BVwG W137 1426407-1

BVwGW137 1426407-130.4.2015

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W137.1426407.1.00

 

Spruch:

W137 1426407-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER über die Beschwerde desXXXX, StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.04.2012, Zl. 11 09.112-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.11.2014, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Islamische Republik Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 29.04.2016 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 18.08.2011 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner am selben Tag durchgeführten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer zunächst an, ledig zu sein, der Volksgruppe der Hazaren und dem schiitischen Glauben anzugehören. Er sei zuletzt in der familieneigenen Landwirtschaft tätig gewesen und stamme aus der Provinz Ghazni. Von 1998 bis 2003 habe er in seinem Heimatort die Grundschule besucht. In Österreich oder der EU habe er keine Verwandten. In Afghanistan würden seine Eltern, drei Schwestern und drei Brüder leben. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er mit einem Mädchen in seiner Ortschaft sexuellen Kontakt gehabt habe und diese von ihm schwanger geworden sei. Ihre Väter seien politisch verfeindet gewesen. Da sie nicht mit ihm fliehen habe könne, hätte sie ihn gebeten, "von dort wegzugehen". Nur ein Cousin habe davon gewusst; seinen übrigen Familienmitgliedern habe er nichts gesagt und habe auch seit rund 2 Jahren keinen Kontakt mehr zu ihnen. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor der Familie des Mädchens.

2. Am 21.12.2011 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er seit zwei Jahren keinen Kontakt zu seiner Familie habe. Er habe bis zu seiner Ausreise im Elternhaus und von der familieneigenen Landwirtschaft gelebt. Er habe ein Mädchen kennengelernt, dessen Vater mit seinem eigenen verfeindet gewesen sei. Die geplante gemeinsame Flucht sei von den Eltern des Mädchens vereitelt worden; als sie dann schwanger geworden sei habe sie ihn brieflich zur Flucht aufgefordert, da man ihn deswegen umbringen werde. Er habe davon nur seinem Cousin, nicht aber der übrigen Familie erzählt. Das damals minderjährige (nun etwa 18 Jahre alte) Mädchen habe er vor rund dreieinhalb Jahren "draußen am Feld" kennengelernt, wo sie dann auch wiederholt Sex miteinander gehabt hätten. Sie habe sich frei im Dorf bewegen können, da dort jeder jeden gekannt habe. Er habe seine Mutter zwecks Überbringung eines Heiratsantrags geschickt, dieser sei aber abgelehnt worden.

Knapp drei Wochen später hätten sie gemeinsam flüchten wollen, das Mädchen sei aber von ihrer Familie zu Hause "eingesperrt" worden. Bis zu seiner Flucht hätten sie sich nur durch Briefe verständigt, die "Kinder auf der Straße" oder die Schwester des Mädchens überbracht hätten. Diese habe er allerdings nicht mitgebracht. Der Vater des Mädchens arbeite für die Regierung, konkret beim Militär wo er 50 Personen kommandiere, und wäre eine große Gefahr für ihn, sollte er zurückkehren. Er sei "ein Mann mit viel Einfluss und würde mich überall erwischen". Auf Vorhalt, seine Schilderung betreffend das Mädchen sei teilnahmslos gewesen, erwiderte der Beschwerdeführer, er sei schon traurig gewesen, habe aber flüchten müssen und nichts mehr für sie machen können. Auf Vorhalt, jemand der 50 Mann befehlige könne nicht als einflussreich angesehen werden, entgegnete der Beschwerdeführer, dieser kenne aber "viele andere Leute".

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.04.2012, Zahl: 11 09.112 - BAG, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 100/2005 abgewiesen und ihm der Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde seine Ausweisung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgesprochen (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe für das verlassen des Herkunftsstaates nicht glaubhaft seien. Insbesondere widerspreche es den notorischen Kenntnissen der Verhaltensweise moslemischer Frauen in Afghanistan, im Alter von 14 oder 15 Jahren alleine im Dorf herumzulaufen und wiederholt Sex mit einem jungen Mann zu haben. Auch die versuchte Eheanbahnung durch die Mutter erscheine angesichts der angeblich verfeindeten Väter als nicht glaubhaft. Nicht plausibel sei auch der weitere Kontakt durch Briefe gewesen, zumal ein solches Ehrendelikt sofort schwerwiegende Konsequenzen für die Frau gehabt hätte. Und letztlich spreche auch die teilnahmslose Schilderung des Beschwerdeführers gegen die Glaubhaftigkeit des Vorbringens. Unabhängig davon könnte sich der junge, gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr etwa in relativ sicheren Regionen Afghanistans wie Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif eine eigenständige Existenz aufbauen. Darüber hinaus lebe auch seine Familie noch im Herkunftsort. Angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich und des Fehlens sonstiger Anknüpfungspunkte könne das Vorliegen eines schützenswerten Familienlebens in Österreich nicht festgestellt werden.

4. Dagegen erhob der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde, mit der der oben genannte Bescheid des Bundesasylamtes zur Gänze angefochten wurde.

Der Beschwerdeführer führte darin zunächst aus, dass die Absprache über seine Glaubwürdigkeit nicht den Anforderungen der amtswegigen Ermittlungspflicht entsprochen habe. Er habe keine widersprüchlichen Angaben gemacht und sein Vorbringen sei logisch nachvollziehbar. Er habe das Mädchen schon von Kindheit an gekannt und in seinem Dorf dürften Mädchen auch in die Schule gehen und arbeiten. Sie seien beide sehr verliebt gewesen und hätten sich "nicht zurückhalten" können. Als seine Freundin von der Familie eingesperrt worden sei, habe diese lediglich einen Verdacht gehabt, aber nichts von der sexuellen Beziehung gewusst. Als sie ihm brieflich mitgeteilt habe, dass sie schwanger sei, habe er das Land verlassen - er wisse nicht, was aus ihr geworden sei. Aus Aufregung und insbesondere aus Scham habe er versucht, möglichst sachliche Antworten zu geben. Im Falle einer Rückkehr werde ihn die Familie des Mädchens bestrafen, da er deren Ehre beschmutzt habe. Zudem sei ihr Vater einflussreich, weshalb er keine inländische Fluchtmöglichkeit habe.

In der Folge zitierte der Beschwerdeführer Berichte über die Sanktionierung von Ehebruch und außerehelichen Beziehungen aus den Jahren 2009 bis 2012. Ein hinreichender Schutz seitens der afghanischen Behörden sei in diesem Fall nicht gegeben. Darüber hinaus sei für ihn eine Rückkehr nach Afghanistan auch aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage nicht möglich.

Daher beantrage er a) die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, b) ihm in eventu den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, c) in eventu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides betreffend die Ausweisung aufzuheben, d) in eventu den Bescheid zur Gänze zu beheben und an das Bundesasylamt zurückzuverweisen e) jedenfalls eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

5. Am 19.11.2014 (21:51 Uhr) übermittelte der nunmehrige, am 18.11.2014 bevollmächtigte, Vertreter des Beschwerdeführers einen "vorbereitenden Schriftsatz", in dem zunächst ausgeführt wird, dass der Name des bisher als XXXX geführten Beschwerdeführers falsch transkribiert sein und tatsächlich XXXX lauten könnte.

Der Beschwerdeführer sei zudem "seit der Konvertierung" Christ. Seit Februar 2014 besuche er die Gottesdienste der "XXXX"; er habe "seinen muslimischen Glauben abgelegt und hat sein Leben Jesus gegeben" sowie sich zu einem Taufkurs angemeldet. Unter Verweis auf den vorislamischen Paschtunwali (das "paschtunische Ehrgesetz") und eine Auskunft seines (eigenen) Dolmetschers führt der Vertreter aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers glaubhaft sei, wobei er laufend eine Person namens "Hafis" als Verfolgten nannte und ein signifikant anderes Verfolgungsszenario schilderte. Nach wie vor bestehe kein Kontakt des Beschwerdeführers zu seiner Familie. Abschließend wurde auf rezente Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen.

6. Am 20.11.2014 erfolgte eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, wobei neben dem Beschwerdeführer auch sein bevollmächtigter Vertreter und eine Auskunftsperson anwesend waren. Das Bundesamt hatte bereits im Vorfeld schriftlich erklärt, an der Verhandlung nicht teilzunehmen. Der Beschwerdeführer gab im Vorfeld der Verhandlung an, unter Stresszuständen zu leiden, die medikamentös behandelt würden. Auf sein Erinnerungsvermögen hätten diese grundsätzlich keine Auswirkungen. Der Aufenthaltsort seiner Familie sei ihm nicht bekannt, da er zu dieser seit seiner Ausreise keinen Kontakt habe. Seine bisherigen Angaben hätten der Wahrheit entsprochen. Gefragt nach den Gründen für das verlassen Afghanistans machte der Beschwerdeführer folgende Angaben:

"BF: Meine Probleme beliefen sich noch vor der Zeit, als die Taliban unser Gebiet eingenommen hatten. Damals gab es noch die Problematik der verschiedenen politischen Gruppierungen. Ich war mit einem Mädchen zusammen, dessen Vater der Hezb-e Islami angehörte, mein Vater jedoch war in der gegnerischen Partei Mitglied, er war ein Nasri. Deshalb hatten wir von Haus aus Probleme. Die ganze Beziehung war recht schwierig, schließlich hatten wir auch einige Male Geschlechtsverkehr. Das hatte zur Folge, dass das Mädchen schwanger wurde. So kam alles heraus. Sie war praktische nur mehr "als eine Gefangene zu Hause" und mein Kontakt zu ihr bestand über Freunde, die dafür sorgten, dass wir uns schreiben konnten. Auf Grund der Schwangerschaft geriet ich in die Gefahr dafür bestraft zu werden und sie verlangte von mir, mein Leben in Sicherheit zu bringen. Ihr selbst konnte man ja nicht mehr helfen. Sie wollten eine Zusammenfassung, wenn Sie es genauer brauchen, werde ich es genauer ausführen.

R: Wissen Sie, was mit dem Mädchen passiert ist?

BF: Nein, nachdem ich geflüchtet war, habe ich nichts mehr in Erfahrung bringen können.

R: Kennen Sie den Namen des Mädchens und ihres Vaters?

BF: Sie heißt XXXX und ihr Vater heißt XXXX.

R: Wissen Sie, was der Vater des Mädchens beruflich getan hat?

BF: Er arbeitete eng mit den Verteidigungsministerium/den Militäreinheiten dieser Gegend zusammen. Er hatte gute Kontakte und fungierte als Vermittler zwischen Militär und den Taliban als Mittelsmann für Waffengeschäfte. Er war entsprechend auch ein Verbündeter der Taliban.

R: Von welcher Zeit sprechen wir jetzt ungefähr?

BF: Diese Art Tätigkeit hatte er viele Jahre. Was die Geschichte mit seiner Tochter betrifft, war das vor ca. 6 Jahren.

R: Und er hat diese Tätigkeit auch noch ausgeübt, als Sie Probleme bekamen?

BF: Ja, da war er Verbündeter des Militärs.

R: Und auch der Taliban?

BF: Ich kann natürlich nicht genau sagen, wann er wessen Verbündeter war. Er hatte die Finger überall im Spiel. Das war eine Zeit wo viele Männer, so wie er, ihre Beziehungen überall am Laufen hatten, ähnlich wie bei XXXX oder XXXX. Über solche Männer spricht man, wenn man sagt, er ist tagsüber Verbündeter der Armee und der Regierung und abends trifft er sich mit den Taliban. Solche Männer spielen auf allen Seiten eine wichtige Rolle.

R: Können Sie mir sonst noch etwas über den Vater des Mädchens sagen. Etwa wie seine Weltanschauung war, konservativ, sehr religiös?

BF: Er ist sowohl konservativ als auch geldgierig.

R: Welche Volksgruppe und welcher Volksgruppe gehörten dieser Mann und seine Tochter an?

BF: Sie waren Hazara und Schiiten.

R: Und Sie sind auch Hazara?

BF: Ja.

R: Und welcher Konfession gehören Sie an?

BF: Ich bin Christ.

R: Waren Sie das damals auch schon oder sind Sie hier konvertiert?

BF: Nein, dort war ich kein Christ, erst hier bin ich Christ geworden.

R: Gehörten Sie damals den schiitischen Glauben an?

BF: Ja.

R: Im Akt ist Ihr Geburtsjahr mit "1990" angegeben, entspricht das ungefähr den Tatsachen, sind Sie jetzt, soweit Sie das beurteilen können, etwa 24 Jahre alt?

BF: Ja.

R: Das Mädchen war damals, ich nehme an das war im Jahre 2009, wie alt?

BF: Sie war damals ca. 15 Jahre alt.

R: Wie lange hat Ihre Beziehung gedauert?

BF: Ca. 1 - 1 1/2 Jahre.

R: D. h. die Beziehung war etwa im Jahr 2008/2009, ist das richtig?

BF: Ja.

R: Wie haben Sie das Mädchen kennengelernt?

BF: Wir lebten in derselben Gegend und begegneten uns ab und dann am Brunnen, wenn wir Wasser holten und wenn ich auf dem Feld arbeitete, so lernten wir uns mit der Zeit, kennen.

R: Wie groß war Ihr Heimatort, wie viele Häuser gab es dort?

BF: Man könnte sagen, ungefähr 700 Häuser gab es in meinem Heimatort und in unmittelbarer Umgebung.

R: Wie war das Mädchen gekleidet, als Sie es getroffen haben?

BF: Sie trug zwar keinen Schleier, aber sie trug immer eine entsprechende Kopfbedeckung.

R: D. h. sie trug traditionelle Kleidung und ein Kopftuch?

BF: Ja, sie trug meistens ein Kopftuch, Jadori (der traditionelle Schleier mit Gesichtsbedeckung) war in unserer Gegend nicht üblich und aus diesem Grund auch nicht verbreitet.

R: Und sie konnten sich alleine und ohne Begleitung im Dorf und Einschränkung bewegen?

BF: Wir reden hier über Dörfer, dort können sich Frau weit freier bewegen, als in Großstädten. Sie arbeiten auch auf den Feldern und da die Gegend relativ klein ist, können sie auch alleine rausgehen und zu Verwandten und brauchen keine unmittelbare Begleitperson.

R: Haben Sie den Vater des Mädchens jemals persönlich kennengelernt?

BF: Ich kannte ihn bereits bevor wir zusammen kamen, wir lebten ja im selben Viertel.

R: Und wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Beziehung mit einem Mädchen einzugehen, von dem Sie wussten, dass deren Vater ein Feind Ihres Vaters ist?

BF: So etwas weiß man natürlich und mir war es auch bewusst, dass es vielleicht zu Schwierigkeiten führen würde, aber wissen Sie, erstens war geplant, dass wir zusammen durchbrennen und zweitens kommt man im Leben manchmal in Situationen, wo man sich der Gefahr zwar bewusst ist, aber dennoch nicht lassen kann, etwas zu tun. Es ist als würde man "vom Teufel persönlich geleitet werden". Ist es einmal passiert, ist es bereits zu spät um darüber nachzudenken, wie gesagt, wir hatten vor zu zusammen zu flüchten, aber es kam alles anderes.

R: Wohin hätten Sie flüchten wollen - als 18-jähriger mit einer 14, 15-jährigen Freundin?

BF: Wir hätten nach Pakistan flüchten wollen und von dort aus hätten wir überlegt, wo wir am besten aufgehoben gewesen wären.

R: Haben Sie eine Schulbildung oder Ausbildung?

BF: Ich habe Afghanistan bis zur 5. Klasse die Schule besucht und danach an der Seite meines Vaters auf dem Feld gearbeitet.

R: Wissen Sie, ob das Mädchen die Schule besucht hat?

BF: Damals besuchte sie eine Schule und war in der 2. Klasse, wie ich glaube.

R: Erzählen Sie mir ein bisschen wie Ihre Beziehung begonnen, wer ist auf wem zugegangen? Wo haben Sie sich getroffen? Wie haben Sie sich verabredet?

BF: Meistens trafen wir uns am Feld bei der Arbeit und hatten sehr viel Spaß miteinander. Wir lachten viel miteinander und schließlich passiert es einfach, dass wir uns näher kamen und das führte eben zu den großen Problemen danach.

R: Soll ich das so verstehen, dass die Felder Ihrer Familie sehr nahe gelegen sind, oder hat das Mädchen Sie auf den landwirtschaftlichen Gründen Ihrer Familie besucht?

BF: Die Felder liegen teilweise nebeneinander, teilweise sind doch große Abstände dazwischen. In unserem Fall besuchte ich sie auf ihrem Feld, auf dem sie arbeitete.

R: Und dort waren keine weiteren Verwandten des Mädchens?

BF: Es waren meistens mehrere gleichaltrige Mädchen aus Ihrer Verwandtschaft am Feld, wir flirteten viel miteinander, dafür zogen wir uns meisten etwas zurück. Solche Gelegenheiten bieten sich trotz aller Schwierigkeiten an.

R: Wann haben Sie zum ersten Mal Probleme mit der Familie des Mädchens bekommen?

BF: Es gab ja von Haus aus keiner guten Basis zwischen unseren Familien auf Grund der jahrelangen politischen Feindschaft unserer Väter. Hätte ich tatsächlich Probleme mit ihrer Familie bekommen, würde ich jetzt nicht vor Ihnen sitzen. Ich konnte gerade noch vor ihnen fliehen. Es war so, dass meine Freundin und ich so wie später mein Cousin, die einzigen waren, die über unsere Beziehung Bescheid wussten. Sie ließ mir einen Brief zukommen, in dem sie mir mitteilte, es gebe ersichtlich Anzeichen dafür, dass sie schwanger war und schließlich das ihre Familie sie unter Hausarrest gestellt hätte. In diesem Brief schrieb sie ihr eigenes Schicksal sei nicht mehr zu verändern und auch nicht wichtig, denn solange ich noch die Möglichkeit hatte, sollte ich mich in Sicherheit bringen.

R: Das bedeutet, das konkrete Problem, das Ihre Flucht ausgelöst hat, ist erst aufgetreten, als die Familie Ihrer Freundin deren Schwangerschaft festgestellt hat.

BF: Nein, sie selbst hatte festgestellt, dass sie schwanger war. Ihre Familie wusste davon nichts. Unter Hausarrest stand sie, weil Ihre Familie den Verdacht geschöpft hatte, dass wir in einander verliebt waren und vermeiden wollte, dass es zu einer Beziehung zwischen uns kam. Hätte ihre Familie zu jenem Zeitpunkt gewusst, dass sie schwanger war, hätte ich nicht mehr die Chance bekommen, rechtzeitig zu flüchten.

R: D. h. Sie waren zum Zeitpunkt der Flucht noch keinen konkreten Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen ausgesetzt?

BF: Ja, es war jedoch anzunehmen, dass relativ kurze Zeit später, die Verfolgung aufgenommen wird.

R: Sie haben gesagt, Sie hatten mit dem Mädchen auch Geschlechtsverkehr. Können Sie mir sagen, wann das war in dem Zeitraum der Beziehung?

BF: Wir waren gewiss 8 oder 9 Monate, wenn nicht etwas länger zusammen, bevor wir Geschlechtsverkehr hatten. Die letzten 3 oder 4 Monate dieser Beziehung, könnte man sagen.

R: Sie haben vorher angegeben, als Sie das Mädchen auf dem Feld getroffen haben, waren Familienangehörige des Mädchens auch anwesend. Das steht im Widerspruch, dass nur Sie beide und Ihr Cousin von der Beziehung gewusst haben!

BF: Es war nicht wirklich etwas Auffälliges daran, wenn junge Leute auf dem Feld oder am Brunnen versammelten und sich austauschten, das gehörte zum normalen Zeitvertreib unserer Generation. Natürlich machten wir nichts in Anwesenheit der anderen, was den Verdacht hätte aufkommen lassen, dass wir uns näher gekommen waren.

R: Wie groß war die Familie des Mädchens ungefähr, die in dem Ort lebte?

BF: Meinen Sie die Verwandtschaft oder die Familie?

R: Nähere Verwandtschaft, Tanten, Onkeln.

BF: Das waren 6 Personen aus der näheren Familie.

R: D. h. die Eltern und wer noch?

BF: D. h. die Eltern, ihre 2 Brüder und ihre Schwester, zusammen mit ihr waren es 6 Personen und ihre Großeltern, die auch dort zusätzlich lebten.

R: Wie alt waren die beiden Brüder?

BF: Die Brüder waren nach ihr und ihrer Schwester die letzten Kinder, also jünger als sie.

R: Lebt noch Onkeln und Cousins des Mädchens in dem Ort?

BF: Nein. Wenn man von ihrer gesamten Verwandtschaft ausgehen würde, müsste man über den gesamten Ort hinaus gehen und vielleicht bis zu 50 Familiengemeinschaften aufzählen, unmittelbar dort waren es nur die, die ich Ihnen gesagt habe.

R: Der Vater des Mädchens hat der seine eigenen Felder bewirtschaftet oder war der, üblicher Weise, nicht im Ort?

BF: Er war meistens nicht im Ort anwesend, ab und zu, als er Zeitvertreib gesellte er sich zu den anderen auf das Feld. Er hatte Arbeiter, die für ihn die Landwirtschaft betrieben."

Befragt nach seinem Glauben erklärte der Beschwerdeführer, er sei nicht getauft, aber "in seinem Herzen" seit etwa 5 Monaten Christ. Vor etwa einem Jahr habe er begonnen, sich mit der Bibel auseinander zu setzen. Ein Freund habe ihm damals die Bibel (in Farsi-Übersetzung) geborgt. Er sei zuvor "nie wirklich ein gläubiger Moslem" gewesen und habe auch nicht nach den islamischen Regeln gelebt, zumal das in seiner Heimat auch niemand gemacht habe. Der islamische Gott sei wie ein Richter, der Menschen für Verfehlungen "zur Höllenstrafe" verurteile; der christliche Gott zeige keine derartige Richtereigenschaft, man könne nach Sünden die Beichte ablegen und werde dennoch im Himmel aufgenommen. Gefragt, ob er eine Episode nennen könne, die ihn besonders beeindruckt habe, verwies der Beschwerdeführer erneut auf die Bestrafung mit der "ewigen Hölle" im Islam und der Vergebung der Sünden im Christentum, die sich "über breite Teile in der Bibel" erstrecke. Auf Nachfrage, ob er auch das Alte Testament gelesen habe, erklärte der Beschwerdeführer, dies "nur geringfügig" getan zu haben; er habe sich mehr mit dem Neuen Testament beschäftigt. Er besuche ungefähr einmal wöchentlich die Kirche, verbringe aber "die meiste Zeit" mit Bibelstudium. Bei der "Kirche" handle es sich um jene, die im Schreiben vom 18.11.2014 erwähnt sei. Die anwesende Auskunftsperson (ein anerkannter Flüchtling iranischer Herkunft) gab an, selbst in dieser Kirchengemeinde aktiv zu sein und etwa im Gottesdienst zu übersetzen. Den Beschwerdeführer kenne er seit Februar 2014. Dieser habe zunächst nur den Gottesdienst besucht und dann in der Gemeinde - beispielsweise bei der Betreuung der Kindergruppe - mitgeholfen. Einen Taufkurs habe der Beschwerdeführer noch nicht absolviert. Der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers ergänzte, es werde "im Frühjahr, Herbst oder Winter" mit dem Taufkurs begonnen.

Abschließend erklärte der Vertreter, der Name des Beschwerdeführers sei korrekt "XXXX" zu transkribieren. Dies wurde von der anwesenden Dolmetscherin ausdrücklich bestätigt; die Schreibweise mit "XXXX" sei nur anzuwenden, wenn die Person aus dem türkischen Sprachraum stammen würde.

Hinsichtlich der gemeinsam mit der Ladung übermittelten Feststellungen zur Situation in Afghanistan verwies der Beschwerdeführer auf die instabile Sicherheitslage im Land. Insbesondere sei die Route zu seinem Heimatort eine der gefährlichsten landesweit. Sein bevollmächtigter Vertreter erklärte, die Länderfeststellungen seien "bereits veraltet"; die Zukunft Afghanistans werde sich in den "nächsten 3 Jahren" nach dem Abzug der internationalen Truppen entscheiden. Zudem sei dazu bereits im Schreiben vom 18.11.2014 Stellung genommen worden.

7. Dem Bundesverwaltungsgericht wurden nach der Verhandlung (bis zum heutigen Tag) weder weitere Stellungnahmen zu den Länderberichten noch Belege für den Beginn oder den Abschluss eines Taufkurses oder gar eine erfolgte Taufe übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Aufgrund der der Entscheidung zugrunde liegenden Akten des Bundesasylamtes sowie des Bundesverwaltungsgerichtes und den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara und zumindest formell dem schiitischen Glauben an. Die korrekte Transkription seines Familiennamens lautet "XXXX"; der Zusatz ("auch XXXX") in der Einleitung des Spruchs im gegenständlichen Erkenntnis dienst lediglich der Gewährleistung der Zuordnung des verwaltungsbehördlichen Aktes.

Der Beschwerdeführer stammt aus einem kleineren Ort in der Provinz Ghazni, Region Jaghori, wo er auch von 1998 bis 2003 die Grundschule besucht hat. Der Beschwerdeführer lebte bis zu seiner Ausreise im Elternhaus und war in der familieneigenen Landwirtschaft tätig, die zur Existenzsicherung der Familie ausreichte. Die Familie (Eltern und fünf Geschwister sowie weitere Verwandte) des Beschwerdeführers lebt nach wie vor im Herkunftsort.

Der Beschwerdeführer verließ Afghanistan etwa im Sommer 2009 und stellte in Österreich nach illegaler Einreise am 18.08.2011 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer ist in seinem Herkunftsstaat weder vorbestraft, noch wurde er dort jemals inhaftiert und hatte auch mit den Behörden des Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit, noch sonst irgendwelche substanziellen Probleme. Insbesondere hatte er in religiöser Hinsicht in seinem Herkunftsort auch keine Probleme, obwohl er sein Leben nicht oder nur rudimentär nach den Regeln des Islam gestaltete. Der Beschwerdeführer war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an.

Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass er eine sexuelle Beziehung zur Tochter eines Feindes seines Vaters eingegangen sei. Dieser sei politisch gut vernetzt, arbeite für das Militär sowie die Taliban und lebe im selben Ort wie die Familie des Beschwerdeführers. Er gehöre ebenfalls der Volksgruppe der Hazaren an und sei schiitischen Glaubens. Die gemeinsame Flucht 2009 sei gescheitert; als ihm das Mädchen mitgeteilt habe, dass sie schwanger sei, habe er Afghanistan verlassen. Da er befürchte, von der Familie des Mädchens umgebracht zu werden, sei er geflüchtet. Anderen Verfolgungshandlungen war der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat nicht ausgesetzt gewesen. Auch hatte er nie Probleme mit den staatlichen Behörden.

Das (oben kurz zusammengefasste) Vorbringen des Beschwerdeführers erweist sich als insgesamt nicht glaubhaft. Das gilt insbesondere für die behauptete Feindschaft zwischen den Vätern und die dem Vater des Mädchens zugeschriebenen politischen Verbindungen.

Ebenfalls nicht glaubhaft gemacht werden konnte die als Nachfluchtgrund geltend gemachte Konversion zum christlichen Glauben. Der Beschwerdeführer ist nicht getauft und hat auch noch keinen Taufkurs (zur Vorbereitung auf die Taufe) absolviert. Sein Wissen über den christlichen Glauben ist lediglich rudimentär und von theologisch gänzlich unhaltbaren missionarischen Stehsätzen geprägt. Insbesondere das angeblich lange und ausführliche Bibelstudium ist nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer hält allerdings seit rund einem Jahr regelmäßigen Kontakt zu Konvertiten und Mitgliedern christlicher Kirchen, wobei diese Kontakte vorrangig den Charakter sozialer Integrationsschritte aufweisen. Auch eine substanzielle Abwendung vom schiitischen Islam - über seine bereits im Herkunftsstaat folgenlos geübte weitgehende Ignoranz der einschlägigen Glaubensvorschriften hinaus - im Sinne einer Apostasie ist nicht feststellbar.

Aufgrund der Situation in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, Ghazni, und insbesondere die hohe Unsicherheit der Verkehrsverbindungen in die Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist eine Rückkehr in diese dem Beschwerdeführer derzeit nicht zumutbar. Eine Einreise nach Afghanistan über Kabul ist zwar problemlos möglich; allerdings kann Kabul für den Beschwerdeführer mangels hinreichender familiärer Anknüpfungspunkte nicht als zumutbare Relokationsalternative angesehen werden. Auch das Bestehen einer anderen innerstaatlichen Relokationsalternative kann nicht festgestellt werden. Damit erfüllt der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz in Bezug auf seinen Herkunftsstaat.

1.2. Zur aktuellen Situation in Afghanistan wird Folgendes festgestellt:

Allgemeines:

Afghanistan ist eine islamische Republik und hat schätzungsweise 24 bis 33 Millionen Einwohner. Die afghanische Verfassung sieht ein starkes Präsidialsystem mit einem Parlament vor, das aus einem Unterhaus und einem Oberhaus, deren Mitglieder von den Provinz- und Distriktsräten sowie vom Präsidenten bestellt werden, besteht.

(Country Report des U.S. Department of State vom 19. April 2013)

Laut afghanischer Verfassung ist es Präsident Karzai nicht erlaubt, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren.

Die afghanische Nationalversammlung ("Shuraye Melli") besteht aus dem Unterhaus (Volksvertretung, "Wolesi Jirga") und dem Oberhaus (Ältestenrat/Senat, "Meshrano Jirga"), die nach dem Modell eines klassischen Zweikammersystems gleichberechtigt an der Gesetzgebung beteiligt sind. Die letzten Parlamentswahlen fanden am 18. September 2010 statt. Die Auseinandersetzung um die Ergebnisse bei den Parlamentswahlen hielt Monate an.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 10. Jänner 2012, S. 7; United States, Country on Human Rights Practices 2012 - Afghanistan, vom 19. April 2013, S. 1, Deutsches Auswärtiges Amt, Innenpolitik, vom April 2013; derstandard.at, "Afghanische Wahlkommission bestätigt Liste für Präsidentschaftswahl", vom 20. November 2013; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan vom Januar 2014, S.

4)

Beim ersten Termin der Präsidentschaftswahlen am 05.04.2014 errangen Abdullah Abdullah mit 45 Prozent sowie Ahraf Ghani mit 31,6 Prozent die meisten Stimmen. Die Stichwahl fand am 14.06.2014 statt und war von Gewalt überschattetet. Die Wahlbeteiligung betrug dennoch fast 60 Prozent. Erste Resultate werden am 02.07.2014, das Endergebnis wird am 22.07.2014 erwartet. Abdullah und Ghani erhoben bereits gegenseitige Betrugsvorwürfe.

(Der Standard, Afghanistan: 250 Tote am Wahltag vom 15.06.2014)

Die Stichwahl für das Präsidentenamt in Afghanistan ist von Anschlägen, Angriffen und Gefechten mit etwa 250 Toten überschattet worden. Nach Angaben von Regierung und Provinzbehörden wurden am Wahltag 176 Aufständische, 44 Zivilisten und 29 Angehörige der Sicherheitskräfte getötet. Der Samstag war damit der blutigste Wahltag in Afghanistan seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001.

(Die Presse, Rund 250 Tote am Wahltag in Afghanistan vom 15.06.2014)

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet, die schließlich im Januar 2004 ratifiziert wurde. In der afghanischen Verfassung ist die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau verankert und das Gesetz der Sharia wird nicht in dieser erwähnt. Jedoch wird Afghanistan als islamische Republik beschrieben, in welcher der Islam eine heilige Religion ist. Demzufolge darf es kein Gesetz geben, welches mit dem Glauben und der Religionspraxis im Islam in Konflikt gerät.

(IDEA [The International Institute for Democracy and Electoral Assistance]: Afghanistan: "An Electoral Management Body Evolves"; NDI [National Democratic Institute]: "Political Parties in Afghanistan - A Review of the State of Political Parties after the 2009 and 2010 Elections", vom Juni 2011; AREU [Afghanistan Research and Evaluation Unit]: "Women's Economic Empowerment in Afghanistan 2002-2012" vom Juli 2013)

Nach mehr als 30 Jahren Konflikt und 11 Jahre nach dem Ende der Herrschaft der Taliban befindet sich Afghanistan in einem langwierigen Wiederaufbauprozess. Die nationale Aussöhnung mit den Aufständischen sowie die Reintegration versöhnungswilliger Mitglieder der Insurgenz bleiben weiterhin eine Grundvoraussetzung für die Schaffung eines friedlichen und stabilen Afghanistans. Anstrengungen, die zur Sicherung der bisherigen Stabilisierungserfolge und zur Verbesserung der Zukunftsperspektiven der Bevölkerung beitragen, werden noch lange Zeit notwendig sein.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 4. Juni 2013, S. 4 und vom 31. März 2014, S.4)

Am Nato-Gipfeltreffen in Chicago im Mai 2012 wurden der schrittweise Abzug der internationalen Truppen bis 2014 sowie die Grundzüge des Nachfolgeeinsatzes diskutiert.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 3. September 2012, S. 2)

Nach einer Strategie der Übergabe der Sicherheitsverantwortung ("Transition") haben die afghanischen Sicherheitskräfte schrittweise die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan von den internationalen Streitkräften übernommen. Ein Abzug aller ausländischen Streitkräfte aus dem Land ist bis Ende 2014 geplant. Es wird eine Intensivierung des Konflikts zwischen regierungstreuen und -feindlichen Kräften infolge des Abzugs der internationalen Truppen erwartet, sofern nicht vorher eine Friedensvereinbarung geschlossen wird.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 12)

Die afghanische Regierung ist weiterhin weit davon entfernt, ihren Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit, effiziente Regierungsinstitutionen, Rechtsstaatlichkeit, soziale Basisdienstleistungen und Schutz vor Menschenrechtsverletzungen bieten zu können.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 1)

Mittlerweile reklamieren die Taliban mit der systematischen Einrichtung parallelstaatlicher Strukturen in immer weiter nördlich gelegenen Gebieten den Anspruch für sich, als legitime Regierung Afghanistans betrachtet zu werden. Die regierungsähnlichen Strukturen in den von den Taliban kontrollierten Gebieten (mit Schattengouverneuren und in wichtigeren Gebieten mit verschiedenen Kommissionen z.B. für Justiz, Besteuerung, Gesundheit oder Bildung) sind relativ gut etabliert.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 3. September 2012)

Sicherheitslage allgemein:

Die Zahl der im Afghanistan-Konflikt getöteten oder verletzten Zivilisten ist nach Angaben der Vereinten Nationen im ersten Halbjahr 2013 deutlich gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind 23 Prozent mehr Opfer gezählt worden. Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang im Jahr 2012 gibt es nun eine Rückkehr zu den hohen Zahlen von getöteten und verletzten Zivilisten des Jahres 2011. Von Jänner bis Oktober 2013 wurden insgesamt 2.568 Zivilisten getötet und 4.826 Zivilisten verletzt. Das entspricht einer Erhöhung um 13 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2012.

Laut UNAMA sind 75 Prozent der Opfer durch Angriffe von Aufständischen getötet oder verletzt worden. In 10 Prozent der Fälle seien Regierungstruppen verantwortlich, weitere 13 Prozent seien bei Kämpfen zwischen beiden Seiten getötet oder verletzt worden. Die verbleibenden 4 Prozent der Fälle waren demnach keiner Konfliktpartei zuzuordnen und wurden in erster Linie durch Blindgänger verursacht.

(General Assembly/Security Council United Nations, "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" Rn. 24 vom 6. Dezember 2013; Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 15)

Die Zahlen unterstreichen die schwierige Sicherheitslage in Afghanistan vor dem Ende des internationalen Kampfeinsatzes. Die USA und ihre NATO-Verbündeten wollen bis zum Ende 2014 alle Kampftruppen aus dem Land abziehen. Die Internationale Sicherheits-Unterstützungstruppe (ISAF) wird wie bisher bis zum Ende der Übergangsphase (31. Dezember 2014) die Afghan National Security Forces (ANSF) ausbilden, beraten und unterstützen, jedoch wenn erforderlich auch Kampfunterstützung liefern.

Auf die Abzugspläne der deutschen Bundeswehr haben die veränderten Daten zur Sicherheitslage keine Auswirkungen. Es bleibt bislang auch bei den Absichten, von Ende 2014 an für eine Ausbildungs- und Trainingsmission der NATO zwischen 600 und 800 Bundeswehrsoldaten zur Verfügung zu stellen.

(ORF-online: "Afghanistan: 2013 bereits über 1.300 zivile Opfer" vom 31. Juli 2013; NATO "International Security Assistance Force" vom 1. August 2013; Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Bundeswehr korrigiert Statistik über Sicherheit in Afghanistan" vom 31. Mai 2013)

Karzai versucht, Afghanistan vor der Präsidentenwahl und dem Abzug der NATO-Truppen in diesem Jahr zu stabilisieren. Die ausländischen Soldaten übertragen immer mehr der Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan auf die 350.000 Mitglieder der einheimischen Sicherheitskräfte.

(APA: "Afghanisches Parlament feuert Innenminister wegen Gewaltwelle" vom 22. Juli 2013)

Im Juni 2013, eineinhalb Jahre vor Ende des Nato-Kampfeinsatzes, haben die afghanischen Sicherheitskräfte offiziell im ganzen Land die Verantwortung übernommen.

(TAZ: "Afghanen tragen jetzt die volle Verantwortung" vom 19. Juni 2013)

Der Konflikt in Afghanistan beeinflusst nun auch Provinzen, die bisher als die stabilsten im Land betrachtet wurden, wie etwa die Provinz Panjshir. Die Gewalt ist nicht auf Kabul oder allgemein auf städtische Zentren beschränkt. Die Aufständischen in ländlichen Gebieten gehen oft extrem gewalttätig vor.

Die Verbreitung von lokalen Milizen und bewaffneten Gruppen - sowohl pro- und anti-Regierung - im Norden, Nordosten und in zentralen Hochland-Regionen haben eine weitere negative Auswirkung auf die Sicherheitslage für Zivilisten.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 14)

Die Opfer unter den ISAF-Angehörigen gingen insbesondere aufgrund der Verringerung der Kräfte als auch des gewandelten militärischen Auftrages in den ersten fünf Monaten des Jahres 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 121 auf 60 zurück. Infolge des nahezu abgeschlossenen Aufwuchs der ANSF, der hohen Operationslast als Folge der Übernahme der aktiven Sicherheitsverantwortung und der damit einhergehenden Zielauswahl durch die regierungsfeindlichen Kräfte stiegen die personellen Verluste der ANSF von 499 auf 1.070 in den ersten vier Monaten 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich an. Auch in Zukunft ist infolge der weiter fortschreitenden Transition mit hohen Verlustzahlen unter ANSF-Angehörigen zu rechnen. Die Hauptursachen für den Anstieg der zivilen Opfer in der ersten Jahreshälfte 2013 waren die vermehrte willkürliche Verwendung von Spreng- und Brandvorrichtungen durch regierungsfeindliche Elemente sowie Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe an Orten, an denen sich Zivilisten aufhalten, darunter auch zivile Regierungsgebäude. Wie UNAMA weiters ausführt, hat eine sich verändernde politische und sicherheitsrelevante Dynamik in der ersten Jahreshälfte 2013 den Schutz von Zivilisten behindert und den Zugang zu Menschenrechten beschränkt. Auf die Übertragung der Sicherheitsverantwortung von den internationalen Truppen an die afghanischen Sicherheitskräfte und die Schließung von internationalen Militärbasen haben regierungsfeindliche Elemente mit zunehmenden Angriffen auf die afghanischen Sicherheitskräfte, hauptsächlich an Checkpoints, auf strategisch wichtigen Highways, in einigen Gebieten, die an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden, und in Distrikten, die an Afghanistans Nachbarländer grenzen, reagiert.

(UNAMA, Mid-Year Report 2013, vom Juli 2013, S. 1f)

Die Planungen der NATO für den ISAF Folgeeinsatz Resolute Support Mission schreiten voran. Die konditionierte Zusage Deutschlands für seinen Beitrag zu Resolute Support vom 18. April 2013 bildet den Rahmen für die weiteren Planungen. Deutschland ist - vorbehaltlich der auch künftig jährlich einzuholenden Zustimmung des Deutschen Bundestages - zur Übernahme der Verantwortung als Rahmennation für den Norden von Afghanistan, Bereich Masar-e Scharif, für zunächst zwei Jahre bereit und will mit seinen multinationalen Partnern die Arbeit fortsetzen. Daneben wird ein deutscher Truppen-Beitrag im Großraum Kabul eingesetzt werden.

Aufbauend auf dem im Juni 2013 durch die NATO-Verteidigungsminister gebilligten Operationskonzept für Resolute Support wurde im Oktober mit der Verabschiedung des sog. Strategic Planning Assessment (SPA) eine weitere Weichenstellung für die Planung der ISAF-Folgemission vorgenommen. Das im November 2013 zwischen Afghanistan und den USA verhandelte, aber noch nicht unterzeichnete Bilaterale Sicherheitsabkommen dient als Grundlage für die bereits laufenden Verhandlungen zu einem umfassenden Stationierungsabkommen für die NATO und alle Partnernationen. Letzteres bildet auch eine wesentliche rechtliche Voraussetzung für die neue deutsche Mission.

(Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Januar 2014, S. 16 f.)

Der afghanische Innenminister Umer Daudzai hat laut einem Anfang September 2013 veröffentlichten Artikel bekannt gegeben, dass seit März 2013 insgesamt 1.792 Polizisten getötet wurden - die meisten durch am Straßenrand platzierte Bomben.

(AlertNet: "Afghan police deaths double as foreign troops withdraw" vom 2. September 2013)

Der UNO-Generalsekretär erwähnt in einem Bericht vom März 2013, dass im Zeitraum vom 16. November 2012 bis 15. Februar 2013 insgesamt

3.783 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 4-prozentigen Rückgang gegenüber dem gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor dar. Die Zahl der zwischen 1. Jänner und 15. Februar 2013 verzeichneten Sicherheitsvorfälle lag allerdings um 6 Prozent höher als im Vorjahr. Wie der UNO-Generalsekretär berichtet, ereigneten sich die meisten der zwischen 16. November 2012 und 15. Februar 2013 verzeichneten Vorfälle auch weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes. Die größte Zahl wurde in der Provinz Nangarhar verzeichnet.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 5. März 2013)

In einem Bericht vom Juni 2013 erwähnt der UNO-Generalsekretär, dass im Zeitraum vom 16. Februar bis 15. Mai 2013 insgesamt 4.267 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 10-prozentigen Anstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum dar. 70 Prozent der Vorfälle ereigneten sich im Süden, Südosten und Osten des Landes. Im Osten des Landes ist es zu einem Zustrom von Aufständischen in die Provinzen Nuristan und Badachschan und einem 18-prozentigen Anstieg der Anzahl der Vorfälle gekommen. Bewaffnete Auseinandersetzungen und Spreng- und Brandvorrichtungen machten weiterhin die Mehrzahl der Vorfälle aus.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 13. Juni 2013)

In einem im September 2013 erschienenen Bericht des UNO-Generalsekretärs wird erwähnt, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die meisten Operationen durchführen und ihre Opferzahl deutlich angestiegen ist. Berichten zufolge wurden im zweiten Quartal des Jahres 2013 mehr als 3.500 Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte bei Kampfhandlungen verletzt oder getötet. Am 1. Juli 2013 hat der afghanische Innenminister bekannt gegeben, dass zwischen Mitte Mai und Mitte Juni 2013 insgesamt 299 Polizisten getötet wurden. Dabei handelt es sich um einen 22-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Im selben Bericht wird angeführt, dass im Zeitraum vom 16. Mai bis 15. August 2013 insgesamt 5.922 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 11-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und einen 21-prozentigen Rückgang im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2011 dar. Laut Bericht haben die Aufständischen ihren Schwerpunkt unter anderem auf Angriffe auf Sicherheitskontrollpunkte und Stützpunkte gelegt, die von den internationalen Truppen an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden. Generell wirkungsvoller Widerstand durch die afghanischen Sicherheitskräfte hat sich auf den Schutz von wichtigen städtischen Zentren, Verwaltungszentren von Distrikten und strategisch wichtigen Transportrouten fokussiert. Die Mehrheit der sicherheitsrelevanten Vorfälle (69 Prozent) ereignete sich weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 6. September 2013)

Gemäß ANSO gelingt es den afghanischen Sicherheitskräften nicht, die sich aus dem Abzug der internationalen Truppen ergebenden Lücken zu füllen. Dies zeigt sich insbesondere in den nordwestlichen Provinzen Faryab und Badghis, im gesamten Nordosten und in der südlichen Provinz Paktika. In einigen Gebieten, in welchen die Übergabe in Phase drei erfolgt ist, sind zunehmende Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen zu verzeichnen, während die Aktivitäten der afghanischen Sicherheitskräfte in diesen Gebieten zeitgleich zurückgegangen sind. Mit dem voranschreitenden Abzug der internationalen Truppen haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Angriffe kontinuierlich von den internationalen Zielen weg auf afghanische Ziele fokussiert, d.h. auf die afghanischen Sicherheitskräfte sowie auf afghanische Regierungsangehörige. Dies widerspricht der erwarteten Logik, dass die sinkende internationale Präsenz zu einem Rückgang der militärischen Aktivitäten der regierungsfeindlichen Gruppierungen führen würde.

Die Führung der Taliban ist weiterhin in der Lage, die militärischen Operationen der Bewegung von Pakistan aus strategisch zu lenken sowie die notwendigen Ressourcen zur Unterstützung der operationellen Prioritäten zu beschaffen. Seit 2009 lassen sich drei Entwicklungen erkennen: Erstens wurden auf der strategischen Ebene beträchtliche Anstrengungen hin zu einer stärkeren Zentralisierung der Kommando- und Kontrollstrukturen unternommen, um einer Fragmentierung der Bewegung entgegenzuwirken. Zweitens zeichnet sich eine Militarisierung der Administration ab. Der militärische Druck seitens der ISAF zwang zahlreiche Schattengouverneure in den Untergrund oder zur Flucht nach Pakistan und führte dadurch zu einem verminderten Einfluss dieser. In der Konsequenz ist die Macht der Militärkommissionen gestiegen, die vor Ort präsent sind. Drittens lässt sich auf der taktischen Ebene eine Professionalisierung der Bewegung feststellen.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 5 f; ANSO, Quarterly Data Report Q1 2013, S. 12 und 17; ANSO, Quarterly Data Report Q1 2013, S. 11)

In der afghanischen Hauptstadt Kabul sind bei einem Selbstmordanschlag acht Menschen getötet worden. Ziel des Attentäters sei ein Bus mit Militärangehörigen im stark abgesicherten Gebiet in der Nähe der Universität gewesen, teilte die Polizei heute mit. Mindestens fünf der Toten gehörten zur Luftwaffe. Bei der Explosion seien zudem 13 weitere Menschen verletzt worden. Vor zwei Wochen fand in Afghanistan eine Stichwahl um das Präsidentenamt statt. Das Wahlergebnis sollte eigentlich heute bekanntgegeben werden.

(ORF-online; http://www.orf.at/ #/stories/2236311/, Acht Tote bei Selbstmordanschlag in Kabul, 02.07.2014)

Bei tagelangen Gefechten in der südafghanischen Provinz Helmand sind nach offiziellen Angaben mehr als 330 Menschen getötet worden, darunter Dutzende Zivilisten. Das Innenministerium in Kabul teilte am Sonntag mit, mindestens 250 Taliban-Kämpfer seien unter den Toten der vergangenen zehn Tage. Nach Angaben der Provinzregierung kamen mindestens 32 Angehörige der Sicherheitskräfte und 50 Zivilisten ums Leben, darunter Frauen und Kinder. Der Sprecher der Provinzregierung, Omar Zwak, sagte, rund 3200 Familien seien vor der Gewalt geflohen. Die Gesundheitsbehörden in Helmand meldeten mehr als 300 Verwundete.

Am vorvergangenen Freitag hatten nach Zwaks Angaben mehr als 1000 Taliban-Kämpfer in den Distrikten Nawzad, Sangin, Kajaki und Musa Qala Stellungen der Sicherheitskräfte angegriffen. Diese begannen daraufhin eine Gegenoffensive. Zwak sagte, die Aufständischen seien weitgehend zurückgeschlagen worden, Gefechte dauerten aber noch an. Die Taliban waren in den vergangenen Jahren von offenen Großangriffen auf Sicherheitskräfte abgekommen und hatten vor allem auf Anschläge mit Sprengfallen gesetzt. Ihre Offensive gegen afghanische Sicherheitskräfte im Süden könnte einen Strategiewechsel vor dem Auslaufen des NATO-Kampfeinsatz zum Jahresende signalisieren.

(DiePresse.com,http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/3829431/Sudafghanistan_Hunderte-Tote-nach-tagelangen-Kaempfen?from=suche.intern.portal , 29.06.2014)

Bei einem Bombenanschlag im Süden Afghanistans sind nach Polizeiangaben drei US-Soldaten getötet worden. Der an einem Motorrad befestigte Sprengsatz explodierte den Angaben zufolge gestern in der Nähe einer Patrouille der NATO-geführten Afghanistan-Truppe ISAF. Die ISAF bestätigte den Vorfall im Bezirk Nad Ali in der südafghanischen Provinz Helmand. Pentagon-Vertreter erklärten, es habe sich um US-Soldaten gehandelt. Die islamistischen Taliban bekannten sich in einer Textbotschaft zu dem Attentat.

(ORF-Online, Drei US-Soldaten bei Anschlag in Afghanistan getötet vom 21.06.2014)

Drei Selbstmordattentäter der Taliban haben in Afghanistan Anschläge auf Nato-Lastwagen verübt. An der Grenze zu Pakistan im Osten des Landes hätten sich Polizisten und Taliban-Kämpfer daraufhin einen Schusswechsel geliefert, meldeten afghanische Offizielle. Alle drei Angreifer seien getötet worden, hieß es aus der Provinzregierung. Einer habe sich selbst in die Luft gesprengt, die beiden anderen seien von Polizisten erschossen worden. Die Taliban bekannten sich zu den Anschlägen. Die Attentäter hätten die Wagen auf dem Parkplatz des Nato-Quartiers in der Provinz Nangarhar attackiert, sagte ein Sprecher der Grenzpolizei. Der Gebäudekomplex am Torkham-Checkpoint liegt an einer wichtigen Route für Lieferungen der Nato in Afghanistan - die meisten Transporte der Truppe laufen über diesen Grenzposten. Der durch die Anschläge ausgelöste Schaden ist offenbar verheerend. Der Provinzregierung zufolge wurden durch Explosionen, die bei dem Schusswechsel ausgelöst wurden, 37 Nato-Benzinlaster beschädigt oder gänzlich zerstört.

(Spiegel-Online,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/afghanistan-taliban-anschlag-auf-nato-lastwagen-a-976069.html , vom 19.06.2014)

Sicherheitslage in ausgewählten Provinzen:

Provinzen Ghazni, Helmand, Kandahar, Khost, Kunar und Nangarhar:

Im Süden Afghanistans waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant angestiegen sind. Insbesondere in Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die meist umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 10f)

Provinz Ghazni:

(siehe auch "Provinzen Ghazni, Helmand, Kandahar, Khost, Kunar und Nangarhar", Seite 8).

Die Provinz Ghazni bleibt eine der gewalttätigeren Gegenden des Landes. Im ersten Quartal des Jahres 2013 wurden 192 Vorfälle registriert. Damit haben sich die Vorfälle im Vergleich zum Vorjahr um 100 Prozent erhöht. Auch im Juli und August 2013 gab es einen Anstieg der Angriffe.

(ANSO [Afghanistan NGO Safety Office]: Quarterly Data Report Q.1 2013, vom April 2013; New York Times: "Taliban Breach an International Base, Killing at Least" vom 28. August 2013).

Aufgrund des fast völligen Fehlens von NATO-Präsenz konnten die Taliban und al-Quaida ihre Kontrolle ausweiten. Ghazni ist ein bekannter Knotenpunkt für Taliban und al-Qaida. Es ist bekannt, dass hochrangige Taliban, al-Qaida und IMU Kommanders in der Provinz operieren.

(BBC: "Afghanistan's Nuristan province at mercy of the Taliban" vom 20. März 2013; The Long War Journal: "Taliban launch suicide assault on ISAF PRT in Ghazni" vom 28. August 2013)

Die Taliban töten Zivilisten und zwingen Dorfbewohner, ihren Kämpfern Essen zu geben. Sobald die Taliban eine Gegend überrollen, gehen sie besonders aggressiv gegen die lokale Bevölkerung vor und implementierten ihre strengen Regeln und Gesetze.

(EASO: "Country of origin information report- Afghanistan Insurgent strategies - intimidation and targeted violence against Afghans" vom 2. Dezember 2012)

Im Berichtzeitraum gab es Widerstand gegen die Infiltrierung durch die Taliban. Dies wird als Zeichen gesehen, dass die Bevölkerung die Taliban ablehnt.

(Congressional Research Service: "Afghanistan: Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy" vom 23. Oktober 2013).

Die Angriffe auf Frauen nehmen zu: Anfang August wurde eine Senatorin, Roh Gul Khairzad, von bewaffneten Angreifern in den Hinterhalt geführt. Bei dem Angriff wurden ihre Tochter und ihr Fahrer getötet (Security Council Report, 29. August 2013). Mitte August 2013 wurde eine Parlamentariern, Fariba Ahmadi Kakar, im Bezirk Ghazni von den Taliban entführt und einen Monat später durch die Vermittlung von Dorfältesten und Geistlichen im Austausch gegen fünf Taliban freigelassen.

(United Nations Security Council Report: "September 2013 Monthly Forecast" vom 29. August 2013; BBC News "Afghan MP Fariba Ahmadi Kakar freed by the Taliban" vom 8. September 2013)

Ghazni stellt für die Taliban eine strategisch wichtige Provinz dar, da die Straße Kabul - Kandahar durch den überwiegend von Paschtunen besiedelten westlichen Teil Ghaznis führt. Daher stellt sich der Weg von Kabul nach Ghazni als gefährlich dar; auf dieser Route kam es zu einer Zunahme der Angriffe in den ersten sechs Monaten des Jahres 2013.

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 5. August 2013)

Auch im Juli und August 2013 gab es einen Anstieg der Angriffe. Aufgrund des fast völligen Fehlens von NATO-Präsenz konnten die Taliban und al-Quaida ihre Kontrolle in Ghazni ausweiten: Die Taliban töten gewöhnliche Menschen und zwingen Dorfbewohner, ihren Kämpfern Essen zu geben. Sobald die Taliban eine Gegend überrollen, gehen sie besonders aggressiv gegen die lokale Bevölkerung vor und implementierten ihre strengen Regeln und Gesetze.

(Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014)

Sicherheitslage in Kabul

Kabul zählt zu jenen Gebieten, in denen infolge militärischer, überwiegend afghanisch geführter Operationen, starker Präsenz sowie politischer und wirtschaftlicher Maßnahmen eine partielle Stabilisierung erzielt werden konnte und die Sicherheitslage überwiegend unter Kontrolle ist. Kabul bleibt unter der Führung der ANSF die sicherste Gegend Afghanistans.

(Auswärtiges Amt: Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Juni 2013; Afghan Analyst Network: "After the 'operational pause': ‚How big is the insurgents' 2013 spring offensive?" vom 2. Juni 2013; Department of Defense: "Report on Progress Toward Security and Stability in Afghanistan" vom Dezember 2012)

Laut internationalen NGOs ist Kabul trotz Vorfällen und Angriffen einer der wenigen Orte Afghanistans, wo die Sicherheitssituation relativ gut und stabil ist. Dem Internationalen Polizei-Koordinierungsausschuss zufolge gehören Kabul und andere große Städten in Afghanistan zu den Orten, wo die Afghanische Nationalpolizei (ANP) bei der Gewährleistung von Sicherheit gut funktioniert. Laut IOM ist Kabul trotz einiger Selbstmordanschläge, die das Leben der Bevölkerung beeinträchtigen, sicherer und stärker unter Kontrolle als andere Orte in Afghanistan. Die unabhängige Afghanistan Independent Human Rights Commission teilt diese Meinung.

(Danish Immigration Service: "Afghanistan Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process" vom Mai 2012)

Der Fokus des Terrors liegt nicht auf Kabul oder allgemein auf städtischen Zentren, sondern der Großteil der Gewalt passiert in ländlichen Gegenden. Die Taliban, einschließlich des Haqqani-Netzwerks, führen jedoch weiterhin öffentlichkeitswirksame Angriffe in der afghanischen Hauptstadt durch und zeigen, dass sie überall im Land zuschlagen können und selbst den sog. "Stahlring" der afghanischen Sicherheitskräfte um die Zentren großer Städte überwinden. Dies zielt darauf ab, die Aufmerksamkeit internationaler Medien und damit möglicher "Financiers" zu erregen und Unsicherheit in der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und den afghanischen Streitkräften zu schüren.

(Afghanistan Analyst Network: After the 'operational pause': "How big is the insurgents' 2013 spring offensive?" vom 2. Juni 2013; ACCORD [Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation]: "Ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan:

Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul vom 10. Jänner 2013, vergleiche auch Afghan Analyst Network: After the 'operational pause': How big is the insurgents' 2013 spring offensive?" vom 2. Juni 2013)

Im April 2013 kündigten die Taliban ihre Frühlingsoffensive "Khalid ibn al-Walid" [auch "Khaled ben Walid"] an. Größere Zwischenfälle in Kabul involvierten u.a. eine Explosion nahe des Verteidigungsministeriums in Kabul im März 2013, bei dem neun Zivilisten ums Leben kamen. Ein Beispiel für erfolgreiche Vereitelung war die Entdeckung eines größeren Waffenversteckes und die Festnahme von 5 Personen am 13. März 2013.

(U.N General Assembly und Security Council: "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security", vom 13. Juni 2014)

Weitere größere, sicherheitsrelevante Vorfälle in Kabul:

Im Mai 2013 bekannte sich die Hezb-e Islami Gulbuddin zu einem Attentat in Kabul, bei dem 9 Zivilisten, 2 ISAF Mitarbeiter und 4 Mitarbeiter eines ausländischen Unternehmens getötet wurden und im Juni tötete ein Selbstmordanschlag auf den Supreme Court mindestens 17 Zivilisten. (U.N General Assembly und Security Council: "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security", vom 13. Juni 2014)

Im Juni 2013 gab es einige Anschläge der Taliban in schwerbewachten Gebieten Kabuls, in denen sich viele wichtige Gebäude befinden, wie zum Beispiel die NATO-Zentrale und der Präsidentenpalast. (BBC News: "Afghan Taliban assault in Kabul secure zone" vom 25. Juni 2013)

Am 2. Juli 2013 kam es zu einem Anschlag nahe einer UN Einrichtung, bei dem 6 Personen getötet wurden. Insgesamt kam es im Berichtszeitraum zwischen 16. Mai und 15 August zu 7 Selbstmordanschlägen in Kabul. (U.N General Assembly und Security Council: "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 6. September 2013)

Die Taliban attackierten mit Schüssen und einer Autobombe im Oktober 2013 einen Konvoi ausländischer Fahrzeuge in Kabul. Es war der erste größere Vorfall seit Juli. (Reuters: "Taliban attack breaks months of quiet in Kabul", vom 18. Oktober 2013). Agence France-Presse [AFP] berichtet, dass in den Monaten vor diesem Anschlag die afghanische Hauptstadt relativ friedlich gewesen ist, nachdem zuvor einige Selbstmordanschläge und bewaffnete Angriffe stattgefunden hatten. (AFP: "Suicide bomb attack in Kabul outside foreign compound", vom 18. Oktober 2013)

Am 16. November 2013 tötete ein Anschlag nahe einer Einrichtung, die für die Loya Jirga vorbereitet wurde, 8 Zivilisten. (U.N General Assembly und Security Council: "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security", vom 6. Dezember 2013)

Am 18. Jänner 2014 starben mindestens 24 Menschen bei dem Anschlag der Taliban auf ein unter Ausländern beliebtes und stark gesichertes Restaurant in Kabul. (Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Entsetzen nach Taliban-Anschlag", vom 18. Jänner 2014)

Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Bus der afghanischen Armee sind am 26. Jänner 2014 in Kabul vier Menschen getötet worden, am 25. Jänner 2014 wurden bei einer Explosion zwei Personen verletzt. (Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Selbstmordanschlag auf Regierungsbus in Afghanistan" vom 26. Jänner 2014)

In der afghanischen Hauptstadt Kabul sind bei einem Selbstmordanschlag acht Menschen getötet worden. Ziel des Attentäters sei ein Bus mit Militärangehörigen im stark abgesicherten Gebiet in der Nähe der Universität gewesen, teilte die Polizei heute mit. Mindestens fünf der Toten gehörten zur Luftwaffe. Bei der Explosion seien zudem 13 weitere Menschen verletzt worden. Vor zwei Wochen fand in Afghanistan eine Stichwahl um das Präsidentenamt statt. Das Wahlergebnis sollte eigentlich heute bekanntgegeben werden. (ORF-online;

http://www.orf.at/ #/stories/2236311/, "Acht Tote bei Selbstmordanschlag in Kabul" vom 02.07.2014)

Menschenrechte und Menschenrechtsorganisationen:

Trotz beachtlicher Erfolge während der vergangenen elf Jahre bleibt die gesellschaftliche Verankerung der Menschenrechte, insbesondere der Frauenrechte, eine große Herausforderung in Afghanistan. Das liegt zum einen an der Schwäche der afghanischen Institutionen und mangelnder Rechtskenntnis bei Bevölkerung und Behörden, zum anderen an der mangelnden Akzeptanz von Menschen- und Frauenrechten innerhalb der Gesellschaft. Nicht zuletzt spielt die fehlende Bereitschaft von Justiz und Strafverfolgungsbehörden, geltende Gesetze zum Schutz von Menschen- und Frauenrechten umzusetzen, eine Rolle. In Umsetzung der Tokio-Verpflichtungen muss die afghanische Regierung weitere Anstrengungen zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Verbesserung der Situation der Menschenrechte vorweisen. Mittlerweile haben sich die afghanische Regierung und die Staatengemeinschaft auf zwei messbare Hard Deliverables im Bereich der Menschenrechte geeinigt, anhand derer die internationale Gemeinschaft eine erste Bilanz der Reformfortschritte ziehen will:

1. Bericht aller beteiligten Regierungsinstitutionen zur landesweiten Umsetzung des Gesetzes zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen [EVAW] und 2. inklusiver Nominierungsprozess für die Kommissare der Unabhängigen Afghanischen Menschenrechtskommission (Afghan Independent Human Rights Commission [AIHRC]).

Neben der afghanischen Verfassung selbst, in der die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgeschrieben ist, bedeutet insbesondere das per Präsidialdekret erlassene EVAW-Gesetz vom August 2009 eine signifikante Stärkung der Frauenrechte. Sowohl ein UNAMA-Bericht vom 11. November 2012 als auch die AIHRC bestätigen, dass im Vergleich zum Vorjahr deutlich mehr Fälle von Gewalt registriert und damit öffentlich geworden sind. Damit sind die Voraussetzungen für eine Strafverfolgung der Schuldigen erheblich besser geworden. Von einer effektiven Umsetzung des Gesetzes sind die Behörden jedoch noch weit entfernt.

Dies bestätigt auch der jüngste Bericht von Human Rights Watch zur Situation weiblicher Insassen afghanischer Hafteinrichtungen, denen sogenannte "Sittenverbrechen" nach der islamischen Scharia vorgeworfen werden. Derzeit seien rund 600 Frauen - also die Hälfte aller weiblichen Insassen - wegen solcher "moralischer Vergehen" inhaftiert. Den meisten dieser Frauen werde Flucht aus dem Elternhaus oder dem Haus des Ehemannes angelastet. Dies sei auch nach afghanischem Recht keine Straftat. Vielmehr seien gerade diese Frauen oft Opfer von häuslicher Gewalt, die nach dem EVAW-Gesetz unter besonderem Schutz der Behörden stehen müssten.

Mangelnde Kenntnis und Akzeptanz des EVAW-Gesetzes führen jedoch dazu, dass viele Fälle von Gewalt gegen Frauen nach wie vor an traditionelle Streitschlichtungsgremien überwiesen werden. Zudem haben auch Menschenrechtsorganisationen festgestellt, dass es der afghanischen Polizei und Justiz weiterhin nicht selten noch an hinreichender Qualifikation fehlt, um Mindeststandards der Rechtspflege konsequent einzuhalten.

Der UNAMA-Folgebericht zu Folter in afghanischen Haftanstalten vom Januar 2013 bestätigt ebenfalls, dass Defizite bei den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden die Durchsetzung der Menschenrechte in Afghanistan erschweren. Der Bericht konzentriert sich auf Inhaftierte, die im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan festgenommen oder verurteilt wurden. Darin werden den Sicherheitskräften erneut Rechtsverstöße, vor allem Folter, vorgeworfen. Die Gebergemeinschaft, vor allem die EU und die UN, hat nach Veröffentlichung des UNAMA-Berichts die afghanische Regierung nachdrücklich aufgefordert, die Menschenrechte einzuhalten und die Haftbedingungen zu verbessern.

Die afghanische Regierung zog die Ergebnisse des UNAMA-Berichts zunächst in Zweifel. Präsident Karzai beauftragte noch im Januar 2013 eine afghanische Untersuchungskommission, die Vorwürfe zu prüfen. Diese bestätigte die Feststellungen des UNAMA-Berichts. Die Kommission gab elf Handlungsempfehlungen an die Regierung, darunter eine minimale Gesundheitsversorgung für Inhaftierte und Videoaufzeichnungen bei Verhören. Der Präsident ordnete am 11. Februar 2013 die Umsetzung der Empfehlungen per Dekret an. Die AIHRC ist inzwischen wieder voll besetzt.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 4f; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Juni 2013, S.17ff; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Januar 2014, S. 27ff.)

Allerdings hat die Ernennung der neuen Mitglieder der Menschenrechtskommission im Juni 2013 Unmut unter Menschenrechtsorganisationen sowohl in Afghanistan, als auch im Ausland hervorgerufen.

(RFE-Radio Free Europe: "Human Rights Appointments Draw Fire In Afghanistan", vom 3. Juli 2013)

So beförderte Staatspräsident Karzai, unter anderem, einen früheren Talibanführer zum Kommissionär der AIHRC. Es gab auch andere kontroverse KandidatInnen.

(Afghan Analyst: AIHRC Commissioners Finally Announced, vom 16. Juni 2013; vgl. Revolutionary Association of the Women of Afghanistan:

"Human Rights Commission Appointments Draw Fire In Afghanistan" vom 3. Juli 2013)

Religionsfreiheit:

Die Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert. Dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans (Artikel 2 der Verfassung). Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Artikel 3 der Verfassung) zu verstehen. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht.

Nach offiziellen Schätzungen sind 84 Prozent der Bevölkerung sunnitische Muslime und 15 Prozent schiitische Muslime. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus und Christen machen zusammen nicht mehr als 1 Prozent der Bevölkerung aus.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 10)

Laut UNHCR schützt die afghanische Regierung religiöse Minderheiten nicht vor Übergriffen.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender, S. 22, 44ff.; USDOS, Human Rights Practices 2012, 19. April 2013, S. 22f.)

Schiiten:

Der Großteil der afghanischen Schiiten gehört der ethnischen Gruppe der Hazara an. Die Situation der afghanischen schiitisch-muslimischen Gemeinde, der größten religiösen Minderheit des Landes, hat sich seit dem Ende des Taliban Regimes wesentlich gebessert. Trotzdem war die schiitische Minderheit mit gesellschaftlichen Diskriminierungen sowie einer Verschlechterung der Beziehungen zu der sunnitischen Mehrheit konfrontiert. Die schiitischen Muslime konnten im Berichtzeitraum (31. Jänner 2012 bis 30. Jänner 2013) ihr traditionelles Ashura Fest in Kabul öffentlich ohne Zwischenfälle feiern. Nichtsdestotrotz gab es sporadische Attacken gegen die schiitischen Hazara. Der letzte große Zwischenfall, bei dem mindestens 55 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt wurden, fand 2011 während der Ashura-Feiern in Form eines Selbstmordattentats in einer heiligen Stätte in Kabul statt. Die Verfassung garantiert, dass das schiitische Gesetz in Personenstandsangelegenheiten an-gewendet wird, in denen alle Parteien Schiiten sind. Im Jahr 2009 wurde ein Gesetzestext durchgesetzt, der viele konstitutionelle Rechte der schiitischen Frauen schmälert. Erb-schafts-, Heiratsfragen und Angelegenheiten persönlicher Freiheit werden von den konservativen schiitischen Autoritäten festgesetzt. Der Gesetzestext wurde im Parlament durchgesetzt, ohne ordentlich debattiert zu werden. Zivilgesellschaftliche Gruppen und afghanischen Frauenorganisationen kritisierten, dass der Gesetzestext im Widerspruch zu Artikel 22 steht, der die Gleichheit von Mann und Frau vor dem Gesetz bekräftigt.

(U.S., Commission on International Religous Freedom, Annual Report 2013, vom 30. April 2013; US Department of States, International Religous Freedom Report for 2012, vom 22. Mai 2013; BBC: "Shia mosque attacked in Kabul by men in police uniforms" vom 5. September 2013; USAID, Shiite personal status law, vom April 2009; Freedom House, Freedom in the world 2013, vom Jänner 2013; Herizons, Afghan Women Stand Strong Against Shia law, vom September 2009)

Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind im Alltagsleben in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema) als auch im Hohen Friedensrat sind auch Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe. Zum Schiitischen Aschura-Fest am 06.12.2011 fand eine der schwersten Anschlagsserien der letzten Jahre statt. In Kabul, Masar-e-Scharif und Kandahar starben bei Angriffen auf schiitische religiöse Stätten etwa 60 Menschen, ca. 200 wurden verletzt. Zur Urheberschaft bekannte sich eine radikalislamische Gruppe aus Pakistan. Eine Auswirkung auf das nicht ganz spannungsfreie, aber insgesamt doch verträgliche Zusammenleben der Ethnien und Religionen konnte dennoch nicht beobachtet werden. Die politischen Kräfte des Landes zeigten sich über die Vorfälle erschüttert, verurteilten die Attentate und riefen zur Einigkeit auf.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 31. März 2014)

Ethnische Minderheiten:

Der Anteil der Volksgruppen im Vielvölkerstaat wird in etwa wie folgt geschätzt: Paschtunen ca. 38 Prozent, Tadschiken ca. 25 Prozent, Hazara ca. 19 Prozent, Usbeken ca. 6 Prozent sowie zahlreiche kleinere ethnische Gruppen (Aimak, Turkmenen, Baluchi, Nuristani u.a.). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen dort ein offizieller Status eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser anderen Sprache spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri.

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage deutlich verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung zwar nach wie vor unterrepräsentiert, aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf.

Die ca. eine Million Nomaden (Kutschi), die mehrheitlich Paschtunen sind, leiden in besonderem Maße unter den ungeklärten Boden- und Wasserrechten. De facto kommt es immer wieder zu einer Diskriminierung dieser Gruppe, da ihre Mitglieder aufgrund ihres nomadischen Lebensstils als Außenseiter gelten und so Gefahr laufen, Opfer einer diskriminieren-den Verwaltungspraxis oder strafrechtlicher Sanktionierung zu werden. Immer wieder werden Nomaden rasch einer Straftat bezichtigt und verhaftet, wenngleich sie oft auch genauso schnell wieder auf freiem Fuß sind.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 31. März 2014, S. 10f)

Hazara

Die Hazara unterscheiden sich von anderen Minderheiten in Afghanistan, da diese sowohl eine ethnische als auch aufgrund ihres schiitischen Glaubens eine religiöse Minderheit darstellen. Sie können aufgrund ihrer ostasiatischen Gesichtszüge leicht von anderen Minderheiten unterschieden werden. Ihr deutlich anderes Aussehen in Kombination mit dem Praktizieren des Schiitentums hat sie über viele Jahrhunderte zu Angriffszielen gemacht.

Besonders zu Zeiten der Taliban-Herrschaft wurde die Minderheit der Hazara verfolgt. Ihre Lage hat sich zwar deutlich verbessert, jedoch sind sie in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert. Aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf.

Die schiitische Minderheit der Hazara verbessert sich ökonomisch und politisch durch Bildung. In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Paschtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, inklusive weiblicher Hazara, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in den Bereichen Informationstechnologie, Medizin oder andere Bereiche ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden.

Einer der zwei Vizepräsidenten von Präsident Hamid Karzai ist Karim Khalil. Er stammt der Minderheit der Hazara ab.

(Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation des Bundesasylamtes vom September 2013)

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten (mehrheitlich schiitischen) Hazara hat sich die Lage deutlich verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung zwar nach wie vor unterrepräsentiert, aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf.

In einer besonderen Lage befinden sich die ca. eine Million Kuchi-Nomaden, die unter ungeklärten Boden- und Wasserrechten in besonderem Maße leiden. De facto kommt es immer wieder zu einer Diskriminierung dieser Gruppe, da sie aufgrund ihres nomadischen Lebensstils als Außenseiter gelten und so die Gefahr laufen, Opfer einer diskriminierenden Verwaltungspraxis oder strafrechtlicher Sanktionierung zu werden. Immer wieder werden Nomaden rasch einer Straftat bezichtigt und verhaftet, wenngleich sie oft auch genauso schnell wieder auf freiem Fuß sind.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 9f)

In diesem Sinne sind Angehörige der Hazara weiterhin gesellschaftlich diskriminiert und Berichten zufolge Opfer von Schikanierung, Einschüchterung und Tötungen durch die Taliban sowie andere regierungsfeindliche Kräfte. Andererseits verbessert sich die Minderheit der Hazara ökonomisch und politisch durch Bildung: Viele Hazara schließen Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in den Bereichen Informationstechnologie oder Medizin ein.

(Congressional Research Service vom 22. November 2013)

Hazara werden Berichten zufolge weiterhin gesellschaftlich diskriminiert und gezielt durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit und körperliche Misshandlung unter Druck gesetzt. Hazara sind Berichten zufolge außerdem weiterhin Opfer von Schikanierung, Einschüchterung und Tötungen durch die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013; US State Department, 2012 Country Reports on Human Rights Practices - Afghanistan, 19. April 2013,

http://www.refworld.org/docid/517e6e73f.html )

Außereheliche Beziehungen:

In Fällen außerehelicher Beziehungen kann den Beteiligten die Todesstrafe oder auch eine Haftstrafe drohen: In Afghanistan sind außereheliche Beziehungen (insbesondere auch Ehebruch) sowohl im Strafgesetz als auch gemäß der Scharia verboten und gelten als ehrverletzend - vor allem für die Familie der Frau. Deshalb kann es auch zu Ehrenmorden an der Frau wie auch am Mann kommen. Alle vor- oder außerehelichen Beziehungen gelten in Afghanistan als Zina-Vergehen. Sowohl in der Scharia wie auch im afghanischen Strafgesetz gilt Zina als schweres Verbrechen und wird bestraft. Zina bezeichnet im Islam den Geschlechtsverkehr zwischen Menschen, die nicht verheiratet sind. Sowohl Frauen als auch Männer werden wegen Zina strafrechtlich verfolgt und zu langen Haftstrafen verurteilt. Gemäß der Scharia reicht die Bestrafung für Zina von Auspeitschungen bis hin zur Steinigung. In Afghanistan gibt es viele Vorfälle und Morde aufgrund von Ehrverletzungen, in einigen Regionen kommt es zu Steinigungen. Ob der außereheliche Geschlechtsverkehr freiwillig war oder nicht, ist meistens nicht von Bedeutung: Es wird kaum eine Differenzierung zwischen Vergewaltigung und einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gemacht.

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 10. Juni 2013)

Schädliche traditionelle Praktiken sind in Afghanistan weiterhin weit verbreitet und kommen in unterschiedlichem Ausmaß landesweit sowohl in ländlichen als auch in städtischen Gemeinschaften und in allen ethnischen Gruppen vor. Die schädlichen traditionellen Bräuche, die in diskriminierenden Ansichten zur Rolle und Position der Frauen in der afghanischen Gesellschaften wurzeln, betreffen in unverhältnismäßig hohem Maße Frauen und Mädchen. Zu diesen Bräuchen gehören unterschiedliche Formen der Zwangsheirat, einschließlich Kinderheirat; Hausarrest und Ehrenmorde. Zu den Formen der Zwangsheirat in Afghanistan gehören:

(i) "Verkaufsheirat", bei der Frauen und Mädchen gegen eine bestimmte Summe an Geld oder Waren oder zur Begleichung einer Familienschuld verkauft werden

(ii) baad dadan, eine Methode der Streitbeilegung gemäß Stammestraditionen, bei der die Familie der "Angreifer" der Familie, der Unrecht getan wurde, ein Mädchen anbietet, zum Beispiel zur Begleichung einer Blutschuld

(iii) baadal, ein Brauch, bei dem zwei Familien ihre Töchter austauschen, um Hochzeitskosten zu sparen

(iv) Zwangsverheiratung von Witwen mit einem Mann aus der Familie des verstorbenen Ehemanns

Wirtschaftliche Unsicherheit und der andauernde Konflikt sind Gründe, warum das Problem der Kinderheirat fortbesteht, da diese oftmals die einzige Überlebensmöglichkeit für das Mädchen und seine Familie angesehen wird.

Nach dem EVAW-Gesetz stellen einige schädliche traditionelle Bräuche einschließlich des Kaufs und Verkaufs von Frauen zu Heiratszwecken, die Benutzung von Frauen als Mittel zur Streitbeilegung nach dem "baad"-Brauch sowie Kinder- und Zwangsheirat Straftatbestände dar. Die Umsetzung des Gesetzes erfolgt jedoch wie oben festgestellt langsam und inkonsistent.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013)

Justiz und (Sicherheits‑)Verwaltung:

Verwaltung und Justiz funktionieren nur sehr eingeschränkt. Neben der fehlenden Einheitlichkeit in der Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia und Gewohnheitsrecht), werden auch rechtsstaatliche Verfahrensprinzipien nicht regelmäßig eingehalten. Trotz bestehender Aus- und Fortbildungsangebote für Richter und Staatsanwälte wird die Schaffung eines funktionierenden Verwaltungs- und Gerichtssystems noch Jahre dauern.

(Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 4. Juni 2013)

Richterinnen und Richter sind Bestechungsversuchen und Drohungen sowohl seitens lokaler Machthaber, Beamten aber auch Familienangehörigen, Stammesältesten und Angehöriger regierungsfeindlicher Gruppierungen ausgesetzt, was ihre Unabhängigkeit schwerwiegend beeinträchtigt. Die Urteile zahlreicher Gerichte basieren auf einem Gemisch von kodifiziertem Recht, Schari'a, lokalen Gebräuchen und Stammesgesetzen. Gerichtsprozesse entsprechen in keiner Weise den internationalen Standards für faire Verfahren. Die Haftbedingungen liegen weiterhin unter den internationalen Standards; sanitäre Einrichtungen, Nahrungsmittel, Trinkwasser und Decken sind mangelhaft, ansteckende Krankheiten verbreitet.

Die Afghanische Nationale Polizei [ANP] gilt als korrupt und verfügt bei der afghanischen Bevölkerung kaum über Vertrauen. Die afghanischen Sicherheitskräfte, die inzwischen praktisch im ganzen Land an vorderster Front kämpfen, werden auch künftig auf internationale Unterstützung sowie Beratung und Ausbildung angewiesen sein. Ein weiteres schwerwiegendes Problem stellt die hohe Ausfallquote dar: Rund 35 Prozent der Angehörigen der Afghanischen Sicherheitskräfte schreiben sich jedes Jahr nicht mehr in den Dienst ein. Die Desertionsrate in der Armee wird nur noch von jener der ANP übertroffen.

Die Taliban haben in den von ihnen kontrollierten Gebieten ihre eigenen parallelstaatlichen Justizsysteme eingerichtet. Ihre Rechtsprechung basiert auf einer äußerst strikt ausgelegten Interpretation der Shari'a; die von ihnen ausgeführten Bestrafungen umfassen auch Hinrichtungen und körperliche Verstümmelungen und werden von UNAMA teilweise als Kriegsverbrechen eingestuft.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 12f)

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht festzustellen. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013). Blutfehden können zu lang anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Pashtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Racheakte nicht an Frauen und Kinder verübt. Wenn die Familie des Opfers nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann die Blutfehde ruhen, bis die Familie des Opfers sich in der Lage sieht, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters durch das formale Rechtssystem schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus.

Innerhalb der Polizei sind Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung - ebenso wie in der Justiz - endemisch.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013)

Rückkehrfragen:

Freiwillig zurückkehrende Afghanen kamen in den ersten Jahren meist bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapazierte. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfügt aber nicht mehr über diese Anschlussmöglichkeiten.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, vom 10. Jänner 2012, S. 28)

Ob ein Schutz in Kabul für Personen aus einer Konfliktregion gegeben ist, hängt sehr von der Schwere des Konflikts ab, ob sie oder er in Kabul weiter verfolgt wird. Aufgrund der Stammesgesellschaft mit nahen Familiennetzen ist es kein Problem, jemanden zu finden, wenn man es wirklich will. Auch den nationalen Behörden ist es möglich, in Kabul Personen ausfindig zu machen. Die Problematik, die sich jedoch dabei stellt, ist, dass es in Afghanistan keine Registrierung der Adresse gibt.

(Danish Immigration Service, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Kabul, vom 29. Mai 2012)

Physisch und psychisch behinderte Personen und Opfer von Misshandlungen, die erwägen, in ihr Heimatland zurückzukehren, müssen eine starke Unterstützung seitens ihrer Familie und der betreffenden Kommune sicherstellen. Medizinische Versorgung ist für eine Vielzahl von Krankheiten weitestgehend nicht erhältlich. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten durchgeführt werden; generell fehlt es an adäquater Ausrüstung und Fachpersonal. Diagnosegeräte wie zum Beispiel Computertomographen, von denen es nur in Kabul einen gibt, sind ebenfalls nicht erhältlich. Der Zugang zu Medikamenten verbessert sich, wobei einige dennoch den meisten Afghanen nicht zugänglich sind.

(BAMF_IOM, Länderinformationsblatt - Afghanistan, vom Oktober 2012, S. 16)

Die Fähigkeit Afghanistans, Rückkehrer aufzunehmen, bleibt gering (Country Report des U.S. Department of State vom 19.04.2013). Gemäß UNHCR waren rund 40% der Rückkehrenden nicht in der Lage, sich in ihren Heimatgemeinden wieder zu integrieren, was zu einer signifikanten zweiten Vertreibung geführt hat. Bis zu 60% der Rückkehrenden kämpfen mit Schwierigkeiten, sich in Afghanistan wieder einzugliedern. Erschwert wird die Wiedereingliederung durch die anhaltend prekäre Sicherheitslage, den Verlust der Lebensgrundlage, den fehlenden Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen sowie durch die Herausforderungen bei der Einforderung von Land und Besitz

(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.09.2013).

Bei der Rückkehr von Frauen, Kindern, alten Menschen oder Alleinerziehenden stellt die Reintegration in ein religiöses und sozial traditionelles Umfeld oft eine Herausforderung dar (Bericht von IOM vom Oktober 2012). Rückkehrer können auf Schwierigkeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art vor allem dann stoßen, wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit aus dem (westlich geprägten) Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen

(Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 04.06.2013).

UNHCR spricht sich gegen eine Rückkehr von Personen an einen Ort aus, der weder dem Herkunftsort noch früheren Wohnorten entspricht, wo keine tatsächlichen Familien- oder Stammesstrukturen und entsprechende Unterstützung bestehen

(Anfragebeantwortung des UNHCR vom 11.11.2011).

Die traditionelle erweiterten Familien- und Gemeinschaftsstrukturen der afghanischen Gesellschaft bilden weiterhin den vorwiegenden Schutz- und Bewältigungsmechanismus, insbesondere in ländlichen Gebieten, in denen die Infrastruktur nicht so entwickelt ist. Afghanen sind auf diese Strukturen und Verbindungen zum Zweck der Sicherheit und des wirtschaftlichen Überlebens, einschließlich des Zugangs zur Unterkunft und eines angemessenen Niveaus des Lebensunterhaltes angewiesen.

Alleinstehende Männer und Kernfamilien können unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft in städtischen oder semi-urbanen Gegenden mit entwickelter Infrastruktur und unter effektiver Kontrolle der Regierung leben.

(UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, Zusammenfassende Übersetzung, 06.08.2013).

Ausweichmöglichkeiten:

Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab. Die größeren Städte bieten aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleine Städte oder Dorfgemeinschaften.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 14)

Nach Ansicht von UNHCR besteht in umkämpften Gebieten keine interne Fluchtmöglichkeit. Da regierungsfeindliche Gruppierungen wie die Taliban, das Haqqani-Netzwerk oder Hekmatyars Hezb-e Islami über operationelle Kapazitäten verfügen, Personen im ganzen Land zu verfolgen, existiert für von diesen Gruppierungen bedrohte Personen auch in Gebieten, welche von der Regierung kontrolliert werden, keine Fluchtalternative. Die afghanische Regierung hat in zahlreichen Gebieten des Landes die effektive Kontrolle an regierungsfeindliche Gruppierungen verloren und ist dort daher nicht mehr schutzfähig. Betreffend der Verletzung sozialer Normen muss in Betracht gezogen werden, dass konservative Akteure auf allen Regierungsstufen Machtpositionen innehaben und das weite Segmente der afghanischen Gesellschaft konservative Wertvorstellungen vertreten. UNHCR schließt für alleinerziehende Frauen ohne nahe männliche Angehörige eine innerstaatliche Fluchtalternative aus.

(UNHCR, Eligibility Guidelines, vom August 2013, S. 72 bis 78)

Risikogruppen:

In seinen "Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom August 2013" geht UNHCR (HCR/EG/AFG/13/01) von folgenden "möglicherweise gefährdeten Personenkreisen in Afghanistan" aus:

• Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind, oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen

• Journalisten und in der Medienbranche tätige Personen

• Männer und Burschen im wehrfähigen Alter

• Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden

• Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen haben

• Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung durch die Taliban verstoßen

• Frauen

• Kinder

• Opfer von Menschenhandel oder Zwangsarbeit und Personen, die entsprechend gefährdet sind

• lesbische, schwule, bisexuelle, transgender und intersexuelle Personen (LGBTI)

• Angehörige ethnischer (Minderheiten‑)Gruppen

• an Blutfehden beteiligte Personen

• Familienangehörige von Geschäftsleuten und anderen wohlhabende Personen

Die Aufzählung ist nicht notwendigerweise abschließend. Je nach den spezifischen Umständen des Falls können auch Familienangehörige oder andere Mitglieder des Haushalts von Personen mit diesen Profilen aufgrund ihrer Verbindung mit der gefährdeten Person inter-nationalen Schutzes bedürfen.

Überdies können nach den genannten UNHCR-Richtlinien "Menschenrechtsverletzungen einzeln oder zusammen eine Verfolgung darstellen", wie etwa:

• die Kontrolle über die Zivilbevölkerung durch regierungsfeindliche Kräfte einschließlich der Einführung paralleler Justizstrukturen und der Verhängung ungesetzlicher Strafen sowie der Bedrohung und Einschüchterung der Zivilbevölkerung, der Einschränkung der Bewegungsfreiheit und der Einsatz von Erpressungen und illegalen Steuern

• Zwangsrekrutierung

• die Auswirkung von Gewalt und Unsicherheit auf die humanitäre Situation in Form von Ernährungsunsicherheit, Armut und Vernichtung von Lebensgrundlagen

• steigende organisierte Kriminalität und die Möglichkeit von lokalen Machthabern ("Warlords") und korrupten Beamten, in von der Regierung kontrollierten Gebieten straflos zu agieren

• die systematische Beschränkung des Zugangs zu Bildung und zu grundlegender Gesundheitsversorgung

• die systematische Beschränkung der Teilnahme am öffentlichen Leben, insbesondere für Frauen

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner familiären Situation in Afghanistan und in Österreich sowie zu seiner Schulbildung und Berufstätigkeit ergeben sich aus den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers im Verlauf des Verfahrens. Probleme mit staatlichen Behörden wurden nicht behauptet. Der Beschwerdeführer hat überdies im gesamten Verfahren nie gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlungen unmittelbar oder allein aufgrund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit behauptet und eine politische Tätigkeit ausdrücklich verneint. Vielmehr erklärte er in der Verhandlung vom 20.11.2014 ausdrücklich, sein Verfolger (der Vater eines Mädchens, das er außerehelich geschwängert haben will) gehöre derselben Volksgruppe (Hazara) an wie er selbst. Zudem findet sich im erstinstanzlichen Verfahren kein Hinweis, dass der Beschwerdeführer zum damaligen (fluchtauslösenden) Zeitpunkt einem anderen als dem schiitischen Glauben angehört haben könnte - dem auch sein Verfolger anhängen soll. In der Verhandlung vom 20.11.2014 datierte er seine Hinwendung zum Christentum auch mit Anfang 2014. Der Beschwerdeführer brachte für die Zeit seines Aufenthalts in Afghanistan insbesondere weder eine Verfolgung aus (abgeleiteten) politischen Motiven - sein Vater und jener des Mädchens sollen politische Gegner gewesen sein - noch eine solche aufgrund seiner weitgehenden Ignoranz gegenüber den islamischen Glaubensvorschriften - "Keiner hat sich an die tatsächlichen Regeln gehalten, was mit ein Grund war, warum ich selbst nie ein gläubiger Moslem war, der nach den islamischen Regeln lebt." - vor.

Die korrekte Transkription des Familiennamens des Beschwerdeführers beruht auf den Erläuterungen der bei der Verhandlung anwesenden Dolmetscherin (deren Muttersprache Farsi ist, was der Muttersprache des Beschwerdeführers - Dari - faktisch entspricht). Da es sich lediglich um die Transkription eines einzigen Vokals handelt, der überdies in einer anderen lokalen Sprachgruppe (dem Türkischen) tatsächlich in der zunächst aufgezeichneten Form zu transkribieren wäre, ist das Vorliegen von "Alias-Identitäten" auszuschließen. Es handelt sich somit lediglich um eine Richtigstellung eines Übersetzungsfehlers, die von der Behörde problemlos - wie schon bei der Festlegung des Geburtsdatums nach Erstellung eines entsprechenden Gutachtens - vorgenommen werden kann.

Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen, die vorgebrachten Gründe für das Verlassen Afghanistans glaubhaft zu machen. Dies betrifft bereits das Kernvorbringen seiner sexuellen Beziehung zu einem damals minderjährigen Mädchen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich im relativ kleinen Herkunftsort des Beschwerdeführers 14/15-jährige Mädchen tatsächlich unverschleiert (lediglich mit Kopftuch) und ohne männliche Begleitung auf der Straße und den Feldern bewegen konnten, ist die Schilderung über die (sexuellen) Kontakte nicht plausibel und damit auch nicht glaubhaft. So sollen die Kontakte regelmäßig während der Feldarbeit stattgefunden haben - sie hätten geflirtet und sich dann etwas zurückgezogen. Auch die sexuellen Kontakte hätten im Freien stattgefunden. Gleichzeitig behauptet der Beschwerdeführer aber, dass "meistens gleichaltrige Mädchen aus ihrer Verwandtschaft" am Feld gewesen seien - womit fest steht, dass diese Kontakte nicht gänzlich verborgen geblieben sein konnten. Dennoch soll sich diese Beziehung, die ja ein Sittlichkeitsdelikt darstellen würde, rund eineinhalb Jahre so zugetragen haben ohne dass die Familien (insbesondere jene des Mädchens) darauf reagiert hätten. Dass es in einer Gesellschaft wie der afghanischen "nicht wirklich etwas Auffälliges" wäre, wenn sich geschlechtsreife (nach den lokalen Regeln auch heiratsfähige) Jugendliche gemischten Geschlechts problemlos am Dorfbrunnen oder auf dem Feld versammeln und austauschen würden ohne dabei zumindest wesentliches Aufsehen und auch Anfeindungen zu verursachen, kann angesichts der Berichtslage über Afghanistan nicht nachvollzogen werden. Diese Behauptung ist insofern nicht glaubhaft; ebenso wie die Behauptungen zu den brieflichen Kontakten nach der gescheiterten gemeinsamen Flucht. Einerseits blieb der Beschwerdeführer hinsichtlich der geplanten Flucht gänzlich vage, andererseits behauptet er, die Briefe seien durch "Kinder auf der Straße" oder eine Schwester des Mädchens übermittelt worden. Dies ist in einer Situation, in der ein Mädchen von seiner Familie bewusst zu Hause eingesperrt wird, um den Kontakt zu einem männlichen Teenager zu unterbinden, jedoch logisch nicht nachvollziehbar. Diese Personen hätten sich somit praktisch problemlos zu dem Mädchen begeben können - was insbesondere bei irgendwelchen Kindern von der Straße (also keinen nahen Verwandten) und der zugrunde liegenden Problematik nicht vorstellbar ist.

Die fehlende Glaubhaftigkeit steigert sich noch signifikant, wenn man von der behaupteten langjährigen Feindschaft der beiden Väter ausgeht. So ist auszuschließen, dass ein Vater es akzeptieren könnte, dass sich seine Tochter mit dem Sohn seines Feindes "herumtreibt". Jedenfalls würde er Anstrengungen unternehmen, jeden Kontakt zu unterbinden. Dies umso mehr, wenn der Feind auch noch in der unmittelbaren Umgebung (im "selben Viertel") wohnt und die landwirtschaftlichen Grundstücke teils direkt aneinander grenzen. In so einer Konstellation muss geradezu zwingend von einer nachhaltigen Überwachung des Feindes ausgegangen werden. Dass dem Vater des Mädchens in dieser Konstellation die Kontakte über fast eineinhalb Jahre verborgen gewesen sein sollen, ist insofern keinesfalls glaubhaft. Insbesondere wäre ihm sicherlich von den übrigen auf dem Feld tätigen Mädchen berichtet worden, dass sich seine Tochter mit dem Sohn seines Feindes treffen würde. Dass der Beschwerdeführer ihnen hinsichtlich dieser Kategorisierung nicht bekannt gewesen sein könnte, ist angesichts der räumlichen Nähe und der sehr überschaubaren Größe des Herkunftsortes auszuschließen. Auch wäre es bei der geschilderten Verdachtslage noch weniger anzunehmen, dass der Beschwerdeführer dem Mädchen während dessen "Hausarrest" wiederholt Briefe durch Kinder hätte übermitteln können.

Nicht plausibel ist in dieser Konstellation auch die Behauptung betreffend den Einfluss seines angeblichen Verfolgers. Einerseits soll er als Hazara und Schiit die Hezb-e Islami (eine radikale sunnitische und von Paschtunen dominierte Gruppierung) unterstützt haben, was angesichts deren (religions- und volksgruppen-)politischer Ausrichtung nur schwer vorstellbar ist. Andererseits soll er 2008/2009 gleichzeitig eng mit dem Verteidigungsministerium und dem Militär zusammengearbeitet haben, aber auch Verbündeter der Taliban gewesen sein. Auf entsprechende Nachfrage in der Verhandlung am 20.11.2014, erklärte der Beschwerdeführer lediglich pauschal, sein Verfolger habe "die Finger überall im Spiel" gehabt. Umgekehrt ist nicht nachvollziehbar, wie ein Mann mit solchen Verbindungen - nach Angaben des Beschwerdeführers in einem Ausmaß, dass ihm straffreie Verfolgungshandlungen weit über das Herkunftsdistrikt hinaus ermöglichen würde - es zulässt, dass sein langjähriger Feind mit ihm praktisch Tür an Tür (jedenfalls im selben Viertel eines größeren Dorfes und mit aneinander grenzenden Landwirtschaften) leben kann. Der Beschwerdeführer hat aber keine substanziellen Verfolgungshandlungen oder auch nur Probleme für die Zeit vor der behaupteten außerehelichen Beziehung zu dessen Tochter vorgebracht. Vielmehr hat er in dieser Zeit problemlos die Schule besucht und konnte die Familie ihre Felder ohne nennenswerte Störungen bewirtschaften. Umgekehrt weist - wie schon das Bundesasylamt in der Einvernahme vom 21.12.2011 aufgezeigt hat - das militärische Kommando über 50 Soldaten jedenfalls nicht auf eine in einer ganzen Provinz oder gar landesweit einflussreiche Person hin, die den Beschwerdeführer "überall erwischen" könne. Daran ändert auch die weitere Ausführung des Beschwerdeführers, wonach sein Verfolger "aber viele andere Leute" kenne, nichts - zumal der Beschwerdeführer auch dazu keine näheren Angaben machen konnte.

Soweit in der Stellungnahme vom 18.11.2014 hinsichtlich des ursprünglichen Vorbringens auf den Paschtunwali verwiesen wird, ist nicht nachvollziehbar, wieso das paschtunischen Ehrgesetz bei einem Streit zwischen zwei Hazara-Familien eine substanzielle Relevanz haben sollte. Im Übrigen werden in diesem Zusammenhang Personen genannt und Ereignisse beschrieben, die im Vorbringen des Beschwerdeführers selbst keinerlei Deckung finden. Es ist daher davon auszugehen, dass diese einem früheren Schreiben zu einem anderen Verfahren irrtümlich entnommen und nicht editiert wurden.

Hinsichtlich der vorgebrachten Konversion zum christlichen Glauben ist zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben in der Verhandlung noch nicht getauft ist und der Kontakt zum christlichen Glauben erstmalig vor etwas mehr als einem Jahr hergestellt worden ist. In der Verhandlung (am 20.11.2014) wurde von seinem Vertreter zudem ausgeführt, dass ein Taufkurs vermutlich "im Frühjahr, Herbst oder Winter" beginnen werde. Etwaige diesbezüglich bereits gesetzte Handlungen wurden dem Bundesverwaltungsgericht jedenfalls nicht zur Kenntnis gebracht, obwohl vor allem der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers diesen Aspekt des Vorbringens in der Verhandlung stets besonders betonte. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass absolvierte einschlägige Schritte des Beschwerdeführers dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Mitwirkungspflicht im Verfahren zur Kenntnis gebracht worden wären - umso mehr, als es sich um zentrale Elemente seines Vorbringens handeln würde.

Der Beschwerdeführer hat überdies in der Verhandlung ausdrücklich angegeben, nie ein besonderes religiöses Bewusstsein entwickelt zu haben, sondern vielmehr "nie wirklich ein gläubiger Moslem" gewesen zu sein und auch im Herkunftsort in Afghanistan nicht "nach den islamischen Regeln" gelebt zu haben. Es war in der Verhandlung nicht festzustellen, dass sich der Beschwerdeführer substanziell weiter vom Islam entfernt hätte, als es seiner ohnehin weitgehend distanzierten Haltung vor 2009 (die im Übrigen gänzlich folgenlos blieb) entspricht. Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer nur über sehr oberflächliche Kenntnisse des christlichen Glaubens; im Übrigen ebenso über jene des moslemischen Glaubens (den er nach eigenen Angaben ohnehin nie wirklich verstanden haben will). Der von ihm auf Nachfragen angeführte "grundlegende Unterschied" zwischen Islam und Christentum - dort ein strafender Richter und die "ewige Hölle" für Sünder; hier "die Vergebung der Sünden im Christentum und der Friede" - ist nicht einmal ansatzweise aus den jeweiligen Religionsquellen ableitbar. Dazu muss noch nicht einmal auf den in vielfacher (und höchst brutaler) Weise richtenden und strafenden Gott des Alten Testaments - etwa die Sintflut, Sodom und Gomorrha, den Auszug der Israeliten aus Ägypten, die Landnahme in Kanaan oder Saul und David (um nur die allgemein bekanntesten zu nennen, die daher auch keine detaillierten Ausführungen erfordern) - verweisen, welches der Beschwerdeführer freilich bis heute nicht wirklich gelesen haben will. Selbst die vom Beschwerdeführer besuchte Kirche, die "XXXX" verweist auf ihrer Homepage (XXXX) in der Rubrik "Was wir glauben" einleitend auf das apostolische Glaubensbekenntnis verwiesen, das unter anderem die Passage "von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten" enthält. Der Gott als Richter ist dem Christentum somit zweifelsfrei ebenso immanent wie dem Islam. Im weiteren Text ("Rechenschaft vom Glauben") finden sich etwa folgende einschlägige Passagen (als Zusammenfassungen teils mehrerer Bibelstellen):

"(Röm. 1, 18; 2. Thess. 1, 9) Wer Gottes Angebot der Gnade und Vergebung ausschlägt, bleibt unter dem Zorn und Urteil Gottes, verwirkt das ewige Leben und verschließt sich in die selbst gewählte Gottesferne. Der Unglaube führt in das ewige Verderben; wer aber Gottes Urteil über seine Sünden und das Angebot der Gnade annimmt, ergreift das ewige Leben, das Christus uns erworben hat."

"2. Das Gericht des kommenden Christus (Röm. 2, 16; Apg. 10, 42) Mit dem Erscheinen Jesu Christi erwarten wir die Auferstehung der Toten als den endgültigen Erweis der Schöpfer- und Erlösermacht Gottes. Die Auferstehung der Toten bedeutet aber auch, dass wir vor das Angesicht unseres Richters gestellt werden, "damit jeder seinen Lohn empfängt für das, was er bei Lebzeiten getan hat, es sei gut oder böse" (2. Kor. 5, 10)."

Umgekehrt ist evident, dass auch der Islam das Prinzip der Buße/Reue ("tauba") kennt. Dieses ist im Übrigen jenem des Christentums in seiner Grundausrichtung (Einsicht - Abkehr - Wiedergutmachung) sehr ähnlich (siehe dazu www.islam-pedia.de , www.al-islam.de oder www.islamfatwa.de ). Wenn der Beschwerdeführer aber die für ihn wesentlichsten Unterschiede von Islam und Christentum wie in der Verhandlung beschreibt, offenbart er damit ein substanzielles Unwissen sowohl über seinen früheren als auch über seinen angeblich neuen Glauben, wobei die vorgebrachten Unterschiede offenkundig auf auffallend tendenziöse Informationen durch Christen in Österreich zurückzuführen sind. Dazu passt auch, dass der Beschwerdeführer - obwohl er fast ein Jahr lang vorrangig das Neue Testament gelesene haben will - auf die konkrete Frage nach einer für ihn besonders entscheidenden Episode lediglich erneut die faktisch falsche Unterscheidung zwischen einem strafenden (islamischen) und einem verzeihenden (christlichen) Gott wiederholte. Soweit der Beschwerdeführer in der genannten Gemeinde im Bereich der Betreuung der Kindergruppe mitarbeitet, lässt sich auch daraus keine substanzielle Annahme eines Glaubens ableiten.

Insgesamt kann somit nicht festgestellt werden, dass der bis 2013 jedenfalls areligiöse Beschwerdeführer (der deswegen in Afghanistan aber nie Probleme hatte) sich seit seinem ersten substanziellen Kontakt mit dem christlichen Glauben (Anfang 2014) nachhaltig mit diesem identifizieren würde, als Christ in Afghanistan erkennbar wäre oder sich vom Islam in einer Art und Weise abgewandt hätte, die ihm den Vorwurf der Apostasie eintragen würde. Der Beschwerdeführer verfügt - wie oben ausgeführt - auch über zu wenige Kenntnisse des christlichen Glaubens um eine ernsthafte missionarische Tätigkeit entfalten zu können. Schließlich gibt es keinen Grund anzunehmen, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan ein aus religiöser Sicht signifikant anderes Verhalten an den Tag legen würde als vor seiner Ausreise, als er ohnehin schon nicht ernsthaft nach den islamischen Vorschriften lebte.

Aus den Länderberichten der Staatendokumentation ist ersichtlich, dass sich die Situation in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers während des gegenständlichen Verfahrens jedenfalls nicht verbessert hat und angesichts der aktuellen Berichtslage nicht davon ausgegangen werden kann, dass es dem Beschwerdeführer unter einem zumutbaren Risiko möglich wäre, seinen Herkunftsort zu erreichen. Dies ungeachtet der Tatsache, dass dort Familienangehörige des Beschwerdeführers ohne substanzielle Probleme seit Jahren leben. Damit stehen diese Umstände zum Entscheidungszeitpunkt der Zumutbarkeit der Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegen.

Eine dem Beschwerdeführer zumutbare (dauerhafte) Aufenthaltnahme in Kabul oder in anderen Regionen Afghanistans ist im gegenständlichen Fall auszuschließen, da der Beschwerdeführer über kein familiäres Netzwerk in anderen Teilen Afghanistans verfügt.

2.2. Die Feststellungen zur allgemeinen, politischen und wirtschaftlichen Lage in Afghanistan sowie zur Sicherheitslage in ausgewählten (für das Verfahren relevanten) Provinzen stützen sich auf objektives Berichtsmaterial, das dem Beschwerdeführer (und seinem bevollmächtigten Vertreter) gemeinsam mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt worden ist. Diesem wurde auf ausdrückliche Nachfrage inhaltlich nicht entgegen getreten, der Vertreter des Beschwerdeführers verwies vorrangig auf seine Eingabe vom Vorabend der Verhandlung, der jedoch keine substanziellen Gegenäußerungen zu entnehmen sind. Mutmaßungen über Entwicklungen nach dem Abzug der ausländischen Truppen (der weder geschehen noch derzeit zeitlich abschätzbar ist) sind nicht geeignet, diese Feststellungen in Frage zu stellen. Die Behauptung, wonach die Feststellungen veraltet seien, blieb inhaltlich unbegründet.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 38/2011) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

Zu A)

3.2. Zur Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (§ 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF):

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der mündlichen Verhandlung sowie des festgestellten Sachverhaltes erweist sich das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer asylrelevanten Verfolgung als nicht glaubhaft. Eine konkrete staatliche Bedrohung oder Verfolgung brachte der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren - inklusive der Beschwerde und der mündlichen Verhandlung - nicht vor.

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, politische Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe anknüpft. Das ist - wie schon unter Punkt II.2. dargelegt - nicht gegeben.

Soweit der Beschwerdeführer in der Verhandlung vom 20.11.2014 eine Konversion zum christlichen Glauben als Nachfluchtgrund geltend machte, konnte diese nicht glaubhaft dargelegt werden. Insbesondere ergaben sich auch keine Umstände, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Annäherung an den christlichen Glauben nunmehr aus einer inneren Verpflichtung heraus ein Verhalten an den Tag legen würde, das ihn einer asylrelevanten Verfolgung in seinem Herkunftsstaat aussetzen würde. Dies insbesondere, weil er schon vor dem Verlassen Afghanistans eine deutliche Distanz zu seinem (damaligen) schiitischen Glauben aufwies und auch dementsprechend lebte. Aus der bloßen Annäherung an den christlichen Glauben kann - jedenfalls zum Entscheidungszeitpunkt - noch keine Konversion zum Christentum abgeleitet werden.

3.3. Zur Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF):

3.3.1. Wird ein Asylantrag "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 AsylG 2005) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Antrag auf interanationalen Schutz auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 Asylgesetz 1997 (AsylG 1997) iVm § 57 Fremdengesetz 1997 BGBl I 75 (FrG) ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und -fähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000;

VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0586;

VwGH 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH 21.06.2001, Zl. 99/20/0460;

VwGH 16.04.2002, Zl. 2000/20/0131). Diese in der Judikatur zum AsylG 1997 angeführten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; VwGH 26.02.2002, Zl. 99/20/0509). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, Zl. 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG 2005) zu beachten (VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582; VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095).

"Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des BFs bei einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des BFs als Zielort wegen der dem BF dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (VfGH 12.03.2013, Zl. U1674/12; 12.06.2013, Zl. U2087/2012)." (VfgH vom 13.09.2013, Zl. U370/2012)

3.3.2. Wie bereits oben ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre. Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers dieser in seinem Herkunftsstaat in seinen durch Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur EMRK garantierten Rechten verletzt würde.

Diese Anhaltspunkte bestehen im gegenständlichen Fall - wie bereits unter Punkt II.1.1. festgestellt und unter Punkt II.2.1. dargelegt. Dem Beschwerdeführer droht eine (nicht asylrelevante) Gefährdung aufgrund der Sicherheitslage in jenem Teil Afghanistans, in dem er über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, die eine Verletzung der oben angeführten Rechte wahrscheinlich macht. Dem Beschwerdeführer ist aus den oben dargelegten Gründen derzeit auch nicht zumutbar, an einem anderen Ort in Afghanistan Schutz zu suchen.

Dafür, dass der 25-jährige, gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer, der vor der Ausreise in der familieneigenen Landwirtschaft seine Existenz sichern konnte und in Afghanistan auch nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, nach einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es hingegen keine Anhaltspunkte. Dazu ist zu ergänzen, dass die Grundversorgung der afghanischen Bevölkerung - wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt - gesichert ist. Zusätzlich ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach sich aus schlechten Lebensbedingungen keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 FrG ergibt (vgl. etwa VwGH 30.01.2001, Zl. 2001/01/0021).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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