AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z1
AsylG 2005 §6 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z1
AsylG 2005 §6 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:L502.2102648.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , staatenlos, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.02.2015, FZ. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe,
dass Spruchpunkt I. des Bescheides zu lauten hat:
"Der Antrag auf internationalen Schutz vom 23.07.2014 wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 AsylG abgewiesen";
und der Spruchpunkt III. 1.Satz zu lauten hat:
"Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG nicht erteilt".
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte im Gefolge seiner illegalen Einreise nach Österreich am 23.07.2014 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am gleichen Tag wurde dazu an der Erstaufnahmestelle-Ost des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eine Erstbefragung des BF durchgeführt.
In der Folge wurde das Verfahren zugelassen und dem BF eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung erteilt.
2. Am 05.12.2014 wurde der BF beim BFA zum seinem Antrag in arabischer Sprache niederschriftlich einvernommen.
Als Identitätsnachweise legte der BF das Original seines Personalausweises, ausgestellt von der palästinensischen Autonomiebehörde in XXXX am 22.01.2013, samt einem Anhang über die Registrierung des BF und seiner Angehörigen im Bevölkerungsregister von Gaza, eine Kopie seiner Heiratsurkunde, ausgestellt vom Standesamt in XXXX über einen Ehevertrag vom 19.02.2006, Kopien des Personalausweises seiner Gattin und der Geburtsurkunden seiner Gattin sowie als sonstiges Beweismittel ein Schreiben der Staatsanwaltschaft von XXXX vom 17.02.2014 vor (AS 31 bis 55).
Zu den ihm zur Kenntnis gebrachten länderkundlichen Informationen des BFA wollte der BF keine Stellungnahme abgeben.
3. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 23.07.2014 wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 02.02.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55 und 57 AsylG wurde ihm nicht zuerkannt. Unter einem wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 9 BFA-VG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Israel, palästinensische Autonomiegebiete, zulässig ist. Zugleich wurde gemäß § 55 FPG eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise des BF festgesetzt (Spruchpunkt III).
Die Zustellung des Bescheides erfolgte durch Hinterlegung beim Postamt mit Wirksamkeit vom 06.02.2015.
4. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 05.02.2015 wurde dem BF von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.
5. Gegen den erstinstanzlichen Bescheid wurde vom BF mit Unterstützung seines Rechtsberaters innerhalb offener Frist in vollem Umfang Beschwerde erhoben.
6. Die Beschwerdevorlage des BFA langte am 09.03.2015 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das gg. Beschwerdeverfahren in der Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Gerichtes zugewiesen.
7. Mit 11.03.2015 wurde von Amts wegen die Übersetzung einer handschriftlichen Beilage in arabischer Sprache zur Beschwerde des BF veranlasst, die mit 26.03.2015 beim BVwG einlangte.
8. Mit 09.11.2015 langte – einer Aufforderung an den BF vom 23.10.2015 folgend - beim BVwG die schriftliche Zustimmung des BF zur Ermittlung personenbezogener Auskünfte bei der UNRWA einschließlich einer vom BF in arabischer Sprache ausgefüllten "registration verification form for persons registered with UNRWA" ein.
9. Mit Schreiben des BVwG vom 11.11.2015 wurde die österr. Botschaft in Tel Aviv ersucht, die Angaben des BF im Fragebogen der UNRWA sowie den Inhalt der von ihm erstinstanzlich vorgelegten Urkunden überprüfen zu lassen sowie zu ermitteln, ob sich die Familienangehörigen des BF im sog. Gaza-Streifen aufhalten und dort von der UNRWA unterstützt werden.
10. Mit Schreiben vom 11.12.2015 informierte die ÖB Tel Aviv das BVwG darüber, dass die ÖB Amman sowie die österr. Vertretung in Ramallah mit diesen Anliegen befasst wurden.
11. Mit Schreiben vom 04.01.2016 teilte der Verbindungsbeamte an der ÖB Amman dem BVwG unter Hinweis auf ein beiliegendes Schreiben der UNRWA vom 10.12.2015 mit, dass der BF sowie seine Gattin bei der UNRWA in XXXX registriert seien. Auch die übrigen Personaldokumente seien von einer Auskunftsperson vor Ort gesichtet und dem äußeren Anschein nach als authentisch bewertet worden.
12. Mit 01.03.2016 ersuchte das BVwG im Wege der Staatendokumentation des BFA den VB in Amman um ergänzende Auskunft dahingehend, ob neben dem BF und seiner Gattin auch deren vier eheliche Kinder bei der UNRWA registriert sind.
13. Mit Anfragebeantwortung vom 18.05.2016 der Staatendokumentation des BFA wurde dem BVwG bekannt gegeben, dass die Gattin des BF bei der UNRWA als "Flüchtling" registriert sei ("Registration Status RR"), der BF selbst als "non-refugee" (Registration Status NH – non refugee/husband), d.h. nicht als "Flüchtling" iSd UNRWA, der jedoch auch Unterstützung durch die UNRWA erhält, die gemeinsamen Kinder seien demgegenüber nicht bei der UNRWA registriert.
14. Eine ergänzende Anfrage des BVwG vom 14.06.2016 an die Staatendokumentation wurde von dieser sinngemäß dahingehend beantwortet, dass sich das Mandat der UNRWA zum einen auf die Unterstützung von palästinensischen Flüchtlingen als solche sowie zum anderen auf andere Personen innerhalb ihres Operationsgebietes erstreckt, die die Aufmerksamkeit der UNRWA genießen ("other persons of concern"). Zweitgenannte fallen nicht unter den engeren Definitionsbegriff der Erstgenannten, da sie die Voraussetzungen dafür nicht erfüllen, erhalten dessen ungeachtet jedoch Unterstützungsleistungen der UNRWA.
15. Am 11.08.2016 führte das BVwG eine mündliche Verhandlung in der Sache des BF in dessen Anwesenheit sowie der eines bevollmächtigten Vertreters durch.
Im Zuge dessen legte der BF u.a. eine UNRWA – Family Registration Card für ihn und seine Gattin in XXXX vor.
Dem Vertreter des BF wurden länderkundliche Informationen des BVwG zur Herkunftsregion des BF ausgefolgt und ihm eine antragsgemäß eine Frist zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme dazu eingeräumt, welche mit 26.08.2016 beim BVwG einlangte.
16. Mit 25.08.2016 ersuchte das BVwG das BFA um Übermittlung des Verfahrensaktes jenes Antragstellers aus XXXX , der zugleich mit dem BF aus- und nach Österreich eingereist war um ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen und der sich in seinem Vorbringen auf die gleichen Fluchtgründe wie der BF stützte. Dieser Akt langte am 02.09.2016 beim BVwG ein.
17. Mit 16.11.2016 veranlasste das BVwG eine ergänzende Übersetzung in die deutsche Sprache des vom BF bereits erstinstanzlich vorgelegten Anhangs zu seinem Personalausweis und richtete eine ergänzende Anfrage an die Staatendokumentation des BFA zu Inhalt und Rechtsnatur dieses Anhangs. Unter einem mit der Beantwortung dieser Anfrage wurde dem BVwG mit 21.11.2016 eine allgemeine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 28.10.2016 u.a. zum Thema der Ausstellung von Dokumenten an palästinensische Flüchtlinge aus Gaza sowie den Möglichkeiten einer Einreise nach Gaza im Rahmen des Parteigehörs übermittelt.
18. Nach antragsgemäßer Fristerstreckung durch das BVwG langte mit 28.12.2016 eine abschließende Stellungnahme des Vertreters des BF zum Inhalt des Parteigehörs beim Gericht ein.
19. Das BVwG holte zuletzt noch eine ergänzende Information zu den Modalitäten einer Einreise nach Gaza bei der Staatendokumentation des BFA ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Identität des BF steht fest. Er ist staatenloser Angehöriger der palästinensischen Volksgruppe sowie Angehöriger der arabischen Volksgruppe und Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung und wurde in XXXX im palästinensischen Autonomiegebiet des sogen. Gaza-Streifens geboren, wo er die Schule besuchte, bis zuletzt vor der Ausreise seinen Wohnsitz hatte und ein Schuhgeschäft betrieb. Er ist seit 2006 mit einer Angehörigen der palästinensischen Volksgruppe verheiratet, die ebenso in XXXX geboren wurde. Der Ehe entstammen vier Kinder, die in den Jahren 2007, 2008, 2011 und 2013 geboren wurden.
Der BF und seine Gattin sind bei der UNRWA in XXXX XXXX registriert, die Gattin als staatenloser palästinensischer Flüchtling im Sinne des Mandats der UNRWA ("Registration Status Refugee/RR"), der BF selbst hat den Status "Registration Status Non-Refugee-Husband/NH", er gilt insoweit nicht als "Flüchtling" iSd UNRWA-Mandats, kann jedoch ebenso wie schon vor der Ausreise die Unterstützung der UNRWA in Anspruch nehmen. Die gemeinsamen Kinder sind demgegenüber nicht bei der UNRWA in XXXX XXXX registriert. Die Gattin des BF bezieht aktuell für sich und die Kinder Unterstützungsleistungen der UNRWA-Vertretung in Gaza in Form von Lebensmittelrationen. Gattin und Kinder des BF bewohnen in XXXX eine Mietwohnung. Der BF und seine Angehörigen sind auch im Bevölkerungsregister der israelischen Behörden für palästinensische Einwohner des Gaza-Streifens registriert.
Die Eltern sowie zwei Brüder und drei Schwestern des BF einschließlich deren Angehörigen bewohnen zwei der Herkunftsfamilie des BF gehörige Häuser in XXXX . Der Vater des BF bezieht eine Pension, ein Bruder ist Angestellter des örtlichen Elektrizitätswerks, der zweite Bruder verrichtet Gelegenheitsarbeiten. Die Verwandten des BF beziehen Unterstützungsleistungen der UNRWA-Vertretung in Gaza in Form von Lebensmittelrationen.
Der BF verließ, gemeinsam mit einem Bekannten aus XXXX , ca. im Mai 2014 auf nicht genau feststellbare Weise das palästinensische Autonomiegebiet des sogen. Gaza-Streifens nach Ägypten, reiste von dort auf dem Luftweg in die Türkei und gelangte anschließend auf dem Landweg auf illegale Weise auf österr. Bundesgebiet, wo er, ebenso wie sein Begleiter, am 23.07.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.2. Der BF bewohnt ein Quartier im Rahmen der staatlichen Grundversorgung von Asylwerbern und bezieht auch Leistungen derselben für seinen Lebensunterhalt hierorts. Er war seit der Einreise in das österr. Bundesgebiet bis dato nicht erwerbstätig und hat weder sonstige wirtschaftliche noch außergewöhnliche private oder gesellschaftliche Anknüpfungspunkte, die über gewöhnliche soziale Kontakte hinausgehen. Er verfügt nur über geringe Kenntnisse der deutschen Sprache. Er unterliegt keinen maßgeblichen gesundheitlichen Einschränkungen und ist grundsätzlich erwerbsfähig. Er ist bis dato strafgerichtlich unbescholten.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF wird festgestellt:
1.3.1. Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO, Palestinian Liberation Organisation) wurde 1974 als einzig legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes von der UNO anerkannt. Im Jahre 1993 folgte die Anerkennung der PLO als einzige Vertreterin der Palästinenser durch Israel, welche im Gegensatz zur Palästinensische Autonomiebehörde (PA, Palestinian Authority) die Palästinenser auch außerhalb der besetzten Gebiete vertritt. Die PLO und Israel richteten die Palästinensische Autonomiebehörde - infolge der Prinzipienerklärung von 1993, bekannt als Oslo Verträge - ein. Die PA war gedacht als Regierungsbehörde für die Westbank und Gaza, bis zur Erreichung eines finalen Abkommens im Friedensprozess.
Das palästinensische Grundgesetz, das 2002 in Kraft getreten ist, und 2003 mit der Einführung der Position des Ministerpräsidenten geändert wurde, definiert Palästina als rechtsstaatliche, parlamentarische Demokratie mit Parteienpluralismus und klassischer Gewaltenteilung.
Am 25. Januar 2006 fanden zum zweiten Mal (erste Wahlen im Jänner 1996) die Wahlen zum Palästinensischen Legislativrat statt. Die Hamas konnte dabei 74 der 132 Sitze für sich gewinnen. Die zuvor regierende Fatah erhielt nur 45 Mandate. Im März 2006 wurde Ismail Haniyeh Premierminister einer Hamas-Regierung im Westjordanland und im Gazastreifen.
Nach dem Erdrutschsieg von Hamas begannen die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der beiden Gruppen, in deren Verlauf Hunderte von Menschen ums Leben kamen. Ihren Höhepunkt fanden sie im Juni 2007 im Gazastreifen, als Hamas mit Gewalt die Kontrolle über alle Sicherheitseinrichtungen und Regierungsgebäude der PA übernahm. Präsident Mahmoud Abbas setzte die erst im März 2007 gebildete Einheitsregierung unter Ismail Haniyeh ab, verhängte den Ausnahmezustand und setzte schließlich eine Übergangsregierung ein. Israel verhängte eine Blockade über den Gazastreifen. Seitdem ist Palästina zweigeteilt, in einen von Hamas kontrollierten Gazastreifen und ein von Fatah kontrolliertes Westjordanland. In beiden Gebieten wurden Aktivisten der jeweils anderen Seite inhaftiert und misshandelt, deren Einrichtungen geschlossen, ihre Medien verboten und ihre Demonstrationen aufgelöst. Wahlen wurden auf Grund der Streitigkeiten bis zu einer Einigung zwischen Fatah und Hamas aufgeschoben. (Im Westjordanland fanden dennoch 2012 lokale Wahlen statt.) Die zahlreichen Versuche der Einigung zwischen den beiden Parteien sind immer wieder gescheitert. Im Frühjahr 2014 haben sich die beiden Rivalen Fatah und Hamas darauf geeinigt, eine Regierung von unpolitischen Technokraten zu bilden, die am 2. Juni 2014 auch vereidigt wurde. Diese Regierung ist aber auf Grund der großen Meinungsverschiedenheiten noch immer nicht funktionsfähig. Im September 2014 meldeten Führer der beiden rivalisierenden Seiten, dass sie sich auf die Beilegung ihrer Differenzen geeinigt hätten und der palästinensischen Autonomiebehörde gestatten würden, in den Gaza-Streifen zurückzukehren. Doch selbst von Teilen der PLO wird diese Vereinbarung mit Skepsis betrachtet. Die palästinensische Seite befindet sich seit Langem in einer Zwickmühle: Die israelische Regierung konnte Palästinenserpräsident Abbas stets vorhalten, er sei "kein Partner für den Frieden", weil ihm ohne Hamas die Abschlussvollmacht für sämtliche Palästinenser fehle. Sobald er jedoch die Hamas politisch mit ins Boot nahm, wurde ihm vorgeworfen, er arbeite mit einer Terrororganisation zusammen, die Israel von der Landkarte tilgen wolle. Israel teilte mit, dass es die Konsensregierung boykottieren werde, da sie von der Hamas unterstützt werde. Einstimmig beschloss das israelische Sicherheitskabinett, die Friedensgespräche mit den Palästinensern auszusetzen.
Für den 08.10.2016 waren in Gaza und im Westjordanland in 416 Städten und Dörfern Kommunalwahlen geplant. Die in Gaza regierende Hamas hat ihre Teilnahme an den Wahlen angekündigt. 2012 hatte die Hamas die zweite Runde der nur im Westjordanland abgehaltenen Kommunalwahlen boykottiert (Der Standard 16.08.2016). Die Wahlen wurden jedoch von dem Obersten Gericht in Ramallah abgesagt, erstens, weil in Jerusalem keine Wahlen vorgesehen waren, zweitens, weil Entscheidungen über die Zulassung der Kandidaten in Gazastreifen ohne die PA gefällt worden waren.
Nach der Wahl von 2006 war Ismail Haniyeh Premierminister der palästinensischen Autonomiebehörde geworden. Nach deren Teilung, also seit 2007, übernahm Haniyeh diese Funktion für die Hamas in Gaza.
Ebenfalls eine wichtige Rolle spielt Khaled Meshaal, der politische Führer der Hamas. Er hat diese Rolle 2004 übernommen, nachdem sein Vorgänger Al-Rantissi bei einem israelischen Luftangriff getötet wurde. Er ist das mediale Gesicht der Organisation, operiert hauptsächlich von Katar aus und ist bekannt als der externe "deal-maker", der Geldmittel von regionalen Unterstützern auftreibt.
Die Hamas wird von Israel und dessen Verbündetem, den USA, als terroristische Organisation eingestuft. Die USA haben die EU gedrängt, ebenfalls bei dieser Einstufung zu bleiben. Der Europäische Gerichtshof hatte die Entscheidung von 2001, die Hamas in die Liste der Terrororganisationen aufzunehmen für nichtig erklärt, da sie nicht auf rechtlich profunden Entscheidungen basierte. Doch die Außenminister der 28 EU Mitgliedstaaten beschlossen im Jänner 2015 – auch auf Druck von Seiten der USA - , gegen das Urteil Berufung einzulegen und die Hamas weiterhin als terroristische Organisation anzusehen, eine Entscheidung, die die Hamas als "unmoralisch" bezeichnete. Im Februar 2015 hat ein Gericht in Ägypten die gesamte Hamas als terroristische Gruppe eingestuft. Damit dürfte die Hamas Kairo nicht länger als Vermittler im Konflikt mit Israel akzeptieren.
Im Dezember 2014 stimmte das europäische Parlament mit einer überwältigenden Mehrheit für die "Quasi"-Anerkennung Palästinas als Staat. Dieses Votum ist rechtlich nicht bindend, aber es sendet eine starke Botschaft an die internationale Gemeinschaft. Schweden ist einen Schritt weiter gegangen und hat Palästina offiziell als Staat anerkannt. Im Jänner 2015 akzeptierte UN-Chef Ban Ki-Moon den Antrag Palästinas auf Mitgliedschaft beim Internationalen Gerichtshof. Eine solche Mitgliedschaft könnte den Palästinensern die Möglichkeit eröffnen, Beschwerden wegen Kriegsverbrechen gegen Israel zu richten.
Das palästinensische Rechtssystem wird häufig als komplex beschrieben, da es aus verschiedenen Rechtsquellen seit der osmanischen Zeitzusammengesetzt ist. Neben der palästinensischen Gesetzgebung spielen osmanisches, britisches, jordanisches und ägyptisches Mandatsrecht sowie die aktuelle israelische Militärgesetzgebung eine Rolle. Noch komplizierter wird die Lage durch die Koexistenz von mindestens zweierlei Systemen der Gesetzgebung und Rechtsprechung in Palästina: geschriebene Gesetze und Vorschriften, darunter Religionsgesetze (d.h. die Scharia), und ein informelles Konfliktlösungssystem auf Grundlage von Sitten und Gebräuchen ("urf").
Obwohl die Gesetze der PA auch im Gazastreifen gelten, hat die PA hier nur wenig Autorität. In den letzten Jahren haben sowohl die Palästinensische Autonomiebehörde als auch die Internationale Gemeinschaft Anstrengungen unternommen, das formelle Rechtssystem in den Palästinensischen Gebieten zu formen und zu festigen. Inzwischen existieren 20 Amtsgerichte (14 im Westjordanland und sechs in Gaza), elf Gerichte erster Instanz (acht im Westjordanland und drei in Gaza), drei Berufungsgerichte (in Ramallah, Jerusalem und dem Gazastreifen), die höherinstanzlichen Gerichte (Berufungs-und Kassationsgerichte, Oberster Gerichtshof) sowie die religiösen Familiengerichte (d.h. Scharia- und christliche Religionsgerichte). Dennoch werden bei straf- und zivilrechtlichen Streitfällen durchaus nicht allein die staatlichen Gerichte zur Konfliktlösung herangezogen: In den meisten straf- und zivilrechtlichen Fällen werden gemeinsam mit dem formellen Rechtssystem – oder parallel dazu – alternative Abläufe zur Beilegung von Streitfällen in Gang gesetzt. Die Hälfte der Bevölkerung hat kein Vertrauen in das formelle Rechtssystem, wohingegen das Stammesrecht weiterhin hohes Ansehen genießt. Daneben ist es so, dass die Beschlüsse des Obersten Palästinensischen Gerichtshofes nicht immer umgesetzt werden.
Die Auseinandersetzungen zwischen Fatah und Hamas wirken sich auch auf das Justizwesen aus. Nach der Spaltung untersagte die palästinensische Autonomiebehörde ehemaligen Mitarbeitern der Justizbehörden (und auch der Sicherheitskräfte) im Gazastreifen für die Verwaltung der Hamas zu arbeiten. Sie wurden stattdessen von der Autonomiebehörde bezahlt, ohne zu arbeiten. Die Hamas stellte Ersatz-Staatsanwälte und Richter ein, die häufig keine entsprechende Ausbildung und Qualifikation für die Aufgaben hatten.
Die Bewohner des Gazastreifens können zivilrechtliche Klagen einreichen. Die Gerichte arbeiten inoffiziellen Berichten zufolge teilweise sogar unparteiisch und unabhängig von der Hamas, und es wurde von Verbesserungen im Strafvollzug berichtet. Allerdings werden laut Human Rights Watch viele zivilrechtliche Fälle von der Hamas vor Militärgerichten verhandelt. Die politischen und juristischen Autoritäten haben nicht sichergestellt, dass den Gefangenen prompte und faire Gerichtsverfahren zuteilwerden.
Die Israeli Defence Force (IDF) stellt Palästinenser, die wegen Sicherheitsdelikten (Delikte, die von "Steinewerfen" bis zu "Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation" und "Verhetzung" reichen) beschuldigt werden, vor Militärgerichte. Das Militärgesetz sieht vor, dass wegen Sicherheitsdelikten Verhaftete bis zu 8 Tage lang in Untersuchungshaft gehalten werden können, bevor sie vor ein Militärgericht gestellt werden, und die Sicherheitskräfte sind bis nach Abschluss der Befragung (die Wochen dauern kann) nicht verpflichtet, dem Verhafteten Zugang zu Rechtsberatung zu bieten. Die maximale Dauer für die Untersuchungshaft beträgt 90 Tage, sie kann aber verlängert werden.
Einheiten unter Kontrolle der Hamas hielten die Sicherheit aufrecht. Berichte von NGOs und Presse legen nahe, dass die Hamas eine strikte Kontrolle über die gesamte Gesellschaft durchsetzt. Die "Polizei" der Hamas profitiert Berichten zufolge von illegalen Aktivitäten wie etwa dem Betrieb von Schmuggeltunnels [Anm.: zwischen Ägypten und dem Gazastreifen] und soll diesen Vorschub geleistet haben. Straffreiheit blieb ein Problem im Gazastreifen.
Die Arbeit der palästinensischen Sicherheitsdienste und der Polizei wird jedoch auch durch die israelische Armee behindert, z.B. zerstörte sie während des Gaza-Krieges im Dezember 2008 alle Gefängnisse und Haftzentren in Gaza durch Bombenangriffe.
Die Palästinensische Autonomiebehörde verbot allen früheren Mitgliedern der Sicherheitsbehörden in Gaza für die Hamas zu arbeiten und bezahlt dafür, nicht zur Arbeit zu gehen. 2007 leisteten der Fatah loyale Mitglieder der PA-Sicherheitsbehörden Widerstand gegen die Hamas. Nach der Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen flohen einige Mitglieder der Präventiven Sicherheit oder tauchten unter. Mittlerweile scheint die Arbeit in einigen Regierungsstellen wie etwa den Sicherheitsdiensten nur Mitgliedern der Hamas zugänglich zu sein.
Die Einheiten des Ministeriums für Inneres (und Nationale Sicherheit) sind die Zivilpolizei, Sicherheit und Schutz, Interner Sicherheitsdienst und die Nationale Sicherheit. Es gibt auch eine Marinepolizei oder Küstenwache. Hinzukommen andere Einrichtungen wie die Zivilverteidigung.
Die Abteilung für Reform- und Rehabilitierungszentren betreibt Gefängnisse und das Generaldirektorat für Ausbildung. Im Ministerium gibt es zudem eine Kommission für Politische und Moralische Anleitung, deren Rolle die Förderung islamischer Werte unter dem Polizei- und Sicherheitspersonal beinhaltet.
Die Rolle der Zivilpolizei umfasst polizeiliche Routineaufgaben. Sie besteht aus Elementen der Polizei der Palästinensische Autonomiebehörde vor dem Wahlsieg der Hamas im Jahr 2006 und aus der Exekutiveinheit [Executive Force], welche die Hamas 2006 gründete, und besteht aus Mitgliedern des militärischen Arms der Hamas und Hamas-Unterstützern. Die Einheit ist mit geschätzten 8500 bis 9200 Mitgliedern [Anm.: Stand 2012] eine der größten mit Sicherheitsaufgaben befassten Einheiten im Gazastreifen. Die Polizei ist in verschiedene Territorien organisiert: Rafah-, Gaza-, und Zentralprovinz.
Es gibt auch eine Stadtpolizei mit Schwerpunkt Überwachung der Märkte und eine Verkehrspolizei.
Unter den verschiedenen Direktoraten ist eines der wichtigsten das Generaldirektorat für den Ermittlungsdienst (General Directorate of Investigation Service –GDIS) mit einer Bandbreite von Verbrechen als Ermittlungsgegenstand: Steuerhinterziehungen, Veruntreuung, Fälschung, Schutz der "öffentlichen Moral", Führung der Polizeiakten, Ausgabe von Waffenlizenzen, Grenzkontrollen bzgl. Eintreffen und Abreise von Ausländern. Zusätzlich gibt es eine Generalverwaltung für Grenzen und Grenzübergänge zur Grenzkontrolle und Überwachung ankommender und abreisender Personen.
Es gibt zudem ein Direktorat zur Bekämpfung des Drogenhandels.
Die Abteilung für Eingriffskräfte und für die Aufrechterhaltung der Ordnung hat die Aufgabe, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, ist aber auch für den Schutz von VIPs zuständig.
Es gibt zudem eine Abteilung für Polizistinnen sowie Spezialeinheiten für z.B. polizeiliches Ingenieurwesen mit der Spezialisierung auf Bombenentschärfung.
Der polizeiliche Nachrichtendienst ist als Allgemeine Nachrichtendienstliche Abteilung (GID - General Intelligence Department) bekannt und untersucht Schwerverbrechen und organisierte Kriminalität sowie Geldwäsche.
Die Hamas soll Undercover-Polizisten für Angriffe auf verschiedenste Personengruppen einsetzen, die z.B. "moralischer Vergehen" oder der Kollaboration mit Israel verdächtigt werden.
Mit Stand 31.10.2014 hatten laut Beschwerden bei der Independent Commission for Human Rights (ICHR) die Einheit für Interne Sicherheit und die Polizei [im Jahr 2014] 338 Personen misshandelt oder gefoltert.
Der militärische Arm der Hamas, die Izzedin al-Qassam-Brigaden, gehen auf die frühen 1980er Jahre zurück, wurden aber offiziell erst nach der Etablierung der Hamas als politische und militärische Bewegung der Palästinenser im Jahr 1987 organisiert. Laut der Website der Brigaden ist ihr Ziel, "zu der Anstrengung beizutragen, Palästina zu befreien und die Rechte des palästinensischen Volkes wiederherzustellen". Die Schätzungen über ihre Personenstärke reichen von 10 000 bis 20 000 Mitgliedern. Details ihrer Organisation und der Rekrutierung werden laut Website geheim gehalten. Während der Feindseligkeiten im November 2012 führten die Izzedin al-Qassam Brigaden laut eigenen Angaben 1573 Raketenangriffe durch. Während der israelischen Offensive verübten Mitglieder der Brigaden und die Interne Sicherheit mindestens 22 extralegale Hinrichtungen von Personen, welche sie der "Kollaboration" mit Israel beschuldigten.
Die Nationale Sicherheit ist eine leicht bewaffnete militärische Einheit der Hamas, welche die Aufgabe hat, vor "ausländischer Aggression" zu schützen. Laut Hamas besteht sie aus drei Bataillonen. Das Erste Bataillon ist entlang der israelischen Grenze stationiert. Das Zweite Bataillon beinhaltet den Schutz militärischer Anlagen innerhalb des Gazastreifens. Das Dritte Bataillon patrouilliert die Grenze und verhindert Drogenschmuggel.
Weiter gibt es eine Militärpolizei und eine Militärische Sicherheit, deren Zuständigkeit die Sicherheit der militärischen Anlage und Barracken sowie die Loyalität der Offiziere und anderer Ränge ist. Dazukommen eine Logistikeinheit sowie ein Militärischer Medizinischer Dienst. Schätzungen der Stärke der Nationalen Sicherheit reichen von 800 bis 1200 Personen.
Die Hamas folterte Berichten zufolge im Gazastreifen weiterhin Gefangene und mutmaßliche Verbrechen. Die Folterungen und Misshandlungen der Gefangenen erfolgten ungestraft. Es gab im Gazastreifen über 440 Foltervorwürfe während des Jahres 2014. Für das Jahr 2013 gab es bezüglich der von der Hamas verhafteten Gefangenen zumindest 263 Beschwerden wegen Folter und Misshandlungen, verglichen mit 142 Beschwerden im Jahr 2012. Human Rights Watch berichtete, dass die "Hamas Internal Security Services", die Drogenabteilung der "Civil Police Force" und die "Polizei"-Detektive Gefangene folterten. Unter der Kontrolle des de facto-Innenministeriums der Hamas stehende Sicherheitseinheiten folterten und misshandelten Sicherheitsgefangene, mit den PA oder der Fatah assoziierte Personen, mutmaßliche Israel-Kollaborateure, Aktivisten der Zivilgesellschaft, Journalisten und Personen, die "unmoralische" Handlungen getätigt hatten. Laut Human Rights Watch ging es bei den Misshandlungsvorwürfen auch um Auspeitschungen, Handfesselungen, erzwungenes Stehen in unangenehmen Positionen, Aufhängungen, Schläge, Schläge mit Stöcken, Elektrischen Kabeln oder Schläuchen. Die Hamas setzte Berichten zufolge wenige bis keine Maßnahmen, Berichte von Folter zu untersuchen.
Israel verbot den Gebrauch von Folter zur Erlangung von Sicherheitsinformationen im Jahr 2000. Aber mildere Formen von Nötigung sind erlaubt, wenn vermutet wird, dass der Gefangene über essentielle Informationen über bevorstehende Terroranschläge verfügt. Menschenrechtsgruppen kritisieren Israel für seine Verhörmethoden, die das Festbinden des Gefangenen in eine schmerzhaften Positionen, das Schlagen und Treten, sowie Gewaltandrohungen gegen die Gefangenen und ihre Verwandten, Schlafentzug und Isolation inkludierten.
Menschenrechtsorganisationen, wie z.B. das Public Committee Against Torture in Israel, berichten, dass die "physischen Befragungsmethoden", die vom israelischen Gesetz erlaubt sind und vom israelischen Sicherheitspersonal angewandt werden, das Ausmaß von Folter erreichen würden. Amnesty International berichtet, dass die israelischen Sicherheitsbeamten, insbesondere jene der Internal Security Agency, palästinensische Gefangene foltern, misshandeln und während der Befragungen tage-, manchmal wochenlang in isolierte Einzelhaft halten.
Laut Korruptionsbericht 2012 der palästinensischen Vereinigung AMAN – Coalition for Accountability and Integrity gehörten Vettern-, Klüngel- und Günstlingswirtschaft ("Wasta" = gute Beziehungen) bei Dienstleistungen und Stellenbesetzungen sowie Missbrauch und Zweckentfremdung von öffentlichem Eigentum wie z.B. die private Nutzung von Dienstfahrzeugen im Jahr 2012 in Palästina zu den häufigsten Formen der Korruption im öffentlichen, privaten und zivilgesellschaftlichen Bereich. Aber auch die Verbreitung von Lebensmitteln und Medikamenten, deren Haltbarkeitsdauer abgelaufen war, Betrug, Verschwendung von öffentlichen Geldern, Nichtbezahlung von Strafzetteln, Steuerhinterziehung sowie Unregelmäßigkeiten bei der Besetzung von Stellen und bei Beförderungen auf den oberen Etagen waren zu beklagen. In einer Meinungsumfrage gaben 40 Prozent der Befragten an, im Jahr 2012 für den Erhalt oder die Durchführung von persönlichen Dienstleistungen Vettern-, Klüngel- oder Günstlingswirtschaft oder Bestechung eingesetzt zu haben (Anm.:
Dieser Absatz bezieht sich auf Palästina insgesamt und geht nicht konkret auf den Gazastreifen ein).
Im Gazastreifen warfen örtliche Beobachter und NGOs der Hamas Fälle von Mittäterschaft bei korrupten Vorgängen vor, einschließlich Vergünstigungen bei Einkaufskonditionen für Immobilien und Erzielung von finanziellen Einnahmen in Zusammenhang mit dem illegalen "Tunnelhandel" der Hamas-Sicherheitskräfte. Die Behörden unterdrückten die Berichte über diese Vorfälle.
Die Medien im Gazastreifen sind nicht frei. Im Rahmen des Machtkampfes zwischen Fatah und Hamas wurde ab 2008 das Informationsministerium der PA vom Medienbüro der Regierung ersetzt und alle Journalisten, die nicht von diesem anerkannt wurden, wurden verboten. Somit müssen sich alle Medienunternehmen und Journalisten bei den Behörden registrieren. Der Fatah nahestehende Journalisten wurden festgenommen, misshandelt, und Zeitungen und Fernsehstationen der Fatah wurden geschlossen.
Im 1. Halbjahr 2014 dokumentierte das Palestinian Center for Development and Media Freedoms (MADA) 186 Verletzungen der Medienfreiheit in Palästina: 71 Prozent (d.h. 132 Übergriffe) durch Israelis und 29 Prozent (d.h. 54 Übergriffe, 16 von ihnen im Gazastreifen und 38 im Westjordanland) durch Palästinenser. Hierzu gehörten u.a. körperliche Angriffe, Verhaftungen, Verhöre, Drohungen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und Konfiszierung von Ausrüstung.
Gemäß einer Hamas-Verordnung muss jede Versammlung oder Feier im Gazastreifen zuvor bewilligt werden, diese Verordnung steht im Widerspruch zum Grundgesetz der PA. Im Allgemeinen erlaubte die Hamas den Fatah-Mitgliedern nicht Versammlungen abzuhalten. Aktivisten berichteten, dass Hamas-Beamte in der Öffentlichkeit Frauen schikanierten und sie bei der Abhaltung friedlicher Versammlungen behinderten. Hamas-Beamte versuchten auch potentielle Kritik an der Hamas zu verhindern, indem sie willkürliche Anforderungen für die Bewilligung von politischen oder gesellschaftspolitischen Versammlungen stellten.
Unabhängige Gewerkschaften funktionieren in Gaza weiterhin, und PA-Arbeiter haben Streiks gegen Hamas-geführte Managements durchgeführt. Dennoch ist der Betrieb der Fatah-ausgerichteten Palestinian General Federation of Trade Unions, des größten Gewerkschaftsbunds in den besetzten Gebieten, eingeschränkt worden. Dessen Hauptbüros in Gaza sind 2007 von militanten Hamas-Anhängern übernommen worden.
Seit der Spaltung im Jahr 2007 ist Gaza effektiv ein Ein-Parteien-Staat, die Fatah wird großteils unterdrückt, kleinere politische Gruppen werden in unterschiedlichem Maße toleriert. In der Öffentlichkeit finden wenig bis keine Aktivitäten von Oppositionsparteien statt. Im Jänner 2013 erlaubte die Hamas in Gaza eine Massendemonstration von Fatah-Anhängern zum ersten Mal seit mehreren Jahren.
Zusätzlich dazu gibt es Konflikte zwischen den Salafisten im Gazastreifen und der Hamas. Die Hamas, deren Ziel der Kampf gegen Israel ist, möchte nichts mit salafistischen Operationen im Ausland zu tun haben, zeigt daher wenig Toleranz für salafistische Bewegungen im Gazastreifen und kämpft gelegentlich in bewaffneten Auseinandersetzungen gegen deren Mitglieder.
1.3.2. Von 12,37 Millionen Palästinensern weltweit Ende 2015 leben 38,4% (4,75 Millionen) in Palästina, davon 2,9 Millionen im Westjordanland und 1,85 Millionen im Gazastreifen, und 11,9% (1,47 Millionen) in Israel. 44,1% (5,46 Millionen) leben in arabischen Ländern und 5,6% (685.000) in anderen Ländern.
42,8% der palästinensischen Bevölkerung (im Westjordanland 27,1%, im Gazastreifen 67,3%) sind Flüchtlinge, die vom Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten, UNRWA, betreut werden.
Die israelische Regierung hat die Kontrolle über das Palestinian Population Registry [Bevölkerungsregister für die palästinensischen BewohnerInnen der palästinensischen Gebiete]. Palästinenser ohne Identitätskarten sind in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt.
1.3.3. Ab dem 7. Juli 2014 kam es zu einer massiven Eskalation der Konflikte zwischen Israel und Gaza, mit intensiven Bombardements durch die Israelis und Raketenbeschuss durch die Palästinenser. Ab dem 17. Juli folgte eine Bodenoffensive der Israelis. Das Ausmaß der Zerstörung während des 50 Tage andauernden Krieges ist ohne Beispiel, zumindest seit Beginn der israelischen Besetzung 1967. 2.205 Palästinenser wurden getötet, darunter zumindest 1.483 Zivilisten, 521 Kinder und 283 Frauen. 71 Israelis wurden getötet, darunter 66 Soldaten, ein Sicherheitskoordinator und ein Zivilist. Am Höhepunkt des Krieges gab es über 500.000 vertriebene Palästinenser. Ca. 18.000 Häuser wurden zerstört oder stark beschädigt. Ungefähr 108.000 Palästinenser wurden durch die Offensive obdachlos (Stand 15. Oktober 2014). 28 Schulen wurden stark beschädigt oder zerstört. Fast alle Gaza-Bewohner hatten tage- oder wochenlang keinen Zugang zu Fließwasser. Alle 1,8 Millionen Einwohner des Gazastreifens waren direkt von dem Konflikt betroffen. Am 26. August wurde ein Waffenstillstand vereinbart, der bis heute anhält. Bereits vor der israelischen Gaza-Offensive Sommer 2014 erhielten 66 Prozent der Bevölkerung in Gaza Nahrungsmittelhilfe. Nach der Offensive war die Nahrungsmittelversorgung für 72 Prozent der Haushalte nicht gesichert.
Nach dem jüngsten Krieg mit Israel im Sommer 2014 geht der Wiederaufbau in Gaza nur schleppend voran, auf Grund der israelischen Abriegelung des Gazastreifens fehlt es an Materialien für den Wiederaufbau. Von den ca. 100,000 Menschen, deren Häuser während der Kämpfe schwer beschädigt oder zerstört wurden, sind ca. 65,000 immer noch vertrieben. Fast 18.000 Wohnstätten wurden während der Offensive zerstört und unbewohnbar, nur rund ein Drittel davon ist bis jetzt wieder aufgebaut worden.
Im Jahr 2015 unternahmen die Israel Defense Forces bis zum 23. November 50 militärische Einfälle in den Gaza-Streifen. Bis zum selben Datum hatten israelische Sicherheitskräfte in Gaza 21 Personen, im Rahmen von Demonstrationen am Grenzzaun oder bei Luftangriffen, getötet und mehr als 100 verletzt. Sie beschossen außerdem weiterhin Personen, die die Sperrzonen, die Israel innerhalb Gazas Grenzen errichtet hat, betraten sowie Fischer, die sich jenseits der Sechs-Meilen-Grenze von der Küste entfernt bewegten. Palästinensische bewaffnete Gruppen feuerten 2015 bis zum 31. Oktober 20 Raketen vom Gaza-Streifen aus nach Israel, wobei niemand verwundet wurde. Diese Raketen können nicht genau auf militärische Ziele ausgerichtet werden und können so willkürlich oder beabsichtigt auch Zivilisten treffen, wenn sie auf israelische Bevölkerungszentren gerichtet werden. Die Hamas, die de facto die Kontrolle im Gaza-Streifen hat, wird als dafür verantwortlich gehalten, solche Attacken zu verhindern. Nachdem Raketen aus Gaza Israel getroffen haben kommt es zu Vergeltungsangriffen der Israelis, wie z.B. am 21. August 2016 als nach dem Einschlag einer Rakete aus Gaza in der israelischen Grenzstadt Sderot, die Israelis mit Luftangriffen 30 Ziele in Gaza beschossen, bei denen zwei Personen leicht verletzt wurden.
Die israelischen Sicherheitskräfte halten die Luft-, See- und Landblockade, die seit 2007 in Kraft ist, weiterhin aufrecht. Die andauernden Einfuhrbeschränkungen von z.B. Baumaterialien führen zu langen Verzögerungen beim Wiederaufbau von Wohnhäusern und anderen infrastrukturellen Einrichtungen, die in den bewaffneten Auseinandersetzungen von 2014 beschädigt oder zerstört wurden. Außerdem führen die Einfuhrbeschränkungen zur weitverbreiteten Verarmung unter den rund 1,8 Mio. Einwohnern Gazas. Die Blockade der Landgrenzen und der Küste Gazas schränkt die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Landes massiv ein. Die israelischen Behörden verhinderten die Bewirtschaftung von landschaftlich nutzbaren Flächen nahe des Grenzzaunes und palästinensischen Fischern wurde das Fischen nur innerhalb der Gewässer erlaubt, die maximal sechs Meilen von der Küste entfernt waren. Die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen, zu denen palästinensischen Bauern der Zugang verwehrt oder teilweise verwehrt wird, machen ca. 35 Prozent des kultivierbaren Landes des Gaza-Streifens aus. Ägypten beschränkt die Aus- und Einreise von Palästinensern am Grenzübergang Rafah und öffnet nur sporadisch und meist nur in eine Richtung den Grenzübergang für den Personenverkehr und humanitäre Hilfsgüter. Hunderte von Tunnels, die zum Schmuggel zwischen Ägypten und Gaza genutzt wurden, wurden von Ägypten zerstört.
Ungefähr 80 Prozent der Bevölkerung Gazas leben unter der Armutsgrenze. Die israelischen Sicherheitsmaßnahmen und die israelisch-palästinensische Gewalt führen zu einer ständigen Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation im Gazastreifen. Die Grenzkontrollen der Israelis wurden strenger, seit 2007 die Hamas die Kontrolle in Gaza übernahm. Konsequenzen davon sind eine hohe Arbeitslosenquote und steigende Armutsraten. Auch Ägyptens hartes Vorgehen gegen das Schmuggelsystem mittels Tunnels zwischen Gaza und Ägypten hat den Mangel an Treibstoff, Baumaterialien und Konsumgütern in Gaza erhöht. Die bewaffneten Auseinandersetzungen 2014 haben die ohnehin schlechte wirtschaftliche Situation in Gaza noch verschlimmert. Die Arbeitslosenquote lag im zweiten Quartal 2016 im Gazastreifen bei 41,7 Prozent. Kinderarbeit gibt es weiterhin (1,8 Prozent der Kinder zwischen 10 und 17 Jahren sind in Gaza erwerbstätig).
Der Treibstoffmangel wirkt sich direkt auf die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung aus, da er die Leistung der Pumpensysteme einschränkt. Ca. 30 Prozent der Bewohner haben dadurch keinen regelmäßigen Zugang zu Leitungswasser. Durch das mangelhafte Abwasserentsorgungssystem werden täglich rund 90 Millionen von unbehandeltem oder teilweise behandeltem Abwasser ins Meer gepumpt, was ein ernsthaftes Umwelt- und Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung darstellt, durch die Verschmutzung der Strände und der Meeresfrüchte und Fische, die von der lokalen Bevölkerung konsumiert werden.
Die medizinische Versorgung in Gaza droht vollkommen zu kollabieren, und es gibt einen ernsthaften Mangel an Medikamenten, medizinischen Einwegprodukten und Treibstoff. Das medizinische Personal ist oft unterbezahlt und teilweise unzureichend geschult. Außerdem fehlt die Möglichkeit zum Ausbau von medizinischen Einrichtungen, um den Bedarf an medizinischer Versorgung zu decken. Die Probleme des Gesundheitssystems in Gaza stammen teilweise aus der Zeit der Kampfhandlungen von 2014. Ungefähr 900 Patienten, der damals verletzten Personen, trugen Formen bleibender Beeinträchtigung davon und benötigen andauernde medizinische Behandlung, während jedoch ein großer Teil der medizinischen Infrastruktur damals beschädigt wurde. Manche Patienten, die damals eine oder mehrere Gliedmaßen verloren haben, warten zwei Jahre nach dem Konflikt immer noch auf Prothesen und können Therapien nur in lokalen Spitälern erhalten, denn das einzige Rehabilitations-Spital Gazas wurde 2014 vollkommen zerstört. Durch den Mangel im medizinischen Sektor kommt es beispielweise bei Operationen zu sehr langen Wartezeiten, was zur Frustration der Patienten und teilweise zu unnötigen Schmerzen und Gesundheitsrisiken führt. Im Mai 2016 erhielten 10,16 Prozent aller Patienten aus dem Gazastreifen, die einen Antrag auf Ausreise für eine medizinische Behandlung gestellt hatten, keine Erlaubnis von Israel. 24,03 Prozent bekamen keine Antwort und konnten daher ihre Behandlungstermine nicht wahrnehmen. Palästinensische Ambulanzfahrzeuge dürfen nicht nach Israel fahren. Seit 2013, seitdem Ägypten den Grenzübergang Rafah nur mehr sporadisch öffnet, ist es noch schwieriger geworden, für eine medizinische Behandlung nach Ägypten zu reisen.
1.3.4. Der Mehrheit der Palästinenser des Gazastreifens (Flüchtlingen und Nicht-Flüchtlingen) werden vom Innenministerium der Palestinian Authority (PA) Personalausweise ("ID-Cards") ausgestellt. Um eine ID-Card ausgestellt zu bekommen muss die betreffende Person im Gaza-Einwohnerregister verzeichnet sein, das von den israelischen Behörden kontrolliert wird.
Jeder, der im Besitz einer ID-Card ist, kann einen Reisepass beantragen, der wiederum von der PA ausgestellt wird ("PA passport"). Die Anträge werden in Gaza gestellt und die Reisepässe in Ramallah ausgestellt.
Die UNRWA stellt an berechtigte Personen eine UNRWA registration card aus. Diese wird ausschließlich zum Zwecke des Erhalts von UNRWA-Leistungen ausgestellt, hat aber keine Relevanz bezüglich des rechtlichen Status einer Person. Der UNHCR stellt in Gaza oder anderen UNRWA-Gebieten keine UNHCR-Flüchtlingspapiere aus.
Für palästinensische Flüchtlinge aus Gaza stellt die palästinensische De-Facto-Behörde Hamas im Prinzip keinen Hinderungsgrund für eine Rückkehr dar. Allerdings ist für das Betreten Gazas über den israelischen Grenzübergang Erez die Genehmigung der israelischen Behörden erforderlich sowie, dass die Person Gaza legal über dieselbe Route verlassen hat und im Besitz einer ID-Card ist. Die israelischen Behörden erkennen den PA-Reisepass nicht als gültiges Reisedokument an, wenn es darum geht, durch Israel zu reisen um in den Gazastreifen zu gelangen. Palästinenser ohne ID-Card können Gaza ausschließlich über Ägypten betreten oder verlassen und nur dann, wenn der Grenzübergang Rafah geöffnet ist. Das Betreten des Gazastreifens über diesen Grenzübergang ist daher abhängig von den – unregelmäßigen - Öffnungszeiten dieses Grenzüberganges. Erforderlich ist darüber hinaus eine Durchreisegenehmigung der ägyptischen Behörden sowie naturgemäß die Zustimmung der Organe der Hamas zum Betreten von Gaza. Die tagesaktuellen Modalitäten für eine Einreise nach Gaza über ägyptisches Territorium können je nach aktueller (politischer) Lage variieren, z.B. auch ob die vorherige Ausreise legal erfolgen mußte, und sind daher im Bedarfsfall über die österr. Vertretungen in Kairo, Tel Aviv und Ramallah zu ermitteln. Es ist aber davon auszugehen, dass eine betreffende Person für die Einreise zumindest ein offizielles Reisedokument der PA benötigt.
1.4. Nicht feststellbar war, dass der BF vor der Ausreise aus seinem Herkunftsstaat von der die faktische Regierungsgewalt in Gaza ausübenden palästinensischen Organisation Hamas bzw. deren Organen wegen einer ihm unterstellten Spionagetätigkeit für die palästinensische Organisation Fatah oder für israelische Behörden bedroht wurde oder aus diesem Grunde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat verfolgt werden würde.
1.5. Nicht feststellbar war, dass der BF bei einer Rückkehr in seine Heimat keine Existenzgrundlage zur Befriedigung seiner elementaren Lebensbedürfnisse hätte.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Sache des BF in dessen Beisein sowie der seines Vertreters, die Einsichtnahme in die vom BF im Beschwerdeverfahren beigebrachten Beweismittel sowie ergänzende Ermittlungen deren Inhalt betreffend, die Heranziehung länderkundlicher Informationen zur Lage im Herkunftsstaat des BF sowie durch die Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters, des Informationssystems Zentrales Fremdenregister und des Grundversorgungsdatensystems den BF betreffend.
Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangte das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu den oben stehenden entscheidungswesentlichen Feststellungen.
2.2. Die Identität des BF und sein persönlicher Werdegang bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat, seine Staatenlosigkeit, seine Zugehörigkeit zur palästinensischen Volksgruppe, sein Verhältnis zur sowie seine vormalige Unterstützung durch die UNRWA, seine familiären und verwandtschaftlichen Beziehungen und die aktuellen Lebensumstände seiner Angehörigen und Verwandten im Herkunftsstaat sowie deren aktuelles Verhältnis zur UNRWA, und die Lebensumstände des BF in Österreich bzw. dessen Lebensverlauf seit der Einreise waren auf der Grundlage der persönlichen Aussagen des BF vor dem BFA sowie dem BVwG und dem Inhalt der von ihm selbst vorgelegten Urkunden in einer damit übereinstimmenden Zusammenschau mit dem Ergebnis der überprüfenden Ermittlungen des BVwG im Herkunftsstaat des BF als insgesamt unstrittig feststellbar.
2.3. Zu den Feststellungen die Antragsgründe des BF betreffend ist wie folgt auszuführen:
2.3.1. Als Ausreisegrund nannte der BF in seiner Erstbefragung seine Angst vor der Hamas, zum einen weil er "beim Geheimdienst der Fatah gearbeitet habe und immer noch tätig sei" und zum anderen weil die Hamas geglaubt habe, er habe "für Israel" gearbeitet.
In seiner Einvernahme vom 05.12.2014 legte er dazu ein Schreiben der "Staatsanwaltschaft Kahn Younis" aus 2014 vor (vgl. S 4 der NS; AS 35), dem zufolge er einen Beamten beschimpft und bedroht habe, und erklärte dieses damit, dass der Beamte ihm unterstellt habe ein Verräter zu sein und mit Leuten der Fatah kooperiert zu haben. Befragt führte er weiter aus, ein Freund und Nachbar von ihm - womit er einen gemeinsam mit ihm ausgereisten und nach Österreich eingereisten Asylwerber meinte - habe ihm dessen Mobiltelefon zur Verfügung gestellt, damit er mit einer entfernten Verwandten sprechen konnte, die für den Geheimdienst der Fatah gearbeitet habe, dadurch seien seine Probleme entstanden. Im Genaueren seien später Leute von der Hamas zu ihm gekommen, hätten ihn mitgenommen, gefoltert und nach einer Intervention freigelassen.
Dieses behauptete Szenario wurde von der belangten Behörde als nicht glaubhaft bewertet, dies aufgrund von in der Beweiswürdigung näher dargestellten Widersprüchen zwischen den Aussagen des BF und denen seines miteingereisten Freundes.
In seinem – handschriftlich verfassten - Beschwerdeschriftsatz trat der BF dieser Beweiswürdigung der belangten Behörde durch eine zusammenfassende Wiederholung der seiner Aussage nach Flucht auslösenden Ereignisse entgegen.
2.3.2. In der mündlichen Verhandlung vom 11.08.2016 wurde der BF zu diesem Vorbringen nochmals befragt, ergänzend dazu wurde im Gefolge der Verhandlung in den vom BFA beigeschafften Verfahrensakt des Freundes Einsicht genommen.
Eingangs der Verhandlung erwiderte der BF auf Vorhalt seiner in der Erstbefragung protokollierten Aussage zu seinen Ausreisegründen, dass er offenbar falsch verstanden worden sei, als festgehalten wurde, dass er für den Geheimdienst der Fatah gearbeitet habe. Richtig sei vielmehr, dass ihm dies nur unterstellt worden sei. Er habe zwar für die Fatah gearbeitet, jedoch nicht für deren Geheimdienst. Auf näheres Befragen legte er diesbezüglich sodann dar, dass er lediglich freiwillig und unentgeltlich bei gesellschaftlichen Aktivitäten, etwa der Vorbereitung von Festen, geholfen habe.
Danach befragt, weshalb ihm unterstellt worden sei, für den Geheimdienst der Fatah gearbeitet zu haben, führte er aus, ein Mann aus seiner früheren Umgebung, der ihm feindlich gesonnen gewesen sei, habe diese unrichtige Behauptung gemacht um ihm zu schaden. Dieser Mann habe der Miliz der Hamas angehört und Menschen gehasst, die der Fatah geholfen hätten, mehr könne er zu diesem Mann nicht sagen. Jedenfalls seien Funktionäre der Hamas in Begleitung dieses Mannes am Wohnsitz des BF erschienen, wo man ihn festgenommen habe. Er sei insgesamt drei Mal festgenommen und für jeweils längere Zeiträume – im Einzelnen zwischen 10 Tagen und einem Monat – angehalten worden, dabei sei er verhört und auch geschlagen worden, anläßlich der dritten Anhaltung habe eine angesehene Person für ihn interveniert und sei er dadurch freigekommen. Später sei es einmal zu einer Rangelei zwischen ihm und jenem Mann gekommen, der ihn fälschlich der Tätigkeit für den Geheimdienst der Fatah beschuldigt hatte.
Schon aus dieser Darstellung des BF in der mündlichen Verhandlung wurde in einer Gegenüberstellung zum erstinstanzlichen Vorbringen deutlich, dass er die behaupteten Flucht auslösenden Ereignisse im Beschwerdeverfahren gänzlich anders darstellte als zuvor. War zuvor nämlich ein Telefonat des BF mit einer Mitarbeiterin der Fatah, die er schon seit seiner Kindheit gekannt habe und sogar entfernt mit ihm verwandt gewesen sei, der angebliche Grund für den ihm gegenüber geäußerten Verdacht gewesen, so war dies in der Verhandlung vor dem BVwG die bewußte, aber unrichtige Darstellung eines Mitarbeiters der Hamas, der ihn angezeigt habe, dies darüber hinaus noch aus anderen Gründen.
Diese maßgebliche Divergenz im Kern des Vortrags des BF bekräftigte dieser auf weiteres Befragen in der mündlichen Verhandlung noch dahingehend, dass es zwar das erstinstanzlich genannte Telefonat zwischen ihm und jener Dame von der Fatah mit dem Mobiltelefon des Freundes des BF gegeben habe, Mitglieder der Hamas seien sodann auch am Wohnsitz des BF erschienen, diese hätten auch nach ihm und seinem Freund gefragt, ob es aber einen Zusammenhang zwischen dem Telefonat und dem Besuch der Hamas gegeben habe, könne er nicht sagen. Er selbst sei damals auch gar nicht zu Hause gewesen, es sei nur seine Gattin beschimpft worden, danach seien die Leute von der Hamas gegangen.
Diese Divergenzen im Vorbringen des BF erfuhren in der Folge noch ihre Fortsetzung dadurch, dass er auf Befragen betonte, die behaupteten drei Festnahmen durch die Hamas seien jedenfalls vor dem angeblichen Telefonat erfolgt, was in diametralem Gegensatz zum erstinstanzlichen Vortrag stand, als er im Einzelnen dargelegt hatte, dass ihn die Leute von der Hamas drei Tage nach dem besagten Telefonat zu Hause festgenommen und drei Tage lang festgehalten hätten. Spätere weitere Festnahmen durch die Hamas stellte er auf Nachfrage ausdrücklich in Abrede. Zudem vermeinte er in der Beschwerdeverhandlung, er sei nach diesem Besuch der Hamas im Zusammenhang mit dem besagten Telefonat geflüchtet. Erstinstanzlich datierte er den Vorfall mit dem Mobiltelefon noch auf den 10.11.2013 und die nachfolgende Festnahme auf "drei Tage später", während er erst Anfang Mai 2014 ausgereist sei.
Abgerundet wurde die sohin in mehrfacher Hinsicht widersprüchliche Darstellung des BF noch dadurch, dass der erstinstanzlich behaupteten einmaligen Festnahme durch die Hamas in der Beschwerdeverhandlung plötzlich drei aufeinander folgende Festnahme gegenüber standen, der BF darüber hinaus auf Nachfrage aber nicht einmal ansatzweise angeben konnte, wann diese Festnahmen überhaupt stattgefunden hatten.
In einer Gesamtschau dieser Aussagen des BF wurde für das Gericht sohin deutlich, dass sich der BF in der Darstellung der von ihm behaupteten Fluchtgründe eines offenkundig zur Gänze konstruierten Geschehens bediente, das sohin als nicht glaubhaft zu qualifizieren war.
2.3.3. Soweit der BF bereits erstinstanzlich als Beweismittel ein Schreiben der "Staatsanwaltschaft XXXX " vorgelegt hatte, war der Beweiswert dieses Schreibens schon durch die eben dargelegten Erwägungen zur mangelnden Glaubhaftigkeit des persönlichen Vorbringens des BF zu seinen Ausreisegründen maßgeblich gemindert.
Darüber hinaus war zu berücksichtigen, dass – ungeachtet der Frage nach der Echtheit dieser Urkunde - dem Inhalt des Schreibens sinngemäß lediglich zu entnehmen war, dass er einem Beamten gegenüber eine Unterstellung sowie eine Drohung ausgesprochen habe. Ein Hinweis auf den behaupteten Vorwurf einer ihm unterstellten Tätigkeit für die Fatah und damit auf das Kernvorbringen fand sich sohin dort gar nicht.
Zudem vermeinte der BF auf Befragen vor dem BVwG, es habe zwischen ihm und dem erwähnten Mitarbeiter der Hamas einmal eine tätliche Auseinandersetzung gegeben, was zwar theoretisch einer Anzeige gegen ihn bei der Staatsanwaltschaft in XXXX wegen einer Drohung oder Tätlichkeit einem Beamten zu Grunde gelegen haben könnte. Jedoch vermeinte er auf Nachfrage, diese Auseinandersetzung habe unmittelbar vor seiner Ausreise stattgefunden, was zeitlich damit nicht in Vereinbarung zu bringen war, dass das besagte Schreiben vom 17.02.2014 datierte, er aber erst im Mai 2014 ausgereist war.
Eine Überprüfung der Echtheit des vorgelegten Schreibens vor Ort war im Übrigen dem BVwG mangels dahin gehender Möglichkeiten verwehrt, sodass es diesbezüglich auf die eben dargelegten Erwägungen beschränkt war.
Auch das vorgelegte Beweismittel war im Lichte dessen daher nicht geeignet, das Gericht zu anderen Schlussfolgerungen als jenen gelangen zu lassen, dass der BF weder im Zusammenhang mit einem behaupteten Telefonat mit einem Mitglied der Fatah noch einem aus anderen Gründen behaupteten Vorwurf der Kollaboration mit der Fatah von der Hamas verfolgt wurde.
2.3.4. Soweit der BF in der Erstbefragung darüber hinaus noch behauptet hatte, ihm sei auch die Kollaboration mit israelischen Behörden oder Militärs unterstellt worden, fand sich im weiteren Vorbringen kein stichhaltiger Hinweis mehr auf dieses zuvor nur kursorisch ins Treffen geführte Bedrohungsszenario. Nicht nur war sohin diesem speziellen Vorbringen per se nicht zu folgen, sondern warf der Umstand, dass er es eingangs noch behauptet hatte, in weiterer Folge aber überhaupt nicht mehr erwähnte, ebenso Zweifel an der Glaubwürdigkeit des BF seine angeblichen Ausreisegründe betreffend auf.
2.3.5. Der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle noch darauf zu hinzuweisen, dass der Antrag auf internationalen Schutz des mitaus- bzw. nach Österreich –eingereisten Freundes und Nachbarn des BF im ersten Verfahrensgang vom Bundesamt mangels Glaubhaftmachung des behaupteten Verfolgungsszenarios abgewiesen worden war, im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG diese Entscheidung aber von der hierfür zuständigen Abteilung L508 des BVwG aufgehoben und das Verfahren an das Bundesamt zur Ergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen worden war, dies angesichts fehlender erstinstanzlicher Ermittlungen zur Frage der Registrierung des Antragstellers bei der UNRWA in Gaza sowie der Heranziehung zeitlich nicht mehr aktueller länderkundlicher Informationen der Behörde zur allgemeinen Lage in Gaza zur Entscheidungsfindung (vgl. BVwG XXXX , 24.03.2015). Demgegenüber ergänzte im gg. Verfahren des BF die hierfür zur Entscheidung berufene Abteilung L502 des BVwG das Ermittlungsverfahren selbst und traf auf dieser Grundlage eine inhaltliche Entscheidung. Dass es im Übrigen im zweiten Verfahrensgang des Bundesamtes in der Sache des Freundes des BF zu einer Asylgewährung kam, wie sich aus dem Informationsverbund Zentrales Fremdenregister sowie aus der Einsichtnahme in dessen Verfahrensakt gewinnen ließ, war für den erkennenden Richter nicht nachvollziehbar, weil die Behörde ihre der ersten Entscheidung entgegen gesetzte Asylgewährung "gemäß § 3 AsylG" nun darauf stützte, dass der Antragsteller die Registrierung seiner Eltern bei der UNRWA in Gaza nachweisen konnte und daraus zu folgern gewesen sei, dass das Vorbringen zu seinen Ausreisegründen nunmehr "als nicht unglaubhaft zu werten war", woraus wiederum zu folgern gewesen sei, dass er bei einer Rückkehr nicht mehr die Unterstützung der UNRWA in deren Mandatsgebiet in Anspruch nehmen könnte (vgl. Bescheid des BFA v. 05.10.2015, XXXX ). Diese Entscheidungsbegründung stellte sich nicht nur als gänzlich unschlüssig und im Hinblick auf den § 3 AsylG und die Rechtsstellung von staatenlosen palästinensischen Flüchtlingen zudem als rechtlich verfehlt dar, es war darüber hinaus aus dem Verfahrensakt des Freundes des BF auch nichts für das gg. Verfahren des BF zu gewinnen, das das BVwG zu einer anderen Beweiswürdigung hätte gelangen lassen können.
2.4. Die länderkundlichen Feststellungen des BVwG stützen sich zum einen auf die in der Beschwerdeverhandlung als Beweismittel herangezogenen Informationen. Diesen ist der BF durch seinen Vertreter in einer Stellungnahme im Gefolge der mündlichen Verhandlung insgesamt inhaltlich auch beigetreten, insbesondere unter Hinweis auf das Vorgehen der Hamas gegen tatsächliche oder mutmaßliche Gegner innerhalb ihres Herrschaftsgebiets. Zuletzt wurde vom Gericht dem in der mündlichen Verhandlung vom 11.08.2016 herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation noch eine aktualisierte Fassung vom 21.09.2016 ergänzend angefügt, die sich von der vorherigen Fassung inhaltlich nur unwesentlich unterschied und im Übrigen auch nicht in Widerspruch zur Darstellung in der Stellungnahme des Vertreters des BF stand, sodass ein neuerliches Parteigehör dazu auch unterbleiben konnte.
In einer Zusammenschau der länderkundlichen Informationen mit den Erwägungen oben zur Frage der Glaubhaftmachung der behaupteten Ausreisegründe des BF war festzustellen, dass die Hamas zwar im Gaza-Streifen de facto die Regierungs- und Polizeigewalt ausübt und im Zuge dessen auch politische Gegner auf unangemessene Weise bzw. mitunter auch durch die Anwendung von Misshandlung, Folter und Hinrichtung verfolgt. Nachdem aber für das BVwG nicht als glaubhaft feststellbar war, dass der BF selbst sich dem Vorwurf der Gegnerschaft zur Hamas in Form der Kollaboration mit der Fatah ausgesetzt hatte, war auch aus dem Inhalt der länderkundlichen Informationen nichts für das Schutzbegehren des BF wegen individueller Verfolgung durch die Hamas zu gewinnen.
2.5. Die vom Gericht herangezogenen länderkundlichen Informationen gaben darüber hinaus das Gesamtbild von insgesamt sehr schwierigen Lebensumständen für die Bevölkerung des Gaza-Streifens insbesondere als Auswirkung des bewaffneten Konflikts zwischen den israelischen Sicherheitskräften und den in Gaza operierenden bewaffneten Organisationen im Jahr 2014 wieder.
Das Gericht verkennt nicht, dass diese Umstände in Gaza für Zivilpersonen im Einzelfall auch zu einer Bedrohung für die Befriedigung ihrer grundlegenden Bedürfnisse geraten können, etwa weil sie einer besonders verwundbaren sozialen Gruppe angehören oder einer notwendigen, jedoch nicht hinreichend gesicherten medizinischen Versorgung bedürfen.
Im gg. Fall war jedoch festzustellen, dass der BF nicht nur vor der Ausreise aus seiner Herkunftsregion keiner Bedrohung seiner Existenzgrundlage ausgesetzt war, sondern dass insbesondere auch im Gefolge der Ereignisse im Jahr 2014 im Gaza-Streifen seine dort ansäßigen Angehörigen und Verwandten offenkundig keiner solchen Bedrohung ausgesetzt sind. Wie er zuletzt in der Beschwerdeverhandlung darlegte, bewohnen die Genannten eigene Unterkünfte in Form zweier Häuser in XXXX , einige Familienmitglieder erwirtschaften ein eigenes Einkommen bzw. erhalten finanzielle Leistungen aus Altersgründen und ergänzende Unterstützungsleistungen der UNRWA.
Aus diesen Feststellungen war in der Zusammenschau damit, dass der BF selbst angesichts seiner Arbeitsfähigkeit sowie seines verwandtschaftlichen Umfelds in der Heimat und mangels gravierender gesundheitlicher Einschränkungen keiner besonders verwundbaren sozialen Gruppe angehört, zu folgern, dass er bei einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in keine Existenz bedrohende Lage geraten würde.
2.6. Zuletzt wurden vom erkennenden Gericht noch länderkundliche Informationen zu Fragen der Einreisemodalitäten nach Gaza ausgehend von den Nachbarstaaten Israel bzw. Ägypten eingesehen sowie zum Parteigehör gebracht. Diesen ließ sich insgesamt entnehmen, dass eine solche Einreise Einschränkungen und Auflagen der betreffenden Behörden bzw. Organe unterliegt, jedoch nicht als unmöglich anzusehen ist. Den BF selbst betreffend war diesbezüglich zu berücksichtigen, dass er – wie er schon in seiner erstinstanzlichen Einvernahme am 05.12.2014 angab – neben einem Personalausweis auch über ein Reisedokument der zuständigen palästinensischen Behörden verfügte, welches er in Gaza zurückließ. Den vom Gericht zuletzt eingesehenen bzw. beigeschafften länderkundlichen Informationen folgend stellt ein solches Reisedokument die grundlegende Voraussetzung für eine allfällige Einreise nach Gaza konkret über den ägyptischen Grenzübergang Rafah, die sich im Lichte dieser Informationen als eher praktikabel darstellt als jene über den israelischen in Erez, dar. Ob es im gg. Fall darüber hinaus zum jeweiligen fraglichen Zeitpunkt auch faktisch möglich ist, diesen Grenzübergang für eine Einreise zu benützen, ist offenbar von der jeweils aktuellen Lage vor Ort abhängig. Vom BF wurden in seiner abschließenden Stellungnahme dazu keine darüber hinaus gehenden Informationen vorgelegt.
III. Rechtliche Beurteilung:
Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.
Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015.
Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG 2005 idgF.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.
Zu A)
1.1. Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 AsylG ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn und solange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt. Liegt einer der in Abs. 1 genannten Ausschlussgründe vor, kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Abs. 2 ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 AsylG gilt.
Gemäß Artikel 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention findet dieses Abkommen keine Anwendung auf Personen, die zurzeit den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge genießen. Ist dieser Schutz oder diese Unterstützung aus irgendeinem Grunde weggefallen, ohne dass das Schicksal dieser Person endgültig gemäß den hierauf bezüglichen Entschließungen der Generalversammlung der Vereinten Nationen geregelt worden ist, so fallen diese Personen ipso facto unter die Bestimmungen dieses Abkommens.
Gemäß Art 12 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 (Statusrichtlinie) ist ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn er den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Art 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, genießt er ipso facto den Schutz dieser Richtlinie.
1.2. In seinem Erkenntnis vom 12.09.2013, U 1053/2012-14, führte der Verfassungsgerichtshof aus:
"Der Beschwerdeführer legte im Asylverfahren eine auf seine Person ausgestellte "UNRWA Registration Card" vor. Bei der UNRWA handelt es sich um eine Organisation der Vereinten Nationen iSd Art. 1 Abschnitt D der GFK, auf den sowohl Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL sowie § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 Bezug nehmen. Die Rechtstellung von Asylwerbern, die grundsätzlich dem Schutz einer von Art. 1 Abschnitt D GFK erfassten Organisation unterstehen, unterscheidet sich in folgender Hinsicht von jener anderer Asylwerber: Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL sieht – in Entsprechung des Art. 1 Abschnitt D GFK – einerseits vor, dass Drittstaatsangehörige oder Staatenlose von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen sind, wenn sie unter dem Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Art. 1 Abschnitt D GFK stehen. Andererseits genießen vom Anwendungsbereich der genannten Bestimmungen erfasste Personen dann, wenn der Schutz oder Beistand einer solchen Organisation "aus irgendeinem Grund" nicht länger gewährt wird, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, "ipso facto" den Schutz der Status-RL bzw. der GFK. Auf Grund dieses in Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL angeordneten "ipso facto"-Schutzes sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung erfassten Personen auf Antrag den Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn der Beistand einer Organisation der Vereinten Nationen iSd Art. 1 Abschnitt D GFK "aus irgendeinem Grund" wegfällt und keiner der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. EuGH 19.12.2012, Rs. C-364/11 , Mostafa Abed El Karem El Kott ua., Rz 76).
Österreich ist seiner Verpflichtung, die Status-RL und damit auch den genannten Art. 12 der Status-RL in innerstaatliches Recht umzusetzen, insoweit nachgekommen, als nach dem in § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 normierten Asylausschlussgrund einem Fremden kein Asyl gewährt werden kann, "so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt". Eine ausdrückliche Regelung, die die – in Satz 2 des Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL vorgesehene – "ipso facto"-Zuerkennung von Asyl an Personen, denen gegenüber der Beistand der UNRWA "aus irgendeinem Grund" weggefallen ist, anordnen würde, enthält das AsylG 2005 jedoch nicht. Der "ipso facto"-Schutz bewirkt insofern eine Privilegierung von Personen, die unter dem Schutz der UNRWA gestanden sind, als diese – im Unterschied zu nicht unter Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL fallenden Personen – für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten keine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A GFK genannten Gründen glaubhaft machen müssen, sondern nur darzutun haben, dass sie unter dem Schutz der UNRWA gestanden sind und dieser Beistand aus irgendeinem Grund weggefallen ist und dass keiner der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. EuGH, El Kott, Rz 76). Somit dürfte es sich bei Satz 2 des Art. 12 lit. a der Status-RL um eine den Einzelnen begünstigende unionsrechtliche Regelung handeln, die mangels Umsetzung in der am 10. Oktober 2006 abgelaufenen Umsetzungsfrist (vgl. Art. 38 Status-RL) unmittelbar anzuwenden sein dürfte." (Vgl. auch VfGH U 706/2012-15 vom 29.06.2013)
1.3. Im Urteil vom 17.06.2010, C31/09 , Nawras Bobol, welchem der Antrag einer staatenlosen Palästinenserin aus Gaza an die ungarischen Behörden auf Anerkennung als Flüchtling nach Art. 1 Abschn. D 2. Satz der GFK zugrunde lag, zumal sie nunmehr außerhalb des Tätigkeitsgebiets der UNRWA lebe, stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass "für die Zwecke der Anwendung des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 eine Person den Schutz oder Beistand einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des UNHCR genießt, wenn sie diesen tatsächlich in Anspruch nimmt. Sofern sie diesen nicht tatsächlich in Anspruch nimmt, kann sie ihren Antrag auf Anerkennung als Flüchtling jedenfalls nach Art. 2 lit c der Richtlinie (sinngleich: Art. 1 Abschn. A der GFK) prüfen lassen. Mit der Registrierung der betreffenden Person bei der UNRWA liegt ein ausreichender Nachweis für die tatsächliche Inanspruchnahme der Hilfe der UNRWA vor" (Rn 52-54).
Aus den Erhebungen des BVwG im gg. Verfahren des BF war zu gewinnen und der Entscheidung zugrunde zu legen, dass die Gattin des BF als palästinensischer Flüchtling nach dem Statut der UNRWA und der BF selbst als deren Ehegatte bei dieser registriert und zum Bezug der Leistungen der UNRWA berechtigt sind. Daraus sowie aus der Darstellung des BF vor dem BVwG, dass aktuell nicht nur seine Gattin und seine mj. Kinder, sondern auch seine übrigen Verwandten – in Übereinstimmung mit den länderkundlichen Feststellungen des Gerichtes oben zur allgemeinen Lage im Gaza-Streifen – Unterstützungen der UNRWA erhalten, war zu folgern, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsregion ebenso den Beistand der UNRWA in Anspruch nehmen kann.
Damit steht für das erkennende Gericht fest, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Art 1 Abschnitt D GFK bzw. Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Status-RL fällt.
Im Sinne des og. Judikats ist er daher a priori in Anwendung des § 6 Abs. 1 Z. 1 AsylG von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ausgeschlossen, es sei denn, es wäre darüber hinaus gehend festzustellen, dass im gg. Fall dieser Schutz "aus irgendeinem Grund nicht oder nicht länger gewährt wird", was wiederum zur Folge hätte, dass ihm "ipso facto" der Flüchtlingsstatus zukommen würde.
1.4. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dazu ausgesprochen, dass die nationalen Behörden für "die Feststellung, ob der Beistand oder der Schutz im Sinne dieser Bestimmung [...] tatsächlich nicht länger gewährt wird, [ ] zu prüfen [haben], ob der Wegzug des Betroffenen durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt ist, die ihn zum Verlassen dieses Gebiets [zwangen] und somit daran [hinderten], den vom UNRWA gewährten Beistand zu genießen" (EuGH 19.12.2012, C-364/11 , El Kott u. a., Rz 61).
Folglich war das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich des Vorliegens solcher Gründe zu prüfen, zumal bei einer Rückkehrverweigerung aus "eigenem Belieben" oder der Unmöglichkeit einer Inanspruchnahme des Schutzes der UNRWA aus anderweitigen, nicht seinem Einfluss unterliegenden Umständen heraus, die durch Art 1 Abschnitt D GFK bzw. Art. 12 der Status-RL vorgenommene Privilegierung im Hinblick auf die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus "ipso facto" nicht zum Tragen käme.
Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des erkennenden Gerichtes diese Voraussetzungen in Form der Feststellung von "nicht (vom Beschwerdeführer) zu kontrollierenden und von seinem Willen unabhängigen Gründen" jedoch nicht gegeben.
Der Beschwerdeführer hatte zur Begründung seines Schutzbegehrens behauptet, er sei zum Verlassen seiner Herkunftsregion und somit des Schutzbereichs der UNRWA gezwungen gewesen, weil er dort aus von ihm behaupteten Gründen durch Dritte mit gravierenden Eingriffen in seine Rechtssphäre, die seinen weiteren Aufenthalt unmöglich gemacht hätten, betroffen und pro futuro bedroht gewesen seien. Aus vom BVwG in seiner Beweiswürdigung oben näher dargestellten Gründen war diesem Vorbringen jedoch mangels glaubhafter Angaben dazu nicht zu folgen und damit schon diesbezüglich das Vorliegen von "nicht (vom Beschwerdeführer) zu kontrollierenden und von seinem Willen unabhängigen Gründen" nicht festzustellen.
Anderweitige außerhalb des Einflussbereichs des Beschwerdeführers liegende Gründe für die Unmöglichkeit einer Inanspruchnahme des Schutzes der UNRWA wurden weder behauptet noch waren sie von Amts wegen festzustellen. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass die UNRWA in Gaza ihre Aktivitäten als solche eingestellt hätte.
Zwar war den herangezogenen länderkundlichen Informationen auch zu entnehmen, dass eine Einreise in den sogen. Gaza-Streifen über Israel oder Ägypten Beschränkungen bzw. Auflagen durch die Behörden dieser Länder unterliegt, nicht jedoch, dass eine Einreise für den BF grundsätzlich unmöglich wäre, nicht zuletzt da dieser zum einen im Bevölkerungsregister für palästinensische Bewohner der Autonomiegebiete registriert ist und zum anderen über einen Personalausweis der palästinensischen Autonomiebehörde wie auch einen Reisepass derselben, auch wenn er diesen in der Heimat zurückgelassen hat, verfügt. Erforderlichenfalls sollte dem BF auch eine Neuausstellung eines solchen Reisedokumentes durch die zuständige Behörde möglich sein, zumal er über die notwendigen Voraussetzungen dafür in Form seiner Registrierung vor Ort sowie eines Identitätsnachweises verfügt.
Folgerichtig war festzustellen, dass der Beschwerdeführer somit bei einer Ausreise in die Herkunftsregion den Beistand der UNRWA (wieder) in Anspruch nehmen kann und er damit auch nicht den privilegierten Schutz von Art 1 Abschnitt D GFK bzw. Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Status-RL genießt.
Sollte es darüber hinaus im Zuge einer Rückkehr nach Gaza für den BF zu nicht nur vorübergehend bestehenden Hindernissen faktischer Art für eine Einreise dorthin, insbesondere über den ägyptischen Grenzübergang Rafah, kommen, würde diese Situation wohl in seine sogen. "Duldung" des BF im Bundesgebiet iSd § 46a Abs. 1 Z. 3 FPG münden, welche in späterer Folge nach Maßgabe der sonstigen Voraussetzungen Grundlage für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 Abs. 1 Z. 1 AsylG an ihn sein könnte.
1.5. Vor diesem Hintergrund war daher die Beschwerde des BF gegen Spruchteil I des angefochtenen Bescheides, jedoch in Anwendung von § 6 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 AsylG, abzuweisen.
2.1. Im Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 19.12.2012, C-364/11 (Mostafa Abed El Karem El Kott u.a.), wurde u.a. klargestellt, dass die sogen. Status- oder Qualifikations-Richtlinie 2004/83 - im Gegensatz zur Genfer Konvention, die nur die Flüchtlingseigenschaft regelt - zwei unterschiedliche Schutzregelungen vorsieht, nämlich zum einen die Flüchtlingseigenschaft und zum anderen den durch den subsidiären Schutz gewährten Status. Daher sei die Wendung "genießt den Schutz dieser Richtlinie" in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 der Richtlinie 2004/83 als Verweis allein auf die Flüchtlingseigenschaft aufzufassen, da sonst dieser Unterschied zwischen dem durch die Genfer Konvention und dem durch diese Richtlinie gewährten Schutz verkannt würde; diese Bestimmung geht nämlich auf Art. 1 Abschnitt D der Genfer Konvention zurück, in deren Licht diese Richtlinie auszulegen ist. Jedenfalls schließt Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83 dadurch, dass er sich allein auf die Flüchtlingseigenschaft bezieht, niemanden vom subsidiären Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. e dieser Richtlinie aus, und deren Art. 17, der die Gründe für den Ausschluss vom subsidiären Schutz aufführt, nimmt in keiner Weise auf die Gewährung des Schutzes oder Beistands einer Organisation wie der UNRWA Bezug (Rn 66 – 68). Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass vom europäischen Gesetzgeber eine Vermengung der einzelnen Schutzformen (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutzstatus) beabsichtigt war und sind daher Gründe für die Gewährung subsidiären Schutzes gesondert zu prüfen. Bei einer Interpretation des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83 in dem Sinne, dass eine Situation, die die Gewährung von subsidiären Schutz erfordert, auch "als irgendein Grund" im Sinne dieser Bestimmung zu qualifizieren wäre, würde dies im Übrigen im Ergebnis dazu führen, dass es zu einer Asylgewährung aus Gründen kommt, die aber in Wahrheit lediglich die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen.
Durch die Neufassung der Richtlinie 2004/83 in Form der Richtlinie 2011/95/EU v. 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz , welche an die Stelle der Richtlinie aus 2004 trat, ergab sich diesbezüglich keine Änderung in der Rechtslage.
2.2. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 6 Abs. 2 2. Satz AsylG ist der § 8 AsylG auch auf jene Fälle anzuwenden, in denen es zur Abweisung des Asylbegehrens wegen des Vorliegens eines Ausschlussgrundes nach § 6 Abs. 1 AsylG gekommen ist.
Somit ist zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).
Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).
Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des Antragstellers zu berücksichtigen, wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffsschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragsstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06).
Der EGMR geht weiter allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische oder sonstige unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann diesbezüglich die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).
Gemäß der Judikatur des EGMR muss der Antragsteller die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)
Angesichts des im Wesentlichen identen Regelungsinhalts des bis 31.12.2005 in Kraft stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 1997 im Verhältnis zum nunmehr in Geltung stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 2005 – abgesehen vom im letzten Halbsatz des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nunmehr enthaltenen zusätzlichen Verweis auf eine eventuelle ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes als weitere mögliche Bedingung für eine Gewährung subsidiären Schutzes – lässt sich auch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum § 8 AsylG 1997 in nachstehend dargestellter Weise auch auf die neue Rechtslage anwenden.
Danach erfordert die Feststellung einer Gefahrenlage auch iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Im Übrigen ist auch zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
2.3. Aus dem oben festgestellten Sachverhalt ergab sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im gg. Fall nicht vorliegen.
Dass der BF im Fall der Rückkehr in seine Herkunftsregion Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe (hier: durch Mitglieder oder Organe der Hamas) ausgesetzt sein würde, konnte aus oben dargestellten Gründen nicht festgestellt werden.
Beim BF handelt es sich darüber hinaus um einen grundsätzlich arbeitsfähigen und gesunden Mann, bei dem die (neuerliche) Teilnahme am Erwerbsleben wie bereits vor seiner Ausreise im Hinblick auf diese individuellen Eigenschaften erwartet werden kann. Er hat bis zuletzt vor seiner Ausreise seinen Lebensunterhalt als Kaufmann erwirtschaftet.
Das BVwG verkennt diesbezüglich auch nicht, dass sich – den Feststellungen des BVwG zugrunde gelegten länderkundlichen Informationen zufolge – die allgemeine Lage in der Herkunftsregion des BF insbesondere seit dem bewaffneten Konflikt im Jahr 2014 und der dadurch bewirkten Zerstörung der Infrastruktur bzw. des dadurch ausgelösten Niedergangs des Wirtschaftslebens für Mitglieder der dortigen Zivilbevölkerung als sehr schwierig darstellen kann bis dahin, dass sie in einem Zustand dauerhafter Armut zu leben haben.
Im konkreten Fall hat der BF jedoch in der Beschwerdeverhandlung dargelegt, dass seine Angehörigen sowie die Mitglieder seiner Herkunftsfamilie zum Teil über ein regelmäßiges Einkommen verfügen sowie über ausreichenden eigenen Wohnraum verfügen. Dass sich diese Personen demgegenüber aktuell in einer ihre Existenz bedrohenden Lage befinden würden, hat er nicht einmal behauptet. Im Lichte dessen kann daher auch davon ausgegangen werden, dass dem BF im Fall seiner Rückkehr auch im Rahmen seines Familienverbandes Unterstützung zuteilwird.
Zuletzt war diesbezüglich noch zu berücksichtigen, dass jene Bewohner der Herkunftsregion des BF, die deren bedürfen, ergänzend die Unterstützung der UNRWA in Anspruch nehmen, wie dies der Darstellung des BF zufolge auch seine Angehörigen in Form von Lebensmittelrationen tun.
Selbst wenn vor dem Hintergrund dessen der BF bei einer Rückkehr in eine in materieller Hinsicht beschwerliche Lebenssituation gelangen könnte, war aus diesen Erwägungen nicht abzuleiten, dass im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen würden, die die hohe Schwelle eines Eingriffs iSv Art. 2 und 3 EMRK erreichen würden.
Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt somit nicht vor.
2.4. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden.
Weder droht ihm im Herkunftsstaat das reale Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte noch bestünde die Gefahr der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
2.5. Insoweit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.
3.1.
§ 10 AsylG lautet:
(1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. 2. 3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. 5. und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
§ 57 AsylG lautet:
(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.
(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.
(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.
§ 52 FPG lautet:
(1) (2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. 2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. 4. und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.
(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.
§ 9 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Art. 8 EMRK lautet:
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
§ 55 AsylG lautet:
(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
§ 58 AsylG lautet:
(1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. 2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.
§ 46 FPG lautet:
(1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn
1.-die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2.-sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3.-auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4.-sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.
(2) Verfügt der Fremde über kein Reisedokument und kann die Abschiebung nicht ohne ein solches durchgeführt werden, hat das Bundesamt bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen auszustellen. § 97 Abs. 1 gilt.
(2a) Das Bundesamt ist berechtigt, Personen, für die das Bundesamt ein Ersatzreisedokument bei der zuständigen ausländischen Behörde für die Abschiebung einzuholen hat, vorzuladen. § 19 Abs. 2 bis 4 AVG gilt.
(3) Das Bundesamt hat alle zur Durchführung der Abschiebung erforderlichen Veranlassungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (insbesondere Abs. 2 und 4) ehestmöglich zu treffen, insbesondere hat es sich vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Fremden zu vergewissern, dass dieser einem Mitglied seiner Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung im Zielstaat übergeben werden kann. Amtshandlungen betreffend Fremde, deren faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, sind prioritär zu führen.
(4) Liegen bei Angehörigen (§ 72 StGB) die Voraussetzungen für die Abschiebung gleichzeitig vor, so hat das Bundesamt bei der Erteilung des Auftrages zur Abschiebung Maßnahmen anzuordnen, die im Rahmen der Durchführung sicherstellen, dass die Auswirkung auf das Familienleben dieser Fremden so gering wie möglich bleibt.
(5) Die Abschiebung ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen, sofern dadurch die Abschiebung nicht unzulässig oder unmöglich gemacht wird. Diese Eintragung ist auf Antrag des Betroffenen zu streichen, sofern deren Rechtswidrigkeit durch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt worden ist.
(6) Abschiebungen sind systematisch zu überwachen. Nähere Bestimmungen über die Durchführung der Überwachung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen.
§ 50 FPG lautet:
(1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
§ 55 FPG lautet:
(1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.
(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.
(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.
(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.
3.2. Der gegenständliche Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz wurde vom BFA zu Recht – im gg. Fall iSd §§ 6 und 8 AsylG - abgewiesen, die dagegen vom BF erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom heutigen Tag als unbegründet abgewiesen. Die Einreise des BF in das Gebiet der europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich ist nicht rechtmäßig erfolgt. Bisher stützte sich der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet alleine auf die Bestimmungen des AsylG für die Dauer seines nunmehr abgeschlossenen Verfahrens. Ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch kein auf andere Bundesgesetze gestütztes Aufenthaltsrecht behauptet. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt des BF im Bundesgebiet mehr vor und fällt er damit nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG betreffend Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung.
Es liegen keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 war diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
3.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Rechts des BF auf Achtung seines Privat- und Familienlebens in Österreich darstellt.
Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00).
Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).
Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
3.3.1. Der BF brachte nicht vor, dass in Österreich Angehörige oder Verwandten von ihm leben.
Da im gegenständlichen Fall eine Verletzung des Familienlebens des Beschwerdeführers mangels familiärer Bindungen zu verneinen ist, bleibt zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung einen unzulässigen Eingriff in das Recht des BF auf ein Privatleben in Österreich darstellt.
Einer Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den Interessen eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in dem Sinne, ob dieser Eingriff iSd Art 8 Abs 2 EMRK notwendig und verhältnismäßig ist, ist vorauszuschicken, dass die Rückkehrentscheidung bzw. Abschiebung jedenfalls der innerstaatlichen Rechtslage nach einen gesetzlich zulässigen Eingriff darstellt.
Nach dem Urteil des EGMR im Fall Moustaquim ist eine Maßnahme dann in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und zum verfolgten legitimen Ziel verhältnismäßig ist. Das bedeutet, dass die Interessen des Staates, insbesondere unter Berücksichtung der Souveränität hinsichtlich der Einwanderungs- und Niederlassungspolitik, gegen jene des Berufungswerbers abzuwägen sind.
Der EGMR geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Der EGMR erkennt in stRsp weiters, dass die Konventionsstaaten nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt sind, Einreise, Ausweisung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (vgl. uva. zB. Urteil Vilvarajah/GB, A/215 § 102 = NL 92/1/07 und NL 92/1/27f.).
Hinsichtlich der Abwägung der öffentlichen Interessen mit jenen des Berufungswerbers ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass Asylwerber und sonstige Fremde nicht schlechthin gleichzusetzen sind. Asylwerber hätten idR ohne Geltendmachung von Asylgründen keine rechtliche Möglichkeit, legal nach Österreich einzureisen. Soweit die Einreise nicht ohnehin unter Umgehung der Grenzkontrolle oder mit einem Touristenvisum stattgefunden hat, ist Asylwerbern der Aufenthalt bloß erlaubt, weil sie einen Asylantrag gestellt und Asylgründe geltend gemacht haben. Sie dürfen zwar bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung weder zurückgewiesen, zurückgeschoben noch abgeschoben werden, ein über diesen faktischen Abschiebeschutz hinausgehendes Aufenthaltsrecht erlangen Asylwerber jedoch lediglich bei Zulassung ihres Asylverfahrens sowie bis zum rechtskräftigen Abschluss oder bis zur Einstellung des Verfahrens. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern. Es kann dem Gesetzgeber nicht entgegen getreten werden, wenn er auf Grund dieser Besonderheit Asylwerber und andere Fremde unterschiedlich behandelt (VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien (vgl. dazu insbesondere VfGH B 328/07) herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:
Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.9.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567;
20.6.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344;
22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 2.8.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124;
11.10.2005, 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00) für maßgeblich erachtet.
Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren - was bei einem bloß vorläufigen Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens jedenfalls als gegeben angenommen werden kann -, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562). Der Asylwerber kann während seines Asylverfahrens nicht darauf vertrauen, dass ein in dieser Zeit entstehendes Privat- bzw. Familienleben auch nach der Erledigung seines Asylantrages fortgesetzt werden kann. Die Rechte aus der GFK dürfen nicht dazu dienen, die Einwanderungsregeln zu umgehen (ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).
Bereits vor Inkrafttreten der Vorgängerbestimmung des § 9 Abs. 2 BFA-VG in der Form des AsylG 2005 idF BGBl 29/2009 entwickelten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den Erk. d. VfGH vom 29.9.2007, Zahl B 1150/07-9 und Erk. d. VwGH vom 17.12.2007, Zahl 2006/01/0216 bis 219-6 unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR nachstehende Richtlinien (in den Medien der vielgenannte "Kriterienkatalog") im Rahmen der Interessensabwägung gem. Art. 8 Abs. EMRK, welche zu berücksichtigen sind:
- Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.9.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046),
- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.6.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271)
- und dessen Intensität (EGMR 2.8.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00),
- die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
- den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582;
9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560;
16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124),
- die Bindungen zum Heimatstaat,
- die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch
- Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und
- Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00) für maßgeblich erachtet.
Auch
- die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562).
Ebenso bereits vor Inkrafttreten des durch BGBl I 38/2011 in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG eingefügten lit. i, welcher der nunmehrigen Bestimmung des § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG entspricht, warf der VfGH in seinem Erk. B 950-954/10-08, S. 19 die Frage auf, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch die Ausweisung ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen (ähnlich VfGH 10.03.2011, B1565/10).
Das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist weiter dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten (insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes [vgl VwGH 2.10.1996, 95/21/0169]), relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich [vgl. die Erkenntnisse vom 28. Juni 2007, Zl. 2006/21/0114, und vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246] (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).
Bei der Abwägung der Interessen ist auch zu berücksichtigen, dass es dem Beschwerdeführer bei der asylrechtlichen Ausweisung nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 861, mwN). Es wird dadurch nur jener Zustand hergestellt, der bestünde, wenn er sich rechtmäßig (hinsichtlich der Zuwanderung) verhalten hätte und wird dadurch lediglich anderen Fremden gleichgestellt, welche ebenfalls gemäß dem Grundsatz der Auslandsantragsstellung ihren Antrag gem. FPG bzw. NAG vom Ausland aus stellen müssen und die Entscheidung der zuständigen österreichischen Behörde dort abzuwarten haben.
Die Schaffung eines Ordnungssystems, mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt werden, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) daher ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.9.2007, B 328/07, VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251 uva.). Die öffentliche Ordnung, hier va. das Interesse an einer geordneten Zuwanderung, erfordert es daher, dass Fremde, die nach Österreich einwandern wollen, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhalten. Die öffentliche Ordnung wird z.B. schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung kann in solchen Fällen trotz eines vielleicht damit verbundenen Eingriffs in das Privatleben und Familienleben erforderlich sein, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte (VwGH 21.2.1996, 95/21/1256). Dies insbesondere auch deshalb, weil als allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz gilt, dass aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen. (VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007). Der VwGH hat weiters festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).
Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist auch für das wirtschaftliche Wohl des Landes von besonderer Bedeutung, da diese sowohl für den sensiblen Arbeitsmarkt als auch für das Sozialsystem gravierende Auswirkung hat. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass insbesondere nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Fremde, welche daher auch über keine arbeitsrechtliche Berechtigung verfügen, idR die reale Gefahr besteht, dass sie zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes auf den inoffiziellen Arbeitsmarkt drängen, was wiederum erhebliche Auswirkungen auf den offiziellen Arbeitsmarkt, das Sozialsystem und damit auf das wirtschaftliche Wohl des Landes hat (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).
3.3.2. Im Rahmen einer Abwägung iSd Art. 8 EMRK war im gegenständlichen Fall zu berücksichtigen:
Der BF reiste im Juli 2014 rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und stellte in der Folge einen Antrag auf internationalen Schutz. Er ist seither als Asylwerber in Österreich aufhältig. Das Gewicht des sohin erst ca. zweieinhalbjährigen Aufenthalts des BF in Österreich ist noch dadurch abgeschwächt, dass der BF seinen Aufenthalt durch einen unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz zu legalisieren versuchte, er konnte alleine durch die Stellung seines Antrags jedoch nicht begründeter Weise von der zukünftigen dauerhaften Legalisierung seines Aufenthalts ausgehen.
Der BF hat hierorts keine Anknüpfungspunkte in Form einer legalen Erwerbstätigkeit oder anderweitiger maßgeblicher wirtschaftlicher Interessen, er pflegt nur gewöhnliche soziale Kontakte und besitzt lediglich geringe Deutschkenntnisse.
Der BF verbrachte den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat, wurde dort sozialisiert und spricht die Mehrheitssprache seiner Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso war festzustellen, dass er dort über Bezugspersonen in Form seiner Angehörigen verfügt. Es deutete daher nichts darauf hin, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.
Die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF stellt der Judikatur folgend weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420).
Im gegenständlichen Verfahren waren keine unverhältnismäßig langen Verfahrensgänge festzustellen, die den zuständigen Behörden zur Last zu legen wären.
Der sohin relativ schwachen Rechtsposition des BF im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber.
Im Rahmen einer Abwägung dieser Fakten iSd Art 8 Abs 2 EMRK gelangt man gegenständlich zu dem Ergebnis, dass die individuellen Interessen des BF iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK noch nicht so ausgeprägt sind, dass sie insbesondere das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des gg. Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen.
3.3.3. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist das BFA daher zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden, die im gegenständlichen Fall den Ausspruch, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, rechtfertigen würden.
4. Aus den rechtlichen Erwägungen oben unter Pkt. 2. war folgerichtig auch nicht auf das Vorhandensein eines realen Risikos für den BF, im Falle einer Abschiebung in seine Heimat der Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte iSd § 50 FPG ausgesetzt zu sein, zu schließen.
5. Da sohin die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den BF gemäß § 52 FPG einschließlich der Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung in den Herkunftsstaat iSd § 46 iVm § 50 FPG vorlagen, war die Beschwerde dahingehend spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
Die Maßgabeentscheidung Spruchpunkt III 1. Satz des bekämpften Bescheides betreffend ergab sich daraus, dass der § 58 Abs. 2 AsylG idgF vorgibt, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG (nur dann) von Amts wegen zu prüfen ist, wenn eine Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird, und dass (dann) gemäß Abs. 3 leg.cit. über das Ergebnis dieser Prüfung im Bescheid abzusprechen ist.
Nachdem aber im erstinstanzlichen Verfahren eine Rückkehrentscheidung gegen den BF nicht auf Dauer für unzulässig erklärt wurde, ebenso wenig wie sich dies im Beschwerdeverfahren ergeben hätte, hatte die belangte Behörde in ihrem Bescheid auch nicht negativ über die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG abzusprechen (vgl. VwGH Ra 2015/21/0101).
6. Die im Spruch des Bescheides der belangten Behörde festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise des BF ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht.
7. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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