschließlich Morde, Folter, körperliche Misshandlung und politisch motivierte Entführungen. Die Regierung untersucht und verfolgt Missbräuche nicht adäquat, besonders wenn regionale Behörden involviert waren. Tschetschenische Sicherheitsbehörden unter direkter Kontrolle von Ramzan Kadyrow können mit Straffreiheit rechnen, sogar bei Drohungen gegen russische Sicherheitsbehörden, die versuchen in Tschetschenien tätig zu werden (US DOS 13.4.2016).

Russland wird die bisherigen Truppen des Innenministeriums in eine Nationalgarde umwandeln. Neben den 170.000 Soldaten der Innentruppen sollen auch 40.000 Mann der Sonderpolizeitrupp e Omon und andere Spezialkräfte in die Nationalgarde eingegliedert werden. Die Garde solle im Kampf gegen Terror, Drogen und organisiertes Verbrechen eingesetzt werden. Putin stärkte das Innenministerium auch, indem er ihm die bisher eigenständigen Behörde n für Drogenbekämpfung und Migration wieder unterstellte. Damit sollten doppelte Zuständigkeiten vermieden werden, sagte ein Vertreter des Sicherheitsapparates der Agentur Interfax. Der Föderale Migrationsdienst ist unter anderem für Passangelegenheiten, Flüchtlinge und Arbeitsmigration zuständig (Standard 6.4.2016). Leiter der künftigen Elitetruppe im Kampf gegen Terror und organisierte Kriminalität wird sein Ex-Leibwächter Wiktor Solotow sein - der Mann also, der Putin jahrelang am nächsten stand. Interessant ist, dass Solotow zugleich als das Bindeglied im Kreml zu Tschetschenen Oberhaupt Ramsan Kadyrow gilt (Standard 7.4.2016).

Nach überzeugenden Angaben von Menschenrechtsorganisationen werden insbesondere sozial Schwache und Obdachlose, Betrunkene, Ausländer und Personen "fremdländischen" Aussehens Opfer von Misshandlungen durch die Polizei und Untersuchungsbehörden. Nur ein geringer Teil der Täter wird disziplinarisch oder strafrechtlich verfolgt. Die im Februar 2011 in Kraft getretene Polizeireform hat bislang nicht zu spürbaren Verbesserungen in diesem Bereich geführt (AA 5.1.2016).

Die im Nordkaukasus agierenden Sicherheitskräfte sind in der Regel maskiert (BAMF 10.2013). Von russischer Seite werden die meisten Operationen im Nordkaukasus gegen Terroristen heute nicht mehr vom Militär, sondern von Einheiten des Innenministeriums und des Geheimdienstes durchgeführt. Diese sind zwar nicht weniger schwer bewaffnet, nur soll so der Eindruck eines Krieges vermieden werden (Zenithonline 10.2.2014). Der Großteil der Menschenrechtsverletzungen im Nordkaukasus wird Sicherheitskräften zugeschrieben. In Tschetschenien sind sowohl föderale russische als auch lokale tschetschenische Sicherheitskräfte tätig. Letztere werden bezeichnender Weise oft Kadyrowzy genannt, nicht zuletzt, da in der Praxis fast alle tschetschenischen Sicherheitskräfte unter der Kontrolle Ramsan Kadyrows stehen dürften (Rüdisser 11.2012).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (5.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013): Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg

Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds,

http://www.integrations

fonds.at/laenderinformation/laenderinformation_russiche _foederationtschetschenis che_republik/, Zugriff 31.5.2016

Standard (6.4.2016): Putin: Russland richtet Nationalgarde ein, http://ders tandard.at/2000034264935/Putin -Rus s land-

richtet-Nationalgarde-ein, Zugriff 6.4.2016

Standard (7.4.2016): Putin leistet sich eine eigene Elitetruppe, http://ders tandard.at/20000343222 84/Wladimir-Putinleistet-sich-eine-eigene-Elitetruppe, Zugriff 8.4.2016

U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices for 2015 - Russia,

http://www.ecoi.net/local_link/322455/461932_de.html , Zugriff 31.5.2016

Zenithonline (10.2.2014): Speznaz, Spiele und Korruption, http://www.zenithonline.de/deuts ch/politik/a/artikel/s peznaz- s piele-und-korruption-004017/, Zugriff 31.5.2016

Im Einklang mit der EMRK sind Folter sowie unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Strafen in Russland gesetzlich verboten. Dennoch werden immer wieder Vorwürfe über polizeiliche Gewalt bzw. Willkür gegenüber Verdächtigen laut. Verlässliche öffentliche Statistiken über das Ausmaß der Übergriffe durch Polizeibeamten gibt es nicht. Innerhalb des Innenministeriums gibt es eine Generalverwaltung der internen Sicherheit, die ein e interne und externe Hotline für Beschwerden bzw. Vorwürfe gegen Polizeibeamte betreibt. Der Umstand, dass russische Gerichte ihre Verurteilungen in Strafverfahren häufig nur auf Geständnisse der Beschuldigten basieren, scheint in vielen Fällen Grund für Misshandlungen im Rahmen von Ermittlungsverfahren oder in Untersuchungsgefängnissen zu sein. Foltervorwürfe gegen Polizei- und Justizvollzugbeamte werden laut russischen NGO-Vertretern oft nicht untersucht (ÖB Moskau 10.2015).

Der Folter verdächtigte Polizisten werden meist nur aufgrund von Machtmissbrauch oder einfacher Körperverletzung angeklagt. Physische Misshandlung von Verdächtigen durch Polizisten geschieht für gewöhnlich in den ersten Stunden oder Tagen nach der Inhaftierung. Im Nordkaukasus wird von Folterungen sowohl durch lokale Sicherheitsorganisationen als auch durch Föderale Sicherheitsdienste berichtet. Das Gesetz verlangt von Verwandten von Terroristen, dass sie die Kosten, die durch einen Angriff entstehen übernehmen. Menschenrechtsverteidiger kritisieren dies als Kollektivbestrafung (USDOS 13.4.2016).

Die Strafverfolgungsbehörden setzten bei der Bekämpfung bewaffneter Gruppen weiterhin vor allem auf Operationen der Sicherheitskräfte. Es bestand nach wie vor der Verdacht, dass diese mit rechtswidrigen Inhaftierungen, Folter und anderen Misshandlungen von Häftlingen sowie verschwinden lassen einhergingen (AI 24.2.2016).

Medien und NGOs berichten über Exekutivkräfte und Gefängnispersonal, die in Folter verwickelt sind. Missbrauch und exzessive Gewaltanwendung sind verbreitet und lassen darauf schließen, dass dies vor allem im Strafsystem regelmäßig vorkommt. Schlechte Ausbildung und eine Kultur der Straffreiheit tragen zu dieser Situation bei. Die russische NGO Committee Against Torture zeigt Folter durch Exekutivkräfte im Nordkaukasus auf und arbeitet daran, dass diese für ihre Vergehen bestraft werden (UK FCO 12.3.2015).

Quellen:

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, https ://www.am nes ty.de/jahres bericht/2016/rus s land#nordkaukas us , Zugriff 31.5.2016

ÖB Moskau (10.2015): Asylländerbericht Russische Föderation

UK FCO - UK Foreign and Commonwealth Office (12.3.2015): Human Rights and Democracy Report 2014 - Section XII: Human Rights in Countries of Concern - Russia, https ://www.gov.uk/governm ent/publications/russia -country-of-concern-

-2/rus s ia-country-of-concern#conflict-and-protection-of-civilian, Zugriff 31.5.2016

U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices for 2015 - Russia,

http://www.ecoi.net/local_link/322455/461932_de.html , Zugriff 31.5.2016

Inländische und ausländische NGOs geraten zunehmend unter Druck. Auf Basis des sogenannten NGO-Gesetzes aus 2012 müssen sich russische NGOs, die politisch aktiv sind und aus dem Ausland Finanzmittel erhalten, in ein vom Justizministerium geführtes Register der ausländischen Agenten eintragen. Mehrere Organisationen, die eine Eintragung verweigerten, wurden zu teilweise hohen Geldstrafen verurteilt; andere wiederum lösten sich aus Protest gegen das Gesetz ganz auf, bzw. gründeten nach Auflösung eine neue Organisation. Seit Juni 2014 hat das Justizministerium das Recht, NGOs auch gegen ihren Willen in das Register einzutragen. Ein positiver Schritt wurde im März 2015 gesetzt, als im Zuge einer Abänderung des NGO-Gesetzes die Möglichkeit geschaffen wurde, Organisationen aus dem Register zu streichen, wenn sie nachweisen können, keine ausländischen Finanzmittel mehr zu erhalten (ÖB Moskau 10.2015, vgl. GIZ 4.2016a).

Im Mai 2015 wurde ein Gesetz angenommen, das es erlaubt die Tätigkeit von ausländischen oder internationalen Nichtregierungsorganisationen, die eine Bedrohung für die verfassungsmäßigen Grundlagen der Russischen Föderation, für die Verteidigungsfähigkeit des Landes oder die Sicherheit des Staates darstellen, auf dem Territorium der Russischen Föderation für unerwünscht zu erklären. Die Klassifizierung als unerwünschte Organisation zieht ein Verbot der Gründung bzw. die Liquidierung bereits bestehender Strukturen der ausländischen NGO in Russland nach sich, sowie ein Verbot der Verteilung von Informationsmaterialien bzw. der Durchführung von Projekten der NGO (ÖB Moskau 10.2015, vgl. AI 24.2.2016). Weiters ist es russischen Banken verboten, Finanzoperationen durchzuführen, wenn eine Seite als unerwünschte NGO eingestuft wurde. Die Verbote betreffen nicht nur die NGO selbst, sondern auch Personen, die sich an ihrer Tätigkeit beteiligen. Menschenrechtler gehen daher davon aus, dass das Gesetz indirekt auch gegen die russische Zivilgesellschaft gerichtet ist. Das Gesetz sieht Geldstrafen sowie bei wiederholter Verletzung eine Freiheitsstrafe von 2-6 Jahren vor. Als erste ausländische Organisation wurde die National Endowment for Democracy im Juli 2015 für unerwünscht erklärt (ÖB Moskau 10.2015). Im November und Dezember 2015 waren drei weitere Geber-Organisationen betroffen: die Open Society Foundation, die Open Society Institute Assistance Foundation und die US Russia Foundation for Economic Advancement and the Rule of Law. Zum Jahresende 2015 umfasste das beim Justizministerium geführte Verzeichnis "ausländischer Agenten" 111 NGOs. Sie mussten ihre gesamten Publikationen mit diesem stigmatisierenden Begriff kennzeichnen und aufwendige Berichterstattungspflichten erfüllen. Organisationen, die diesen Anforderungen nicht nachkamen, drohten hohe Geldstrafen. Keine einzige Organisation konnte sich vor Gericht erfolgreich gegen die Aufnahme in das Verzeichnis wehren. Sieben Organisationen wurden von der Liste gestrichen, nachdem sie keine Gelder mehr aus dem Ausland annahmen. 14 Organisationen, die auf der Liste standen, beschlossen, ihre Tätigkeit ganz einzustellen. Gegen das in der Liste der "ausländischen Agenten" verzeichnete Menschenrechtszentrum Memorial wurde im September 2015 eine Geldstrafe von 600.000 Rubel (rund 7.000 Euro) unter dem Vorwurf verhängt, es habe seinen Agentenstatus in Veröffentlichungen nicht deutlich gemacht. Die beanstandete Veröffentlichung stammte jedoch von der juristisch eigenständigen Schwesterorganisation "Gedenk - und Bildungszentrum Memorial", das sich nicht auf der Liste ausländischer Agenten befand und deshalb auch den Hinweispflichten nicht unterlag. Das Menschenrechtszentrum ging gerichtlich gegen die Entscheidung vor, verlor den Prozess jedoch. Nach einer routinemäßigen Überprüfung des Menschenrechtszentrums im November befand das Justizministerium, die von Memorial-Mitgliedern geäußerte Kritik an den Gerichtsverfahren zu den Bolotnaya-Protesten und an der russischen Ukrainepolitik untergrabe das verfassungsrechtliche Fundament des Landes und komme einem "Aufruf zum Sturz der amtierenden Regierung und zum politischen Systemwechsel" gleich. Das Ministerium übergab seine "Erkenntnisse" der Staatsanwaltschaft zu weiteren Ermittlungen (AI 24.2.2016).

Menschenrechtler beklagen staatlichen Druck auf zivilgesellschaftliche Akteure. Im Rahmen der Terrorismusbekämpfung sind autoritäre, die Grundrechte einschränkende Tendenzen zu beobachten. Jedoch entstehen an vielen Orten neue Formen zivilgesellschaftlichen Agierens: Autofahrer protestieren gegen die Willkür der Verkehrspolizei, Strategie 31 setzt sich für die Versammlungsfreiheit ein, Umweltschützer verhindern Atommülltransporte, die Künstlergruppe Wojna setzt auf spektakuläre Protestaktionen. Die Verbindungen zwischen diesen "Initiativen von unten" und den etablierten russischen NGOs sind aber noch gering (GIZ 4.2016a).

Quellen:

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, http://www.ecoi.net/local_link/319681/458907_de.htl , Zugriff 31.5.2016

GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2016a): Russland, Geschichte, Staat und

Politik, http://liportal.giz.de/rus s land/ges chichte -s taat/#c17900, Zugriff 31.5.2016 ÖB Moskau (10.2015):

Asylländerbericht Russische Föderation

Die Ombudsfrau (Menschenrechtsbeauftragte) der Russischen Föderation, Ella Pamfilowa, setzt sich in ihrem Jahresbericht 2014 für die Rechte Gefangener ein. Sie, sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des konsultativen "Rats zur Entwicklung der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte" beim russischen Präsidenten üben auch öffentlich Kritik an Menschenrechtsproblemen aus und setzen sich für Einzelfälle ein - mit allerdings begrenztem Einfluss. Die Menschenrechtsbeauftragte kritisiert Vorfälle von Folter in den russischen Gefängnissen. (AA 5.1.2016).

Sie kommentiert zahlreiche Menschenrechtsprobleme, wie die "Ausländische Agenten Liste" [NGO-Gesetz], Polizeigewalt, Haftbedingungen, die Behandlung von Kindern und Religionsfreiheit. In den Jahresberichten werden Menschenrechtsthemen angesprochen. Im letzten beispielsweise die Misshandlungen und das Töten von Journalisten, Einschränkungen des Internets, Transparenz bei gerichtlichen Prozessen und die Einhaltung der Menschenrechte in Gefängnissen. Die Leiter von einigen Menschenrechtsorganisationen bezeichneten Pamfilowa als effektiv als offizielle Fürsprecherin für Menschrechte, und sie spreche viele der Sorgen der NGOs an, trotz ihrer eingeschränkt en Autorität und der selektiven Herangehensweise an die Themen. Das Büro der Ombudsfrau umfasst mehrere spezialisierte Abteilungen, die für die Untersuchung von Beschwerden zuständig sind. Ihre Effektivität variiert erheblich. Laut Jahresbericht 2014 erhielt das Büro 59.100 Beschwerden von Bürgern, staatlichen Organisationen und NGOs. Das ist ein Anstieg um ca. 44% im Vergleich zum Vorjahr (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (5.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices for 2015 - Russia,

http://www.ecoi.net/local_link/322455/461932_de.html , Zugriff 24.5.2016

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung der Russischen Föderation vom Dezember 1993 orientiert sich an westeuropäischen Vorbildern. Sie postuliert, dass die Russische Föderation ein "demokratischer, föderativer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform" ist. Im Grundrechtsteil der Verfassung ist die Gleichheit aller vor Gesetz und Gericht festgelegt. Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Nationalität, Sprache, Herkunft und Vermögenslage dürfen nicht zu diskriminierender Ungleichbehandlung führen (Art. 19 Abs. 2). Die Einbindung des internationalen Rechts ist in Art. 15 Abs. 4 der russischen Verfassung aufgeführt: Danach "sind die allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des Völkerrechts und die internationalen Verträge der Russischen Föderation Bestandteil ihres Rechtssystems." Russland ist an folgende VN-Übereinkommen gebunden:

Der Europarat äußerte sich mehrmals kritisch zur Menschenrechtslage in der Russischen Föderation. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) waren, so der Jahresbericht 2014, 14,3% der anhängigen Fälle (10.000 Einzelfälle) Russland zuzurechnen. 2014 hat der EGMR 129 Urteile in Klagen gegen Russland gesprochen. Damit führt Russland die Liste der gesprochenen Urteile an (gefolgt von 101 Urteilen 2014 gegen die Türkei). Ein großer Teil der EGMR-Entscheidungen fällt dabei zugunsten der Kläger aus und konstatiert mehr oder weniger gravierende Menschenrechtsverletzungen. Die Umsetzung der Entscheidungen erfolgt vielfach nur mangelhaft: Zwar erbringt Russland in der Regel die Kompensationszahlungen an die Kläger bzw. Opfer; in der Sache selbst wird aber wenig unternommen. Ein russischer Gesetzentwurf, der die Urteile des EGMR unter einen Prüfvorbehalt stellen würde, ist nach deutlicher Kritik aus dem Ausland im Sommer 2011 gestoppt worden. In einem Urteil des russischen Verfassungsgerichts hat sich dieses am 6. Dezember 2013 jedoch die Entscheidung vorbehalten, wie EGMR-Urteile bei einem Widerspruch zur eigenen Auslegung der Grundrechte umgesetzt werden können. Am 14.7.2015 hat das Verfassungsgericht zudem eine grundlegende Entscheidung zum Verhältnis der russischen Verfassung zur EMRK getroffen: Die Umsetzung von Urteilen des EGMR kann danach im Falle eines vermeintlichen Konflikts mit der russischen Verfassung einer weiteren Überprüfung durch das Verfassungsgericht unterzogen werden. Neu ist dabei, dass künftig auch Präsident und Regierung das Verfassungsgericht mit dem Ziel anrufen können, die Nichtanwendung eines EGMR-Urteils in Russland aufgrund des Vorrangs der russischen Verfassung festzustellen (AA 5.1.2016).

Im Nordkaukasus finden die schwersten Menschenrechtsverletzungen in der Russischen Föderation statt. Hierzu sind seit 2005 auch zahlreiche Urteile des EGMR gegen Russland ergangen, der insbesondere Verstöße gegen das Recht auf Leben festgestellt hat. Am 14.01.2014 urteilte der EGMR zugunsten der Familien von 36 zwischen 2000 und 2006 verschwundenen Tschetschenen und sprach ihnen 1,9 Mio. Euro Entschädigung zu (AA 5.1.2016).

Die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit waren 2015 weiterhin stark beschnitten. Staatliche Stellen herrschten über Presse, Rundfunk und Fernsehen und weiteten die Kontrolle über das Internet aus. NGOs waren aufgrund des sogenannten Agentengesetzes nach wie vor Schikanen und Repressalien ausgesetzt. Ihre Möglichkeiten, finanzielle Mittel aus dem Ausland zu erhalten, wurden durch ein neues Gesetz zum Verbot "unerwünschter" Organisationen drastisch eingeschränkt. Eine steigende Anzahl von Bürgern wurde inhaftiert und angeklagt, weil man ihnen vorwarf, die offizielle Politik kritisiert oder Materialien besessen bzw. in der Öffentlichkeit verbreitet zu haben, die gemäß vage formulierter Sicherheitsgesetze als extremistisch eingestuft wurden oder aus anderen Gründen als rechtswidrig galten. Auf der Grundlage eines Gesetzes aus dem Jahr 2014, das wiederholte Verstöße gegen das Gesetz über öffentliche Versammlungen als Straftat definiert, sahen sich 2015 vier Personen mit Strafverfolgungsmaßnahmen konfrontiert. In mehreren aufsehenerregenden Prozessen traten einmal mehr die gravierenden Mängel des Justizwesens zutage. Flüchtlinge mussten zahlreiche Hürden überwinden, um anerkannt zu werden (AI 24.2.2016).

Menschenrechtsverteidiger beklagen Defizite bei der Umsetzung der in der Verfassung verankerten Rechte. Beklagt werden vor allem die mangelhafte Unabhängigkeit von Justiz und Gerichten, zunehmende Einschränkungen von Presse- und Versammlungsfreiheit, die weiterhin verbreitete Korruption sowie der stetig schwindende Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft. Besonders schwere Menschenrechtsverletzungen werden aus dem Nordkaukasus gemeldet (AA 3 .2016a).

Russland garantiert in der Verfassung von 1993 alle Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten. Präsident und Regierung bekennen sich zwar immer wieder zur Einhaltung von Menschenrechten, es mangelt aber an der praktischen Umsetzung. Trotz vermehrter Reformbemühungen, insbesondere im Strafvollzugsbereich, hat sich die Menschenrechtssituation im Land noch nicht wirklich verbessert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg kann die im fünfstelligen Bereich liegenden ausständigen Verfahren gegen Russland kaum bewältigen; Russland sperrt sich gegen eine Verstärkung des Gerichtshofs. Menschenrechtler beklagen staatlichen Druck auf zivilgesellschaftliche Akteure. Im Rahmen der Terrorismusbekämpfung sind autoritäre, die Grundrechte einschränkende Tendenzen zu beobachten (GIZ 4.2016a).

Der Freiraum für die russische Zivilgesellschaft ist in den letzten Jahren schrittweise eingeschränkt worden. Sowohl im Bereich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit als auch in der Pressefreiheit wurde n restriktive Gesetze verabschiedet, die einen negativen Einfluss auf die Entwicklung einer freien und unabhängigen Zivilgesellschaft ausübten. Inländische wie ausländische NGOs werden zunehmend unter Druck gesetzt. Rechte von Minderheiten werden nach wie vor nicht in vollem Umfang garantiert. Journalisten und Menschenrechtsverteidiger werden durch administrative Hürden in ihrer Arbeit eingeschränkt und erleben in manchen Fällen sogar reale Bedrohungen für Leib und Leben. Im Zuge der illegalen Annexion der Krim im März 2014 und der Krise in der Ostukraine wurde die Gesellschaft v.a. durch staatliche Propaganda nicht nur gegen den Westen mobilisiert, sondern auch gegen die sog.

"fünfte Kolonne" innerhalb Russlands. Der Menschenrechtsdialog der EU mit Russland findet derzeit aufgrund prozeduraler Unstimmigkeiten nicht statt (ÖB Moskau 10.2015).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (5.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation AA - Auswärtiges Amt (3.2016a): Staatsaufbau/Innenpolitik, http://www.aus waertiges - am t.de/DE/Aus s enpolitik/Laender/Laenderinfos /Rus s is cheFoederation/Innenpolitik_node.htm l , Zugriff 7.4.2016

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, http://www.ecoi.net/local_link/319681/458907_de.htl , Zugriff 7.4.2016

GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2016a): Russland, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/ru s s land/ges chichte-s taat/#c17900, Zugriff 7.4.2016

ÖB Moskau (10.2015): Asylländerbericht Russische Föderation

...

NGOs beklagen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch tschetschenische Sicherheitsorgane, wie Folter, das Verschwindenlassen von Personen, Geiselnahmen, das rechtswidrige Festhalten von Gefangenen und die Fälschung von Straftatbeständen. Entsprechende Vorwürfe werden kaum untersucht, die Verantwortlichen genießen zumeist Straflosigkeit. Besonders gefährdet sind Menschenrechtsaktivisten bzw. Journalisten. So geriet zum Beispiel die sog. "joint mobile defence group", die von der NGO "Komitee gegen Folter" koordiniert wird, in letzter Zeit vermehrt in die Zielscheibe von pro-Kadyrov-Anhängern. 2014 wurde das Büro der Gruppe in Grozny niedergebrannt und im Juni 2015 erneut von einer Gruppe maskierter Personen angegriffen. Der Leiter der NGO "Komitee gegen Folter" Igor Kalyapin wurde von Kadyrov der Zusammenarbeit mit amerikanischen Geheimdiensten und der Kollaboration mit Extremisten beschuldigt. Im Juli 2015 erklärte das Komitee nach Androhung der Eintragung in das Register d er ausländischen Agenten durch das Justizministerium seine Auflösung; der Leiter des Komitees Kalyapin kündigte jedoch an, dass man die Arbeit in anderer Form fortsetzen werde (ÖB Moskau 10.2015, vgl. AI 25.2.2015).

Nach dem Angriff auf Grosny im Dezember 2014 verfügte Ramzan Kadyrow, dass die Häuser der Familien von Terroristen niedergebrannt werden und die Angehörigen des Landes verwiesen werden (Tagesspiegel 19.12.2014, vgl. HRW 28.1.2016).

2015 wurden aus dem Nordkaukasus weniger Angriffe bewaffneter Gruppen gemeldet als in den Vorjahren. Die Strafverfolgungsbehörden setzten bei der Bekämpfung bewaffneter Gruppen weiterhin vor allem auf Operationen der Sicherheitskräfte. Es bestand nach wie vor der Verdacht, dass diese mit rechtswidrigen Inhaftierungen, Folter und anderen Misshandlungen von Häftlingen sowie Verschwindenlassen einhergingen. Es gab deutlich weniger Informationen über die Menschenrechtslage in dem Gebiet, weil die Behörden mit aller Härte gegen Menschenrechtsverteidiger und unabhängige Journalisten vorgingen. Die Betreffenden wurden ständig schikaniert, bedroht und tätlich angegriffen, zum Teil von Ordnungskräften und regierungstreuen Gruppen. In der tschetschenischen Hauptstadt Grosny wurde am 3. Juni 2015 das Gebäude, in dem die Menschenrechtsorganisation Joint Mobile Group ihren Sitz hat, von einer aggressiven Menschenmenge umstellt. Vermummte Männer drangen gewaltsam in die Büroräume ein, zerstörten das Mobiliar und zwangen die Mitarbeiter, das Gebäude zu verlassen. Bis zum Jahresende war noch kein Tatverdächtiger ermittelt worden (AI 24.2.2016, vgl. HRW 27.1.2016).

Quellen:

AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, https ://www.am nes ty.de/jahres bericht/2015/rus s is che -foederation, Zugriff 24.5.2016

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, http://www.ecoi.net/local_link/319681/458907_de.htl , Zugriff 24.5.2016

HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/318397/457400_de.html , Zugriff 24.5.2016

HRW - Human Rights Watch (28.1.2016): Human Rights Violations in Russia's North Caucasus,

http://www.ecoi.net/local_link/318631/457682_de.htm l , Zugriff 24.5.2016 ÖB Moskau (10.2015): Asylländerbericht Russische Föderation

Tagesspiegel (19.12.2014): Wladimir Putin legt Russland an die Kette, http://www.tages s piegel.de/m einung/jahres pres s ekonferenz-des -krem lchefs -wladim ir-putin-legt-rus s land-an-diekette/11140502.htm l, Zugriff 24.5.2016

Alle männlichen russischen Staatsangehörigen zwischen 18 und 27 Jahre werden zum Pflichtdienst in der russischen Armee einberufen. Die Pflichtdienstzeit beträgt ein Jahr. 2016 hat das Verteidigungsministerium vor, bis Mitte Juli 155.000 Personen zum Militärdienst und 559 Menschen zum alternativen Zivildienst einzuberufen. Es gibt auch die Möglichkeit, freiwillig auf Basis eines Vertrags in der Armee zu dienen (dies steht auch weiblichen Staatsangehörigen offen). Staatsangehörige, die aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Wehrdienst geeignet sind, werden von der Dienstpflicht befreit. Darüber hinaus kann ein Antrag auf Aufschub des Wehrdienstes gestellt werden, etwa durch Personen, die ein Studium absolvieren, oder Väter, die mindestens zwei Kinder haben bzw. Personen, die einen nahen Verwandten pflegen müssen. Anstelle des Wehrdienstes kann ein alternativer Zivildienst abgeleistet werden, falls der Wehrdienst gegen die Überzeugung bzw. Glaubensvorschriften einer Person ist oder falls diese Person zu einem indigenen Volk gehört, dessen traditioneller Lebensweise der Wehrdienst widerspricht. Die Zivildienstzeit beträgt 18 Monate in den russischen Streitkräften bzw. 21 Monate in anderen staatlichen Einrichtungen. In der Regel soll der Zivildienst außerhalb der Region absolviert werden, in der der Staatsangehörige lebt (ÖB Moskau 12.2016). Jedes Jahr gibt es 2 Einberufungsperioden: eine im Frühjahr (1. April bis 15. Juli) und eine im Herbst (1. Oktober bis 31. Dezember). Es konnte von der ÖB Moskau keine Hinweise gefunden werden, dass aktuell einfache Rekruten im Rahmen ihres Wehrdienstes in aktuellen Konfliktregionen eingesetzt werden. Der "Allgemeine Rat beim Verteidigungsministerium" hat im November 2015 die Entscheidung der Behörde, Grundwehrdiener nicht in Konfliktgebiete zu entsenden, genehmigt. Diese Entscheidung bezieht sich auf Konfliktgebiete innerhalb wie außerhalb Russlands. Es werden nur Zeitsoldaten, die sich vertraglich verpflichtet haben, über den Grundwehrdienst hinaus Dienst in der Armee zu versehen, in Konfliktregionen entsandt (KA der ÖB Moskau 2.11.2016).

Wehrpflichtige erhalten zurzeit 2.000 Rubel Monatssold plus Standort- und Gefahrenzulagen. Die im Jahr 2013 eingeleiteten Maßnahmen zur "Humanisierung" und Attraktivitätssteigerung des Wehrdienstes wurden im Berichtszeitraum weiter umgesetzt. Diese Maßnahmen umfassen u. a. die Möglichkeit der heimatnahen Einberufung für Verheiratete, Wehrpflichtige mit Kindern oder Eltern im Rentenalter. Verbesserungen bei der Verpflegung, längere Ruhezeiten sowie die Erlaubnis zur Benutzung privater Mobiltelefone wurden ebenfalls eingeführt. Im Berichtszeitraum [2016] gab es keine offiziellen Verlautbarungen zu Menschenrechtsverletzungen in den Streitkräften der Russischen Föderation. Die NGOs "Komitee der Soldatenmütter" und "Armee.Bürger.Recht" berichten jedoch von Soldaten, die sich aus ganz Russland mit der Bitte um Unterstützung beim Schutz ihrer Rechte an die NGOs wenden. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Menschenrechtslage in den russischen Streitkräften weiterhin problematisch ist. Das "Komitee der Soldatenmütter" äußerte zudem die Befürchtung, dass das neu erlassene Gesetz zur Verlängerung für Auslandseinsätze missbraucht und Wehrpflichtige zur Unterschrift genötigt werden könnten. Es ist zu vermuten, dass es nach wie vor zu Misshandlungen von Soldaten durch Vorgesetzte aller Dienstgrade oder ältere Wehrpflichtige ("Dedowschtschina") kommt, jedoch nicht mehr in dem Ausmaß der Vergangenheit. Im Jahr 2015 wurde durch Staatspräsident Putin ein Dekret erlassen, dass die Aufgaben der Militärpolizei erheblich erweiterte und seitdem ausdrücklich die Bekämpfung der "Dedowschtschina" sowie von Diebstählen innerhalb der Streitkräfte umfasst. Eine Gesamtzahl von Todesfällen in den russischen Streitkräften wird nicht veröffentlicht. Mit einem Dekret des Präsidenten vom Mai 2015 wird die Zahl der in Friedenszeiten getöteten Angehörigen des Verteidigungsministeriums zum Staatsgeheimnis. Bei Verstößen drohen bis zu sieben Jahre Haft. Für Strafverfahren gegen Militärangehörige sind Militärgerichte zuständig, die seit 1999 formal in die zivile Gerichtsbarkeit eingegliedert sind. Freiheitsstrafen wegen Militärvergehen sind ebenso wie Freiheitsstrafen aufgrund anderer Delikte in Haftanstalten oder Arbeitskolonien zu verbüßen. Militärangehörige können jedoch auch zur Verbüßung von Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren in Strafbataillone, die in der Regel zu Schwerstarbeit eingesetzt werden, abkommandiert werden (AA 24.1.2017).

Es gibt in Russland verschiedene Möglichkeiten, sich dem Wehrdienst zu entziehen. Ein Großteil der Wehrpflichtigen macht von den Regelungen zur Aufschiebung des Wehrdienstes Gebrauch, die in der Praxis oftmals zu einer Annullierung der Wehrpflicht führen. Wehrpflichtige machen häufig von illegalen Praktiken (meist in Form von Zahlung von Bestechungsgeldern an Ärzte) Gebrauch, um sich von der Wehrpflicht zu befreien. Es kommt auch vor, dass sich Wehrpflichtige auf ihr Hochschulstudium berufen, um eine Aufschiebung des Wehrdienstes zu erlangen. Es ist auch möglich, mittels Zahlung von Bestechungsgeldern an gefälschte Dokumente zu kommen, aus denen hervorgeht, dass der Wehrpflichtige die Voraussetzungen für einen Aufschub oder eine Befreiung vom Wehrdienst erfüllt. Laut Verfassung der Russischen Föderation hat jeder Bürger, bei dem Gewissensgründe gegen eine Ableistung des Wehrdienstes vorliegen würden, das Recht auf einen Ersatzdienst von 21 Monaten. Jeder, der für einen Zivildienst in Betracht gezogen werden wolle, müsse dies mindestens sechs Monate vor Dienstantrittsdatum der zuständigen örtlichen Einberufungskommission mitteilen. Diese trifft die Entscheidung darüber, ob dem Antrag auf einen Zivildienst stattgegeben wird. Ein solcher Antrag könne abgewiesen werden, wenn die Kommission zum Schluss kommt, dass keine angemessenen Gewissensgründe vorliegen würden. Weitere Gründe für eine Ablehnung eines Antrags sind die Nichtbeachtung der Frist für die Einreichung des Antrags auf einen Zivildienst, das Vorlegen falscher bzw. gefälschter Dokumente beim Antrag oder das zweimalige Ignorieren einer Aufforderung, bei der Einberufungskommission vorstellig zu werden. Gegen die Abweisung eines Antrags kann gerichtlich Berufung eingelegt werden. Weniger als ein Tausendstel aller Wehrpflichtigen würden von der Möglichkeit Gebrauch machen, um einen Zivildienst anzusuchen (ACCORD 12.11.2014).

Auch in der russischen Armee gibt es regelmäßig Vorwürfe wegen der Misshandlung oder Folter von Rekruten. Das Verteidigungsministerium kooperiert mit dem Menschenrechts-Ombudsmann und mit relevanten NGOs, um dies zu verbessern. In den vergangenen Jahren konnten gewisse Fortschritte erzielt werden. So sank laut einem Bericht der Generalstaatsanwaltschaft im Jahr 2014 die Anzahl der gemeldeten Übergriffe von Armeeangehörigen gegenüber Untergebenen um 15%. NGOs wie das "Komitee der Soldatenmütter" betonen, dass trotz gewisser Fortschritte mehr Anstrengungen, insbesondere bei der Verurteilung von Schuldigen sowie bei der Prävention, notwendig seien (ÖB Moskau 12.2016).

Das Verteidigungskomitee der Staatsduma hat Abänderungen des Gesetzes über den Militärdienst zugestimmt. Die vom Verteidigungsministerium vorgeschlagenen Änderungen werden es dem Militärpersonal ermöglichen, Dienstverträge mit der russischen Armee für eine Zeitspanne von sechs Monaten bis zu einem Jahr einzugehen. Bis jetzt war die kürzeste Zeitspanne eines Vertrages drei Jahre. Diese Verträge sollen nicht nur mit Reservisten eingegangen werden können, sondern auch mit Wehrpflichtigen, die einen Monat vor Beendigung ihres Dienstes stehen. Laut Gesetzesentwurf gelten diese Kurzzeitverträge nur bei außergewöhnlichen Umständen wie Naturkatastrophen oder Notfällen, wenn zusätzliche Kräfte notwendig sind, um die konstitutionelle Ordnung wieder herzustellen oder den Frieden im Ausland zu erhalten oder wieder herzustellen. In der Erklärung zum Gesetz steht ausdrücklich, dass diese Kurzzeitverträge das durch die veränderte militärisch-politische Situation und durch die verstärkten Aktivitäten von internationalen Terroristen und extremistischen Organisationen entstandene Problem zu lösen. Es geht darum, Einheiten abseits des Standards zu schaffen, die schnell bewaffnet werden können. Die Einführung solcher Einheiten durch das Verteidigungsministerium scheint ein Versuch zu sein, jenen russischen Staatsbürgern, die schon in Syrien und vorher in der Ukraine kämpften, einen legalen Status zu verleihen. Diese Personen werden durch Mittelsmänner angeheuert, um Kampffunktionen auszuüben, jedoch sind ihre Kampfaktivitäten nicht durch momentanes russisches Recht abgedeckt. Es wird auch davon ausgegangen, dass durch diese Kurzzeitverträge der Mangel an Personal im russischen Militär ausgeglichen werden soll. Die russischen Behörden haben wiederholt versprochen, keine Wehrpflichtigen zu Kampfeinsätzen ins Ausland zu schicken. Wohingegen sich die Regierung scheinbar weniger verantwortlich für die Leben seiner Vertragssoldaten fühlt, die ja freiwillig das Leben eines Soldaten gewählt haben. Es scheint also, dass Russland nicht mehr die Verbesserung der Qualität ihres militärischen Personals den Vorrang einräumt, sondern dass einfach die Anzahl an Männern-unter-Waffen, die in den Kampf geschickt werden können, wichtig ist (Jamestown Foundation 9.11.2016).

Quellen:

Das 6. Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe ist noch nicht ratifiziert. Das russische Verfassungsgericht hat jedoch das Moratorium über die Todesstrafe am 19.11.2009 bis zur Ratifikation des Protokolls verlängert, so dass die Todesstrafe de facto abgeschafft ist (ÖB Moskau 10.2015, vgl. GIZ 4.2016a).

Quellen:

GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2015a): Russland, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/rus s land/ges chichte -s taat/#c17900, Zugriff 25.5.2016

ÖB Moskau (10.2015): Asylländerbericht Russische Föderation

Russland ist ein multinationaler Staat, in dem Vertreter von mehr als hundert Völkern leben. Neben den Russen, die mit 79,8 % die Mehrheit der Bevölkerung stellen, leben noch mehr als hundert andere Völker auf dem Gebiet des Landes. Größere Minderheiten sind die Tataren (4,0 %), die Ukrainer (2,2 %), die Armenier (1,9 %), die Tschuwaschen (1,5 %), die Baschkiren (1,4 %), die Tschetschenen (0,9 %), die Deutschen (0,8 %), die Weißrussen und Mordwinen (je 0,6 %), Burjaten (0,3 %) und andere. Vielfach ist die Verflechtung zwischen den nichtrussischen und russischen Bevölkerungsteilen durch Mischehen und interethnische Kommunikation recht hoch, ebenso der Russifizierungsgrad der nichtrussischen Bevölkerungsteile. Nur wenige nationale Gebietseinheiten, wie Tschetschenien, Dagestan, Tschuwaschien und Tuwa, sind stärker vom namensgebenden Ethnos geprägt (GIZ 3.2016c).

Die Verfassung garantiert gleiche Rechte und Freiheiten unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität, Sprache und Herkunft. Entsprechend bemüht sich die Zentralregierung zumindest in programmatischen Äußerungen um eine ausgleichende Nationalitäten- und Minderheitenpolitik, inklusive der Förderung von Minderheitensprachen im Bildungssystem. Fremdenfeindliche und rassistische Ressentiments sind in der Bevölkerung und in den Behörden weit verbreitet. Sie richten sich insbesondere gegen Kaukasier und Zentralasiaten. Wiederkehrende Medienberichte zu Übergriffen zeigen, dass Ressentiments in Gewalt umschlagen können. Die Menschenrechtsorganisation SOVA verzeichnete für das Jahr 2014 einen Rückgang der offiziell bekannt gewordenen Gewaltverbrechen gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen. Waren 2013 noch 235 Verbrechen unter Anwendung von Gewalt gegen Minderheiten gemeldet worden, wurden 2014 164 solche Taten verzeichnet. Über 20% der Anzeigen auf dem Moskauer Wohnungsmarkt richten sich explizit nur an "Russen" oder "Slawen" (AA 5.1.2016).

Im Nordkaukasus ist die ethnische, kulturelle und sprachliche Vielfalt beeindruckend groß. Deshalb, sowie hinsichtlich der räumlichen Gliederung und der politischen, kulturellen und religiösen Geschichte seiner Volksgruppen stellt der Nordkaukasus die ethnisch am stärksten differenzierte Region der Russischen Föderation dar. Gerne wird sie als

"ethnischer Flickenteppich" bezeichnet (Rüdisser 11.2012). Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (5.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2016c): Russland, Gesellschaft, http://liportal.giz.de/rus s land/gesellschaft/, Zugriff 7.4.2016

Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds

Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern das in der Verfassung verankerte Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Jedoch wird der legale Zuzug an vielen Orten durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert. Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen, nach dem Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort und ihren Wohnsitz melden müssen. Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses und nachweisbarer Wohnraum. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen. Kaukasier haben jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden. Es ist grundsätzlich möglich, von und nach Tschetschenien ein- und auszureisen und sich innerhalb der Republik zu bewegen. An den Grenzen zu den russischen Nachbarrepubliken befinden sich jedoch nach wie vor Kontrollposten, die gewöhnlich eine nicht staatlich festgelegte "Ein- bzw. Ausreisegebühr" erheben (AA 5.1.2016, vgl. US DOS 13.4.2016, FH 27.1.2016).

Personen, die innerhalb des Landes reisen, müssen ihre Inlandspässe zeigen, wenn sie Tickets kaufen wollen für Reisen via Luft, Schienen, Wasser und Straßen (US DOS 13.4.2016).

Bei der Einreise werden die international üblichen Pass - und Zollkontrollen durchgeführt. Personen ohne reguläre Ausweisdokumente wird in aller Regel die Einreise verweigert. Russische Staatsangehörige können grundsätzlich nicht ohne Vorlage eines russischen Reisepasses wieder in die Russische Föderation einreisen. Russische S taatsangehörige, die kein gültiges Personaldokument vorweisen können, müssen eine administrative Strafe zahlen, erhalten ein vorläufiges Personaldokument und müssen bei dem für sie zuständigen Meldeamt die Ausstellung eines neuen Inlandspasses beantragen. Der Inlandspass ermöglicht die Abholung der Pension vom Postamt, die Arbeitsaufnahme, die Eröffnung eines Bankkontos, aber auch den Kauf von Bahn - und Flugtickets (AA 5.1.2016).

Nach Angaben des Leiters der Pass - und Visa-Abteilung im tschetschenischen Innenministerium haben alle 770.000 Bewohner Tschetscheniens, die noch die alten sowjetischen Inlandspässe hatten, neue russische Inlandspässe erhalten (AA 5.1.2016).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (5.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/320151/459381_de.html , Zugriff 25.5.2016

U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices for 2015 - Russia,

http://www.ecoi.net/local_link/322455/461932_de.html , Zugriff 25.5.2016

Eine dauerhafte Registrierung wird durch einen Stempel im Inlandspass vermerkt, eine temporäre Registrierung durch einen in den Inlandspass eingelegten Zettel. Für einen Aufenthalt bis zu 90 Tage ist keine Registrierung verpflichtend, jedoch kann es notwendig werden bei einer Dokumentenkontrolle nachzuweisen, dass man sich noch nicht länger als 90 Tage in dem Gebiet aufhält, beispielsweise durch Vorweisen der Busfahrkarte. Wenn jemand ausreist um im Ausland zu leben, so wird dies registriert und in seinem Reisepass vermerkt. Umgangssprachlich wird die Registrierung nach wie vor so genannt, wie das Meldesystem zu Sowjetzeiten: "Propiska" (Russisch: ?????¿ ???). Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses und ein nachweisbarer Wohnraum (ggf. Bescheinigung des Vermieters).

Eine Arbeitsstelle oder Einkommen müssen nicht nachgewiesen werden. Die Registrierung und damit einhergehende Aufgaben fallen in den Zuständigkeitsbereich des Föderalen Migrationsdienstes (FMS), seiner territorialen Behörden (UFMS) und weiterer Behörden für innere Angelegenheiten. 2010 kam es zu einer Vereinfachung des Registrierungsprozesses, insbesondere für temporäre Registrierungen. Für eine solche muss man nunmehr lediglich einen Brief an die lokale Stelle des FMS, also den jeweiligen UFMS, schicken, in dem die vorübergehende Adresse angegeben wird. Man muss nicht mehr persönlich beim UFMS erscheinen. Eine Registrierung ist wie ausgeführt für einen legalen Aufenthalt in der Russischen Föderation unabdingbar. Diese ermöglicht außerdem den Zugang zu Sozialhilfe und staatlich geförderten Wohnungen, zum kostenlosen Gesundheitssystem, sowie zum legalen Arbeitsmarkt. Beim FMS in Moskau wurde bestätigt, dass alle Staatsbürger der Russischen Föderation, auch Rückkehrer, am Aufenthaltsort registriert werden. Gesetzlich ist vorgesehen, dass die Registrierung ab Einlangen der Unterlagen bei der zuständigen Behörde drei Tage dauert. Staatsbürger können bei Verwandten unterkommen oder selbstständig einen Wohnraum organisieren. Die föderal -gesetzlichen Regeln für die Registrierung gelten in der gesamten Russischen Föderation einheitlich, werden jedoch regional unterschiedlich angewendet. Korruption soll auch im Bereich der Registrierung in nicht unbeträchtlichem Ausmaß vorkommen, insbesondere in der Hauptstadt Moskau (BAA 12 .2011, vgl. AA 5.1.2016).

Laut einer westlichen Botschaft ist eine Registrierung für alle Personen in Moskau und St. Petersburg im Vergleich zu anderen russischen Städten am schwierigsten zu erlangen. Auch die Korruptionszahlungen sind in Moskau höher. Ebenso ist es in Moskau schwieriger, eine Wohnung zu mieten, die Mieten sind zudem hoch. Auch UNHCR geht davon aus, dass die Registrierung in Moskau für jeden schwierig ist, nicht nur für Tschetschenen. In Mietanzeigen werden Zimmer oft nur für Slawen angeboten. Gemäß einer Vertreterin des House of Peace and Non -Violence ist es für Tschetschenen leichter, in kleineren Orten als Moskau und St. Petersburg zu leben, jedoch ist es in großen Städten leichter, unterzutauchen. Personen, die Kadyrow fürchten, würden ihren Aufenthalt nicht registrieren lassen. Auch in St. Petersburg werden in Mietanzeigen Wohnungen oft nur für Russen angeboten. Tschetschenen nutzen aber ihre Netzwerke, um Wohnungen zu finden. Einer internationalen Organisation zufolge i st es für jemanden, der einen Machtmissbrauch von lokalen Behörden in einem Föderationssubjekt fürchtet schwierig, einen sicheren Ort in einer anderen Region in Russland zu finden. Ist die Person registriert, ist es für die Behörden leichter, sie zu finden. Laut einem Vertreter des Committee Against Torture sind tschetschenische Familien, die in andere Regionen Russlands kommen, nicht automatisch schweren Rechtsverletzungen ausgesetzt. Öffentlich Bedienstete haben kein Recht, einem Tschetschenen die Registrierung zu verweigern, weshalb im Endeffekt jeder registriert wird. Tschetschenen könnten Diskriminierung durch die Behörden ausgesetzt sein, nicht aber Gewalt. Laut einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence und einer westlichen Botschaft zufolge könnten aber temporäre Registrierungen nur für drei Monate anstatt für ein Jahr ausgestellt werden, weshalb dann die betroffene Person öfter zum Amt kommen muss. Memorial geht davon aus, dass der FMS die Polizei über die Registrierung eines Tschetschenen informieren muss. Zudem verheimlichen Tschetschenen oft ihre Volksgruppenzugehörigkeit, da Annoncen Zimmer oft nur für Russen und Slawen anbieten. Mehrere Quellen gaben an, dass im Zuge der Registrierung vermutlich Bestechungsgeld zu zahlen ist. Es kann vorkommen, dass Personen aus dem Nordkaukasus eine höhere Summe zu zahlen angehalten werden (DIS 8.2012). Im aktuellen FFM Bericht des Danish Immigration Service vom Jänner 2015 wird berichtet, dass es keine größeren Änderungen in Bezug auf die Registrierung gibt. Es gibt eine Neuheit, nämlich dass eine Person in dem Apartment wohnen muss, wo sie registriert ist. Wenn die Person woanders wohnt, könnte der/die Eigentümer/in bestraft werden. Aufgrund dessen könnte es schwieriger sein, den Wohnort zu registrieren. Einige Vermieter möchten auch keine Mieter registrieren, da sie Steuerabgaben vermeiden wollen (DIS 1.2015).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (5.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation BAA Staatendokumentation (12.2011): Forschungsaufenthalt der Staatendokumentation. Bericht zum Forschungsaufenthalt Russische Föderation - Republik Tschetschenien

DIS - Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1423480989_2015 -01-dis -chechnya-fact-finding-m is s ion-

report.pdf, Zugriff 25.5.2016

DIS - Danish Immigration Office (8.2012): Chechens in the Russian Federation - residence registration, racially motivated violence and fabricated criminal cases, https ://www.nyidanm ark.dk/NR/rdonlyres /01750EB0 -C5B1-425C- 90A7-3CE3B580EEAA/0/chechens _in_the_rus s ian_federation.pdf, Zugriff 25.5.2016

Was die Anzahl von Tschetschenen im Rest des Landes anbelangt, ist es aufgrund der öffentliche n Datenlage schwierig, verlässliche Aussagen zu treffen. Laut Volkszählung 2010 lebten etwa in Moskau ca. 14.500 Tschetschenen (von insgesamt 1.4 Mio landesweit). Es ist anzunehmen, dass die tatsächliche Zahl größer ist, insb. wenn man sie mit den Angaben über andere, kleinere Nationalitäten vergleicht (ca. 11.400 Osseten, über 17.000 Mordwinen). Dabei ist auch zu bedenken, dass laut der Statistik fast 700.000 Personen keine Angaben über ihre nationale Zugehörigkeit machten. In den meisten Regionen Russlands lag die Anzahl der Tschetschenen bei der Volkszählung 2010 bei einigen Hundert, größere Gemeinschaften gab es in Dagestan (ca. 93.600), in Inguschetien (ca. 18.700), sowie in den südlichen Regionen Astrachan (ca. 7.200), Wolgograd (fast 10.000), Rostow (ca. 11.500), Stawropol (ca. 12.000), Saratow (ca. 5.700) und im westsibirischen Tjumen (ca. 10.500) (ÖB Moskau 10.2015).

Gemäß Einschätzung verschiedener NGOs greifen Strafverfolgungsbehörden oft auf ein ethnisches "Profiling" zurück. Dieses richte sich besonders gegen Personen aus dem Kaukasus und Zentralasien. Nach Angaben von Swetlana Gannuschkina beschuldigen russische Behörden Personen aus dem Nordkaukasus oft willkürlich für Straftaten, die sie nicht begangen, die sich aber tatsächlich ereignet hätten. Die Ermittler würden eine Straftat so darstellen, dass die Mitschuld der betroffenen Person aus dem Nordkaukasus als erwiesen erscheine. Nach Angaben von Gannuschkina würden dabei auch Geständnisse mittels Folter (Schläge, Elektroschocks, Vergewaltigung oder die Androhung von Vergewaltigung) erpresst. Staatsanwälte unterstützten in der Regel diese Untersuchungen. Die Gerichte würden die Mängel der Untersuchung ignorieren und oft eine unbedingte Strafe verhängen. Laut Gannuschkina versuchen Polizeivertreter, die Zahl von aus dem Nordkaukasus stammenden Personen in ihren jeweiligen Zuständigkeitsgebieten zu verringern. Die polizeilichen Führungskräfte würden diese Maßnahmen unterstützen. Nach Angaben einer westlichen Botschaft in Moskau aus dem Jahr 2012 kommen fingierte Strafverfahren vor, jedoch nicht in systematischer Weise. Es gebe Berichte, dass insbesondere junge muslimische Personen aus dem Nordkaukasus Opfer solcher Praktiken werden können. Auch die norwegische Landinfo kommt im März 2014 zum Schluss, dass es weiterhin fingierte Strafverfahren gegen Personen aus dem Nordkaukasus und Tschetschenien gebe (SFH 25.7.2014).

Menschenrechtsorganisationen berichten glaubhaft, dass Personen kaukasischer oder zentralasiatischer Herkunft von den Behörden häufig benachteiligt werden. Zu den in jüngerer Zeit bekannt gewordenen Schikanen gehören:

Die tschetschenische Diaspora in allen russischen Großstädten ist in den letzten Jahren stark angewachsen (200.000 Tschetschenen sollen allein in Moskau leben) (AA 5.1.2016).

Laut UNHCR in Moskau gibt es in der gesamten Russischen Föderation tschetschenische Communities. Die größten befinden sich in Moskau, der Region Moskau und in St. Petersburg. Hauptsächlich arbeiten Tschetschenen im Baugewerbe und im Taxibusiness. In der Region Wolgograd leben ca. 20.000 Tschetschenen. Einige von ihnen leben dort schon seit 30 Jahren. Viele flohen aus Tschetschenien während der beiden Kriege. Mittlerweile sind die Zahlen von ankommenden Tschetschenen geringer geworden. 2013 kamen weniger als 500 Tschetschenen in die Region. Die meisten Tschetschenen verlassen die Republik aufgrund der sehr bescheidenen sozio-ökonomischen Aussichten in ihrer Heimatrepublik. Laut Memorial Wolgograd gibt es keine Beschwerden von Tschetschenen in der Region aufgrund von Rassismus oder Diskriminierung. Tschetschenen haben denselben Zugang zum Gesundheits - und Bildungssystem wie alle anderen russischen Staatsbürger. Heutzutage kommen Tschetschenen hauptsächlich zum Zwecke eines Studiums nach Wolgograd. Mittlerweile sind die Lebensbedingungen in Wolgograd nicht so gut wie in Tschetschenien. Dies liegt an den föderalen Fördermittel, die Tschetschenien erhält. Die Bevölkerung in Wolgograd sinkt, während jene in Tschetschenien steigt (DIS 1.2015).

Beträchtliche tschetschenische Gemeinschaften gibt es auch in den Städten und Regionen im südlichen Russland, darunter in Wolgograd, Saratov, Samara und Astrachan. Von den rund 100.000 Tschetschenen, die 1996 nach Moskau flohen, halten sich heutzutage noch rund 25.000 in der Region Moskau auf. Diese haben dort eine dauerhafte Registrierung. Zusätzlich lebt eine große Gruppe von Tschetschenen in Moskau und der Region Moskau, die nicht registriert ist, oder nur vorübergehend registriert ist. Ein großer Anteil de r außerhalb Tschetscheniens lebenden Tschetschenen hätte keine Registrierung und arbeitet im Handel, auf Märkten und in Cafes. Gemäß einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence umfasst die tschetschenische Gemeinde in der Region St. Petersburg 20 .000 bis

30.000 Personen. Viele würden auch zu Besuchen oder um Schulen oder Universitäten zu besuchen nach St. Petersburg kommen. Obwohl Rassismus gegenüber Kaukasiern in St. Petersburg vorkomme, ist dieser "nicht unerträglich". Ein ethnischer Tschetschene in St. Petersburg schätzte die Anzahl der Tschetschenen in St. Petersburg selbst auf 13.000. Ein anderer Tschetschene in Moskau gab an, dass die sozioökonomische Lage in Moskau zwar besser sei als in Tschetschenien, aber dass viele Tschetschenen es dennoch schwer hätten, Arbeit zu finden. Einem Vertreter einer NGO zufolge könnte es für einen Tschetschenen schwer sein, in einen anderen Teil der Russischen Föderation zu ziehen, wenn man dort keinerlei Verwandte hat. Jedoch gibt es Tschetschenen in fast alle n Regionen Russlands. Das Bestehen einer tschetschenischen Gemeinschaft in einer Region kann Neuankömmlingen zur Unterstützung oder zum Schutz gereichen, es sei denn, es handelt sich um einen Clan -Konflikt. Laut SOVA leben viele Tschetschenen in der Region Stavropol, es gibt viele tschetschenische Studenten an der Universität der Stadt Stavropol. Dies führte bereits zu kleineren Spannungen im Süden der Region. Betreffend rassistisch motivierter Gewalt gibt es keine allein Tschetschenen betreffenden Daten, Tschetschenen gehören hier zur Gruppe der Kaukasier. Es gibt keine Hinweise, dass Tschetschenen mehr als andere ethnische Gruppen aus dem Kaukasus Hassverbrechen zum Opfer fallen. Untererfassung von Hassverbrechen ist gemäß SOVA ein Thema und dürfte im Steigen begriffen sein. Im Verlauf der letzten 10 Jahre konzentrierten sich ultranationalistische Banden bei rassistisch motivierter Gewalt immer mehr auf Zentralasiaten, nicht zuletzt weil sich Kaukasier dieser Gewalt zunehmend widersetzten. IOM bestätigte, dass die Grenze zwischen Tschetschenien und dem restliche Russland völlig offen ist. Zudem gab IOM an, dass es in Russland einen politischen Willen zur Bekämpfung von Hassverbrechen, Diskriminierung und Korruption zu geben scheint. Einer westlichen Botschaft zufolge schenken Strafgerichte heutzutage Hassverbrechen mehr Aufmerksamkeit. Swetlana Gannuschkina und Oleg Orlov (Memorial) gehen davon aus, dass Tschetschenen in andere Regionen Russlands ziehen können, und einige tun dies auch. Ist eine Person nicht offenkundig kritisch gegenüber Kadyrow, so kann diese überall in der Russischen Föderation leben, ohne Angst haben zu müssen getötet oder in die Republik Tschetschenien zurückgeschickt zu werden. Wird eine Person aber tatsächlich von Kadyrow gesucht, so könnte jener die Person überall in der Welt, auch in Kopenhagen, Wien, Dubai oder Moskau finden. Laut einem Anwalt von Memorial könnten Personen in Verbindung mit Oppositionsführern mit hohem Bekanntheitsgrad, aktive Rebellenkämpfer oder bekannte und tatverdächtige Terroristen der Bedrohung einer Entführung oder Tötung durch tschetschenische Behörden ausgesetzt sein. Ein Vertreter der Chechen Social and Cultural Association betrachtet es als unmöglich für die tschetschenischen Behörden, einen low-profile-Unterstützer der Rebellen in anderen Teilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zu finden (DIS 11.10.2011).

Im Mai/Juni 2012 schätzte eine westliche Botschaft die Anzahl der Tschetschenen in Moskau auf Hunderttausende. Außerhalb Tschetscheniens leben die meisten Tschetschenen in Moskau und der Region Stawropol, eine größere Anzahl an Tschetschenen kann in St. Petersburg, Jaroslawl, Wolgograd und Astrachan gefunden werden. SK -Strategy schätzt die Zahl der in Moskau lebenden Tschetschenen auf 100 .000 bis 200.000, rund 70.000 Tschetschenen seien in Moskau registriert, rund 50.000 in Jaroslawl. Die NGO Vainakh Congress schätzt die Zahl der Tschetschenen in der Region St. Petersburg auf 20.000 bis 30.000. Eine zunehmende Anzahl von jungen Kaukasiern studiert an Universitäten in Moskau, diese würden ihre ethnische Zugehörigkeit und Kultur offen zur Schau stellen; gelegentlich käme es zu (auch physischen) Auseinandersetzungen. Einer internationalen Organisation zufolge sind Moskau und St. Petersburg nicht mit anderen Städten Russlands vergleichbar, da dort die Menschen mehr Vorurteile gegenüber Migranten haben. Nicht nur Tschetschenen sind in den großen Städten Diskriminierung ausgesetzt. Die internationale Organisation geht jedoch nicht davon aus, dass im Allgemeinen diese Diskriminierung eine Verfolgung darstellt. Laut einem Vertreter des Committee Against Torture ist Diskriminierung von Tschetschenen durch Behörden (etwa Polizisten) nicht auf einen Erlass oder Befehl der Regierung zurückzuführen, sondern auf persönliche Vorurteile und das Misstrauen einzelner (DIS 8.2012).

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die tschetschenischen Behörden Unterstützer und Familienmitglieder einzelner Kämpfer auf dem gesamten Territorium der Russischen Föderation suchen und/oder finden würden, was aber bei einzelnen bekannten oder hochrangigen Kämpfern sehr wohl der Fall sein kann (BAA Staatendokumentation 20.4.2011).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (5.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation BAA Staatendokumentation (20.4.2011): Analyse der Staatendokumentation - Russische Föderation - Unterstützer und Familienmitglieder (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer in Tschetschenien

DIS - Danish Immigration Service (11.10.2011): Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, http://www.nyidanm ark.dk/NR/rdonlyres /6EC0730B -9F8E-436F-B44F-

A21BE67BDF2B/0/Chechens intheRus s ianFederationFINAL.pdf, Zugriff 25.5.2016

DIS - Danish Immigration Service (8.2012): Chechens in the Russian Federation - residence registration, racially motivated violence and fabricated criminal cases, http://www.nyidanm ark.dk/NR/rdonlyres /01750EB0-C5B1-425C-90A7- 3CE3B580EEAA/0/chechens _in_the_rus s ian_federation.pdf, Zugriff 25.5.2016

DIS - Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1423480989_2015 -01-dis -chechnya-fact-finding-m is s ion-

report.pdf, Zugriff 25.5.2016

ÖB Moskau (10.2015): Asylländerbericht Russische Föderation

SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (25.7.2014): Russland:

Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger außerhalb Dagestans, http://www.fluechtlings hilfe.ch/as s ets /herkunfts laender/europa/rus s land/rus s land -verfolgung-von-verwandten-

dages tanis cher-terrorverdaechtiger-aus s erhalb-dages tans .pdf, Zugriff 25.5.2016 Grundversorgung/Wirtschaft

Im August 2015 betrug die Zahl der Erwerbstätigen in Russland 75,9 Millionen, somit ungefähr 53 % der Gesamtbevölkerung. Die Arbeitslosenrate liegt bei 5,3%. Der Durchschnittslohn im Juni 2015 lag bei 31.100 RUB (EUR 425) (IOM 8.2015).

Die hohen internationalen Energiepreise sorgten 2012 für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum. Die Industrieproduktion stieg, allerdings lag der Zuwachs unter den Vorjahreswerten. Die Arbeitslosenrate sank zwischen 2010 und 2012 von 7,2% auf 5,4% und die Durchschnittslöhne lagen 2011 und 2012 deutlich höher als vor der Finanzkrise 2008/9. Während 2012 für Russland insgesamt also zufriedenstellend verlief, war 2013 wegen der Konjunkturschwäche im Euro -Raum und der weltweit gesunkenen Rohstoffpreise schwach. Nach einem Plus von 3,4% im Jahr 2012, kam es für 2013 nur noch zu einem leichten Wachstum von 1,3%. Das Land ist in eine Phase anhaltender wirtschaftlicher Stagnation getreten. Gleichzeitig stieg Russland im Ranking von "Doing Business" von Platz 112 in 2012 über Platz 92 in 2013 und Platz 64 in 2014 auf Platz 51 in 2016. Die Staatsverschuldung in Russland ist mit rund zehn Prozent des BIP weiterhin vergleichsweise moderat. Sowohl hohe Gold- und Währungsreserven als auch die beiden durch Rohstoffeinnahmen gespeisten staatlichen Reservefonds stellen eine Absicherung des Landes dar. Strukturdefizite, Finanzierungsprobleme und Handelseinschränkungen durch Sanktionen seitens der USA, Kanadas, Japans und der EU bremsten das Wirtschaftswachstum. Insbesondere die rückläufigen Investitionen und die Fokussierung staatlicher Finanzhilfen auf prioritäre Bereiche verstärken diesen Trend. Das komplizierte geopolitische Umfeld und die Neuausrichtung der Industrieförderung führen dazu, dass Projekte vorerst verschoben werden. Wirtschaftlich nähert sich Russland der VR China an. Im Index of Economic Freedom nimmt Russland 2016 den 153. Platz unter 178 Ländern ein. Das schlechte Investitionsklima schlägt sich in einer niedrigen Rate ausländischer Investitionen nieder. Bürokratie, Korruption und Rechtsunsicherheit bremsen die wirtschaftliche Entwicklung aus. Seit Anfang 2014 hat die Landeswährung mehr als ein Drittel ihres Wertes im Vergleich zum Euro verloren, was unter anderem an den westlichen Sanktionen wegen der Ukraine-Krise und dem fallenden Ölpreis liegt. Durch den Währungsverfall sind die Preise für Verbraucher erheblich gestiegen, die Inflationsrate betrug Ende 2015 ca. 15%. 2015 gerät die russische Wirtschaft in eine schwere Rezession. Nach dem BIP-Rückgang um 3,7% 2015 prognostiziert die russische Zentralbank für 2016 einen weiteren BIP -Rückgang um 1,0%. (GIZ 4.2016b).

Quellen:

GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2016b): Russland, Wirtschaft und Entwicklung, http://liportal.giz.de/rus s land/wirts chaft-entwicklung/#c17548, 24.5.2016

IOM - International Organisation of Migration (8.2015):

Länderinformationsblatt Russische Föderation

Der russische Erdölsektor beschäftigt heute rund eine Million Menschen. Schätzungen zufolge sind einige Hunderttausend Männer und Frauen in der Öl- und Gasindustrie auf dem Vormarsch, um Beschäftigung zu finden. Produktion und Baugewerbe der Öl- und Gasindustrie haben unterschiedliche Beschäftigungsbedingungen. Während die Produktion stationär ist und eine relativ langfristige Arbeit während einer Produktionsperiode bietet, ist das Baugewerbe kurzfristig und je nach Standort der Baustelle variabel. Die Baubranche arbeitet heute überwiegend mit kurzfristigen Verträgen. Sie bieten Verträge für die Dauer eines Projektes an, also nur für wenige Schichten oder eine Saison. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen in dieser Branche umfassen u. a. Zuschläge für Schichtarbeit im russischen Norden, Höchstarbeitszeit, Pausen und Schichtdauer. LDC [Long-Distance Commute Work: Fernpendelarbeit] ist eine eigene Kategorie im Arbeitsgesetz und unterscheidet sich z. B. von Saisonarbeit oder Dienstreisen. Doch gerade seit der Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008 versuchen viele Unternehmen, ihre Arbeitnehmer nicht als LDC, sondern unter anderen Klassifizierungen zu beschäftigen, die die gesetzliche Pflicht zur Zahlung von Zuschlägen für Schichtarbeit vermeiden. Die Beschäftigten in großen Unternehmen, vor allem im produzierenden Gewerbe, aber auch in einigen großen Baukonzernen, erhalten in der Regel nicht nur langfristige LDC-Verträge, sondern auch höhere Gehälter, die mit den Gewerkschaften ausgehandelt werden. Weitere Sonderleistungen sind subventionierte Auslandsferien oder typischerweise am Schwarzen Meer, betriebliche Altersversorgung, Stipendienprogramme für die Kinder der Mitarbeiter, soziale Unterstützung bei Verletzungen oder Todesfällen sowie subventionierte Wohnbaudarlehen. Der Wettbewerb um den Zugang zu solchen Unternehmen ist daher hoch.

Neben Novatek und Rosneft ist Gazprom das größte Gasunternehmen in der Welt hat sich auf geologische Erforschung, Produktion, Übertragung, Speicherung, Verarbeitung und Marketing von Gas und anderen Kohlenwasserstoffen konzentriert. 50 % des Anteils der Gazprom gehören der russischen Regierung. Das Unternehmen hält den Spitzenplatz in der Welt als die gewinnbringendste Aktiengesellschaft mit dem erwarteten Jahresertrag, der sich auf $

37.3 Milliarden beläuft. Russland hat zudem einige der weltgrößten Mineralreserven in der Welt. Neben Erzen wie Platin, Gold- und Eisenerz ist Russland ist auch der größte Erzeuger von Diamanten und Palladium. Es ist die zweitgrößte Industrie des Landes nach Öl und Gas. Aber im Gegensatz zu den staatlichen Öl und Gaskonzernen, ist Russlands Bergbau größtenteils in Privatbesitz. Die Regierung des Oblastes Sachalin hat bezogen auf das Bundesgesetz ? 210-FS mit Verordnung vom 14.09.2012 Nr. 1289 zahlreiche Begünstigungen im Rahmen des langfristigen Vorhabenprogramms " Freiwillige Übersiedlung in das Gebiet Sachalin" auf 2013 -2020 Jahre" festgelegt. Diese Verordnung trat, am 11. September 2013 in Kraft getreten und gilt auch für Angehörige ehemaliger Sowjetstaaten und Russen samt deren Familien, die im Ausland wohnen und zurückkehren möchten. Allen Interessenten wird Garantie bei der jeweils qualifizierten Arbeitsbeschaffung und Kompensation sämtlicher Unterkunftskosten wie bei der Integration und Förderung der weiteren Lebensbedürfnisse (vorrangiger und infrastrukturierter Dienstleistungsanspruch auf dem Bildungs- dem medizinischen Sektor oder anderer Sozialleistungen) geleistet. Betroffen davon ist nunmehr das ganze Gebiet Sachalin. Dieses Programm der Übersiedlung ist vor allem auf die qualifizierten Fachkräfte, die Unternehmer und junge Menschen ausgerichtet es genügt aber auch die Erfüllung der Anforderung von einwandfreien Sprachkenntnissen, des Vorhandenseins der Berufsausbildung und einer Berufserfahrung. In den drei Jahren seit 2010 existierte dieses Programm schon, galt aber nur für sieben Orte auf Sachalin. Daran haben 323 Menschen teilgenommen, 220 Teilnehmer und 103 Familienangehörige. Zuständig ist der UFMS Russlands für das Gebiet Sachalin. Hintergrund des Programms ist der massive Bedarf an Arbeitskräften zur Förderung der Bodenschätze (Öl, Gas, aber auch andere). Die Attraktivität der Zuwanderung nach Sachalin wird jener mit Moskau oder St. Petersburg angesichts der dort schon bestehenden gehobenen Infrastruktur gleichgesetzt gleichgesetzt

- Agentur für Arbeit und Zuzug in Sachalin:

http://agszn.admsakhalin.ru/page.php?id=143 ;

http://agszn.admsakhalin

ru/page.php?id=143,http://www.berlin-institut.org/fileadmin/user_upload/Russland/

Russland_d_online.pdf, Zugriff 15.09.2016)

-Trade Online, 21.03.2017 http://www.inves topedia.com /ins ights /4-bigges t-rus s ian-m ining-com panies /

-Russia-IC; http://rus s ia-ic.com /bus ines s _law/Rus s ian_com panies /562#.WafEt0_m Suk

-Laruelle, Márlaene [Hg.] (2017): New mobilities and social changes in Russia's Arctic regions, New York, Routledge.

Die nordkaukasischen Republiken ragen unter den Föderationssubjekten Russlands durch einen überdurchschnittlichen Grad der Verarmung und der Abhängigkeit vom föderalen Haushalt hervor. Die Haushalte Dagestans, Inguschetiens und Tschetscheniens werden zu über 80% von Moskau finanziert (GIZ 4.2016a).

Trotz der Versuche Moskaus, die sozioökonomische Situation im Nordkaukasus zu verbessern, ist die Region nach wie vor weitgehend von Transferzahlungen des föderalen Zentrums abhängig. Im Mai 2014 wurde ein neues Ministerium für die Angelegenheiten des Nordkaukasus geschaffen und der bevollmächtigte Vertreter des Präsidenten im Nordkaukasischen Föderalbezirk Alexander Chloponin, durch den früheren Oberbefehlshaber der Vereinigten Truppen des Innenministeriums im Nordkaukasus, Generalleutnant Sergej Melikov, ersetzt (ÖB Moskau 10.2015).

Der Kreml verfolgt seit einigen Jahren einen Ansatz, der auf regionale wirtschaftliche Entwicklung setzt und viele der Republiken im Nordkaukasus - allen voran Tschetschenien - haben durch zahlreiche Verwaltungs - und Finanzreformen heute mehr Unabhängigkeit als Anfang der 1990er Jahre jemals anzunehmen gewesen wäre. Auch der Tourismus soll in der landschaftlich attraktiven Region helfen, die Spirale aus Armut und Gewalt zu durchbrechen, wie insbesondere in der Entscheidung, die olympischen Winterspiele 2014 im unweit der Krisenregion gelegenen Sotschi auszutragen, deutlich wird. Zudem profitieren einige Teilrepubliken von Rohstoffvorkommen und so lassen sich auch einige sichtbare Zeichen von wirtschaftlichem Aufschwung und Wiederaufbau im Nordkaukasus ausmachen. Als beispielhaft dafür steht unter anderem die tschetschenische Hauptstadt Grosny, die nach ihrer fast völligen Zerstörung heute durchaus auflebt. Die schlechte Sicherheitslage und ein weit gestricktes Netzwerk aus Korruption, die zu einem wesentlichen Teil von den Geldern des russischen Zentralstaats lebt, blockieren aber eine umfassende und nachhaltige Entwicklung des Nordkaukasus. Das grundlegende Problem liegt in der russischen Strategie, den Konflikt durch die Übertragung der Verantwortung an lokale Machtpersonen mit zweifelhaftem Ruf zu entmilitarisieren. Deren Loyalität zu Moskau aber basiert fast ausschließlich auf erheblichen finanziellen Zuwendungen und dem Versprechen der russischen Behörden, angesichts massiver Verstrickungen in Strukturen organisierter Kriminalität beide Augen zuzudrücken. Ein wirksames Aufbrechen dieses Bereicherungssystems jedoch würde wiederum die relative Stabilität gefährden. Nachhaltige Entwicklungsfortschritte bleiben deshalb bislang weitgehend aus und insbesondere die hohe regionale Arbeitslosigkeit bildet einen Nährboden für neue Radikalisierung. Um dem zu begegnen und den islamistischen Militanten den ideologischen Nährboden zu entziehen, hat die russische Regierung Initiativen in Medien gestartet und in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden Programme zur De-Radikalisierung und zum interkulturellen Dialog entwickelt. Der langfristige Erfolg solcher Maßnahmen bleibt dabei abzuwarten, in jedem Fall aber wird seitens Moskau versucht dem Nordkaukasus eine Perspektive zu schaffen (Zenithonline 10.2.2014).

Quellen:

GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2015a): Russland, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/rus s land/ges chichte -s taat/#c17900, Zugriff 25.5.2016

ÖB Moskau (10.2015): Asylländerbericht Russische Föderation

Zenithonline (10.2.2014): Speznaz, Spiele und Korruption, http://www.zenithonline.de/deuts ch/politik/a/artikel/s peznaz- s piele-und-korruption-004017/, Zugriff 25.5.2016

Die wirtschaftliche Situation in Tschetschenien hat sich aufgrund massiver Transferzahlungen aus dem föderalen Budget in den letzten Jahren stabilisiert. Laut der Zeitung RBK Daily wurden seit 2001 rund 464 Mrd. Rubel (ca. 14 Mrd. USD) in den Wiederaufbau der Republik investiert. Obwohl die föderalen Zielprogramme für die Region mittlerweile ausgelaufen sind, bestehen noch immer über 85% des Budgets der Republik aus Direktzahlungen aus Moskau. Offiziell vermeldete Tschetschenien 2014 ein Wachstum von 7.8%, eine Steigerung von über 23% der Industrieproduktion sowie eine Erhöhung der Landwirtschaftsproduktion von 2.2%. Die Arbeitslosenquote betrug laut offiziellen Statistiken der Republik in der 1. Hälfte 2015 rund 15.2%, was von Experten jedoch als zu niedrig angezweifelt wird. Der monatliche Durchschnittslohn in Tschetschenien liegt bei 21.703 Rubel (landesweit: 31.200 Rubel), die durchschnittliche Rentenhöhe bei 10.460 Rubel (landesweit: 10.919 Rubel). Die Höhe des Existenzminimums für die erwerbsfähige Bevölkerung ist mit 7.471 Rubel pro Monat festgelegt (landesweit: 8.900 Rubel), für Rentner mit 5.799 Rubel (landesweit: 6.800 Rubel) und für Kinder mit 5.949 Rubel (landesweit: 7.800 Rubel). Korruption ist nach wie vor weit verbreitet und große Teile der Wirtschaft werden von wenigen, mit dem politischen System eng verbundenen Familien kontrolliert. Laut einem rezenten Bericht der International Crisis Group gibt es glaubwürdige Berichte, wonach öffentliche Bedienstete einen Teil ihres Gehalts an den nach Kadyrovs Vater benannten und von dessen Witwe geführten Wohltätigkeitsfonds abführen müssen. Der 2004 gegründete Fonds baut Moscheen und verfolgt Charity-Projekte, Kritiker werfen ihm jedoch vor, als Vehikel zur persönlichen Bereicherung Kadyrovs und der ihm nahestehenden Gruppen zu dienen. Selbst die nicht als regierungskritisch geltende Tageszeitung "Kommersant" bezeichnete den Fonds als eine der intransparentesten NGOs des Landes (ÖB Moskau 10.2015).

Die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich dank großer Zuschüsse aus dem russischen Föderalen Budget nach Angaben von internationalen Hilfsorganisationen seit 2007 verbessert - ausgehend von sehr niedrigem Niveau. Die Durchschnittslöhne in Tschetschenien liegen spürbar über denen in den Nachbarrepubliken. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Tschetscheniens Grosny ist inzwischen dank föderaler Gelder fast vollständig wieder aufgebaut. Gleichwohl bleiben Arbeitslosigkeit und daraus resultierende Armut der Bevölkerung das größte soziale Problem. Der Schulbesuch ist grundsätzlich möglich und findet unter zunehmend günstigen materiellen Bedingungen statt. Nach Angaben der Vereinten Nationen entspricht die Anzahl der Lehrer wieder dem Niveau vor den Tschetschenienkriegen, allerdings sei die Versorgung mit Lernmitteln häufig noch unzureichend. Wohnraum bleibt ein Problem. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden in den Tschetschenienkriegen seit Anfang der neunziger Jahre über 150.000 private Häuser sowie ca. 73.000 Wohnungen zerstört. Die Auszahlung von Kompensationsleistungen für kriegszerstörtes Eigentum ist noch nicht abgeschlossen. Problematisch ist auch in diesem Zusammenhang die Korruption (es wird davon ausgegangen, dass 30 -50% gewährter Kompensationssummen als Schmiergelder gezahlt werden müssen) (AA 5.1.2016).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (5.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation ÖB Moskau (10.2015): Asylländerbericht Russische Föderation

Russland hat ein grundlegendes Sozialsystem, welches Renten verwaltet und Hilfe für gefährdete Bürger gewährt (IOM 8.2015). Das soziale Sicherungssystem wird von vier Institutionen getragen: dem Rentenfonds, dem Sozialversicherungsfonds, dem Fonds für obligatorische Krankenversicherung und dem Staatlichen Beschäftigungsfonds. Aus dem 1992 gegründeten Rentenfonds werden Arbeitsunfähigkeits- und Altersrenten gezahlt. Das Rentenalter wird mit 60 Jahren bei Männern und bei 55 Jahren bei Frauen erreicht. Die Rentenreform sieht die Gründung der nichtstaatlichen Rentenfonds vor, die neben der Grundversicherung einen zusätzlichen privaten Teil der Rente ermöglichen. Der Sozialversicherungsfonds finanziert das Mutterschaftsgeld (bis zu 18 Wochen), Kinder - und Krankengeld. Das Krankenversicherungssystem umfasst eine garantierte staatliche Minimalversorgung, eine Pflichtversicherung und eine freiwillige Zusatzversicherung. Vom staatlichen Beschäftigungsfonds wird das Arbeitslosengeld (maximal ein Jahr lang) ausgezahlt. Alle Sozialleistungen liegen auf einem niedrigen Niveau (GIZ 3.2016c).

Das Ministerium für Gesundheit und Soziales setzt die staatliche Unterstützung für sozial bedürftige Gruppen in der Praxis um. Vor allem die soziale Fürsorge für Familien, alte Menschen, Invaliden und Waisen soll gefördert werden. Personen, die soziale Unterstützung erhalten können:

Invaliden und Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges; Invaliden und Veteranen militärischer Operationen

Invaliden mit Behinderung I., II. und III. Grades

Ehemalige minderjährige Insassen von Konzentrationslagern Kinder mit Behinderung

Arbeitsveteranen

Arbeiter der Heimatfront (Großer Vaterländischer Krieg) Invaliden als Folge der Tschernobyl-Katastrophe

Menschen, die unter gesundheitlichen Folgen von Verstrahlung leiden

Menschen die aus der Evakuierungszone der Tschernobyl -Katastrophe evakuiert wurden Kinder deren Eltern unter der Verstrahlung der Tschernobyl-Katastrophe leiden

Beteiligte der Tschernobyl-Unfallfolgenbeseitigung

Opfer politischer Repressionen

Personen, die sich um das Land verdient gemacht haben ("Helden der Sowjetunion und Russland" etc.) (IOM 6.2014)

Es gibt weitere Kategorien, die auf verschiedenen Rechtsgrundlagen oder unter bestimmten Programmen, die von regionalen Behörden geleitet werden, anspruchsberechtigt sind. Personen der o.g. Kategorien erhalten eine monatliche Zahlung und soziale Beihilfe, einschließlich:

ärztlich verschriebene Medikamente Sanatoriumsaufenthalt

Ausgaben im Nahverkehr (kostenfreie Fahrten im Nahverkehr am Wohnort (nicht in allen Regionen); Schienenverkehr in Vororte, Langstreckenreisen zu und von der Behandlungsstätte) (IOM 6.2014)

Invaliden zahlen nur die Hälfte der öffentlichen Nebenkosten und haben die Möglichkeit, in besonderen Ausbildungseinrichtungen zu lernen. Um die oben aufgeführten Leistungen erhalten zu können, müssen Personen, die den genannten Kategorien angehören, Dokumente vorlegen, die die Zugehörigkeit zur entsprechenden Gruppe offiziell bestätigen (IOM 6.2014).

MedCOI erwähnt weitere Kategorien von Bürgern, denen unterschiedliche Arten von sozialer Unterstützung gewährt werden:

Kinder (unterschiedliche Zuschüsse und Beihilfen für Familien mit Kindern);

Großfamilien (Ausstellung einer Großfamilienkarte, unterschiedliche Zuschüsse und Beihilfen, Rückerstattung von Nebenkosten (Wasser, Gas, Elektrizität, etc.);

Familien mit geringem Einkommen;

Studenten, Arbeitslose, Pensionisten, Angestellte spezialisierter Institutionen und Jungfamilien (BDA 31.3.2015).

Die Regierung will die Bevölkerungszahl erhöhen. Daher erhalten Familien mit drei oder mehr Kindern folgende Begünstigungen:

Rabatt für Betriebskosten in Höhe von maximal 30% (Heizung, Wasser, Abwasser Gas, Strom)

Großfamilien mit Kindern unter 6 Jahren erhalten kostenlose, verschreibungspflichtige Medikamente, sowie Behandlung in Kliniken und Vorrang in Sanatorien/Gesundheitszentren

Großfamilien mit Bedarf für eine bessere Wohnsituation können kostenlose Unterkunft beantragen

Großfamilien können Kredite für Hausbau/kauf erhalten

Großfamilien, die einen Bauernhof führen wollen, erhalten steuerliche Vorzüge, sowie materielle Hilfe oder zinsfreie Darlehen

Arbeitgeber gewähren Großfamilien Vorzüge

Frauen mit fünf oder mehr Kindern, die diese bis zum Alter von acht Jahren aufgezogen haben, können frühzeitig im Alter von 50 Jahren in Rente gehen, sofern sie über 15 Jahre versichert waren

Frauen mit zwei oder mehr Kindern, können mit 50 in Rente gehen, wenn sie für mindestens 20 Jahre versichert waren und mindestens zwölf Jahre im Norden oder 17 Jahre in vergleichbaren Regionen gearbeitet haben

Zahlungen an Großfamilien zur Geburt, Zuschuss für zweites Kind und die folgenden liegt monatlich bei 4907 RUB 85 Kopeke im Jahr 2003

Kompensationszahlungen im Zusammenhang mit den Kosten für die Erziehung:

3-4 Kinder - 600 RUB für jedes Kind unter 16 (oder unter 18 wenn das Kind an einer Bildungseinrichtung eingeschrieben ist)

fünf oder mehr Kinder - 750 RUB für jedes Kind unter 16 (oder unter 18 wenn das Kind an einer Bildungseinrichtung eingeschrieben ist)

Für Großfamilien mit fünf oder mehr Kindern 900 RUB für die ganze Familien zum Kauf von Sachen

Monatliche Kompensationszahlungen für Essenskosten für Kinder unter drei Jahren in Höhe von 675 RUB (IOM 8.2015).

2007 stellte die russische Führung einen Maßnahmenkatalog vor, der mit Zuschüssen und Betreuungsplätzen zum einen den Frauen die Mutterschaft ans Herz legt und zum anderen durch bessere medizinische Infrastruktur die Lebensdauer der Russen verlängern soll. Für Mütter ist seither ab dem zweiten Kind das sogenannte Mutterschaftskapital vorgesehen. Umgerechnet rund 7500 € erhalten die Frauen, Mittel die zweckgebunden vom vierten bis zum 25. Geburtstag des Kindes eingesetzt werden müssen. Mit den nicht bar auslösbaren Zertifikaten können Familien in die Ausbildung des Nachwuchses investieren, die eigene Wohnsituation verbessern oder medizinische Versorgung in Anspruch nehmen. Mit den Zertifikaten kann auch die Altersvorsorge der Mutter aufgestockt werden. Darüber hinaus bezahlt der Staat Geburtsprämien, bezuschusst Kindergartenplätze und hat das Elterngeld erhöht. Flankierend hat Moskau den Mutterschutz im Arbeitsmarkt ausgebaut (Wirtschaftsblatt 8.9.2014, vgl. IOM 6.2014; MDZ 17.8.2013). Mütter bekommen eine Zusatzzahlung, das sogenannte Mütterkapital. Dieses Geld ist für bestimmte Zwecke bestimmt, z.B. für die medizinische Behandlung oder die Versorgung von Kindern. Dieses Geld ist vor allem für kinderreiche Frauen, in Tschetschenien gibt es viele davon. Um dieses Geld zu bekommen, müssen tschetschenische Frauen ungefähr Drei Viertel des Geldes als Bestechungsgeld zahlen. Es gibt aber auch Frauen, die überhaupt nichts von diesem Mütterkapital sehen (Gannuschkina 3.12.2014). Das Mutterschaftskapital war zunächst bis Ende 2016 geplant, aufgrund des Erfolgs wird jetzt darüber diskutiert, die zeitliche Beschränkung ganz aufzuheben. Auch soll das Geld für die Geburt der dritten und weiteren Kinder ausgezahlt, sowie alleinerziehende Väter in gleichem Maße gefördert werden, wie Mütter. Wladimir Putin erklärte zum bisher bestehenden Gesetz, das Programm "Mutterschaftskapital" hätte seine Effektivität bewiesen. Allerdings müsse es nach 2016 runderneuert werden, um zielgerechter wirken zu können (MDZ 17.8.2013, vgl. Pension Fund o.D.).

Mutter, Vater oder ein anderer Erziehungsberechtigter kann monatliches Kindergeld erhalten. Kindergeld berechnet sich aus 40% des durchschnittlichen Elterngehaltes, sollte aber nicht unter dem festgesetzten Mindestwert liegen. Seit Januar 2014 beträgt das monatliche Kindergeld (für Kinder jünger als 1,5 Jahre) während des Mutterschaftsurlaubs beim ersten Kind mindestens 2.576 RUB (ca. USD 75) und 5.153 RUB (ca. USD 150) für weitere Kinder. Für arbeitslose Eltern beträgt das monatliche Kindergeld das festgesetzte Minimum. Im September 2013 ist ein neues Bildungsgesetz in Kraft getreten. Laut dem neuen Gesetz ist die Regelung außer Kraft getreten, dass die Kindergartengebühren nicht 20% der laufenden Kosten pro Kind überschreiten dürfen. Dies führte zu einem Anstieg der Kindergartengebühren. In unterschiedlichen Regionen kosten städtische oder staatliche Kindergärten zwischen 3.500 RUB und 9.000 RUB (ca. 102-262 USD). Familien mit einem Kind erhalten mindestens 20% Ausgleich, Familien mit zwei Kindern erhalten eine 50%ige Rückerstattung, Familien mit drei und mehr Kindern eine Kompensation in Höhe von mindestens 70%. Dieses Geld wird auf das Konto eines Elternteils überwiesen. Familien, in denen ein Kind eine Verhaltensstörung aufweist, zahlen keine Gebühren für den Besuch eines staatlichen oder städtischen Kindergartens (IOM 6.2014).

Quellen:

Gannuschkina, Swetlana (3.12.2014): UNHCR Veranstaltung "Informationsaustausch über die Lage in der Russischen Föderation/ Nordkaukasus" im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)

IOM - International Organisation of Migration (6.2014):

Länderinformationsblatt Russische Föderation

IOM - International Organis ation of Migration (8.2015):

Länderinformationsblatt Russische Föderation

MDZ - Moskauer Deutsche Zeitung (17.8.2013): Kritische Tage in der Duma, http://www.m dz-m os kau.eu/kritis che-tage- der-dum a/, Zugriff 25.5.2016

Pension Fund oft he Russian Federation (o.D.): Maternity (Family) Capital, http://www.pfrf.ru/en/m atcap/, Zugriff 25.5.2016

Wirtschaftsblatt (8.9.2014): Die Russen werden wieder mehr, http://wirts chafts blatt.at/hom e/m einung/3866502/Die - Rus s en-werden-wieder-m ehr, Zugriff 25.5.2016

Im Nordkaukasus besteht die höchste Arbeitslosenquote des Landes . Arbeitslose (mit Ausnahme von Schülern, Studenten und Rentnern) können sich bei den Arbeitsagenturen arbeitslos melden und Arbeitslosenhilfe beantragen. Die Arbeitsagentur wird innerhalb von zehn Tagen einen Arbeitsplatz anbieten. Lehnt der Bewerber die Stellen ab, wird er als arbeitslos eingetragen. Die Arbeitslosenhilfe basiert auf Durchschnittslohn der letzten Arbeit und ist auf ein Minimum und Maximum von der russischen Gesetzgebung begrenzt. Seit 2009 ist das Minimum RUB 850 (USD 15) pro Monat und das Maximum RUB 4.900 (USD 82). Die Förderung wird monatlich ausgezahlt, sofern der Begünstigte die notwendigen Verfahren der Neubewerbung (gewöhnlich zweimal im Monat) nach den Bedingungen der Arbeitsagentur durchläuft. Notwendige Unterlagen und Dokumente sind ein Reisepass oder ein gleichwertiges Dokument und ein Arbeitsbuch oder eine Kopie, die Lohnbescheinigung des letzten Jahres, die Steueridentifikationsnummer (INN certificate), der Rentenversicherungsausweis und Dokumente zum Nachweis der Ausbildung und Berufserfahrung (IOM 8.2015).

Unterbrechung der Arbeitslosenhilfe in folgenden Fällen: Zwei vorgeschlagene, passende Arbeitsangebote abgelehnt Bezahlter Staatsdienst nach drei Monaten abgelehnt

Vorgeschlagene Trainings der Arbeitsagentur abgelehnt

Beendigung der Arbeit aufgrund von disziplinarischen Verstößen Abbrechen von vorgeschlagenen Trainings

Neubewerbungsverfahren nicht durchlaufen (IOM 8.2015). Quellen:

BDA - Belgium Desk on Accessibility (31.3.2015): Accessibility of healthcare: Chechnya, Country Fact Sheet via

MedCOI

GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2016c): Russland, Gesellschaft, http://liportal.giz.de/rus s land/ges ells chaft/, Zugriff 25.5.2016

IOM - International Organisation of Migration (6.2014):

Länderinformationsblatt Russische Föderation IOM - International Organisation of Migration (8.2015): Länderinformationsblatt Russische Föderation

Seit dem 1. Januar 2011 gibt es ein neues Gesetz über die Krankenpflichtversicherung. Vor dem 1. Mai 2011 gab es in den verschiedenen Regionen unterschiedliche Krankenversicherungen, danach traten neue Regeln für den Abschluss einer universellen Krankenversicherung in Kraft. Die Änderung der Krankenversicherungen tritt nach und nach in den einzelnen Regionen in Kraft. Die versicherten Personen sollen medizinische Versorgung in Gesundheitszentren kostenfrei erhalten mit sowohl den alten als auch den neuen Krankenversicherungen. Die alten Krankenversicherungen bleiben so lange in Kraft, bis sie durch die neue Versicherung ersetzt werden, egal welche Gültigkeitsdauer auf der alten Krankenversicherung angegeben ist. Es gibt keine Richtlinie, die die Dauer des Austausches der Krankenversicherungen festlegt. Wenn jetzt ein Versicherungsnehmer seinen Job wechselt oder verlässt, bleibt die Versicherung gültig und es ist nicht notwendig, eine neue Versicherung abzuschließen. Im Rahmen der Krankenpflichtversicherung (OMS) können russische Staatsbürger eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen, die durch staatliche Finanzmittel, Versicherungsbeiträge und andere Quellen finanziert wird (IOM 6.2014).

Kostenfreie Versorgung umfasst folgendes: Notfallbehandlung

Ambulante Behandlung, inklusive Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Kliniken Stationäre Behandlung

Teilweise kostenfreie Medikamente (IOM 8.2015)

Jede OMS-registrierte Person hat eine Krankenversicherung mit einer individuellen Nummer, wodurch ihnen der Zugang zur kostenfreien medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation garantiert wird; unabhängig von ihrem Wohnort. Bei der Anmeldung in einer Klinik muss zunächst die Versicherungsbescheinigung vorgelegt werden, es sei denn, es handelt sich um einen Notfall. Die Notfallbehandlung kann von allen russischen Staatsbürgern kostenlos in Anspruch genommen werden, unabhängig davon ob sie krankenversichert sind oder nicht. Um eine Krankenversicherung zu erhalten, müssen die Bürger an eine der Krankenversicherungen einen Antrag stellen und die folgenden Dokumente vorlegen: Antrag, Identifikationsdokument (für Erwachsene über 14 Jahre ein Reisepass oder vorläufiger Ausweis, für Kinder die Geburtsurkunde und den Pass bzw. vorläufigen Ausweis des Erziehungsberechtigten) und u.U. die Versicherungspolice der Rentenpflichtversicherung. Die Aufnahme in die Krankenversicherung sowie die Erneuerung sind kostenfrei. Für Kinder bis einschließlich 14 Jahren existiert ein gesondertes System der kostenlosen medizinischen Versorgung, sofern eine Registrierung in der Krankenpflichtversicherung (OMS) vorliegt. Kinder, die älter als 14 sind werden in der Regel in medizinischen Einrichtungen für Erwachsene behandelt. Einige Kliniken (staatliche und private) bieten kostenlose medizinische Konsultationen über das Internet an. Ausländische Staatsbürger haben in Russland nur Zugang zur medizinischen Grundversorgung, d.h. zur notfallmedizinischen Behandlung. Darüber hinausgehende Behandlungen werden in Rechnung gestellt und sind entweder durch direkte Zahlung an die jeweilige Klinik oder gegebenenfalls über die Krankenversicherung des Ausländers zu begleichen. Medizinische Versorgung gegen Bezahlung wird von privaten Gesundheitseinrichtungen unabhängig von der jeweiligen Staatsangehörigkeit angeboten. Umfragen zufolge haben 35% der Bevölkerung eine medizinische Serviceleistung gegen Bezahlung bereits in Anspruch genommen. Aufgrund der hohen Kosten kann der Großteil der Bevölkerung von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch machen. Neben der geschilderten Krankenpflichtversicherung können sowohl russische Staatsbürger als auch Ausländer gegen Bezahlung eine Freiwillige Krankenversicherung (DMS) abschließen, die immer weiter verbreitet ist. Ein Netz von Versicherungsgesellschaften bietet die entsprechenden Dienstleistungen an, wobei die Kosten für eine Versicherung - je nach Ruf der Versicherung und des gebotenen Servicepakets - zwischen 400 und mehreren tausend USD liegen können. Die meisten Versicherungsgesellschaften bevorzugen die Zusammenarbeit mit juristischen Personen. In den vergangenen zehn Jahren sind jedoch zunehmend Versicherungsprogramme für Privatpersonen aufgelegt worden (IOM 6.2014).

Quellen:

IOM - International Organisation of Migration (6.2014):

Länderinformationsblatt Russische Föderation IOM - International Organisation of Migration (8.2015): Länderinformationsblatt Russische Föderation Medizinische Versorgung

Das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Bürger ist in der Verfassung verankert. Russland weist zwar im internationalen Vergleich eine vergleichsweise hohe Anzahl der Ärzte und der Krankenhäuser pro Kopf der Bevölkerung auf, das noch aus der Sowjetzeit stammende Gesundheitssystem bleibt aber ineffektiv (GIZ 3.2016c). Die Einkommen des medizinischen Personals sind noch immer vergleichsweise niedrig. Dies hat zu einem System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten geführt, obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist. Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und insbesondere HIV/AIDS, breiten sich weiter aus. In den letzten Jahren wurden in die Modernisierung des Gesundheitswesens erhebliche Geldmittel investiert. Der aktuelle Kostendruck im Gesundheitswesen führt aber dazu, dass viele Krankenhäuser geschlossen werden (AA 3 .2016a, vgl. GIZ 3.2016c). In Moskau, St. Petersburg und einigen anderen Großstädten gibt es einige meist private Krankenhäuser, die hinsichtlich der Unterbringung und der technischen und fachlichen Ausstattung auch höheren Ansprüchen gerecht werden. Notfallbehandlungen in staatlichen Kliniken sind laut Gesetz grundsätzlich kostenlos. Die Apotheken in den großen Städten der Russischen Föderation haben ein gutes Sortiment, wichtige Standardmedikamente sind vorhanden. Medikamentenfälschungen mit unsicherem Inhalt kommen allerdings vor (AA 25.5.2016b).

Therapeutische Behandlungen für komplexe PTBS, schwere depressive Episoden, Panikstörungen, andauernde Persönlichkeitsveränderungen sind in Russland samt Medikation möglich. International SOS via MedCOI (29.05.2017): BMA-9701, Zugriff 30.05.2017

Im Bereich der medizinischen Versorgung von Rückkehrern sind der Botschaft keine Abweichungen von der landesweit geltenden Rechtslage bekannt. Seit Jänner 2011 ist das "Föderale Gesetz Nr. 326 -FZ über die medizinische Pflichtversicherung in der Russischen Föderation" vom November 2010 in Kraft und seit Jänner 2012 gilt das föderale Gesetz Nr. 323-FZ vom November 2011 über die "Grundlagen der medizinischen Versorgung der Bürger der Russischen Föderation". Laut Gesetz hat jeder Mensch Anrecht auf kostenlose medizinische Hilfestellung in dem gemäß "Programm der Staatsgarantien für kostenlose medizinische Hilfestellung" garantierten Umfang. Von diesem Programm sind alle Arten von medizinischer Versorgung (Notfallhilfe, ambulante Versorgung, stationäre Versorgung, spezialisierte Eingriffe) erfasst. Kostenpflichtig sind einerseits Serviceleistungen (Einzelzimmer u.Ä.), andererseits jene medizinischen Leistungen, die auf Wunsch des Patienten durchgeführt werden (z.B. zusätzliche Untersuchungen, die laut behandelndem Arzt nicht indiziert sind). Staatenlose, die dauerhaft in Russland leben, sind bezüglich ihres Rechts auf medizinische Hilfe russischen Staatsbürgern gleichgestellt. Bei Anmeldung in der Klinik muss die Krankenversicherungskarte (oder die Polizze) vorgelegt werden, womit der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation gewährleistet ist. Personen haben das Recht auf freie Wahl der medizinischen Anstalt und des Arztes, allerdings mit Einschränkungen. Für einfache medizinische Hilfe, die in der Regel in Polikliniken erwiesen wird, haben Personen das Recht die medizinische Anstalt nicht öfter als einmal pro Jahr, unter anderem nach dem territorialen Prinzip (d.h. am Wohn-, Arbeits- oder Ausbildungsort), zu wechseln. Davon ausgenommen ist ein Wechsel im Falle einer Änderung des Wohn- oder Aufenthaltsortes. In der ausgewählten Organisation können Personen ihren Allgemein- bzw. Kinderarzt nicht öfter als einmal pro Jahr wechseln. Falls eine geplante spezialisierte medizinische Behandlung im Krankenhaus nötig wird, erfolgt die Auswahl der medizinischen Anstalt durch den Patienten gemäß der Empfehlung des betreuenden Arztes oder selbständig, falls mehrere medizinische Anstalten zur Auswahl stehen. Das territoriale Prinzip sieht vor, dass die Zuordnung zu einer medizinischen Anstalt anhand des Wohn -, Arbeits-, oder Ausbildungsorts erfolgt. Das bedeutet aber auch, dass die Inanspruchnahme einer medizinischen Standardleistung (gilt nicht für Notfälle) in einem anderen, als dem "zuständigen" Krankenhaus, bzw. bei einem anderen, als dem

"zuständigen" Arzt, kostenpflichtig ist. Selbstbehalte sind nicht vorgesehen. Die Versorgung mit Medikamenten ist grundsätzlich bei stationärer Behandlung, sowie bei Notfallbehandlungen kostenlos. Es wird aber berichtet, dass in der Praxis die Bezahlung von Schmiergeld zur Durchführung medizinischer Untersuchungen und Behandlungen teilweise durchaus erwartet wird (ÖB Moskau 10.2015).

Das Gesundheitswesen wird im Rahmen der "Nationalen Projekte", die aus Rohstoffeinnahmen finanziert werden, modernisiert. So wurden landesweit sieben föderale Zentren mit medizinischer Spitzentechnologie und zwölf Perinatalzentren errichtet, Transport und Versorgung von Unfallopfern verbessert sowie Präventions- und Unterstützungsprogramme für Mütter und Kinder entwickelt. Schrittweise werden die Gehälter für das medizinische Personal angehoben sowie staatliche Mittel in die Modernisierung bestehender Kliniken investiert (GIZ 3.2016c).

Medizinische Versorgung gibt es bei staatlichen und privaten Einrichtungen. Staatsbürger haben im Rahmen der staatlich finanzierten, obligatorischen Krankenversicherung (OMS) Zugang zu kostenfreier medizinischer Versorgung. Vorausgesetzt für OMS (OMS-Karte) sind gültiger Pass, Geburtsurkunde für Kinder unter 14 Jahren; einzureichen bei der nächstliegenden Krankenversicherungsfirma. Sowohl an staatlichen, wie auch privaten Kliniken bezahlte medizinische Dienstleistungen verfügbar; direkte Zahlung an Klinik oder im Rahmen von freiwilliger Krankenversicherung (Voluntary Medical Insurance DMS) (IOM 8.2015).

Kostenfreie Versorgung umfasst folgendes: Notfallbehandlung

Ambulante Behandlung, inklusive Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Kliniken Stationäre Behandlung

Teilweise kostenfreie Medikamente (IOM 8.2015)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (3.2016a): Russische Föderation - Innenpolitik, http://www.aus waertiges - am t.de/s id_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F2 7/DE/Aus senpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/In nenpolitik_node.htm l, Zugriff 25.5.2016

AA - Auswärtiges Amt (25.5.2016b): Russische Föderation - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.aus waertiges -amt.de/s d_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinform ationen/00 - SiHi/Nodes /Rus s is cheFoederationSicherheit_node.htm l , Zugriff 25.5.2016

GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2016c): Russland, Gesellschaft, http://liportal.giz.de/rus s land/ges ells chaft/, Zugriff 25.5.2016

IOM - International Organisation of Migration (8.2015):

Länderinformationsblatt Russische Föderation

ÖB Moskau (10.2014): Asylländerbericht Russische Föderation

2. Beweiswürdigung:

Die Angaben zu Identität, Staatsangehörigkeit, Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus der im Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz vorgelegten Dokumenten seiner gesetzlichen Vertreter (darunter auch sein österreichisches Konventionsreisedokument) in Zusammenschau mit seinen Angaben. Die Angaben zur Einreise und zu den Asylverfahren des Beschwerdeführers und seiner Familie und zur Zuerkennung des Status von Asylberechtigten beruhen auf den beigeschafften verwaltungsbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Akten.

Dass der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation selbst nie einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war, ergibt sich aus der Aussage seiner gesetzlichen Vertreterin vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat am XXXX in Zusammenschau mit den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen des gegenständlichen Aberkennungsverfahren, zumal er auf ausdrückliche Befragung hin anlässlich seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 05.02.2018 keine konkreten Verfolgungsbefürchtungen äußerte (vgl. AS 393). Auch in der Beschwerde wurde nicht vorgebracht, dass dem Beschwerdeführer in der Russischen Föderation in Zusammenhang mit den der Ausreise seiner Familie im Jahr 2003 zugrunde gelegenen Gründen im Falle einer nunmehrigen Rückkehr eine Gefährdungssituation drohen würde.

Bezüglich der darüberhinausgehenden Feststellungen zum Nichtvorliegen einer individuellen Gefährdung des Beschwerdeführers in der Russischen Föderation in Zusammenhang mit seiner Verurteilung wegen §§ 278b Abs. 2 und 278e Abs. 2 StGB durch ein österreichisches Gericht darf darüber hinaus auf die Erwägungen im hg. Erkenntnis vom 09.04.2018 zu Zl. W112 1315471-2/57E verwiesen werden, welchem ein insofern vergleichbarer Sachverhalt zugrunde gelegen hat (der dortige Beschwerdeführer hat sich im Gegensatz zum vorliegenden Fall zudem als Mitglied der XXXX aktiv an Kampfhandlungen in XXXX beteiligt). Das Bundesverwaltungsgericht hat begründend insbesondere folgende Erwägungen getroffen:

"(...) Dem Beschwerdeführer droht als Angehöriger der XXXX in der Russischen Föderation außerhalb von Tschetschenien keine Verfolgung:

Aus der Stellungnahme der österreichischen Botschaft XXXX vom XXXX ergibt sich, dass nicht festgestellt werden konnte, dass Kämpfer des XXXX und der XXXX nach ihrer Rückkehr in die Russische Föderation physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind. Personen, die aus XXXX zurückkehren, können laut der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom XXXX vor Gericht gestellt werden; es gibt jedoch im Falle des Beschwerdeführers auf Grund seiner Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung keine Anhaltspunkte für Aktivitäten des Beschwerdeführers in XXXX, die nicht bereits von der Verurteilung in Österreich umfasst sind. Seine Verurteilung entspricht vielmehr im Wesentlichen der in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom XXXX beschriebenen Verurteilung des Mannes von XXXX zu dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe oder der von XXXX zu drei Jahren Haft. Ausweislich der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom XXXX wurden 2015 650 Strafverfahren wegen Beteiligung in einer illegalen bewaffneten Gruppierung im Ausland eröffnet und ca. 1000 Personen sind von diesen Verfahren betroffen, mehr als 150 Rückkehrer aus XXXX wurden zu Haftstrafen verurteilt; 2014-2015 eröffneten die Behörden mindestens 62 strafrechtliche Ermittlungen gegen Bewohner des Föderalen Distriktes XXXX wegen Vorwürfen der Teilnahme am Krieg im XXXX, 3000-4000 Nordkaukasier müssen noch identifiziert werden; da die Regierung in den letzten Jahren nur 62 Personen identifizieren habe können, ist es schwer vorstellbar, wieviel Zeit die Sicherheitsbehörden benötigen, um die Namen aller russischer Staatsbürger offenzulegen, die in den Reihen des XXXX (und anderer dschihadistischer Gruppierungen) kämpften (ähnliche Zahlen finden sich in der Anfragebeantwortung von XXXX vom XXXX und dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation). Die Strafen in der Russischen Föderation sind ausweislich des Länderinformationsblattes in der Russischen Föderation generell erheblich höher, die Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis unterscheidet demnach aber nicht nach Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität. Auch aus diesen Zahlen ergibt sich sohin keine reale Gefahr einer Verfolgung des Beschwerdeführers in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens und den Föderationskreis XXXX aus asylrelevanten Gründen. Die von XXXX geschilderte Gefahr der Inhaftierung, Folter und Exekution von Rückkehrern aus XXXX in der Anfragebeantwortung von XXXX vom XXXX bezieht sich nämlich ausschließlich auf die Teilrepublik Tschetschenien.

...

Vielmehr ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, dass selbst bei XXXX, die in die Russische Föderation zurückkehren, ohne bereits in einem anderen Land hiefür verurteilt worden zu sein, bei der Strafverfolgung nach der Rückkehr die Höhe der Strafe davon abhängt, ob sie sich den Behörden stellen und kooperieren. ...

Dem Beschwerdeführer droht auch keine Verfolgung wegen der Verurteilung in Österreich wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation: Wie sich aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom XXXX ergibt, konnte keine Verfolgung von Personen festgestellt werden, die wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation verurteilt wurden und die ihre Haftstrafe bereits verbüßt haben, aus diesem Grund. Aus der Anfragebeantwortung von XXXX vom XXXX ergibt sich, dass auch dem dort zitierten Tschetschenienexperten keine vergleichbaren Fälle bekannt waren. Die Angaben der Menschenrechtsorganisation XXXX in dieser Anfragebeantwortung beziehen sich wiederum nur auf Tschetschenien. Soweit XXXX ausführt, dass solche Personen sich nicht außerhalb von Tschetschenien ansiedeln können, wird diese Angabe der Entscheidung nicht zugrunde gelegt, da sie den übrigen Länderberichten widerspricht und nicht sachlich fundiert ist, sondern nur apodiktisch in den Raum gestellt wurde.

Dem Beschwerdeführer droht im Falle der Rückkehr keine Gefahr als ehemals Asylberechtigter: Aus der Anfragebeantwortung von XXXX vom XXXX ergibt sich, dass im gesamten Jahr 2015 eine einzige Person tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit nach ihrer Abschiebung außerhalb von Tschetschenien verschwunden war, in der Republik Tschetschenien wurden drei Fälle gefunden, wobei zumindest einer der betroffenen aktiver Exilpolitiker in XXXX war. Aus diesem Bericht kann vor dem Hintergrund, dass die tschetschenische Diaspora ausweislich der Länderberichte in Europa rund 150.000 Personen, in Österreich rund 30.000 Personen umfasst, und sich der Beschwerdeführer in keiner Weise exilpolitisch bestätigte, keine Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden, der Beschwerdeführer sei im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation außerhalb Tschetscheniens und des Föderationskreises Nordkaukasus einer Bedrohung ausgesetzt. Anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen von XXXX in der Anfragebeantwortung von XXXX vom XXXX, die sich nur auf die Teilrepublik Tschetschenien beziehen. Eine Gefährdung auf Grund der langen asylbedingten Abwesenheit des Beschwerdeführers in Russland außerhalb Tschetscheniens konnte auch durch die Staatendokumentation in der Anfragebeantwortung vom XXXX nicht festgestellt werden. (...)"

Es liegen keine Hinweise darauf vor, weshalb im Falle des Beschwerdeführers eine abweichende Prognose zu treffen wäre (vgl. auch BVwG vom 31.1.2018, W211 1428789-2/28E; sowie EGMR 30.11.2017, X against Germany, appl.no. 54646/17). Dieser hat sich Ende 2013 für etwa neun bis zwölf Tage einer terroristischen Ausbildung in einem Ausbildungscamp der XXXX unterzogen. An aktiven Kampfhandlungen in XXXX hat er nicht teilgenommen, sondern reiste aus unbekannten Gründen (so die Feststellungen im Urteil des Landesgerichts XXXX) wieder nach Österreich zurück. Eigenen Angaben zufolge hat der Beschwerdeführer seither einen ordentlichen Lebenswandel geführt und sich nicht mehr in radikal-islamischen Kreisen bewegt. Selbst unter Annahme eines entsprechenden Risikos bezogen auf die Herkunftsregion des Beschwerdeführers (Nordkaukasus), ergeben sich keine Hinweise darauf, dass dem Beschwerdeführer resultierend aus seiner strafrechtlichen Verurteilung in Österreich auf dem restlichen Gebiet der Russischen Föderation gezielte Verfolgung respektive unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen würde. Auch im Rahmen der Beschwerde wurde ein entsprechendes Vorbringen nicht substantiiert erstattet.

Die Feststellungen zu den privaten und familiären Lebensumständen des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dessen eigenen Angaben in Zusammenschau mit den in Vorlage gebrachten Unterlagen (insb. Schulzeugnisse, Bestätigungen über Lehrabschluss, Einkommensnachweise, Reisepässe, Geburtsurkunden und Staatsbürgerschaftsnachweise seiner Ehegattin und Kinder). Die Feststellungen zu Ausbildung, beruflichem Werdegang und Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers fußen ebenfalls auf dessen insofern unstrittigen, durch entsprechende Unterlagen belegten, Angaben.

Seine zu erwartenden Lebensverhältnisse in der Russischen Föderation ergeben sich ebenfalls aus seinen eigenen Angaben zu den dort bestehenden familiären Beziehungen in Zusammenschau mit den herangezogenen Länderberichten. Dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich aus dessen eigenen Angaben (AS 393). Aufgrund seines Alters und Gesundheitszustandes ist diesem eine Teilnahme am Erwerbsleben uneingeschränkt möglich. Seine Ausbildung als KFZ-Mechaniker könnte sich der Beschwerdeführer, ebenso wie seine Deutschkenntnisse, bei einem beruflichen Neubeginn in seinem Herkunftsstaat zu Nutze machen.

Auf Grund des Gesamtbildes des familiären Zusammenhalts, den Ausführungen des Beschwerdeführers zu seinen in der Russischen Föderation lebenden Verwandten und deren wirtschaftlichen Verhältnissen sowie dem nach wie vor aufrechten Kontakt zu diesen trotz langjähriger Ortsabwesenheit (AS 389 ff) kann entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer keine Verwandten in der Russischen Föderation hat, die ihn nach einer Rückkehr (anfänglich) unterstützen würden. Das Bundesamt wies auch zu Recht darauf hin, dass es den in Österreich aufhältigen Angehörigen des Beschwerdeführers ebenso möglich wäre, diesem im Bedarfsfall finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Hinzu kommt, dass sich der Beschwerdeführer auch ohne familiäre Hilfe in der Russischen Föderation niederlassen könnte:

Der Beschwerdeführer kann eine Wohnung mieten und sich dort anmelden. Dass der Beschwerdeführer außerhalb Tschetscheniens und des Föderationskreises Nordkaukasus keiner Bedrohung ausgesetzt ist, ergibt sich abgesehen von den individuell den Beschwerdeführer betreffenden Umständen - weder handelt es sich bei ihm um einen hochrangigen Kämpfer, noch um einen Kritiker des Regime XXXX - ausweislich des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation auch daraus, dass neben den ca. 1,3 Millionen Tschetschenen, die in der Teilrepublik Tschetschenien leben, ca. 600.000 Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens leben und die Machtentfaltung XXXX im Gegensatz zu seiner Rhetorik außerhalb der Grenzen seiner Teilrepublik beschränkt ist. Die Angaben zu den sozio-ökonomischen Umständen der tschetschenischen Diaspora in den anderen Teilen der Russischen Föderation ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation. Dass es fingierte Strafverfahren gegen Kaukausier gibt, diese aber nicht systematisch vorkommen, ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation. Ebenfalls aus dem Länderinformationsblatt ergeben sich die Feststellungen zu Sozialbeihilfen, Krankenversicherung und medizinsicher Versorgung. Auf Grund dessen, dass sich der Beschwerdeführer seit seiner Wiedereinreise nach Österreich eigenen Angaben zufolge vom fundamentalistischen Islam distanziert hat, droht dem Beschwerdeführer auch kein Verfolgung bei der Wiedereinreise wegen des Verdachts der Propagierung des fundamentalistischen Islam.

Die Vorstrafe des Beschwerdeführers und die Feststellungen zum der Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalt ergeben sich aus den vorliegenden Urteilen des Landesgerichts XXXX und des XXXX XXXX.

Dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, ergibt sich bereits daraus, dass dieser sich Ende 2013 zur Ausbildung für terroristische Zwecke und anschließender Teilnahme an Kamphandlungen in XXXX wissentlich in ein Ausbildungslager der XXXX begeben hat und für diesen Umstand in Österreich rechtskräftig verurteilt wurde. Eine derartige Verhaltensweise und die damit zum Ausdruck gebrachte Weltanschauung ist per se als besonders schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu qualifizieren und kann aufgrund des Umstandes, dass die Tat zum Entscheidungszeitpunkt knapp viereinhalb Jahre zurückliegt und der Beschwerdeführer seitdem sein Familienleben in Österreich ausgebaut hat, entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht nicht von einem Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung geschlossen werden. Dass das vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdungspotential nach wie vor aktuell ist, wird zudem durch eine (von der Akteneinsicht ausgenommenen) Stellungnahme des XXXX vom XXXX bestätigt. Davon unabhängig deutet nach Ansicht des Gerichts auch das Aussageverhalten des Beschwerdeführers, welcher sein Verhalten bzw. seinen Aufenthalt in der Türkei vor österreichischen Behörden mit unterschiedlichen Schutzbehauptungen zu rechtfertigen bzw. verharmlosen versucht hat, nicht auf eine Einsichtsfähigkeit hin. Auch zuletzt verstrickte sich der Beschwerdeführer angesprochen auf seine Verurteilung in Schutzbehauptungen, welche mit dem der rechtskräftigen Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalt nicht in Einklang stehen (vgl. etwa AS 395: "F: Wie ist es überhaupt zu dieser Verdächtigung gekommen, bzw. sind Sie auch verurteilt worden?! A: Das sind nur Vermutungen der Justiz, nur weil ich ein Foto gemacht habe. (...)" ).

Die Feststellungen zur allgemeinen Lage in der Russischen Föderation gründen sich auf das im angefochtenen Bescheid wiedergegebene Länderinformationsblatt der Staatendokumentation.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).

Zu A)

3.2. Zur Entscheidung über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten:

3.2.1. Mit dem angefochtenen Bescheid erkannte das Bundesamt dem Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 den Status des Asylberechtigten ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt.

Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt (Z 1), einer der in Art. 1 Abschnitt C GFK angeführten Endigungsgründe eingetreten ist (Z 2) oder der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat (Z 3). Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist gemäß Abs. 4 mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen.

Gemäß § 6 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn und solange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt (Z 1), einer der in Art. 1 Abschnitt F GFK genannten Ausschlussgründe vorliegt (Z 2), aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 3), oder er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht (Z 4).

Gemäß Art. 1 Abschnitt F GFK sind die Bestimmungen dieses Abkommens auf Personen nicht anwendbar, hinsichtlich derer ernsthafte Gründe für den Verdacht bestehen, das sie ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, und zwar im Sinne jener internationalen Einrichtungen, die ausgearbeitet wurden, um Bestimmungen gegen solche Verbrechen zu schaffen (lit. a) bevor sie als Flüchtlinge in das Gastland zugelassen wurden, ein schweres, nicht politisches Verbrechen begangen haben (lit. b), sich Handlungen schuldig gemacht haben, die sich gegen die Ziele und Prinzipien der Vereinten Nationen richten (lit. c).

Gemäß Art. 33 Abs. 1 GFK darf kein vertragschließender Staat einen Flüchtling in irgendeiner Form in ein Gebiet ausweisen oder zurückweisen, wo sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Gemäß Abs. 2 kann der Vorteil dieser Bestimmung jedoch von einem Flüchtling nicht in Anspruch genommen werden, der aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit seines Aufenthaltslandes darstellt oder der, wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt, eine Gefahr für die Gemeinschaft des betreffenden Landes bedeutet.

3.2.2. Die belangte Behörde stützte die Asylaberkennung in ihrer Begründung zutreffend auf § 7 Abs. 1 Z 1, § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005, weil der Beschwerdeführer von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet:

3.2.2.1. In seiner Entscheidung vom 23.09.2009, 2006/01/0626, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf: Er müsse erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (vgl. VwGH 03.12.2002, 99/01/0449, mit Verweis auf VwGH 06.10.1999, 99/01/0288, auf welches auch die Erläuterungen zu § 6 AsylG 2005 verweisen; vgl. auch VwGH 05.12.2017, Ra 2016/01/0166, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof verwies im Erkenntnis vom 06.10.1999, 99/01/0288, auf eine im Jahr 1980 vom UNHCR im Zusammenhang mit Art. 1 Abschnitt F lit. b GFK vorgeschlagene Kategorisierung von Straftaten (vgl. näher Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996, Nachdruck 1998] 107 f), auf die Kälin (Grundriss des Asylverfahrens, 1990, 228) auch im Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 2 GKF Bezug genommen hatte: "Typischerweise schwere Verbrechen" seien danach - in einer, wie hinzuzufügen sei, teilweise recht ungenauen Übersetzung - "etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub" und dergleichen. Es müsse sich um Straftaten handeln, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen (vgl. VwGH 03.12.2002, 99/01/0449, mwN).

Bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" vorliegt, ist eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen; insbesondere sind die Tatumstände zu berücksichtigen. Im Erkenntnis vom 03.12.2002, 99/01/0449, führte der Verwaltungsgerichtshof unter Verweis auf das Erkenntnis vom 06.10.1999, 99/01/0288, aus, Drogenhandel sei "typischerweise" ein "besonders schweres Verbrechen". Dieser vom Verwaltungsgerichthsof vertretenen Wertung schloss sich der Bundesgesetzgeber im Bereich des AsylG 2005 an, wie die Erläuterungen (Hinweis RV 952 BlgNR 22.GP , 36) zu § 6 AsylG 2005, die auf das Erkenntnis vom 06.10.1999, 99/01/0288, verweisen, zeigen. Allerdings genüge es nicht, so der Verwaltungsgerichtshof weiter, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden sei; die Tat müsse sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwer wiegend erweisen, sodass unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen sei.

3.2.2.2. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil vom XXXX wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs. 2 StGB und des Verbrechens der Ausbildung für terroristische Zwecke nach § 278e Abs. 2 StGB rechtskräftig verurteilt.

Diese Verbrechen des Beschwerdeführers erweisen sich einerseits objektiv besonders schwerwiegend, weil der Beschwerdeführer eine Reise ins türkisch-syrische Grenzgebiet unternahm, um sich dort in einem Ausbildungslager der XXXX für die Verübung terroristischen Straftaten unterweisen zu lassen. Auch subjektiv erweisen sich die Verbrechen des Beschwerdeführers als besonders schwerwiegend, weil sich der Beschwerdeführer zur Begehung dieser Verbrechen extra von Österreich aus über XXXX ins syrisch-türkische Grenzgebiet begeben hat, dies mit dem bewussten Ziel einer Teilnahme an den Kampfhandlungen in XXXX; dass dieser - wie von ihm im gegenständlichen Verfahren angedeutet - damals nicht bewusst gehandelt hätte, sondern von den Personen in seinem sozialen Umfeld "belogen" und gewissermaßen "zufällig" während eines Türkeiaufenthalts in jenes Ausbildungslager geraten wäre, steht im klaren Widerspruch zu seinen Aussagen in der Beschuldigtenvernehmung vom XXXX, in welcher er u.a. ausdrücklich berichtete, die Reise in die Türkei bewusst mit dem Ziel unternommen zu haben, sich den Kampfhandlungen in XXXX anzuschließen, sich von sich aus aktiv um Aufnahme entsprechender Kontakte bemüht und im Vorfeld seiner Ausreise zu diesem Zweck bereits militärische Kleidung erworben hätte. Auf Grund der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers für diese Taten und den dort getroffenen Feststellungen zur subjektiven Tatseite ist dem vom Asylgesetz verlangten Beweismaßstab (VwGH 21.04.2015, Ra 2014/01/0154; 17.02.2015, Ra 2014/01/0172) im Übrigen Rechnung getragen. Die im Urteil angeführten Milderungsgründe (bisherige Unbescholtenheit, Alter zum Tatzeitpunkt unter 21, Beitrag zur Wahrheitsfindung) vermögen an der Qualifikation der Straftat als auch subjektiv besonders schwerwiegend nichts zu ändern.

3.2.2.3. Zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit des Straftäters ist eine entsprechende Zukunftsprognose zu erstellen, wobei es auf das gesamte Verhalten des Asylwerbers ankommt (vgl. VwGH 06.10.1999, 99/01/0288).

Die Gemeingefährlichkeit des Beschwerdeführers ergibt sich bereits aus seiner Ausbildung für terroristische Zwecke und ehemaligen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Tatbegehung zum Entscheidungszeitpunkt knapp viereinhalb Jahre zurückliegt kann nicht von einem Wegfall der Gefährlichkeit ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer tätigt nach wie vor verharmlosende und widersprüchliche Aussagen in Bezug auf die damaligen Vorfälle und wird vom XXXX aufgrund nach wie vor bestehender Kontakte zu radikal-islamischen Kreisen unverändert als Gefährdung für die öffentliche Sicherheit eingestuft. Eine positive Zukunftsprognose kann daher nicht erstellt werden.

3.2.2.4. Darüber hinaus ist bei der (in der in Punkt 3.2.2.1. angeführten Rechtsprechung als vierte Voraussetzung aufgezählten) Güterabwägung auch eine Rückkehrgefährdung des Asylberechtigten, dh. das Ausmaß und die Art der ihm drohenden Maßnahmen (VwGH 06.10.1999, 99/01/0288; 22.10.2003, 2001/20/0148), zu prüfen (vgl. VwGH 27.04.2006, 2003/20/0050; 05.10.2007, 2007/20/0416).

Aus den in den in der Beweiswürdigung dargelegten Gründen kann im Falle der Rückkehr des Beschwerdeführers in die Russische Föderation außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und dem Föderationskreis Nordkaukasus keine asylrelevante Gefährdung festgestellt werden:

Dem Beschwerdeführer droht keine Verfolgung in Zusammenhang mit den ursprünglichen Ausreisegründen seiner Familie. Ein derartiges Vorbringen wurde im gesamten Verfahren nicht erstattet und ergaben sich auch amtswegig keine entsprechenden Hinweise, zumal der Beschwerdeführer den Asylstatus ursprünglich im Wege der Asylerstreckung zuerkannt bekommen hat, nachdem von seiner gesetzlichen Vertreterin keine individuellen Gründe für den damals XXXXjährigen vorgebracht worden waren. Eine Verfolgung des Beschwerdeführers auf Grund der Asylgewährung in Österreich und seinem langjährigen Aufenthalt außerhalb der Russischen Föderation besteht bei einer Rückkehr in die Russische Föderation außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und des Föderationskreises Nordkaukasus ebensowenig. Dem Beschwerdeführer droht bei der Einreise in die Russische Föderation außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und des Föderationskreises Nordkaukasus keine Verfolgung auf Grund der Verurteilung in Österreich; terroristische Handlungen, die nicht von der Verurteilung in Österreich umfasst sind, sind nicht hervorgekommen.

Die Güterabwägung führt sohin zum Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich im Verhältnis zu seinen privaten Interessen am weiteren Aufenthalt in Österreich. Dabei ist auch berücksichtigt, dass die Ehefrau und die minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers die Beziehung zu ihm auch in der Russischen Föderation bzw. im Wege moderner Kommunikationsmittel fortführen können. Zwar reiste der Beschwerdeführer als Jugendlicher nach Österreich ein, er bewegt sich aber auch in Österreich vorwiegend im tschetschenisch-russischen Umfeld und absolvierte einen Teil seiner Schulbildung in der Russischen Föderation, weshalb auch kein Überwiegen des Interesses des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seiner privaten Beziehungen in Österreich zu berücksichtigen war (s. dazu näher Punkt 3.4.). Auf Grund der Sprachkenntnisse und Schulbildung im Herkunftsstaat, der Verwandten in der Russischen Föderation, der Arbeitsfähigkeit und der Möglichkeit, sich auch außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und dem Föderationskreis Nordkaukasus niederzulassen, anzumelden und so Zugang zum russischen Sozialsystem zu erlangen, liegen auch unter dem Gerichtspunkt des Art. 3 EMRK keine zu berücksichtigenden Interessen des gesunden Beschwerdeführers vor (s. dazu näher Punkt 3.3.).

3.2.3. Ob der Beschwerdeführer darüber hinaus aus den in den Punkten

3.2.2.2. und Punkt 3.2.2.3. dargelegten Gründen auch eine Gefährdung für die Republik Österreich iSd § 7 Abs. 1 Z 1, § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 darstellt, wie die belangte Behörde in Ihrer Begründung auch ausführte, kann vor dem Hintergrund des Vorliegens des Asylausschlussgrund auf Grund des in Punkt 3.2.2. Ausgeführte dahinstehen.

3.2.4. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides richtet.

3.3. Zur Entscheidung über die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

3.3.1. Das Bundesamt erkannte dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu.

3.3.2. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist gemäß Abs. 2 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Abs. 3 abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht. Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung gemäß Abs. 3a auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

3.3.3. Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582; 31.05.2005, 2005/20/0095).

Es obliegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0276; EGMR 09.01.2018, Fall X, Appl. 36.417/16, Z 50).

Der Beschwerdeführer stützt die Rückkehrgefährdung neben seiner fehlenden Vertrautheit mit den Gegebenheiten im Herkunftsstaat auf die Verurteilung gemäß §§ 278b und 278e StGB in Österreich.

3.3.4. Es sind keine Umstände amtsbekannt, dass in der Russischen Föderation aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, ist die Situation in der Russischen Föderation auch nicht dergestalt, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers für diesen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde; in der Russischen Föderation ist aktuell eine Zivilperson nicht alleine aufgrund ihrer Anwesenheit einer solchen Bedrohung ausgesetzt.

Es ist, wie bereits im Punkt 3.2.2.4. und in der Beweiswürdigung ausgeführt, zwischen der Lage in der Teilrepublik Tschetschenien und im Föderationskreis Nordkaukasus einerseits und der Russischen Föderation im Übrigen, zB in XXXX, andererseits zu unterscheiden (vgl. EGMR 27.02.2014, Fall Zarmayev, Appl. 35/10; vgl. auch 25.03.2014, Fall M.G., Appl. 59.297/12, sowie 04.09.2014, Fall M.V. und M.T., Appl. 17.897/09, betreffend Inguschetien sowie 30.11.2017, Fall X, Appl. 54.646/17, betreffend Dagestan; VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0276, betreffend Tschetschenien); im Falle der Abschiebung des Beschwerdeführers nach XXXX droht dem Beschwerdeführer kein reales Risiko der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (EGMR, 30.11.2017, Fall X, Appl. 54.646/17); Es ergeben sich keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer in anderen Landesteilen entweder durch tschetschenische Sicherheitskräfte gefunden und misshandelt, noch von russischen Sicherheitskräften präventiv misshandelt würde (vgl. BVwG W211, 31.01.2018, 1428789-2; 9.4.2018, W112 1315471). Im Verfahren des Beschwerdeführers waren die Sicherheitsdienste der Russischen Föderation nicht involviert, der Beschwerdeführer wird von der Russischen Föderation nicht gesucht (EGMR 09.01.2018, Fall X, Appl. 36.417/16).

Ungeachtet dessen droht dem Beschwerdeführer keine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch die Haftbedingungen in der Russischen Föderation (vgl. dazu im Übrigen den Bericht des Ministerkomitees des Europarates vom 26.04.2017, DH-DD (2017) 467, infolge des Piloturteils EGMR, 10.01.2012, Fall Anayev ua., Appl. 42.525/07 ua.), da im hg. Verfahren kein strafbares Handeln des Beschwerdeführers hervorkam, das nicht von den Verurteilungen in Österreich umfasst ist, und eine Doppelverfolgung und -bestrafung der bereits in Österreich abgeurteilten Sachverhalte nicht zu befürchten ist (s. VwGH 26.04.2017, Ra 2017/19/0016). Die Lage in der Russischen Föderation, die ein Konventionsstaat zur EMRK ist und sich zur Einhaltung der darin enthaltenen Garantien verpflichtet hat (EGMR, 12.06.2012, Fall Bajsultanov, Appl. 54.131/10), ist mit der in Algerien (dazu EGMR 01.02.2018, Fall M.A., Appl. 9373/15) nicht zu vergleichen.

Betreffend das 6. und 13. ZPEMRK ist bereits aus dem Grund keine Verletzung des Beschwerdeführers in Rechten zu erwarten, dass den Länderberichten zufolge die Todesstrafe in der Russischen Föderation auf Grund des Moratoriums des Verfassungsgerichts de facto abgeschafft ist.

Aus den im Punkt 3.2.2.4. dargelegten Gründen droht dem Beschwerdeführer außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und des Föderationskreises Nordkaukasus keine Gefahr iSd § 3 AsylG 2005. Es ist dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar, sich in einem anderen Teil der Russischen Föderation, zB inXXXX, anzusiedeln.

Auf Grund der Feststellungen finden sich weder Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefährdungssituation im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ausgesetzt ist, noch das "außergewöhnliche Umstände" der Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen. Es lässt sich nicht ersehen, dass es dem Beschwerdeführer in der Russischen Föderation an der notdürftigsten Lebensgrundlage fehlen würde:

Der Beschwerdeführer hat Verwandte in der Russischen Föderation und es herrscht in seiner Familie ein enger Zusammenhalt, sodass feststeht, dass der Beschwerdeführer durch seine in der Russischen Föderation lebende Familie Unterstützung erlangen kann. Die in Österreich lebenden Verwandten können ihm in der Russischen Föderation genauso finanzielle Hilfe angedeihen lassen. Mit der Anmeldung hat der Beschwerdeführer zudem Zugang zum russischen Sozialsystem.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Der Beschwerdeführer leidet sohin an keinen Krankheiten, die in der Russischen Föderation nicht behandelt werden könnten.

Der derzeit in einem KFZ-Betrieb beschäftigte Beschwerdeführer ist arbeitsfähig und kann seinen Lebensunterhalt durch Erwerbsarbeit bestreiten, zumal er über Schul- und Berufsbildung verfügt und neben Tschetschenisch auch Russisch spricht (den dahingehenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid wurde nicht entgegengetreten). Sofern im Beschwerdeschriftsatz angemerkt wird, dass ihm aufgrund seiner Ausreise im Kindesalter im Falle einer Rückkehr nicht bekannt sein würde, an welche Behörden er sich zu wenden hätte und vor diesem Hintergrund in eine Notlage geraten könnte, so stünde diesem jedenfalls die Einholung entsprechender Informationen, etwa auch über das Internet, offen. Es kann folglich nicht festgestellt werden, dass ihm im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und des Föderationskreises Nordkaukasus die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Er verfügt dadurch auch über eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 Abs. 1 AsylG 2005.

Irgendein besonderes "real risk", dass es durch die Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde, kann nicht erkannt werden, außergewöhnliche Umstände im Sinne der Judikatur des EGMR, die gegen eine Abschiebung in die Russische Föderation außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und des Föderationskreises Nordkaukasus sprechen würden, sind nicht erkennbar.

3.3.5. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen, soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides richtet.

3.4. Zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und den damit verbundenen Absprüchen

3.4.1. Das Bundesamt erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005.

3.4.2. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt und von Amts wegen gemäß § 58 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).

Der Beschwerdeführer hielt sich seit Oktober 2006 als Asylberechtigter im Bundesgebiet auf, sein Aufenthalt war nicht iSd § 46 FPG geduldet; überdies wurde er wegen mehrerer Verbrechen verurteilt und er stellt aus den in der Beweiswürdigung dargelegten Gründen eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel erforderlich ist (vgl. RV 88 BlgNR 24. GP 13), hat der Beschwerdeführer nicht behauptet und ist auch von amtswegen nicht ersichtlich. Ungeachtet des Umstandes, dass § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 auch nicht dazu dient, einen Aufenthaltstitel zur Gewährleistung eines Strafverfahrens gegen sich selbst zu erwirken, liegt gegen den Beschwerdeführer auch keine offene Anklage vor.

Dass der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet und ist auch von amtswegen nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor.

3.4.3. Gemäß § 57 Abs. 2 Z 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der Beschwerdeführer ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da sein Aufenthaltsrecht mit der Aberkennung des Status des Asylberechtigten endet.

3.4.4. Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind entsprechend der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VfSlg. 18.224/2007, 18.135/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

3.4.5. Vom Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z. B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, Appl. 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, Appl. 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Der Begriff des Familienlebens ist sohin nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR 13.06.1979, Fall Marckx). Ehen, die nicht nationalem Recht entsprechen, sind kein Hindernis für ein Familienleben (EGMR 28.05.1985, Fall Abdulaziz, Cabales und Balkandali). Ebensowenig reicht das Eheband allein nicht aus, um die Anwendbarkeit des Art. 8 EMRK auszulösen. Reine Scheinehen sind deshalb nicht geschützt (VwGH 29.06.2010, 2006/18/0484).

Der XXXX-jährige Beschwerdeführer ist seit November XXXX mit einer österreichischen Staatsbürgerin russischer Herkunft (geboren in XXXX) verheiratet, mit der er zwei gemeinsame minderjährige Kinder hat (geboren XXXX), welche ebenfalls österreichische Staatsbürger sind und mit welchen er in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Es ist im Verfahren nicht behauptet worden, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers respektive dessen zwei Kinder auf dessen Anwesenheit im Bundesgebiet in einer Weise angewiesen wären, dass sie durch eine Rückkehr des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gezwungen wären, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis liegt nicht vor. Es sind keine Umstände hervorgekommen, welche annehmen ließen, dass es der Ehefrau des Beschwerdeführers nicht möglich wäre, auch alleine für ihren Lebensunterhalt und jenen der beiden Kinder aufzukommen, im Übrigen wäre es auch den im Bundesgebiet aufhältigen Verwandten des Beschwerdeführers möglich, diese im Bedarfsfall zu unterstützen. Der Beschwerdeführer könnte seine in Österreich aufhältige Kernfamilie infolge einer Niederlassung und Arbeitsaufnahme in der Russischen Föderation auch von dort aus finanziell unterstützen. Hinzu kommt weiters, dass es der Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern auch zumutbar wäre, das Familienleben mit dem Beschwerdeführer auf Basis eines entsprechenden Aufenthaltstitels angesichts ihrer jeweils österreichischen Staatsbürgerschaft in der Russischen Föderation fortzusetzen. Eine Gefährdung der Ehegattin aufgrund des Umstandes, dass ihr vormals der Status einer Asylberechtigten zugekommen war, kann mangels Erstattung eines substantiierten Vorbringens zu diesem Punkt sowie auf Grund der Länderberichte nicht festgestellt werden. Sie ist ehemalige russische Staatsangehörige und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, welche in XXXX geboren wurde und bereits im Kindesalter nach Österreich gelangt ist (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0255). Alternativ bestünde auch die Möglichkeit einer Aufrechterhaltung des Kontaktes mittels moderner Kommunikationsmittel, weshalb ein gänzlicher Abbruch der familiären Beziehungen fallgegenständlich nicht im Raum steht, weshalb eine Rückkehrentscheidung auch unter Berücksichtigung des Kindeswohls zulässig erscheint. Aufgrund der Schwere der Straftat und der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit stellt sich der mit der Rückkehrentscheidung einhergehende Eingriff in das Recht auf Familienleben des Beschwerdeführers als gerechtfertigt dar.

Die Beziehung des seit 7 Jahren volljährigen Beschwerdeführers zu seinem Vater und Geschwistern stellt demgegenüber kein Familienleben iSd Art. 8 EMRK dar, weil diese nicht vom Beschwerdeführer abhängig sind; ebensowenig ist der Beschwerdeführer von ihnen abhängig.

3.4.6. Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Fall Sisojeva ua., Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH 15.03.2016, Ra 2016/19/0031; 23.06.2015, Ra 2015/22/0026). Ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt kann den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet - unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände - ein großes Gewicht verleihen bzw. eine auf einen unrechtmäßigen Aufenthalt gegründete aufenthaltsbeendende Maßnahme als unverhältnismäßig erscheinen lassen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, können solche aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ausnahmsweise auch nach einem mehr als zehn Jahre dauernden Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen werden (s. VwGH 22.01.2013, 2011/18/0036). Zuweilen wurde - ausgehend von den zugunsten eines Fremden festgestellten Umständen - diese Rechtsprechung auch auf einen knapp zehn Jahre noch nicht erreichenden Aufenthalt angewendet (vgl. zu einem Aufenthalt von mehr als neuneinhalb Jahren VwGH 09.09.2014, 2013/22/0247). Diese Rechtsprechung betraf allerdings nur Konstellationen, in denen sich aus dem Verhalten des Fremden - abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich - sonst keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab (s. VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0054). Umgekehrt kann auch ein langjähriger Aufenthalt des Fremden in Österreich durch sein massives strafrechtliches Fehlverhalten relativiert sein (VwGH 01.03.2016, Ra 2015/18/0247).

Der Beschwerdeführer hält sich seit November 2003 als Asylwerber, seit Oktober 2006 als Asylberechtigter in Österreich auf. Der Beschwerdeführer hält sich sohin (mit Unterbrechungen) seit rund 15 Jahren in Österreich auf, weshalb er über Privatleben iSd Art. 8 EMRK in Österreich verfügt. Er ist jedoch wegen Straftaten in Zusammenhang mit der Unterstützung einer in XXXX agierenden terroristischen Vereinigung sowie der Ausbildung zu terroristischen Zwecken vorbestraft und stellt eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, weshalb die zuvor zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf ihn keine Anwendung findet. Vielmehr ist der Eingriff in sein Privatleben gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK iVm § 9 BFA-VG verhältnismäßig:

Zu Gunsten des Beschwerdeführers ist die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet von 15 Jahren und der Umstand zu würdigen, dass sein Aufenthalt als Asylberechtigter rechtmäßig war, wie auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit XXXX Jahren ins Bundesgebiet einreiste, hier die prägenden Jahre der Adoleszenz verbrachte und hier volljährig wurde. Dies wird jedoch dadurch relativiert, dass er die ersten XXXXJahre seines Lebens in der Russischen Föderation, seinem Herkunftsstaat, verbrachte und unverändert Kontakt zu seinen Angehörigen im Herkunftsstaat pflegt. Durch seine Ausreise in die Türkei zum Zwecke einer terroristischen Ausbildung und in weiterer Folge geplanter Teilnahme an Kampfhandlungen inXXXX (vgl. hierzu die Erwägungen im Urteil des Landesgerichts XXXXvom XXXX) nahm der Beschwerdeführer eine Beendigung seines Lebens in Österreich und einen Abbruch der hier bestehenden Bindungen jedenfalls bewusst in Kauf, weshalb die Schutzwürdigkeit seines in Österreich begründeten Privatlebens weiter als relativiert erachtet werden muss.

Neben den in Österreich aufhältigen Mitgliedern seiner Kernfamilie (Ehefrau und zwei minderjährige Kinder, siehe dazu oben) verfügt der Beschwerdeführer sowohl in der Russischen Föderation, als auch in Österreich über Verwandte, von denen zwar keine Abhängigkeit und mit denen keine Hausgemeinschaft, aber zu denen dennoch ein Verwandtschaftsverhältnis besteht. In Österreich leben der Vater sowie die vier Geschwister des Beschwerdeführers. Gegen seinen Vater ist ebenfalls ein Verfahren über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten anhängig. Das Vorliegen eines persönlichen oder finanziellen Abhängigkeitsverhältnisses zu einem dieser Angehörigen ist im Verfahren nicht behauptet worden, der Beschwerdeführer beschrieb eine Beziehung wie sie unter Verwandten dieser Art üblich ist, welche durch Besuche aufrechterhalten wird, jedoch keine darüberhinausgehende besondere Beziehungsintensität aufweist. Sofern der Beschwerdeführer vorbrachte, seine beiden Brüder seien seit dem Tod der Mutter von ihm abhängig, ist festzuhalten, dass es sich bei diesen um junge Männer handelt, denen eine eigenständige Teilnahme am Erwerbsleben und Bestreitung ihres Lebensunterhalts möglich ist. Weshalb diese auf Unterstützung des Beschwerdeführers angewiesen sein sollten, wurde im Verfahren nicht näher substantiiert. Weiters ist nochmals zu betonen, dass sich der Beschwerdeführer mit seiner Ausreise in die Türkei und geplanten Weiterreise nach XXXX Ende 2013 freiwillig in eine Situation begab, in der er den Kontakt zu seinen Familienangehörigen nur durch elektronische Kommunikationsmittel aufrechterhalten konnte. Diese Möglichkeit steht ihm auch von der Russischen Föderation aus offen (vgl. EGMR 08.06.2017, Fall Hamesevic, Appl. 25.748/15). In der Russischen Föderation leben weiters Tanten, Onkeln sowie Cousins des Beschwerdeführers, die den Beschwerdeführer innerhalb der Russischen Föderation gleichermaßen besuchen können. Der Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers im Hinblick auf seine in Österreich lebenden Verwandten ist sohin verhältnismäßig.

Auch der Grad der Integration des Beschwerdeführers führt nicht zum Überwiegen seiner Interessen am Verbleib im Bundesgebiet: Der Beschwerdeführer absolvierte in Österreich die Hauptschule, ein Polytechnikum sowie eine Lehre als KFZ-Mechaniker und arbeitete in der Folge mit Unterbrechungen in diesem Berufsfeld. Im Jahr 2016 bezog er durchgehend Notstandshilfe, seit Anfang 2018 ist er in einem KFZ-Betrieb angestellt. Er spricht gut Deutsch, aber gleichfalls Tschetschenisch und Russisch. Einer ehrenamtlichen Arbeit ging er nie nach. Er verbrachte die prägenden Jahre der Adoleszenz in Österreich, bestreitet seinen Aufenthalt in Österreich jedoch vorwiegend im tschetschenisch-russischen Umfeld.

Durch seine dort lebenden Verwandten in Zusammenschau mit dem Umstand, dass er die ersten XXXXLebensjahre dort verbracht hat, verfügt der Beschwerdeführer nach wie vor über Bindungen zu seinem Herkunftsstaat, weshalb die in der Beschwerde angesprochene vollständige "Entwurzelung" von seiner Heimat nicht nachvollzogen werden kann.

Jedenfalls zum Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet führt aber die Vorstrafe des Beschwerdeführers (zum anerkannten hohen staatlichen Interesse an der Außerlandesbringung Fremder im Zusammenhang mit terroristischen Straftaten s. EGMR, 09.01.2018, Fall X, Appl. 36.417/16, Z 46; der Beschwerdeführer hat sich anders als in dem VwGH 2501.2018, Ra 2017/21/0200, betreffend die Verurteilungen gemäß § 278b und e StGB nicht als Minderjähriger mit der Propaganda mitreißen lassen, sondern sich im Alter von 20 Jahren bewusst zu einer Ausreise ins türkisch-syrische Grenzgebiet entschlossen um eine Ausbildung für terroristische Zwecke zu absolvieren). Unter Berücksichtigung einer im Akt einliegenden Einschätzung des XXXX ergibt sich, dass der Beschwerdeführer unverändert als Gefahr für die öffentliche Sicherheit einzustufen ist, weshalb der Umstand, dass die Straftat, die zur Verurteilung geführt hat, aktuell rund viereinhalb Jahre zurückliegt, nicht zu dessen Gunsten gewertet werden kann (vgl. auch die Erwägungen des XXXX in seiner Entscheidung vom XXXX zum Nichtvorliegen eines entsprechenden Milderungsgrundes im Falle des Beschwerdeführers).

Der Eingriff in sein Privatleben durch Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist daher verhältnismäßig (vgl. EGMR 14.09.2017, Fall Ndidi, Appl. 41.215/14, Z 78 ff., betreffend eine Person mit schwachen Bindungen zum Herkunftsstaat und Kindern im Konventionsstaat; ferner VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0276).

3.4.7. Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung in einen bestimmten Staat zulässig ist.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005.

Aus den in Punkt 3.2. dargelegten Gründen droht dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und des Föderationskreises Nordkaukasus keine Gefahr iSd § 3 AsylG 2005, § 50 Abs. 2 FPG.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005.

Aus den im Punkt 3.3. dargelegten Gründen droht dem Beschwerdeführer bei der Ansiedelung in der Russischen Föderation außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und dem Föderationskreises Nordkaukasus keine Gefahr iSd § 8 AsylG 2005, § 50 Abs. 1 FPG.

Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Eine derartige Empfehlung besteht für die Russische Föderation nicht; vielmehr entspricht die vorliegende Entscheidung dem Urteil EGMR 30.11.2017, Fall X, Appl. 54.646/17.

Die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und des Föderationskreises Nordkaukasus ist daher zulässig.

3.4.8. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen, soweit sie sich gegen Spruchpunkt III. bis V. des angefochtenen Bescheides richtet.

3.4.10. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da solche Umstände im Verfahren nicht hervorgekommen sind, hat das Bundesamt zu Recht eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. ebenfalls als unbegründet abzuweisen war.

3.5. Zur Verhängung eines Einreiseverbotes

3.5.1. Das Bundesamt verhängte gegen den Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 9 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot.

3.5.2. Der mit "Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet (auszugsweise) wie folgt:

"(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

...

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB),

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt. ..."

3.5.3. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX (rechtskräftig am XXXX), wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 278e Abs. 2 und 278b Abs. 2 (infolge Rechtsmittelentscheidung durch das XXXX vom XXXX) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten, von denen ihm 12 Monate unter Anordnung einer dreijährigen Probezeit und von Bewährungshilfe bedingt nachgesehen wurden, verurteilt. Mildernd wurden die bisherige Unbescholtenheit, sein Alter unter 21 Jahren sowie sein Beitrag zur Wahrheitsfindung berücksichtigt, erschwerend demgegenüber das Zusammentreffen zweier Verbrechen. Der Beschwerdeführer beging die Tat als Erwachsener, es liegt keine Jugendstraftat vor. Angesichts dieser rechtskräftigen Verurteilung ging die belangte Behörde zu Recht davon aus, dass der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 9 FPG erfüllt.

3.5.4.1. Ist der Tatbestand des § 53 Abs. 3 FPG erfüllt, so ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit indiziert (VwGH 27.01.2015, 2013/22/0298; vgl. VwGH 30.07.2014, 2013/22/0281). Die Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Delikte zeigt sich in dessen Verurteilung wegen der Ausbildung zu terroristischen Zwecken und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

3.5.4.2. In Bezug auf die für ein Einreiseverbot zu treffende Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. VwGH 24.03.2015, Ra 2014/21/0049; 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).

Bei Beurteilung der Frage, ob dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 30.09.2015, Ra 2015/21/0111; 30.06.2016, Ra 2016/21/0179; 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).

Betreffend die angeführte Verurteilung ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer keineswegs unter Vorspiegelung falscher Tatsachen durch andere Personen im Zuge eines Türkeiaufenthalts mehr oder minder "zufällig" in das Ausbildungslager einer terroristischen Vereinigung geraten wäre, sondern er hat seine Reise in die Türkei im Alter von 20 Jahren bewusst mit dem Ziel einer Ausbildung für terroristische Zwecke und dem Plan, in weiterer Folge an den Kampfhandlungen in XXXX teilzunehmen, angetreten, sich in diesem Zusammenhang selbst um die Herstellung entsprechender Kontakte bemüht und bereits vor seiner Ausreise in Österreich militärische Kleidung zu diesem Zweck erworben (der Beschwerdeführer hat sich demnach anders als in VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0200, betreffend die Verurteilungen gemäß § 278b und § 278e StGB nicht als Minderjähriger mit der Propaganda mitreißen lassen). Betreffend die Interessensabwägung im Rahmen des Art. 8 EMRK sind jedoch folgende Gesichtspunkte besonders zu berücksichtigen (zum anerkannten hohen staatlichen Interesse an der Außerlandesbringung Fremder im Zusammenhang mit terroristischen Straftaten s. EGMR 09.01.2018, Fall X, Appl. 36.417/16, Z 46): Der Beschwerdeführer reiste Ende 2013 in das türkisch-syrische Grenzgebiet in ein Ausbildungslager der Gruppierung "XXXX" und unterzog sich dort einer terroristischen Ausbildung; er hat sich in der Herstellung oder im Gebrauch von Sprengstoff, Schuss- oder sonstigen Waffen oder schädlichen oder gefährlichen Stoffen oder in einer anderen ebenso tätlichen oder gefährlichen spezifisch zur Begehung einer terroristischen Straftat nach § 278c Abs. 1 Z 1 bis 9 oder 10 StGB geeigneten Methode oder einem solchen Verfahren unterweisen lassen, um eine solche terroristische Straftat unter Einsatz der erworbenen Fähigkeiten zu begehen, indem er nach seiner Ankunft in dem genannten Ausbildungslager eine Kampf- und Waffenbildung absolvierte, wobei er insbesondere im Gebrauch von Sturmgewehren des Typs AK 47 geschult wurde. Dem Beschwerdeführer waren die von XXXX verfolgten Ziele, deren terroristische Zweckausrichtung und die eingesetzten Mittel zur Erreichung der Ziele, nämlich die Tötung von Soldaten, Polizeikräften und sonstigen Angehörigen der XXXX-Regierung bekannt und er nahm diese billigend in Kauf. Als der Beschwerdeführer in das Ausbildungslager der XXXX reiste und dort eine terroristische Ausbildung absolvierte, handelte er mit dem Wissen und Willen, sich als Mitglied an der XXXX zu beteiligen. Dieser begab sich mit dem Ziel in das Ausbildungslager der XXXX, um sich im Gebrauch von Schusswaffen unterwiesen zu lassen. Ihm kam es geradezu darauf an, im Anschluss daran die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Begehung terroristischer Straftaten einzusetzen. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer nach einem etwa neun- bis zwölftägigen Aufenthalt im Ausbildungslager aus unbekannten Gründen wieder nach Österreich zurückkehrte, kann nach Ansicht des Gerichts ebensowenig wie die bei der Strafzumessung herangezogenen Milderungsgründe der bisherigen Unbescholtenheit, des Alters unter 21 Jahren und dem Beitrag zur Wahrheitsfindung ein vom Beschwerdeführer ausgehendes Gefährdungspotential zu relativieren. Dieser zeigte sich in Bezug auf die Schwere des gesetzten Verhaltes im Rahmen seiner Kontakte mit österreichischen Behörden bis zuletzt nicht einsichtig, sondern versuchte sein Verhalten durch Schutzbehauptungen zu rechtfertigen, die mit dem der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht in Einklang stehen. Sofern er im gegenständlichen Verfahren behauptete, im Zuge eines Türkeiaufenthalts durch einen Bekannten kontaktiert worden zu sein, welcher ein Treffen vorgeschlagen hätte und er nach Ankunft bei diesem "in falsche Hände geraten" wäre, steht diese Darstellung im massiven Widerspruch zu seinen Aussagen im Zuge des Strafverfahrens.

Aus dem Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers ergibt sich seine Gefährlichkeit für die öffentliche Ordnung und Sicherheit: Die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers ergibt sich bereits aus seiner Ausbildung für terroristische Zwecke 2013 und seiner Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung 2013/2014 im damaligen Zeitraum. Der Beschwerdeführer reflektiert sein Handeln auch weiterhin nicht, ist nicht schuldeinsichtig und versuchte bis zuletzt, seine Tat mit unglaubwürdigen Ausflüchten zu rechtfertigen.

3.5.4.3. Für die Annahme eines Wegfalls der sich durch das bisherige Fehlverhalten manifestierten Gefährlichkeit des Fremden bestehen unter Berücksichtigung des seit der Tatbegehung verstrichenen Zeitraums sowie der aktenkundigen Einschätzung des XXXX keine ausreichenden Hinweise.

3.5.4.4. Der Beschwerdeführer stellt sohin weiterhin eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

3.5.5. Bei der Entscheidung über die Länge des Einreiseverbotes ist die Dauer der vom Fremden ausgehenden Gefährdung zu prognostizieren; außerdem ist auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen (VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237; 20.12.2016, Ra 2016/21/0109).

In der Regel ist ein Einreiseverbot in der Dauer unter achtzehn Monaten bei Vorliegen einer Gefährdung iSd § 53 Abs. 3 FPG unzulässig (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289). Nach den Erläuterungen (RV 2144 BlgNR 24. GP 23 f.) soll das Bundesamt "fortan im Einzelfall, zB bei einem nur einmaligen, geringfügigen Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen, auch ein 18 Monate unterschreitendes Einreiseverbot erlassen" können. Die genannten 18 Monate werden im § 53 Abs. 2 leg.cit. nicht mehr erwähnt (vgl. demgegenüber § 12a Abs. 6 erster Satz AsylG 2005). Nach der gesetzgeberischen Intention kann es allerdings keinem Zweifel unterliegen, dass die Verhängung kurzfristiger Einreiseverbote (insbesondere solcher in einer Dauer von weniger als 18 Monaten) - oder überhaupt das Unterbleiben eines Einreiseverbotes - regelmäßig nur dann stattzufinden hat, wenn von dem betreffenden Drittstaatsangehörigen keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht. Das wird verschiedentlich dann der Fall sein, wenn der Drittstaatsangehörige "bloß" einen der Tatbestände des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 leg.cit. erfüllt. Ist davon auszugehen, dass es sich um einen Drittstaatsangehörigen handelt, von dessen Aufenthalt iSd § 53 Abs. 3 leg.cit. eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgeht, so wird in aller Regel - freilich abhängig von den sonstigen Umständen des Einzelfalles - ein längerfristiges Einreiseverbot zu verhängen sein (VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207). Das Ausschöpfen der vorgesehenen Höchstfristen darf aber nicht regelmäßig schon dann erfolgen, wenn einer der Fälle des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 bzw. des Abs. 3 Z 1 bis 8 FPG vorliegt (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0002; 15.12.2011, 2011/21/0237). Dass die in § 53 Abs. 2 FPG vorgesehene Höchstdauer von fünf Jahren als Mindestdauer für die Erlassung eines Einreiseverbotes nach Abs. 3 zu gelten hat, lässt sich dem Gesetz aber nicht entnehmen (VwGH 30.07.2014, 2013/22/0281).

Auf Grund des Verhaltens des Beschwerdeführers und der laut Einschätzung des XXXX nach wie vor bestehenden Kontakte zu radikal-islamischen Kreisen zuzuordnenden Personen ist ein Ende der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung nicht absehbar.

Da die Ehefrau und Kinder des Beschwerdeführers die Möglichkeit hätten, diesen in die Russische Föderation zu begleiten bzw. den Kontakt zu ihm durch Besuche oder im Wege moderner Kommunikationsmittel aufrechtzuerhalten, zu seinen weiteren in Österreich aufhältigen Angehörigen (Vater und Geschwister) kein persönliches und finanzielles Abhängigkeitsverhältnis vorliegt und er den Kontakt zu diesen ebenfalls über moderne Kommunikationsmittel aufrecht erhalten können wird, er sowohl in Österreich als auch in der Russischen Föderation die Schule besuchte als auch die Landessprachen spricht und er über zahlreiche verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in der Russischen Föderation verfügt., ist vor dem Hintergrund der negativen Zukunftsprognose die Verhängung eines unbefristeten Einreiseverbotes im Falle des Beschwerdeführers verhältnismäßig.

3.5.6. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.

3.6. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

§ 21 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG; BGBl. I Nr. 68/2013 besagt:

Zu Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht ist das Bundesamt zu laden; diesem kommt das Recht zu, Anträge und Fragen zu stellen.

Gemäß Abs. 7 leg. cit. kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

§ 21 Abs. 7 stellt klar, dass eine mündliche Verhandlung auch dann unterbleiben kann, wenn sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entspricht. Neben dieser Bestimmung ist § 24 VwGVG anzuwenden.

§ 21 Abs. 7 BFA-VG entspricht inhaltlich dem früheren § 41 Abs. 7 AsylG, wonach der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden hatte, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

§ 24 Abs. 1 VwGVG besagt:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß Abs. 2 leg. cit hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Abs. 4 leg. cit. besagt: Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Art. 6 EMRK besagt: "Jedermann hat Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden, jedoch kann die Presse und die Öffentlichkeit während der gesamten Verhandlung oder eines Teiles derselben im Interesse der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einem demokratischen Staat ausgeschlossen werden, oder wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen, oder, und zwar unter besonderen Umständen, wenn die öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde, in diesem Fall jedoch nur in dem nach Auffassung des Gerichts erforderlichen Umfang."

Art. 6 EMRK findet auf Asylverfahren keine Anwendung, da davon nur zivilrechtliche Ansprüche und strafrechtliche Verfahren erfasst sind.

Art. 47 GRC lautet:

Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht

(1) Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.

(2) Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Aus den Erläuterungen der Grundrechtecharta geht hervor, dass die Charta im Unterschied zu Art. 6 EMRK eben nicht nur auf zivilrechtliche Ansprüche abzielt, weshalb hier eine Erweiterung auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit gemeint sein könnte.

Nach Art. 47 Abs. 2 der Grundrechtecharta der Europäischen Union (GRC) hat zwar jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren öffentlich und innerhalb an-gemessener Frist verhandelt wird. Die in § 21 Abs. 7 BFA-VG vorgesehene Einschränkung der Verhandlungspflicht i.S.d. Art. 52 Abs. 1 GRC ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zulässig, weil sie eben - wie in der GRC normiert - gesetzlich vorgesehen ist und den Wesensgehalt des in Art. 47 Abs. 2 GRC verbürgten Rechts achtet. Die möglichst rasche Entscheidung über Asylanträge ist ein Ziel der Union, dem ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa Erwägungsgrund 11 der Präambel der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 [Asyl-VerfahrensRL]). Das Unterbleiben der Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt festgestellt werden kann, ohne dass der Entfall der mündlichen Erörterung zu einer Verminderung der Qualität der zu treffenden Entscheidung führt, trägt zur Erreichung dieses Zieles bei. Damit erfüllt die in § 21 Abs. 7 BFA-VG und in § 24 Abs.4 VwGVG vorgesehene Einschränkung auch die im letzten Satz des Art. 52 Abs. 1 GRC normierte Voraussetzung.

Zufolge der Rechtsprechung des VfGH (U 466/11 vom 14.03.2012) steht das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art 47 Abs. 2 GRC, wenn - wie im vorliegenden Fall - zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde.

Gegen eine Verhandlungspflicht spricht überdies, dass in Asylverfahren zwar direkt innerstaatliches Recht Anwendung findet, jedoch auch Unionsrecht (z.B. Statusrichtlinie, Verfahrensrichtlinie) angewendet wird. Aus Art. 12 Abs. 2 der Verfahrensrichtlinie geht jedoch eindeutig hervor, dass auf eine persönliche Anhörung des Asylwerbers unter bestimmten Umständen verzichtet werden kann.

Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass Art. 47 der Grundrechtecharta den Gerichten tatsächlich eine Verhandlungspflicht auferlegen wollte ? dies würde Art. 12 der Verfahrensrichtlinie widersprechen. Da der Art. 47 der Charta der Grundrechte allgemein das Recht auf ein unparteiisches (...) Gericht gewährleistet, die Verfahrensrichtlinie jedoch speziell die Mindestnormen für Asylverfahren regelt, ist die Statusrichtlinie in dieser Hinsicht lex specialis zur Charta der Grundrechte und daher vorrangig anzuwenden (AsylGH vom 16.12.2011, GZ C2 420722-1/2011).

Daher ist auch aus europarechtlicher Sicht eine Verhandlung im Asylverfahren nicht zwingend vorgesehen.

Zuletzt sprach der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und -0018, aus, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, sind die genannten Kriterien im vorliegenden Fall erfüllt, da der Sachverhalt durch die belangte Behörde vollständig erhoben wurde und nach wie vor die gebotene Aktualität aufweist (der angefochtene Bescheid wurden im März 2018 erlassen, wobei sich aus dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes keine Hinweise auf eine Änderung der entscheidungsmaßgeblichen Situation ergeben). Die Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes in ihren entscheidungsmaßgeblichen Punkten bestätigt, wobei das Anführen weiterer ? das Gesamtbild lediglich abrundender, für die Beurteilung jedoch nicht ausschlaggebender ? Argumente in diesem Zusammenhang nicht schadet (vgl. VwGH 18.?6.?2014, 2014/20/0002-7). Im Übrigen findet sich in der Beschwerdeschrift ein lediglich unsubstantiiertes Vorbringen, welches im konkreten Fall nicht dazu geeignet ist, die erstinstanzliche Entscheidung in Frage zu stellen.

Im gegenständlichen Verfahren konnte somit die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht unterbleiben, da die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.3.2010, S. 389, entgegenstehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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