AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:L507.1425490.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch RA Mag. Dr. Rosenkranz, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.03.2012, Zl. 11 09.174-BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.08.2014, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchteil II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 29.10.2015 erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer gab an, ein Staatsangehöriger des Irak, sunnitischen Glaubens und Angehöriger der arabischen Volksgruppe zu sein. Er reiste am XXXX2011 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.
Hiezu wurde er am 20.08.2011 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Im Wesentlichen führte der Beschwerdeführer im Rahmen dieser Befragung aus, dass er in XXXX gelebt habe. XXXX habe er am XXXX2010 verlassen. Der Beschwerdeführer sei Moslem bzw. Sunnit und habe in einer schiitischen Gegend gelebt. Sein Bruder sei von schiitischen Milizeinheiten umgebracht worden. Diese hätten auch die Absicht gehabt, den Beschwerdeführer umzubringen. Aus diesem Grund habe der Vater des Beschwerdeführers gemeint, dass der Beschwerdeführer das Land verlassen müsse.
Am 05.09.2011 und am 20.12.2011 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt niederschriftlich befragt. Der Beschwerdeführer führte dabei im Wesentlichen aus, dass er in XXXX gelebt und bis 2003 die Schule besucht habe. Von 2005 bis 2008 habe er eine berufsbildende höhere Schule in XXXX besucht und diese im Jahr 2008 erfolgreich abgeschlossen. Nach dem Schulabschluss habe der Beschwerdeführer in XXXX im Gesundheitsamt als Gesundheitsreferent bis XXXX2010 gearbeitet. Der Vater des Beschwerdeführers sei Taxifahrer und seine Mutter sei Hausfrau.
Im XXXX 2011 sei der Bruder des Beschwerdeführers getötet worden. Aus diesem Grund hätten die zwei anderen Brüder des Beschwerdeführers einige Tage danach den Irak verlassen und würden seither in XXXX leben. Der Beschwerdeführer sei von XXXX 2010 bis XXXX2010 im Gefängnis gewesen. Am XXXX2010 habe man ihn eingesperrt und am XXXX2010 wieder entlassen. Der Beschwerdeführer vermute, dass er im Irak gesucht werde. Für seine Freilassung sei eine Kaution von 2 Millionen irakische Dinar (entspricht ungefähr USD 2000) gezahlt worden. Dem Beschwerdeführer sei vorgeworfen worden, dass er als Sunnit in einer schiitischen Gegend bzw. in XXXX gelebt habe. Er sei immer wieder gefragt worden, weshalb er gerade in XXXX, wo die meisten Schiiten seien, leben würde und warum er drei Jahre lang in XXXX gelebt habe. Man habe ihn auch gefragt, weshalb er von XXXX wieder nach XXXX zurückgekehrt sei. Man habe dem Beschwerdeführer vorgeworfen, dass er den Zweig der Sunniten "Wahabia" in XXXX verbreiten würde. Der Beschwerdeführer sei von Zivilpersonen festgenommen und sehr genau über seinen Aufenthalt in XXXXbefragt worden.
An seiner Arbeitsstelle habe sich der Beschwerdeführer von Kollegen ständig anhören müssen, dass er als Sunnit nichts zu sagen habe. Die Kollegen hätten ihn als "Saddams Müll" bezeichnet. Außerdem sei er von seinen schiitischen Arbeitskollegen nicht gegrüßt worden.
In XXXX könne der Beschwerdeführer nicht leben, weil die Sicherheitskräfte dort auch Schiiten seien. Außerdem würde man ihn als Sunniten, der in einer schiitischen Gegend gelebt habe und in eine sunnitische Gegend gezogen sei, erneut befragen.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.03.2012, Zl. 11 09.174-BAI, wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt. Gemäß
§ 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Irak ausgewiesen.
3. Mit Verfahrensanordnung des Bundesasylamtes vom 02.03.2012 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 AsylG ein Rechtsberater von Amts wegen zur Seite gestellt.
4. Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 08.03.2012 durch Hinterlegung zugestellt, wogegen am 16.03.2012 fristgerecht Beschwerde erhoben wurde.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer der Verhaftung, der Ermordung und der Unterdrückung aufgrund konfessioneller Differenzen im Irak entgangen sei. Sowohl der Beschwerdeführer als auch sein Vater seien inhaftiert und der Bruder des Beschwerdeführers wegen konfessioneller Gründe ermordet worden.
Im Irak würden hunderttausende Demonstranten in sechs sunnitischen Bundesländern demonstrieren, um die konfessionellen Verhaftungen zu stoppen. Diese Demonstrationen von hunderttausenden Sunniten würden die Erzählungen des Beschwerdeführers über seine Verhaftung, über die Verhaftung seines Vaters und über die Ermordung seines Bruders sowie die Flucht seiner Geschwister, nur weil sie Sunniten seien, bestätigen.
Da diese Unterdrückung die Hölle gewesen sei, sei der Beschwerdeführer aus dem Irak geflohen.
Des Weiteren wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bereits zwei Jahre lang auf eine Entscheidung in Österreich warten würde, und die Frage gestellt, wie lange das Verfahren noch dauern werde.
5. Am 03.04.2014 wurde vom Bundesverwaltungsgericht (Gerichtsabteilung L514) eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt.
Aufgrund von Behauptungen die auf einen Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung hindeuten könnten, wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers die Abtretung des Verfahrens an einen männlichen Richter beantragt.
Am 16.04.2014 wurde gegenständliches Verfahren der Gerichtsabteilung L507 zugeteilt.
6. Am 07.04.2014 langte eine schriftliche Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers (datiert mit 23.03.2014) beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde im Wesentlichen auf die allgemeine Lage der Sunniten im Irak bzw. auf die Situation sunnitischer Rückkehrer in vornehmlich von Schiiten bewohnte Gebiete des Irak hingewiesen.
Des Weiteren wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer laut einem beigelegten Arztbrief an einer posttraumatischen Belastungsreaktion leide und Medikamente einnehme. Der Beschwerdeführer habe während seines Aufenthaltes in Österreich mehrere stationäre Aufenthalte in Anspruch nehmen müssen. Seine psychische Erkrankung sei offensichtlich. Allfällige widersprüchliche Aussagen in seiner Einvernahme seien vermutlich auch auf eine Traumatisierung bzw. psychische Belastung zurückzuführen. Würde der Beschwerdeführer in den Irak zurückkehren müssen, würden seine psychische Erkrankung und seine Traumatisierung wieder in aller Schwere zurückkehren. Er würde von den Grenzkontrollorganen kontrolliert werden. Als Sunnit sei er verdächtig. Er müsse damit rechnen, wegen Überprüfung seiner Daten und wegen fehlender Dokumente in Haft gehalten zu werden. Der Beschwerdeführer sei traumatisiert. Er würde wiederum begründete Angst haben, dass er in Haft willkürlicher Gewalt ausgeliefert sei. Nachdem der Beschwerdeführer aus der Haft entlassen werden würde, habe er in Bagdad, seinem Herkunftsort und im gesamten Irak keine Existenzgrundlage. Er würde nur sehr schwer in seinen Heimatort zu seiner Mutter gelangen können, weil er ohne Dokumente auf der Reise Gefahr laufen würde, kontrolliert und willkürlicher Gewalt unterworfen zu werden. Es würde dem Beschwerdeführer unmöglich sein, in seiner Heimat neue Dokumente zu erlangen, weil er ein Sunnit sei, weil er kein Geld habe und weil er in seiner psychischen Verfassung auch nicht hierzu in der Lage sei. Ohne Dokumente habe der Beschwerdeführer keine Chance, Zugang zur Grundversorgung zu erhalten.
Der Beschwerdeführer würde als Sunniten in seinem Herkunftsort verfolgt werden und habe dort keine Lebensgrundlage. Ihm stehe im Irak insbesondere aufgrund seiner Traumatisierung keine Fluchtalternative zur Verfügung.
Sofern diese Ausführungen vom Gericht nicht geteilt würden, werde der Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens gestellt. Zweitens werde der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob dem Beschwerdeführer als traumatisierten Sunniten, der alleine in seiner Heimatstadt lebe (dort lebe nur seine Mutter), eine Existenzgrundlage habe, unter welchen Voraussetzungen ihm eine solche zur Verfügung stehe, und inwiefern er Übergriffen von Seiten der Schiiten und anderen bewaffneten Gruppen ausgeliefert sei.
7. Das vom Bundesverwaltungsgericht in Auftrag gegebene psychiatrische und neurologische Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Primarius Universitätsdozent Dr. XXXX vom 30.06.2014 langte am 09.07.2014 hg. ein.
Darin kommt der Gutachter zu folgender Diagnose:
"-Depressive Episode, gegenwärtig schwer mit psychotischen Inhalten, F32.3
-Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung, F43.1
Beim Beschwerdeführer liegt eine akute behandlungsbedürftige Erkrankung vor.
Es ist eine intensive fachärztlich-psychiatrische Behandlung erforderlich (aktuell ein bis zweimal wöchentliche Kontakte mit der Fachärztin für Psychiatrie), Medikation laut Verordnung.
Die psychiatrische Behandlung ist unbedingt erforderlich, Behandlungen und Kontrollen haben ein bis zweimal wöchentlich zu erfolgen, eine Pflegebedürftigkeit besteht ebenso zumindest hinsichtlich der Grundversorgung, d.h. Beschaffung von Lebensmitteln, Kleidung etc. und hinsichtlich der Unterkunft.
Aktuell muss aufgrund der Erkrankung des Beschwerdeführers von einer dauerhaften Behandlungsnotwendigkeit ausgegangen werden.
Eine Pflegebedürftigkeit ist gegeben.
Aus psychiatrischer Sicht ist anzunehmen, dass die widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers ihre Ursache in der psychischen Erkrankung haben. Die Bestellung eines Sachwalters ist derzeit nicht erforderlich, da es alternative Hilfen durch professionelle Organisationen gibt.
Eine Überstellung in den Irak würde aus psychiatrischer Sicht zu einer massiven Verschlechterung des psychischen Zustandes führen und dadurch auch ein lebensbedrohlicher Zustand (Suizid) zu befürchten sein."
8. Am 06.08.2014 langte eine schriftliche Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers (datiert mit 30.07.2014) zum psychiatrischen und neurologischen Gutachten vom 30.06.2014 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Einleitend wurde auf die schriftliche Stellungnahme vom 24.03.2014 verwiesen.
Unter Punkt zweitens wurden - in diesem Verfahren unbeachtliche - Ausführungen zu einer benachteiligenden Behandlung des Beschwerdeführers in Österreich getätigt.
Unter Punkt drittens folgten Ausführungen zur asylrechtlich relevanten Verfolgung des Beschwerdeführers im Irak:
Das Gutachten bescheinige dem Beschwerdeführer eine depressive Episode, gegenwärtig schwer mit psychotischen Inhalten und einen Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung. Aus psychiatrischer Sicht sei anzunehmen, dass die widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers ihre Ursache in der psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers hätten.
Eine Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht habe schon stattgefunden. Eine genauere Befragung des Beschwerdeführers erweise sich als unmöglich.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers lasse sich mit Sicherheit entnehmen, dass er und seine Familie von Schiiten aufgrund seiner sunnitischen Glaubensrichtung verfolgt worden seien. Diesem Vorbringen sei Glauben zu schenken, auch vor dem Hintergrund der deutlich verschlechterten Beziehungen zwischen Schiiten und Sunniten im Irak. Bereits im Bericht des UNHCR vom 31.05.2012 sei auf Seite 25 festgehalten, dass in schiitisch dominierten Gebieten Sunniten bedroht werden würden. Der Beschwerdeführer werde aufgrund seines sunnitischen Glaubens im Irak verfolgt und sei ihm deswegen Asyl zuzuerkennen. Das Substrat seines Vorbringens sei glaubwürdig und würde dieses auch durch seine psychische Erkrankung bestätigt werden.
Es liege ein Verfolgungsgrund aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der psychisch schwer Erkrankten und eine Verfolgung aus religiösen Gründen vor.
Im Irak würde der Beschwerdeführer folgender Behandlung unterworfen werden:
Der Beschwerdeführer müsste nach XXXX gelangen. Der Beschwerdeführer würde gemäß der vorgelegten Auskunft des IRB vom 25.11.2013 eine Wohnsitzkarte bzw. eine Karte der Rationierung der öffentlichen Versorgung benötigen. Um diese zu erlangen, würde er zahlreiche weitere Dokumente gemäß Seite 2 der Auskunft benötigen. Auf Seite 4 der Auskunft wird darauf verwiesen, dass eine Lebensmittelversorgung ohne diese Karten nicht möglich sei.
Der Beschwerdeführer sei verhaltensauffällig, wie dies auch dem Gericht selbst bekannt sei. Es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass irakische Beamte/Organwalter, seien es Sunniten oder Schiiten, das Verhalten des Beschwerdeführers nicht als Ausdruck seiner Krankheit, sondern als Feindseligkeit wahrnehmen und ihn deswegen in asylrechtlich relevanter Weise willkürlich behandeln bzw. ihm zustehende Rechte verweigern würden, wie etwa Lebensmittel bzw. Gesundheitsversorgung.
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers sei mitgeteilt worden, dass auch das Bundesverwaltungsgericht unter dem Verhalten des Beschwerdeführers gelitten habe (zahlreiche Anrufe und Verzweiflung; zuletzt auch die Drohung, sich umzubringen). Sein Verhalten verlange von seinen Mitmenschen Geduld und Einfühlungsvermögen.
Es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass in der Atmosphäre von Gewalt im Irak die irakische Bevölkerung den Beschwerdeführer aufgrund seiner psychischen Erkrankung willkürlich behandeln würde, seine Erkrankung aber auch als Strafe Gottes ansehen würde. Der Beschwerdeführer würde deswegen ausgegrenzt, diskriminiert und aus religiösen Gründen willkürlich behandelt und bestraft werden. Dies aufgrund der nachstehenden Suren aus dem Koran:
"Allerdings benennt der Koran auch Krankheiten des seelischen Herzens, die mit mangelndem Glauben und Gottvertrauen zu tun haben:
In ihrem Herzen haben sie (an sich schon) eine Krankheit, und Allah hat sie (noch) kränker werden lassen. Für ihre Lügenhaftigkeit haben sie (dereinst) eine schmerzhafte Strafe zu erwarten. (Sure 2:10)
Diejenigen dagegen, dem Herzen eine Krankheit haben, macht sie noch mehr unrein, als sie an sich schon sind, und sie sterben als Ungläubige (anstatt sich noch vor ihrem Tod zum Glauben zu bekehren). (Sure 9:125)"
Hieraus wird leider häufig geschlussfolgert, dass jede Erkrankung vor allem die psychischen, mit Sünde und mangelnder Standfestigkeit im Glauben zu tun haben.
Psychisch kranke Menschen werden als unrein angesehen und als Sünder, so dass sie deswegen von ihrer Umgebung asylrechtlich relevant verfolgt werden und sie keinen Schutz von staatlichen Organen erwarten, vor dem Hintergrund der gegenwärtigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Situation.
9. Am 12.08.2014 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen.
Im Rahmen dieser Verhandlung gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes zu Protokoll:
"VR: Wo lebt Ihre Mutter zur Zeit?
BF: Im Irak. In XXXX.
VR: Wo lebt Ihr Vater?
BF: Mein Vater ist inhaftiert. Ich kann mich nicht erinnern, seit wann er inhaftiert ist. Einmal haben wir 2012 gehört, dass er sich in Haft befindet. Durch meine Behandlung bin ich vergesslich geworden.
VR: Wo befindet er sich in Haft?
BF: Das weiß ich nicht.
VR: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Mutter?
BF: Nein, seit langem nicht.
VR: Haben Sie Kontakt zu Ihren Brüdern in der Türkei?
BF: Nein.
VR: Haben Sie Kontakt zu Ihren Schwestern in Jordanien?
BF: Nein, auch nicht. Ich habe mir privat ein Zimmer genommen und ich sitze in meinem Zimmer und möchte mit niemanden Kontakt haben. Ich besuche zur Zeit einen Deutschkurs. A1 und A2 habe ich geschafft. Zur Zeit warte ich, dass ich am Kurs B1 teilnehmen kann. Ich werde wöchentlich vom Arzt behandelt, von Fr. Dr. XXXX. Sie hilft mir auch privat, manchmal gibt sie mir etwas zu essen.
Folgende Frage wird in deutscher Sprache gestellt.
VR: Wie gut sprechen Sie Deutsch? Wo ist die Praxis von Dr. XXXX?
BF: Sie lebt in XXXX.
VR hält fest, dass der BF Deutsch spricht. Eine Verständigung ist sehr gut möglich.
Die Befragung wird in arabischer Sprache fortgesetzt.
VR: Sind Sie in Österreich berufstätig?
BF: Nein.
VR: Sind Sie verheiratet oder haben Sie eine Freundin oder Kinder?
BF: Nein.
VR: Haben Sie Freunde in Österreich?
BF: Nein.
VR: Sie sind Sie Mitglied eines Vereines?
BF: Nein.
VR: Sind Sie straffällig geworden?
BF: Nein.
VR: Machen Sie in Österreich irgendeine Ausbildung außer dem Deutschkurs?
BF: Nein.
VR: Welchen Beruf haben Sie?
BF: Ich habe in XXXX bei der Nahrungsmittelkontrolle gearbeitet. Ich war beim irakischen XXXX beschäftigt.
VR: Warum waren Sie im Gefängnis?
BF: Ich weiß es nicht. Die Milizen regieren dieses Land. Ich wurde damals nach XXXX vertrieben und als ich zurückgekommen bin, wurde ich ohne Grund inhaftiert.
VR: Warum hat man Sie zwei Jahre nach Ihrer Rückkehr aus Mosul festgenommen obwohl Sie bereits zwei Jahre wieder in XXXX aufhältig waren und eine Beschäftigung beim irakischen XXXX erhalten haben?
BF: Nachdem ich von XXXX nach XXXX gekommen bin und als ich beim Gesundheitsministerium als Nahrungsmittelkontrolleur gearbeitet habe, hat ein Vorarbeiter jeden einzelne Mitarbeiter kontrolliert und er hat herausgefunden, dass ich ein Sunnite bin und ich in XXXX war. Er hat jeden einzelne nach dem Lebenslauf gefragt. Diese Person arbeitete im Prinzip für die Milizen. Jeder Sunnite bei diesem Amt wurde streng kontrolliert. Jeder Sunnite wurde sehr streng kontrolliert und wurde befragt, vor allem die die geflüchtet und wieder nach XXXX zurückgekehrt sind.
VR: Wie viele Sunnite haben im XXXX gearbeitet?
BF: Generell weiß ich es nicht. Aber dort wo ich gearbeitet habe gab es noch zwei weitere Sunniten. Diese zwei haben die Stadt verlassen und sind nach XXXX gegangen.
VR: Wie viele Sunniten leben in XXXX?
BF: Ca. 1 bis 2 % der Bevölkerung. Ich bin aber nicht sicher, ich denke mir das.
VR: Von wem wurden Sie festgenommen?
BF: Von zivilen Leuten.
VR: Zu wem gehörten diese zivilen Leute?
BF: Ich weiß es nicht. Sie haben nur über die Differenzen zwischen Sunniten und Schiiten gesprochen.
VR: Sind Sie jemals von einem Richter oder Staatsanwalt einvernommen worden?
BF: Nein. Ich war nur in einem Haus.
VR: Ist Ihnen bekannt, ob es im Irak ein Gerichtsverfahren gegen Sie gibt?
BF: Bitte fragen Sie mich nicht weiter. Ich habe nichts Offizielles gesehen. Ich war in einem Haus, in einem Zimmer. Ich habe immer Angst wenn eine Tür geöffnet wird und gesprochen wird.
VR hält fest, dass der BF nicht weiter sprechen möchte.
VR erörtert die Lage der Sunniten im Irak, insbesondere den Umstand, dass von keiner systematischen Verfolgung auszugehen ist. Als Sunnite ist es Ihnen auch zumutbar sich innerhalb des Irak in einer rein sunnitischen Gegend, die es auch gibt, niederzulassen.
BF: Das stimmt nicht. Die Sunniten werden sogar in sunnitischen Regionen verfolgt. Wer ist in der neuen Regierung ein Sunnite? Wie viele sunnitische Minister wurden inhaftiert?
VR erörtert nochmals die Lage der Sunniten sowie eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit in sunnitischen Gebieten.
BF: Ich spreche über eine sunnitische Minderheit im Süden des Irak. Generalisieren darf man nicht. Das hat sogar ai (amnesty international) bestätigt, dass die Sunniten bzw. sunnitischen Minderheiten im Süden des Irak verfolgt werden. Sie haben Recht, es gibt sunnitische Regionen aber die Sicherheitsbehörden in diesen Regionen sind alle schiitisch. Es gibt auch in sunnitischen Regionen sunnitische Milizen die die Sunniten die aus dem Süden des Irak kommen verfolgen, und diese als Spione der Schiiten beschuldigen. Außerdem sind die sunnitischen Gebiete Kriegsgebiet und unsicher. Ich habe als Sunnite in XXXX und in XXXXgelebt. Es besteht keine Sicherheit. Ich bitte Sie, die Sunniten die aus dem Süden des Irak kommen, als Minderheit zu betrachten."
10. Zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe von schwer psychisch Erkrankten im Irak verfolgt werde, legte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 18.08.2014 eine Anfragebeantwortung von ACCORD vom 11.08.2014 vor.
"Anfragebeantwortung zum Irak: Gesellschaftliche Stellung von Menschen mit psychischen Erkrankungen [a-8801]
Das US-amerikanische Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Länderbericht zur Menschenrechtslage vom Februar 2014 (Berichtszeitraum 2013), dass es im Irak keine Gesetze gebe, die Diskriminierung von unter anderem Personen mit psychischen Beeinträchtigungen und besonderen Bedürfnissen am Arbeitsplatz, bei Bildung, im Flugverkehr und im weiteren Verkehrswesen, beim Zugang zur Gesundheitsversorgung oder bei der Bereitstellung von anderen staatlichen Diensten verbieten würden. Es habe weiterhin Berichte über die Diskriminierung aufgrund der gesellschaftlichen Stigmatisierung von Personen mit Beeinträchtigungen in diesem Bereich gegeben. Für Gefängnisinsassen mit psychischen Beeinträchtigungen sei keine psychische Gesundheitsversorgung vorhanden gewesen.
Die Nachrichtenagentur Thomson Reuters Foundation schreibt in einem Artikel vom April 2013, dass Mitarbeiter des psychischen Gesundheitswesens versuchen würden, gesellschaftlicher Stigmatisierung aufgrund psychischer Gesundheitsstörungen zu begegnen. Dr. Mohammed Al-Uzri, ein Psychiater und Lektor an der Universität von Leicester, habe angegeben, dass im Irak bei Menschen mit psychischen Krankheiten eine Besessenheit angenommen werde. Dies sei die Art von Stigmatisierung mit der die Menschen leben müssten. Das Bewusstsein hinsichtlich psychischer Gesundheitsprobleme habe sich jedoch in den vergangenen Jahren gebessert. Einige Kollegen von Al-Uzri seien im Radio aufgetreten, um das Thema zu diskutieren.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen zitiert in einem Bericht vom April 2013 eine Studie der WHO zur öffentlichen Wahrnehmung von psychischen Erkrankungen aus dem Jahr 2010, laut der Personen, die an psychischen Krankheiten leiden würden, und die sie behandelnden Ärzte in der Öffentlichkeit stigmatisiert und oftmals sehr negative öffentliche Aufmerksamkeit erfahren würden. Viele Menschen würden laut der Studie annehmen, dass Menschen, die an einer psychischen Störung litten, selbst dran schuld seien. Eine große Anzahl von Personen habe laut der Studie angegeben, dass der Kontakt mit psychisch Kranken vermieden werden solle. Patienten, die an einem MSF-Programm teilnehmen würden, hätten von der Scham, Angst vor Entdeckung und von Angst verlassen oder verbannt zu werden berichtet."
11. Mit Schreiben vom 25.08.2014 brachte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers eine "Warnung des SRSG Mladenov for Iraq" in englischer Sprache in Vorlage.
12. Mit hg. Schreiben vom 02.09.2014 wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend Irak vom 20.06.2014 zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme innerhalb einer Frist von 14 Tagen übermittelt.
Mit Schreiben vom 16.09.2014 (hg. eingelangt am 17.09.2014) brachte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers nachfolgende Stellungnahme in Vorlage:
"1. Der Beschwerdeführer verweist auf sein bisheriges Vorbringen, dass er nämlich als Sunnit, der im Süden des Irak früher in einer Stadt lebte, in der Sunniten und Schiiten zusammenlebten. Der Beschwerdeführer erfuhr aufgrund seiner Religionszugehörigkeit schwere psychische und physische Gewalt, die zu einer depressiven Episode, gegenwärtig schwer mit psychotischen Inhalten sowie zum Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung führte. Aus psychiatrischer Sicht ist anzunehmen, dass die widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers ihre Ursache in der psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers haben. Es ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers somit in seinem wesentlichen Inhalten Glauben zu schenken.
2. Im Falle seiner Rückkehr in den Irak ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diesen in seiner Heimatstadt keine Existenzgrundlage zukommt, da diese "entmischt" ist. Der Mangel an Vertrauen zwischen Sunniten und den Behörden ist mittlerweile absolut. Seine psychiatrische Behandlung würde auch nicht durchgeführt werden, weil eine solche fehlt. Der Beschwerdeführer hat auch vorgebracht, dass psychiatrisch Erkrankte aufgrund der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe asylrechtlich verfolgt werden.
3. Eine Rückführung des Beschwerdeführers in seine Heimatstadt ist auch praktisch nicht möglich, weil der Beschwerdeführer vielen Kontrollen ausgesetzt wäre und dort willkürliche Gewalt ausgeübt wird, wegen der Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers, seines Auslandsaufenthaltes, seiner psychiatrischen Erkrankung und seiner Verhaltensauffälligkeit infolge seiner psychiatrischen Erkrankung.
4. Schlussfolgerung: Der Beschwerdeführer ist aus asylrechtlich relevanten Gründen (religiöse Verfolgung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe) im Irak verfolgt."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak, sunnitischen Glaubens und Angehöriger der arabischen Volksgruppe. Er wurde im Ort XXXX geboren und ist dort aufgewachsen. Im Jahr 2003 hat der Beschwerdeführer seinen Heimatort gemeinsam mit seiner Familie verlassen und ist in die Stadt XXXX gezogen. Dort lebte er von 2003 bis 2005. Im Jahr 2005 ist der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Familie nach XXXX gezogen. Von 2005 bis 2008 war der Beschwerdeführer in XXXX aufhältig und ist danach gemeinsam mit seiner Familie wieder in die Stadt XXXX, wo die Familie ein Haus besitzt, zurückgezogen.
Im Irak sind nach wie vor die Eltern des Beschwerdeführers aufhältig. Ob der Vater des Beschwerdeführers von irakischen Sicherheitskräften verhaftet wurde und seit dem Jahr 2012 in einem staatlichen Gefängnis angehalten wird, kann nicht festgestellt werden.
Zwei Brüder des Beschwerdeführers leben in XXXXin der Türkei. Ein Bruder des Beschwerdeführers namens XXXX ist am XXXX2011 infolge von Schusswunden am Kopf und an der Brust verstorben. Die drei Schwestern des Beschwerdeführers leben in Jordanien.
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.
Der Beschwerdeführer war beim Gesundheitsamt XXXX, als Lebensmittelkontrolleur beschäftigt.
Der Beschwerdeführer leidet an einer depressiven Episode, gegenwärtig schwer mit psychotischen Inhalten (F32.3) und es besteht der Verdacht des Vorliegens einer posttraumatischen Belastungsstörung (F43.1). Die Erkrankung des Beschwerdeführers ist behandlungsbedürftig. Es ist eine intensive fachärztlich-psychiatrische Behandlung erforderlich. Aktuell ist von einer dauerhaften Behandlungsnotwendigkeit auszugehen. Die Bestellung eines Sachwalters ist aus psychiatrischer Sicht nicht erforderlich. Eine Überstellung in den Irak würde aus psychiatrischer Sicht zu einer massiven Verschlechterung des psychischen Zustandes des Beschwerdeführers führen und würde dadurch auch ein lebensbedrohlicher Zustand (Suizid) zu befürchten sein.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vom XXXX2010 bis zum XXXX2011 in einem staatlichen Gefängnis im XXXX, nur weil er Sunnit ist und in XXXX, einer Stadt mit mehrheitlich schiitischer Bevölkerung, gelebt hat, und des Umstandes, dass er von 2005 bis 2008 in XXXX gelebt hat, von staatlichen irakischen Organen angehalten und gefoltert wurde.
1.2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:
1.2.1. Zusammenfassung
Laut Verfassung ist der Irak ein demokratischer Rechtsstaat mit allen Merkmalen der Gewaltenteilung. Im Irak wurde Ende 2010 eine Regierung der nationalen Einheit unter Premierminister Maliki (Rechtsstaatspartei) mit Beteiligung aller großen Parteienblöcke gebildet, die allerdings zunehmend von inneren Streitigkeiten gelähmt ist.
Gespannt ist das Verhältnis der Zentralregierung zur Region Kurdistan. Die Zentralregierung hat keine Kontrolle oder Einfluss auf staatliche Entscheidungen im Gebiet der Region Kurdistan. Die in dem Verhältnis besonders relevanten Fragen der umstrittenen Gebiete einschließlich ihrer militärischen Verteidigung einerseits und der Kompetenzen im Bereich der Öl- und Gasexploration sowie -förderung andererseits sind weiterhin nicht einvernehmlich geregelt.
Die Sicherheitslage im Irak hatte sich seit 2007 von Jahr zu Jahr verbessert, im Zuge der sunnitisch-schiitischen Konflikte hat sie sich aber seit 2013 wieder deutlich verschlechtert. Schwerpunkte terroristischer Aktivitäten bleiben Bagdad, der Zentralirak sowie die Städte Mossul und Kirkuk im Norden des Landes. Die Gewalt geht überwiegend von der sunnitischen Al-Qaida und ihrer irakischen Organisation "Islamischer Staat Irak" sowie von ba'athistischen Elementen aus; seit Frühjahr 2013 gibt es auch Hinweise auf ein Wiederaufleben schiitischer Milizen.
Offiziell anerkannte Minderheiten, wie chaldäische und assyrische Christen sowie Jesiden, genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind jedoch im täglichen Leben, insbesondere außerhalb der Region Kurdistan, oft benachteiligt. Verstöße gegen die Menschenrechte sind weit verbreitet. Besonders problematisch sind Folter und Defizite im Justizsystem sowie der Umgang mit Journalisten.
Die irakischen Sicherheitskräfte sind letztlich nicht in der Lage, landesweit den Schutz der Bürger sicherzustellen. Die Anwendung bestehender Gesetze ist nicht gesichert. Gerichte und Sicherheitskräfte verfügen noch immer nicht über ausreichend qualifiziertes Personal, es fehlt an rechtsstaatlichem Grundverständnis. Gewalttaten bleiben oft straflos.
Erziehungs- und Gesundheitswesen im Irak sind notleidend. Auch die Grundversorgung, insbesondere mit Strom und Wasser, ist (jedenfalls außerhalb Kurdistans) noch immer unzureichend. Gleichzeitig verfügt der Irak über mehr als 100 Mrd. US-Dollar jährliche Einnahmen aus dem Ölexport und hatte auch 2012 einen Haushaltsüberschuss aufzuweisen. Hohe Korruption (Irak gehört zu den zehn korruptesten Ländern auf der Liste von Transparency International), aber auch mangelnde Professionalität der Verwaltung verhindern bislang einen nachhaltigen Wiederaufbau des Landes, zumal internationale Investoren und Helfer weiterhin durch die Sicherheitslage abgeschreckt werden.
Der Machtkampf in Bagdad um das Amt des Ministerpräsidenten - und der neue Präsident: Der neue irakische Präsident Fuad Masum nominierte Haidar al-Abadi für das Amt des Ministerpräsidenten und damit als Nachfolger von Nouri al-Maliki. (The Daily Star 12.8.2014b; zu den Hintergründen siehe Der Standard 12.8.2014)
1.2.2. Politische Lage
1.2.2.1. Die Verfassung
Gemäß der Verfassung, die das irakische Volk am 15.10.2005 in einem Referendum annahm, ist Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat. Der Islam ist Staatsreligion und eine (nicht die) Hauptquelle der Gesetzgebung.
Nach dem Gesetz über die Einrichtung von Regionen können sich seit 2008 mehrere Provinzen zu Regionen zusammenschließen. In der Verfassung (Artikel 117) wird die Region Kurdistan-Irak mit ihren Institutionen als eine Region des Bundesstaates Irak anerkannt.
1.2.2.2. Innenpolitische Lage
Traditionelle Stammesstrukturen und ethnisch-religiöse Zugehörigkeiten bestimmen die gesellschaftlichen und politischen Loyalitäten bzw. Konfliktlinien. Die wichtigsten ethnisch religiösen Gruppierungen sind (arabische) Schiiten, die 60 bis 65 % der Bevölkerung ausmachen und vor allem den Südosten / Süden des Landes bewohnen; (arabische) Sunniten (17 bis 22 %) mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak (aus dieser Gruppe stammte bis zum Ende der Diktatur von Saddam Hussein der größte Teil der politischen Führung); und die vor allem im Norden des Landes lebenden Kurden (ca. 15 bis 20 %), überwiegend sunnitisch, aber auch jesidisch und in kleinen Teilen schiitisch. Entlang dieser Linien hat sich - mehr oder weniger kaschiert - die Parteienlandschaft gebildet (AA 20.10.2013).
Bereits längere Zeit vorhandene politische Spannungen, welche den Hintergrund für die derzeitige Sicherheitslage und die Offensive von ISIS bilden:
Die Spannungen zwischen Sunniten und der Zentralregierung
Die Proteste von Regierungsgegnern begannen bereits 2012 in den überwiegend sunnitischen Teilen im Westen des Landes, in Anbar, Nineveh und Salahadin. (Qantara 22.04.2013) Am 23. Dezember 2012 folgten tausende Iraker im sunnitischen Norden und Westen des Landes dem Aufruf bekannter Politiker, Stammesführer und religiöser Würdenträger zu Massendemonstrationen und Streiks. Die größten Proteste ereigneten sich in der Provinz Anbar, wo die Autobahnverbindung nach Syrien und Jordanien blockiert wurde. Auch in den Provinzen Salahuddin, Niniveh, Diyala und Bagdad wurden in der Folge Kundgebungen abgehalten (Zenith 21.03.2013).
Die Demonstranten beklagten willkürliche Verhaftungen im Namen der Terrorbekämpfung, die Politisierung der Justiz und die Billigung von Korruption durch Premierminister Nuri al-Maliki. Die Menge forderte auch ein Ende der gezielten Verfolgung von Sunniten durch die Regierung. Einige Teilnehmer zeigten ihre Wut und Enttäuschung über den schiitischen Regierungschef durch anti-schiitische Parolen, Sympathiebekundungen für den gestürzten Diktator Saddam Hussein - und drohten mit einem Marsch auf Bagdad (Zenith 21.03.2013).
Seither schaukelte sich die Situation immer weiter auf (für Bsp. siehe z.B. Zenith 21.03.2013, BBC News 28.04.2013). Im Jänner verlor die Zentralregierung die Kontrolle über Falluja in der Provinz Anbar an ISIS und seine Verbündeten (TAZ 15.6.2014)."
Die Sunniten, einst unter Saddam die Elite des Landes, sind im politischen System des heutigen Irak vollkommen außen vor gelassen. Friedliche Proteste der Sunniten mit der Forderung, diese Ausgrenzung zu ändern, wurden sträflich ignoriert. Al-Maliki hatte Angst, den Sunniten auch nur einen Finger zu reichen, da er befürchtete, sie nähmen mit Bagdad die ganze Hand. Selbst als sich die Sunniten wieder mit Waffengewalt zurückmeldeten und eine Anschlagsserie einsetzte, die allein im Mai 2014 900 Menschen tötete, glaubte al-Maliki immer noch, dies ignorieren zu können (Qantara.de 13.6.2014).
Mossul ist nach nur wenigen Tagen sporadischer Gefechte in die Hände der radikalen Islamisten der ISIS gefallen - eine Stadt größer als Wien, München oder Hamburg. Zwei Armeedivisionen von 30.000 Mann sind zusammengebrochen und haben die Stadt fast kampflos den höchstens 3.000 ISIS-Kämpfern überlassen. Der ISIS Erfolg bei einem derartigen Zahlenverhältnis lässt sich nur als Ergebnis einer jahrelangen Entfremdung der Sunniten von der Zentralregierung in Bagdad erklären, die von Premier Nouri al-Maliki sowie anderen radikalen schiitischen Parteien geführt wird (Qantara.de 13.6.2014).
1.2.3. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage im Irak kann sich regional sehr schnell ändern. Derzeit ist es zu früh für Informationen über allgemeine Auswirkungen der aktuellen ISIS-Offensive auf die friedlicheren Landesteile, deren BewohnerInnen vor allem Kurden (sowie auch kleinere Minderheiten) und arabische SchiitInnen sind. Diese Bevölkerungsgruppen und deren mehr oder weniger offizielle Sicherheitskräfte sind im Irak Ziel von Anschlägen nicht nur, aber auch von ISIS (z.B. der Anschlag in Erbil vom 29.9.2013).
Zwischen 2007 und 2012 hat die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle um ca. 80 % abgenommen. 2012 hat die NRO "Iraq bodycount" allerdings noch immer 4.500 Terroropfer verzeichnet. Seit der Verfolgung des sunnitischen Finanzministers Issawi und dem Beginn der Massenproteste in sunnitischen Landesteilen Ende 2012 hat sich die Sicherheitslage kontinuierlich und in der Summe massiv verschlechtert. Im Mai 2013 waren mehr als 1.000 Tote zu beklagen. Schwerpunkte terroristischer Anschläge bleiben Bagdad, der Zentralirak sowie Mossul und Kirkuk im Norden. Die Sicherheitslage in der Region Kurdistan-Irak ist deutlich besser; ebenfalls verhältnismäßig gut, wenn auch nicht risikolos, ist die Lage im Süden (AA 20.10.2013 - Details aus aktuelleren Quellen im Zuge des Abschnitts).
Im Jahr 2013 begingen illegale bewaffnete Gruppen mit konfessioneller und ethnischer Ausrichtung, einschließlich Terrorgruppen wie ISIS, tödliche, politisch motivierte Gewaltakte. Sie töteten mit Hilfe von Selbstmordexplosionen, IEDs (improvised explosive devices - improvisierte Sprengsätze) und Schüssen aus fahrenden Autos. Dazu kamen Entführungen und andere Formen von Gewalt. Ziel der Bewaffneten und der Terroristen waren MitbürgerInnen, SchiitInnen, SunnitInnnen, sowie Angehörige von anderen religiösen oder ethnischen Gruppen sowie Sicherheitskräfte, Gebetsstätten, PilgerInnen, Schulen, öffentliche Orte, die Wirtschaftsinfrastruktur und Angestellte der Regierung (USDOS 2014).
Seit Jahresbeginn 2014 stieg die Zahl der bei Anschlägen getöteten Menschen damit bis zum 28. Mai auf mehr als 4.000. Die Gewalt wird von Spannungen zwischen der sunnitischen Minderheit und der schiitischen Mehrheit, die auch die Regierung stellt, genährt. Viele Sunniten werfen ihr vor, sie in Politik und Wirtschaft auszugrenzen (Der Standard 28.5.2014).
Die derzeitige Entwicklung setzte im Dezember mit der Eroberung von Falluja durch ISIS - "Islamische Staat im Irak und in Syrien" - genauer gesagt in "Sham", was man als Großsyrien oder Levante übersetzen könnte - ein. ISIS will einen islamischen Staat in Syrien und im Irak gründen. Zudem gab es systematische Vorstöße - meist gefolgt von schnellen Rückzügen - in andere Provinzen, etwa Anfang April bis nach Abu Ghraib buchstäblich vor die Tore Bagdads. Vor dem jüngsten Einfall in Mossul (Provinz Niniveh) besetzte die ISIS Teile von Samarra (Provinz Salahuddin), und in der Provinz Diyala, wo ISIS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi seine Stammeswurzeln haben dürfte, hat die ISIS bereits die Wiedererrichtung ihres "Emirates" verkündet (Der Standard 11.6.2014).
ISIS hat Rückendeckung bei lokalen Stammesmitgliedern und nützt den weit verbreiteten Ärger unter sunnitischen AraberInnen aus, welche Premierminister Nouri al-Maliki, einen Schiiten, der Diskriminierung von arabischen Sunniten und der Monopolisierung von Macht beschuldigen. So konnten die Aufständischen sechs Monate nach Falluja die zweitgrößte Stadt des Irak, Mossul angreifen. Laut BBC News legten 30.000 Militärs ihre Waffen nieder und flohen, als sie mit 800 Bewaffneten konfrontiert waren (BBC News 16.4.2014). Möglicherweise ist es auch kein Zufall, dass dies ausgerechnet in Mossul geschehen ist. Die Stadt war stets das Hauptrekrutierungsgebiet für die Offiziere der Armee Saddam Husseins. Dass die ISIS-Kämpfer in den sunnitischen Gebieten teils mit offenen Armen aufgenommen wurden, hat viel mit der politischen Marginalisierung der Sunniten im Irak zu tun. Ganz offensichtlich konnten sich die ISIS-Kämpfer auch darauf verlassen, dass - trotz aller ideologischen Unterschiede - die sunnitischen Ex-Offiziere der einstigen Saddam-Armee ihnen helfend unter die Arme greifen. Vielleicht sogar mehr als das. Manche der militärischen Bewegungen der ISIS-Kämpfer erinnern eher an eine stabsmäßig geplante Militäroffensive, als an das Vorrücken einer Rebellenarmee und tragen die Handschrift ehemaliger Armeeoffiziere Saddams (Qantara.de 13.6.2014).
Ermutigt von dem Erfolg in Mossul wandte sich ISIS mit seinen Verbündeten nach Süden Richtung Hauptstadt Bagdad (BBC News 16.4.2014).
Kämpfe im Zuge der Offensive von ISIS werden mit Stand 17.6.2014 u. a. aus Baquba, die Provinzhauptstadt von Diyala, der Provinz Anbar und Tel Afar gemeldet (BBC News 17.6.2014). Folgende Karte gibt einen Überblick über die aktuellen Kämpfe.
Wenn Premier Nuri al-Maliki nun die Bürger gegen die Extremisten bewaffnen will, kommt das erstens einem Eingeständnis gleich, dass die regulären Sicherheitskräfte - und ihre im Land verbliebenen amerikanischen Berater - machtlos sind. Zweitens ist es eine Aufforderung zum Bürgerkrieg: Schon seit geraumer Zeit formieren sich auch wieder Schiitenmilizen, wie sie in den schlimmsten Jahren zwischen 2005 bis 2007 omnipräsent waren. Der Vorstoß der ISIS in die Stadt Samarra war eine besonders schwere Provokation. Dort liegt der schiitische Askari-Schrein, der 2006 von den ISIS-Vorgängern in die Luft gesprengt wurde. Sofort gab es schiitische Aufrufe, sich zur Verteidigung zu formieren. Das ist offenbar genau das, was die ISIS beabsichtigt. (Der Standard 11.6.2014)
Denn die schiitische Reaktion verhindert wiederum, dass sich alle Sunniten in den betroffenen Gebieten auf die Seite der Regierung stellen. Die ISIS und andere sunnitische radikale Gruppen können teilweise zumindest auf die Duldung durch Teile der sunnitischen Bevölkerung zählen. Das ist Maliki zuzuschreiben, der in den vergangenen Jahren nicht einmal versucht hat, eine integrative Politik zu machen. (Der Standard 11.6.2014)
Die Stärke der ISIS ist frappierend, umso mehr, als Baghdadi sich ja von der Mutterorganisation Al-Qaida quasi selbstständig gemacht hat.
Die ISIS hat offenbar ein substanzielles Rückgrat: einen Mix aus lokaler Unterstützung, erpressten Geldern (Maut, Steuern), Einnahmen durch Kriminalität und Kriegswirtschaft sowie Spenden von außen. Als ihr Sponsor wird verschwörungstheoretisch auch immer wieder das Assad-Regime bezeichnet. Aber so nützlich es für Assad ist, dass sich die Rebellengruppen in Syrien bekriegen, so wenig Interesse kann er daran haben, dass sich der schiitisch geführte Irak destabilisiert. (Der Standard 11.6.2014)
Es stellt sich die Frage, wer nun das entstandene Sicherheitsvakuum ausfüllen kann. Wer wird sich im Irak überhaupt noch den ISIS-Kämpfern effektiv entgegenstellen? Dafür kommen nur zwei Kräfte in Frage: die kurdischen Peschmerga-Kämpfer und die schiitische Milizen. Einer der Peschmerga-Sprecher, Brigadegeneral Halgord Hekmat, hat bereits öffentlich erklärt, dass der Kollaps der irakischen Armee die kurdischen Kämpfer praktisch dazu zwingt aktiv zu werden. Und auch der in politischer Versenkung geglaubte Schiitenprediger Muqtada al-Sadr, kündigte an, angesichts der Schwäche der Armee wieder seine berüchtigten Milizen mobilisieren zu wollen. Damit wäre der Irak den alten Bürgerkriegszeiten und der Drohung der Dreiteilung des Landes wieder gefährlich nahe gekommen. (Qantara.de 13.6.2014)
1.2.4. Rechtsschutz/JUstizwesen
Art. 19 Abs. 1 und Art. 86 ff. der Verfassung bezeichnen die Rechtsprechung als unabhängige Gewalt. Das Oberste Bundesgericht erfüllt die Funktion eines Verfassungsgerichts. Der Gerichtsaufbau bleibt dennoch zu erlassenden Ausführungsgesetzen vorbehalten. Die Rechtsprechung ist in der Praxis von einem eklatanten Mangel an kompetenten Richtern, Staatsanwälten sowie Justizbeamten gekennzeichnet. Viele Juristen haben im Rahmen der "Entbaathifizierung" ihren Arbeitsplatz verloren, andere haben aus Furcht vor Anschlägen (v.a. der Al-Qaida im Irak) und persönlicher Verfolgung Ämter und Land verlassen. Unter den amtierenden Richtern sind noch einige, die bereits unter dem alten Regime im Amt waren. In der Realität ist die Unabhängigkeit der Rechtsprechung nicht vollends gewährleistet. Eine Reihe von Urteilen, etwa im August 2012 gegen den Vorsitzenden der Unabhängigen Wahlkommission wegen angeblicher Korruption oder der Haftbefehl gegen den führenden sunnitischen Politiker und Finanzminister Issawi wegen Terrorvorwürfen Anfang 2013 lassen auf politische Einflussnahme schließen. Hinzu kommt, dass hohe Richter faktisch v.a. auch unter politischen Gesichtspunkten ausgewählt werden. (AA 20.10.2013)
Im Einzelnen liegen keine belastbaren Erkenntnisse zur Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis vor. Berichte von Medien und NGOs vermitteln den Eindruck einer allenfalls in Ansätzen funktionierenden Strafjustiz. Eine Verfolgung von Straftaten, selbst von Entführungen und Raubüberfällen, findet nur unzureichend statt. Es mangelt an ausgebildeten, unbelasteten Richtern; eine rechtsstaatliche Tradition gibt es nicht. Weiterhin
erfahren materielle Beweismittel nicht die gleiche Würdigung wie - oftmals unter Folter gewonnene - Geständnisse. Häufig werden übermäßig hohe Strafen verhängt. Obwohl nach
irakischem Strafprozessrecht Untersuchungshäftlinge binnen 24 Stunden einem Untersuchungsrichter vorgeführt werden müssen, wird diese Frist nicht immer respektiert und mitunter auf bis über 30 Tage ausgedehnt. Freilassungen erfolgen mitunter nur gegen Bestechungszahlungen. (AA 20.10.2013)
Im Zentrum der von der sunnitischen Demonstrationsbewegung erhobenen Vorwürfe steht eine angeblich einseitige Strafjustiz, die Sunniten als Terroristen verfolgt (AA 20.10.2013) und teilweise auch Familienmitglieder in Haft nimmt, wenn sie der Beschuldigten nicht habhaft werden kann. (AA 20.10.2013; vgl. auch:USDOS 27.02.2014)
In der Praxis sind die Richter unter immensen politischen und konfessionellen Druck geraten und sind Großteils nicht in der Lage, Fällen mit Bezug zu organisiertem Verbrechen, Korruption und Aktivitäten von Milizen nachzugehen, selbst wenn die Beweislast überwältigend ist. Drohungen und Morde durch konfessionelle, tribale, extremistische und kriminelle Elemente schadeten vielerorts der justiziellen Unabhängigkeit. Richter und ihre Familien waren häufig Todesdrohungen und Angriffen ausgesetzt. (FH Januar 2013/USDOS 19.04.2013) Hinter einer Reihe von Rachemorden an Richtern wird Al Qaida im Irak/Islamic State of Iraq and the Levant (ISIL) [arab. Kurzbezeichnung Daash] vermutet. (USDOS 19.04.2013)
1.2.5. Sicherheitsbehörden
Zu Beginn der Besatzungszeit hatte die Koalitionsübergangsverwaltung (Coalition Provisional Authority) die Polizei- und Streitkräfte des Saddam-Regimes vollständig aufgelöst. Die irakischen Sicherheitskräfte umfassen mittlerweile wieder ca. 250.000 Armee-
Angehörige und ca. 340.000 Polizisten. (AA 20.10.2013)
Im Zuge der Mossul-Offensive von ISIS im Juni 2014 flohen die meisten Militärs aus dem Gebiet unter Zurücklassung ihrer Waffen und ihrer Uniformen. (BBC News 13.6.2014 - siehe auch Abschnitt "Sicherheitslage") Zwei Armeedivisionen von 30.000 Mann brachen zusammen und haben die Stadt Mossul fast kampflos den höchstens 3.000 ISIS-Kämpfern überlassen. (Qantara.de 13.6.2014) Die Armee in den eroberten Gebieten war auch deshalb so schwach, weil das nicht die mehrheitlich schiitischen, loyalen Einheiten waren, mit denen Isis bei einem Angriff Bagdads zu tun haben würde. (TAZ 15.6.2014)
Die irakischen Sicherheitskräfte bestehen aus den internen Sicherheitskräften, die administrativ zum Innenministerium gehören, den externen Sicherheitskräften unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums und des Counterterrorism Service (CTS). Die Verantwortlichkeiten des Innenministeriums beinhalten die Durchsetzung des irakischen Rechts und die Aufrechterhaltung der Ordnung mit Hilfe der Föderalen Polizei, der Provinzpolizei, des Schutzdienstes für Immobilien und der Abteilung für Grenzschutz. Die konventionellen militärischen Kräfte des Verteidigungsministeriums sind verantwortlich für die externe Verteidigung, aber sie arbeiten oft mit Elementen des Innenministeriums bei der Durchführung von Anti-Terrorismus-Operationen oder Einsätzen zur inneren Sicherheit zusammen. Das CTS berichtet direkt an den Premierminister und beaufsichtigt das Anti-Terrorismus-Kommando, eine Organisation, das drei Brigaden für Spezialoperationen umfasst. (USDOS 27.02.2014)
Gegenwärtig sind die irakischen Sicherheitskräfte noch nicht in der Lage, landesweit den Schutz der Bürger zu gewährleisten. Die Anwendung bestehender Gesetze ist nicht gesichert, ohnehin gibt es kein Polizeigesetz. Personelle Unterbesetzung, mangelnde Ausbildung, mangelndes rechtsstaatliches Bewusstsein vor dem Hintergrund einer über Jahrzehnte gewachsenen Tradition von Unrecht und Korruption auf allen Ebenen sind hierfür die Hauptursachen. (AA 20.10.2013)
Die irakische Armee vereint alle Konfessionen und Ethnien. (AA 20.10.2013) Die Armee und die Bundespolizei rekrutieren landesweit und setzen ihre Soldaten und Polizisten in verschiedenen Gebieten ein, was die Wahrscheinlichkeit von Korruption durch persönliche Verbindungen zu Stämmen oder Milizionären verringert. Probleme der irakischen Polizei hinsichtlich konfessioneller Spaltungen, Korruption, Verbindungen zu Stämmen oder zu militanten Gruppen und die Unwilligkeit, außerhalb des Rekrutierungsgebiets zu arbeiten, halten an. (USDOS 27.02.2014) Bei der Einstellung bei der Polizei werden Schiiten bevorzugt, viele darunter gelten als religiös voreingenommen. (AA 20.10.2013)
Sunnitische Stammesverbände ("Erwachungsrat", "Sahwa") werden teilweise von der Regierung finanziert. Gegen deren früheren nationalen Chef Abu Risha ist Anfang 2013 wegen Terrorvorwürfen Haftbefehl erlassen worden. Premierminister Maliki gründete daraufhin sog. "Neue Erweckungsräte", die finanzielle Unterstützung der Regierung erhalten.
Sie sollen im Kampf gegen al-Qaida eingesetzt werden. (AA 20.10.2013)
Es gab eine steigende Zahl von Angriffen der AQI (Al Qaida im Irak) auf Sunniten, die mit der Regierung kooperierten - die Söhne des Irak, auch bekannt als Sahwa Bewegung - und gegen sunnitische Stammesführer. Etwa wurden am 29.11.2013 die Leichen von 18 Männern in der Nähe der sunnitischen Stadt Mishahda, 20 Meilen nördlich von Bagdad, gefunden. Laut Augenzeugen waren die Männer zuvor von einer bewaffneten Gruppe "in Militäruniformen" entführt worden. AQI/ISIL übernahm die Verantwortung für den Angriff und nannte als Grund das Treffen bei einem sunnitischen Stammesführer zur Wiederbelebung der Sahwa-Einheiten. (USDOS 27.02.2014)
Es gab weiterhin landesweit Berichte von Fällen von Folter und Misshandlungen in vielen Polizeistationen des Innenministeriums und in den Einrichtungen des Verteidigungsministeriums - besonders während der Verhöre. Das Innenministerium veröffentlichte nicht die Zahl der Offiziere, die während des Jahres bestraft wurden, und es gab keine bekannten Verurteilungen durch Gerichte bezüglich Misshandlungen. Die Regierung unternahm keine breiten Aktionen zur Reform der Sicherheitskräfte für die Verbesserung des Menschenrechtsschutzes. (USDOS 27.02.2014)
Es gibt seit Mai 2013 wieder verstärkte Anzeichen, dass Milizen und mafiöse Strukturen lokale Gewalt ausüben oder mit den Sicherheitskräften zusammenarbeiten. Inwieweit staatliche Entscheidungsträger dies dulden oder gar befördern, ist nicht klar zu erkennen. In Einzelfällen liegt dies aber aufgrund des Tathergangs nahe. (AA 20.10.2013)
Die Sicherheitskräfte unternahmen begrenzte Bemühungen zur Prävention oder Reaktion auf gesellschaftliche Gewalt. Lokale Polizeistationen in Basra und Kirkuk implementierten "Familienschutzeinheiten" für Fälle von Anschuldigungen von häuslicher Gewalt gegen Frauen und Kinder. (USDOS 27.02.2014)
1.2.6. Folter und unmenschliche Behandlung
Folter und unmenschliche Behandlung werden von der irakischen Verfassung in Art. 37 ausdrücklich verboten. Im Juli 2011 hat die irakische Regierung die "Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman and Degrading Treatment or Punishment (CAT)" unterzeichnet. (AA 20.10.2013)
Folter wird jedoch auch in der jüngsten Zeit weit verbreitet von staatlichen Stellen eingesetzt.
Es kommt immer wieder zu systematischer Anwendung von Folter bei Befragungen durch irakische (einschließlich kurdischer) Polizei- und andere Sicherheitskräfte. Laut Informationen von UNAMI sollen u.a. Bedrohung mit dem Tod, Fixierung mit Handschellen in schmerzhaften Positionen und Elektroschocks an allen Körperteilen zu den angewandten Praktiken gehören. (AA 20.10.2013)
Das Personal des Innenministeriums folterte laut Berichten von mehreren Behördenangestellten und Menschenrechtsorganisationen Gefangene zu Tode. Das Menschenrechtsministerium schloss, dass 20 von 117 Todesfällen in Haft im ersten Halbjahr 2013 auf Folter zurückgingen. 85 Fälle hatten medizinische Ursachen. In 12 Fällen blieb die Todesursache ungeklärt. 92 Todesfälle ereigneten sich in Gefängnissen des Justizministeriums, 16 in Einrichtungen des Innenministeriums, drei in Einrichtungen des Verteidigungsministeriums und sechs an "unbekannten" Orten. (USDOS 27.02.2014) Der Bericht des Menschenrechtsministerium über 313 Vorwürfe von Folter, speziell von Gefangenen des Innen- und des Verteidigungsministeriums, demonstrierte ein wachsendes Vermögen der Behörde, glaubwürdige Anschuldigungen von systematischer Folter, Todesfällen in Haft, erzwungene Geständnisse und willkürliche Verhaftungen zu dokumentieren. Allerdings gab es bis Ende 2013 keine Beweise für juristische Schritte gegen Verantwortliche, die deswegen beschuldigt wurden. (USDOS 27.02.2014) Viele Verurteilungen basieren auf Geständnissen unter Folter. (AI 29.4.2014)
Abgesehen von dem Anlegen und dem Transfer einiger Akten für mögliches Vorgehen durch die Justiz gab es keine bekannten Entwicklungen in Fällen von Folter und Vorfällen von misshandelnder Behandlung oder Bestrafung aus dem Jahr 2012. (USDOS 27.02.2014)
Den Gefangenen stehen in aller Regel weder eine adäquate medizinische Versorgung noch ein Rechtsbeistand zur Verfügung. Die Verfehlungen des Gefängnispersonals werden häufig weder untersucht noch die Verantwortlichen bestraft. (AA 17.01.2013)
1.2.7. Haftbedingungen
Das seit 2004 geltende Notstandsgesetz ermöglicht der Regierung Festnahmen und Durchsuchungen unter erleichterten Bedingungen. Eine festgenommene Person muss zwar innerhalb von 24 Stunden einem Richter vorgeführt werden, doch diese Frist wird nicht immer eingehalten. Sie wird teilweise bis auf über 30 Tage ausgedehnt. Es gibt häufig Fälle überlanger Untersuchungshaft, ohne dass die Betroffenen, wie vom irakischen Gesetz vorgesehen, einem Richter oder Staatsanwalt vorgeführt würden. Rechtsbeistand wird nicht in allen Abschnitten des Verfahrens gewährleistet; Terrorverdächtige dürfen bis zur Anklageerhebung ohne Kontakt zur Außenwelt gehalten werden. Die meisten dieser Häftlinge sind Sunniten aus dem Zentral-, West- und Nordwestirak. UNAMI bemängelt, dass
Untersuchungsgefangene nicht angemessen von anderen Häftlingen getrennt sind. (AA 17.01.2013)
Im Februar 2013 teilte der Stellvertretende Premierminister Hussein al-Shahristani Human Rights Watch mit, dass die Sicherheitskräfte häufig Massenverhaftungen ohne Haftbefehl durchführen. Die Gerichte stützten sich weiterhin auf geheime Aussagen von Informanten und erzwungene Geständnisse für Haftbefehle und Verurteilungen. (HRW 21.1.2014)
Die Haftbedingungen entsprechen nicht dem Mindeststandard, wobei die Situation in den Haftanstalten erheblich variiert. Aktuell (Juni 2013) sind ca. 40.000 Menschen inhaftiert. Laut UNAMI sind Überfüllung der Haftanstalten sowie Missbrauch und Folter weit verbreitet. Auch der Umstand, dass die Haftanstalten unter der Verantwortung vier verschiedener Ministerien stehen, erschwert die Transparenz. (AA 17.01.2013)
Die Bedingungen in manchen Gefängnissen und Hafteinrichtungen blieben hart und lebensbedrohlich, und es gab unerklärte Todesfälle, Unruhen, Hungerstreiks und Flucht. Essensknappheiten, Überbelegung und inadäquater Zugang zu Sanitäreinrichtungen und medizinischer Versorgung waren bedeutende Probleme. (USDOS 27.2.2014)
In den ICS-Einrichtungen verbesserte sich die Bereitstellung von Elektrizität weiterhin und war besser als für die breite Öffentlichkeit. Das Justizministerium möblierte die Gefängnisse neu und baute neue Anstalten zur Verbesserung der Haftbedingungen. Viele Gefängnisse des Innenministeriums wurden verbessert und in Linie mit internationalen Standards gebracht. UNAMI berichtete über fast keine Anschuldigungen von Misshandlungen von Personen in Gefängnissen des Justizministeriums. Dieses baute die Möglichkeiten für Bildung und handwerkliche Ausbildungen für Insassen in einer Reise von Gefängnissen aus. (USDOS 27.2.2014)
Das Justiz-, Verteidigungs- und Innenministerium sowie die Anti-Terror-Dienste berichteten, dass die Angestellten in den Gefängnissen Menschenrechtstraining von ihrem jeweiligen Ministerium erhielten. Auch das Menschenrechtsministerium führte Schulungen zu Menschenrechten für Gefangenenwärter und Sicherheitspersonal durch. (USDOS 27.2.2014)
Al Qaida im Irak/ISIS übernahm die Verantwortung für koordinierte Angriffe auf die Gefängnisse von Abu Ghraib und Taji von 21-22. Juli 2013. Dabei wurden 71 Gefangene und Sicherheitspersonal getötet und 800 bis 1.000 Gefangene entkamen aus Abu Ghraib, darunter auch die mittlere Führung von Al Qaida im Irak. Ein parlamentarischer Bericht gab den Innen- und Justizministerien die Schuld für den Mangel an Sicherung des Gefängnisses. Kontakte aus dem Menschenrechtsbereich gaben auch der Korruption innerhalb der Gefängnisse die Schuld, welche die Angriffe ermöglicht hätte. (USDOS 27.2.2014)
ICS-Gefängnisse (Iraqi Corrections Service), die einzige Regierungsbehörde, die legal verurteilte Personen festhalten darf, erlaubte regelmäßige Besuche durch unabhängige NichtregierungsbeobachterInnen. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes hatte Zugang zu einigen Gefängnissen und Haftanstalten der Justiz-, Innen-, Verteidigungs- und Arbeitsministeriums (Ministerium für Arbeit und soziale Angelegenheiten). Auch UNAMI, Human Rights Watch und UNHCR hatten Zugang. Den Gefängnisüberwachungsteams des Menschenrechtsministeriums wurde routinemäßig der Zugang zu Gefängnissen des Innenministeriums verwehrt. (USDOS 27.2.2014)
1.2.8. Religionsfreiheit
97 Prozent der IrakerInnen sind Muslime - 60 bis 65 Prozent Schiiten, 32 bis 37 Prozent Sunniten - und drei Prozent sind ChristInnen oder gehören anderen Religionen an. Die schiitischen Muslime sind überwiegend Araber, aber es gibt auch unter den Turkmenen, Kurden (Faili Kurden) und anderen Gruppen Schiiten. 18 bis 20 Prozent sind sunnitische Kurden, 12-16 Prozent sunnitische Araber und die restlichen 1-2 Prozent sind sunnitische Turkmenen. Die etwa 3 Prozent Iraker mit anderer Religionszugehörigkeit als dem Islam umfassen: Christen, Jeziden, Sabäer-Mandäer, Baha'i, Shabak und Kaka'i (Ahl al-Haqq) und ganz wenige Juden. Die Religion der Baha'i ist seit 1970 verboten (ICNL 6.02.2013/USDOS 30.07.2012/USCRIF April 2013)
Die Schiiten leben vor allem im Süden des Landes und im Osten und stellen die Bevölkerungsmehrheit in Bagdad, aber sie haben in den meisten Landesteilen Gemeinden. Die Sunniten stellen die Mehrheit im Westen, im Zentrum und im Norden des Irak. (USDOS 30.07.2012)
Die Verfassung bestimmt in Art. 2 den Islam zur Staatsreligion und zu einer Hauptquelle der Gesetzgebung, garantiert aber auch Religionsfreiheit inkl. Freiheit der Ausübung für Christen, Jeziden, Mandäer u.a. Ihr Art. 3 legt ausdrücklich die multiethnische, multireligiöse und multikonfessionelle Ausrichtung des Irak fest, betont aber auch den arabisch-islamischen Charakter des Landes. In Art. 43 garantiert der Staat den Schutz der religiösen Stätten. Die Freiheit zu missionieren wird nicht explizit gewährt, Missionieren wird allerdings im irakischen Strafgesetzbuch auch nicht sanktioniert. Das Strafgesetzbuch kennt auch sonst keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z.B. den Abfall vom Islam; auch spezielle, in anderen islamischen Ländern existierende Straftatbestände, wie z.B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht. (AA 20.10.2013)
Die politischen Parteien sind tendenziell entlang konfessionellen und ethnischen Linien organisiert. Familiäre, tribale und religiöse Überlegungen beeinflussen die politischen Entscheidungen auf allen Ebenen. (USDOS 27.2.2014)
Seit 2003 haben religiöse Minderheiten zunehmend eine bessere Vertretung innerhalb des politischen Systems des Irak erhalten. Der Repräsentantenrat, der im März 2010 gewählt wurde, reservierte 8 von insgesamt 325 Sitzen für Minderheiten, einschließlich 5 Sitzen für ChristInnen und jeweils ein Sitz für die Säbäer-MandäerInnen, JesidInnen und Schabak. Allerdings weisen Berichte darauf hin, dass es als Resultat der Diskriminierung auf Religionsbasis und Vetternwirtschaft Minderheiten oft im öffentlichen Sektor unterrepräsentiert sind, besonders auf Provinzebene und in der städtischen Verwaltung sowie in den irakischen Sicherheitskräften. Jeziden und Christen haben sich über politische Marginalisierung resultierend aus der mangelnden adäquaten Vertretung von Minderheiten in den Provinzräten beklagt. (UNHCR 31.05.2012) Die [Anm.: arabische] sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wird seit der Entmachtung Saddam Husseins in vielfacher Hinsicht im Einzelfall benachteiligt. (AA 20.10.2013)
Im Jahr 2013 nahm die Häufigkeit der konfessionellen und religiös motivierten Anschläge zu, und beeinträchtigte die Sicherheit aller Religionsgruppen. Mitglieder der schiitischen Mehrheitsbevölkerung - auch PilgerInnen beim Feiern hoher Feiertage - waren das primäre Ziel von Gewalt. Z.B. starben über 40 schiitische Pilger in koordinierten Anschlägen. (USCRIF 30.4.2014)
Der Mangel an Vertrauen zwischen den Behörden und den arabischen Sunniten nicht nur von Anbar ist mittlerweile absolut. Diese sind überzeugt, dass die [schiitisch dominierte] Regierung sie verfolgt, und sie sogar aus Teilen des Landes vertreiben möchte. (IRIN 13.5.2014)
Es gab Berichte von gesellschaftlichen Misshandlungen und Diskriminierungen basierend auf Religionszugehörigkeit, Glaube oder Glaubenspraxis. Konfessionelle Gewalt hatte in vielen Landesteilen - in geringerem Ausmaß in der Region Kurdistan - negative Auswirkungen auf die Möglichkeit aller Gläubigen, ihren Glauben zu praktizieren. Einige islamische Elemente übten weiterhin Druck auf die Gesellschaft aus, sich ihren Interpretationen der Grundsätze des Islam anzupassen. Auch wenn diese Bemühungen alle Bürger betrafen, waren Nicht-Muslime besonders verwundbar bezüglich dieses Drucks und der Gewalt aufgrund ihres Minderheitenstatus und des Mangels an Schutz durch Stammesstrukturen. (USDOS 30.07.2012)
Viele Iraker - Muslime und Nicht-Muslime gleichermaßen - sind zwar Opfer religiöser Gewalt geworden, aber die kleinsten nicht-muslimischen religiösen Minderheiten des Landes sind besonders verwundbar. Ihnen fehlen Milizen oder tribale Strukturen, um sich selbst zu verteidigen, und sie erhalten nicht ausreichenden offiziellen Schutz oder Gerechtigkeit. (USCRIF April 2013)
Besonders Mitglieder der verwundbarsten Minderheiten wie ChaldäerInnen, AssyrerInnen, andere ChristenInnen, Sabäer-Mandäerinnen und JezidInnen fliehen deshalb aus dem Irak. (USCRIF 30.4.2014)
Eine Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden in systematischer Weise findet nicht statt. Allerdings ist nach dem Fall des zentralistischen Hussein-Regimes die irakische Gesellschaft teilweise in ihre (konkurrierenden) religiösen und ethnischen Segmente zerfallen. Ablehnung und Misstrauen gegenüber dem "Anderen" überwiegt vielfach den Willen zur Integration aller Gruppen in ein lebendiges Ganzes. Die ethnisch-konfessionellen Gegensätze werden - begünstigt durch einen schwachen Staat und eine partiell fortschreitende Islamisierung - durch Extremisten instrumentalisiert. (AA 20.10.2013)
Der Staat kann den Schutz der Minderheiten nicht umfassend sicherstellen. Auch religiös ethnisch bedingte Verbrechen bleiben großteils ungesühnt. (AA 20.10.2013) Die häufige Verwendung von staatlichen Uniformen und Fahrzeugen durch Angreifer diverser Milizgruppen führt dazu, dass sich die Verantwortung für bestimmte Taten oftmals nicht eindeutig zuordnen lässt. (AA 17.01.2013)
Im Jahr 2013 versagte die irakische Regierung, der wachsenden Gewalt durch nichtstaatliche Akteure gegen irakische ZivilistInnen Einhalt zu gebieten. Die Angriffe inkludierten PilgerInnen, TeilnehmerInnen an Gebeten, religiöse Stätten und Anführer sowie Einzelpersonen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen religiösen Identität. Während die Syrien-Krise zu den konfessionellen Spannungen beitrug, verstärkten Handlungen der irakischen Regierung die sunnitisch-schiitischen Spannungen, statt diese zu reduzieren, was die fragile Stabilität des Landes bedroht und die Religionsfreiheit allgemein verschlechterte. Besonders der Entwurf für das Personenstandsrecht, das nur auf die schiitischen IrakerInnen angewendet würde, riskiert die Vertiefung der konfessionellen Gräben. (USCRIF 30.4.2014)
Trotz der verfassungsrechtlichen Gleichberechtigung leiden religiösen Minderheiten unter weitreichender faktischer Diskriminierung und Existenzgefährdung. Der irakische Staat kann den Schutz der Minderheiten nicht umfassend sicherstellen. Sie bleiben daher v.a. im Zusammenhang mit ihren Berufen Opfer von Entführungen und Anschlägen und sind bevorzugte Ziele von Al-Qaida-Anschlägen. In einigen Regionen bringen Islamisierungstendenzen eine wachsende Ausgrenzung von Angehörigen von Glaubensrichtungen, die nicht ausdrücklich unter dem Schutz der islamischen Religion stehen, mit sich. (AA 20.10.2013)
Seit 2003 griffen sunnitische bewaffnete Gruppen religiöse Minderheiten auf Basis ihrer religiösen Identität, ihrer (unterstellten) politischen Meinungen oder ihres sozialen Status/Berufs an. JesidInnen und Kaka'i, die oft als ethnische "KurdInnen" identifiziert werden, werden auch auf Basis ihrer (wahrgenommenen) kurdischen Ethnizität angegriffen. Als Folge anhaltender Angriffe auf religiöse Minderheiten, sanken deren Zahlen stark seit 2003. (UNHCR 31.05.2012) Die meisten Minderheiten leben in Gebieten, die die größte Gewalt seit 2003 erfahren und erfahren haben - besonders in Bagdad, Ninewa (Mossul und die Ninewah Ebene) und Kirkuk. Angriffe auf Mitglieder religiöser Minderheiten sind Berichten zufolge in den letzten drei Jahren im Steigen begriffen aufgrund vermehrter gezielter Angriffe durch bewaffnete Gruppen, besonders al-Qaida im Irak. Laut verschiedenen Berichten suchen besonders bewaffnete sunnitische Gruppen, religiöse Minderheiten im Land auszulöschen. Kleinere religiöse Minderheiten, besonders Nicht-Muslime, sind besonders verwundbar. (UNHCR 31.05.2012) Besonders gefährdet sind die Minderheiten weiterhin dadurch, dass sie vorrangig in den sog. "umstrittenen Gebieten" (zwischen Zentralirak und Kurdistan) leben. (AA 20.10.2013) In den dortigen Rückzugsgebieten der kleinsten Minderheiten stieg die Zahl der Anschläge. (USCRIF 30.4.2014)
Frauen, die zu Minderheiten gehören, sind wahrscheinlich der verwundbarste Teil der irakischen Gesellschaft und sind mit Gewalt und Diskriminierung durch eine Reihe von Akteuren aufgrund ihres Geschlechts und ihrer religiösen Zugehörigkeit konfrontiert. Ihre Bewegungsfreiheit und ihre Freiheit, ihre religiöse Identität durch ihre Kleidung auszudrücken, sind stark eingeschränkt durch die anhaltende Drohung von Gewalt und die wachsende religiöse Intoleranz. Dies wiederum schränkt ihren Zugang zur Gesundheitsversorgung, zu Arbeit und Bildung ein. (UNHCR 31.05.2012)
Die irakische Regierung hat sich wiederholt zur Wahrung der religiösen Vielfalt im Irak verpflichtet und öffentlich die Angriffe auf Minderheiten verurteilt, versprach den Opfern Kompensationen und die Strafverfolgung der Angreifer und erhöhte die Sicherheitsmaßnahmen an Orten der Religionsausübung. 2011 stellte die irakische Regierung Land und Geld für eine neue Kirche in Kirkuk zur Verfügung und der Repräsentantenrat schuf einen Minderheitenausschuss, welcher den Schullehrplan reformieren, Diskriminierung beseitigen und die Basisleistungen für Minderheiten verbessern soll. Trotz der Bemühungen der irakischen Regierung weisen Berichte darauf hin, dass Angriffe gegen religiöse Gruppen in Straflosigkeit münden. Die irakischen Sicherheitskräfte sind bedeutenden Risiken ausgesetzt, wenn sie zum Schutz von Minderheiten intervenieren. Mitglieder der Minderheiten sollen auch zögern, Drohungen oder Angriffe den Sicherheitskräften zu melden, weil sie fürchten, dass keine ordentliche Untersuchung stattfinden wird. (UNHCR 31.05.2012) Offiziell anerkannte Minderheiten, wie chaldäische und assyrische Christen sowie Jeziden, genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind jedoch im täglichen Leben, insbesondere außerhalb der Region Kurdistan, oft benachteiligt. (AA 20.10.2013)
Laut UNHCR bedürfen - abhängig von den besonderen Umständen des Falls - Mitglieder von religiösen Minderheiten im Zentral- und Südirak wahrscheinlich des internationalen Flüchtlingsschutzes aufgrund von ihrer Religion, (unterstellter) politischer Meinung oder Mitgliedschaft in einer besonderen sozialen Gruppe. (UNHCR 31.05.2012)
1.2.9. Bewegungsfreiheit
Hinweis: Dieser Abschnitt gibt die Lage vor Juni 2014 wider. Derzeit liegen noch keine allgemeineren Hinweise vor, wie sich die aktuellen Ereignisse auf die Bewegungsfreiheit im Irak allgemein und besonders beim Zugang zur Autonomieregion Kurdistan auswirken.
Irakische BürgerInnen benötigen eine Reihe von Dokumenten, um Zugang zu bestimmten öffentlichen Leistungen zu erhalten bzw. leichter zu erhalten. Nachfolgend wird bei der jeweiligen Provinz auf die Registrierung von internen Vertriebenen Bezug genommen. Diese kann Voraussetzung für eine Niederlassung sein, ist häufig aber ebenso wichtig für den Erhalt von Lebensmittelrationen, ohne die ein Großteil der Iraker nicht überleben würde. Eine Nichtregistrierung hat hauptsächlich den Ausschluss von staatlicher Unterstützung oder von sozialen Leistungen zur Folge. Hierzu gehören: keine Übertragung oder Anerkennung von Dokumenten, keine Versorgung mit Brennmaterial und keinen Zugang zu Arbeitsplätzen, keine Möglichkeit zur Miete oder zum Erwerb von Eigentum, keine Landzuteilung, Schwierigkeiten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung und Bildung. Die Zuzugs- und Niederlassungsmöglichkeiten sind zum Teil durch die örtlichen Verwaltungen oder auch auf Provinzebene eingeschränkt. Es gibt seit Anfang 2010 keine eindeutigen Angaben mehr zu Registrierungsvoraussetzungen der einzelnen Provinzen. Registrierungsvoraussetzungen nach 2008 können je nach Provinz die Vorlage einer Original Aufenthaltsgenehmigung, die Lebensmittelverteilungskarte (PDS Ration Card), die nationale Identitätskarte (Identity Card) oder ein Brief mit der Genehmigung von Gemeinderäten, Bürgermeistern, örtlicher Polizei oder dem Ministerium für Displacement und Migration sein. Nicht auszuschließen ist, dass eine Registrierung je nach religiöser, ethnischer oder Stammeszugehörigkeit versagt wird. (BAMF Juni 2011)
Der Registrierungsprozess ist mit einer Reihe von Herausforderungen für Binnenflüchtlinge verbunden, weil zur Erlangung der Registrierung verschiedene Bedingungen erfüllt werden müssen und der Prozess lokal unterschiedlich gehandhabt wird. Zu potentiellen Faktoren wie ethnischer oder konfessioneller Zugehörigkeit der AntragstellerInnen oder der Zugehörigkeit zu einem Stamm kommen unter Umständen noch praktische Hindernisse wie das nötige Geld für Reisen sowie Sicherheitserwägungen - vor allem für Frauen. (BAA Staatendokumentation 29.12.2011)
Das Gesetz erlaubt den Sicherheitskräften, die Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes einzuschränken: nach Ausstellung eines Haftbefehls, in Form einer Ausgangssperre, in Form eines Cordons zur Durchsuchung eines Gebiets oder zur Ergreifung anderer nötiger Sicherheitsmaßnahmen und militärischer Maßnahmen in Reaktion auf Sicherheitsbedrohungen und Angriffe. (USDOS 27.2.2014)
Es gab Berichte, dass Sicherheitskräfte in den umstrittenen Gebieten - inklusive Peshmerga und Mitgliedern der irakischen Armee - selektiv Regulierungen bezüglich der Aufenthaltsgenehmigungen durchsetzten, um Personen aus dem Gebiet unter ihrer Kontrolle zu entfernen. (USDOS 27.2.2014) Dazu kommen Bewegungseinschränkungen für die IDPs aus Anbar in Bagdad, Erbil, Karbala, Kirkuk und Niniwah. Berichten zufolge sollen "Sicherheitskräfte" in Dhi Qar im Süden des Landes IDPs aus Anbar den Zugang verwehren, außer wenn sie einen lokalen Sponsor in der Provinz haben. Manche Familien betraten die Provinz illegal und sind jetzt aus Angst vor Ausweisung aus der Provinz ständig unterwegs (IRIN 13.5.2014)
1.2.10. Medizinische Versorgung
Derzeit liegen noch keine verallgemeinerbare Informationen vor, wie sich die Sicherheitsentwicklungen auf die Verfügbarkeit und den Zugang zu medizinischer Versorgung auswirken. Der Fokus der Berichterstattung über das Gesundheitssystem liegt bei IDPs und Flüchtlingen aus Syrien und weniger bei einer allgemeinen Bestandaufnahme.
Trotz einiger Verbesserungen ist der Zugang zu Gesundheitsleistungen begrenzt und geographisch unausgeglichen mit einem starken Stadt-Land-Gefälle. 2009 gab es 1,3 Spitalsbetten auf 1000 Iraker. Auch wenn einige Basisgesundheitsleistungen von der Regierung zur Verfügung gestellt warden, so sind die Verfügbarkeit und die Qualität fraglich, zumal der Irak kein Gesundheitsversicherungssystem hat. (BTI 2014)
Fast ein Drittel der 1.809 öffentlichen Gesundheitszentren ist durch mangelnde Instandhaltung, Fehlen von Vorräten und von qualifizierten MitarbeiterInnen sowie durch unzureichenden Unterstützungsleistungen eingeschränkt. (IOM Dezember 2013)
Die medizinische Versorgungssituation bleibt daher angespannt: In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen. Zwar beträgt das Budget für das Gesundheitswesen inzwischen 10 % des nationalen Haushalts. Es mangelt aber, wie fast überall, an der raschen Umsetzung geplanter Investitionen, hinzu kommt die hohe Korruption. Viele Krankenhäuser sind nur mangelhaft mit Energie und Trinkwasser versorgt und leiden unter unzureichenden hygienischen Bedingungen, auch weil sie keinen geregelten Zugang zur Abwasser- und Müllentsorgung haben. (AA 20.10.2013, vgl. BAA Staatendokumentation 30.12.2011) Ein besonderes Problem stellt der Mangel an Hygiene dar, der zu einem erhöhtem Infektionsrisiko selbst bei relativ harmlosen Gesundheitsproblemen führen kann. (BAA Staatendokumentation 30.12.2011)
Ärzte bzw. medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Anschlägen. Dabei sind die Attentäter in der Lage, ihre Opfer sehr präzise auszuwählen und zu treffen. (AA 20.10.2013) Ein Gesetzentwurf, den das irakische Kabinett am 17.01.2010 verabschiedete, sollte Ärzte zur Rückkehr ermuntern und sah u.a. vor, dass sie künftig zum Selbstschutz Waffen bei sich tragen dürfen und vor Entschädigungsforderungen lokaler Stämme geschützt werden. (AA 17.01.2013)
Tendenziell ist die Situation in den Provinzhauptstädten Arbil, Dahuk und Sulaymaniyah besser, doch auch dort können komplizierte Behandlungen nicht immer vorgenommen werden. Die Einschätzung der Qualität der medizinischen Leistungen ist widersprüchlich - mit Ausnahme der sehr guten Augen- und Zahnmedizin. Der Zugang zu letzterer hängt jedoch von den finanziellen Möglichkeiten der PatientInnen ab. Verschiedene Gesundheitsindikatoren im Irak wie z. B. die Kindersterblichkeit zeigen eine Verbesserung in den letzten Jahren. Aber bei potentiell heilbaren Krebsarten lag 2011 die Heilungschance im Irak bei 10 bis 20 Prozent, während in anderen Ländern die Überlebenschancen bei über sechzig Prozent liegen können. Diese geringe Heilungsrate sowie das Ausmaß grundsätzlicher infrastruktureller Probleme wie die Wasserversorgung, die auch die Gesundheit der IrakerInnen außerhalb der Krankenhäuser beeinträchtigen, verdeutlichen den noch langen der Weg beim Wiederaufbau. (BAA Staatendokumentation 30.12.2011)
Besonders für Binnenflüchtlinge ist der Zugang zur Gesundheitsversorgung schwierig. (FCO 10.4.2014) Der Zugang zu medizinischen Einrichtungen ist noch immer für 26 Prozent vulnerabler IDPs, Rückkehrer und aufnehmende Gemeinden eine Priorität. In vulnerablen Gemeinden beeinflussen Sicherheitsbedenken die Reise zu medizinischer Versorgung. In Ninewah werden Angehörige der Minderheiten der Christen, Schabak und Jeziden davon abgehalten, medizinische Versorgung in Mossul zu erreichen. Sie sind gezwungen, für medizinische Versorgung nach Kurdistan zu fahren - auch in Notfällen, in denen die Versorgungsgeschwindigkeit wichtig ist. In vulnerablen Gemeinden und in abgelegenen, ländlichen Gebieten sind Frauen mit einem Mangel an Ärztinnen mit den Spezialrichtungen Gynäkologie und Geburtshilfe konfrontiert. Viele dieser Frauen haben kein Geld für Behandlungen in der nächsten Stadt und erhalten daher keine Versorgung für medizinische Probleme und Zugang zur Brustkrebskontrolle. (IOM Iraq (o.D./2012)
Spezialisten in mentaler Gesundheitsversorgung sowie psychiatrische Abteilungen stehen vulnerablen Gemeinden oft nicht zur Verfügung. (IOM Iraq (o.D./2012)
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
Einsicht in den Verwaltungsakt des Bundesasylamtes;
Verhandlung der Beschwerdesache;
Einsicht in die vom Beschwerdeführer vorgebrachten diversen medizinischen Unterlagen und in das psychiatrische und neurologische Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. XXXX;
Einsicht in die vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend Irak vom 20.06.2014);
Einsicht in die vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers in Vorlage gebrachten Stellungnahmen, Urkundenvorlagen und die darin enthaltenen Berichte und Dokumente;
Einsicht in die vom Beschwerdeführer bereits beim Bundesasylamt in Vorlage gebrachten Dokumente und Unterlagen (Ausweis des irakischen Gesundheitsministeriums; Bestätigung des irakischen Innenministeriums vom XXXX2010 mit der Nr. XXXX; irakischer Staatsbürgerschaftsnachweis vom XXXX2005; irakische Sterbeurkunde, ausgestellt am XXXX2011 betreffend XXXX; irakischer Personalausweis des Beschwerdeführers ausgestellt am XXXX2007;
Einsicht in ein umfangreiches Konvolut von diversen Schreiben des Beschwerdeführers unterschiedlichsten Inhaltes.
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Identität des Beschwerdeführers sowie hinsichtlich seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet und des Datums seiner Asylantragstellung in Österreich ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den familiären und privaten Verhältnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf dessen in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren.
Die Feststellung, dass ein Bruder des Beschwerdeführers namens XXXX am XXXX2011 infolge von Schusswunden am Kopf und an der Brust verstorben ist, ergibt sich aus der diesbezüglich in Vorlage gebrachten irakischen Sterbeurkunde vom XXXX2011.
Die Feststellung zur Berufstätigkeit des Beschwerdeführers beim Gesundheitsamt XXXX, war auf Grund der Eintragungen im Dienstausweis des Beschwerdeführers zu treffen (AS 299).
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers stützen sich auf das unbedenkliche Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Primarius Universitätsdozent Dr. XXXX vom 30.06.2014.
2.3. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:
2.3.1. Der Beschwerdeführer stützte die Begründung seines Antrages auf internationalen Schutz darauf, dass er wegen seiner Zugehörigkeit zur sunnitischen Religion im Zusammenhang mit seinem Wohnsitz in XXXX, einer vornehmlich von Schiiten bewohnten Stadt, diskriminiert und verfolgt worden sei. Da der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Familie in den Jahren 2005 bis 2008 in XXXX gelebt habe, sei er nach seiner Rückkehr nach XXXX verdächtigt worden, den sunnitischen Wahabismus in XXXX zu verbreiten. Der Beschwerdeführer sei auch immer wieder gefragt worden, weshalb er in XXXX leben würde, wo die meisten Schiiten seien. Ihm sei auch immer wieder - von nicht näher bezeichneten Personen - vorgeworfen worden, dass er als Sunnit in einer schiitischen Gegend leben würde.
An seiner Arbeitsstelle beim Gesundheitsamt in XXXX sei er von Kollegen nicht gegrüßt und als "Saddams Müll" bezeichnet worden, nur weil er Sunnit sei.
Am 14.07.2010 sei der Beschwerdeführer von Zivilpersonen festgenommen und sehr genau über seinen Aufenthalt in XXXX befragt worden. Der Beschwerdeführer sei vom XXXX2010 bis zum XXXX2010 im Gefängnis im XXXX angehalten worden. Nach Bezahlung einer Kaution i. H.v. irakischen Dinar 2.000.000 (entspricht ungefähr $ 2000) habe man den Beschwerdeführer freigelassen. Der Beschwerdeführer vermute deshalb, dass er im Irak gesucht werde.
Am XXXX2011 sei ein Bruder des Beschwerdeführers ermordet worden, weil er Sunnit sei.
Der Vater des Beschwerdeführers würde seit Oktober 2012 in einem - dem Beschwerdeführer unbekannten - staatlichen irakischen Gefängnis festgehalten werden, nur weil er Sunnit sei und in XXXX gelebt habe.
Dem Beschwerdeführer sei es auch nicht möglich, wieder nach XXXX zu gehen, da es sich bei den dortigen Sicherheitsbehörden ebenfalls um Schiiten handeln würde. Ebenso könne er sich nicht in einer sunnitisch dominierten Gegend im Irak niederlassen, weil er aus einer schiitischen Gegend stammt und deswegen befragt werden würde.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass dieses vom Bundesverwaltungsgericht nicht schlüssig nachvollzogen werden kann, da der Beschwerdeführer vorgebracht hat, dass er zwar von Zivilpersonen festgenommen, aber in einem staatlichen Gefängnis festgehalten worden sei. Diese Anhaltung sei dem Beschwerdeführer auch von Seiten des irakischen Innenministeriums bzw. von der Polizeidirektion in XXXX am XXXX2010 bestätigt worden (AS 305).
Der Beschwerdeführer stützte demnach die Begründung seines Antrages auf internationalen Schutz auf eine Verfolgung durch staatliche Behörden bzw. Sicherheitsbehörden des Irak wegen seiner Zugehörigkeit zur sunnitischen Religionsgemeinschaft.
Eine staatliche Verfolgung aus religiösen Gründen bzw. wegen der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur sunnitischen Religionsgemeinschaft kann aber vor dem Hintergrund der getroffenen Länderfeststellungen, insbesondere in Bezug auf die allgemein politische Situation im Irak (es sind sowohl Schiiten als auch Sunniten in der irakischen Regierung sowie im irakischen Parlament vertreten; bei den Sicherheitsbehörden und Gerichten bzw. beim Militär und bei der Polizei sowie bei den irakischen Behörden sind sowohl Schiiten als auch Sunniten beschäftigt) nicht nachvollzogen werden. Dieses Vorbringen ist vor allem auch deshalb nicht schlüssig nachvollziehbar, weil sich der Beschwerdeführer eindeutig darauf beruft, dass er einer staatlichen Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, nur weil er als Sunnit in XXXX gelebt habe und von 2005 bis 2008 in XXXX aufhältig gewesen sei.
Aus der Berichtslage den Irak betreffend geht zwar hervor, dass es immer wieder zu Übergriffen schiitischer Milizen auf Sunniten oder sunnitischer Milizen auf Schiiten kommt; dabei handelt es sich aber nicht um Übergriffe, die von staatlichen irakischen Organen verübt wurden oder werden, sondern um Übergriffe bzw. kriminelle Handlungen von Privatpersonen, die dem irakischen Staat nicht zuzurechnen sind.
Aber gerade auf solche Übergriffe durch schiitischen Milizen oder schiitische Privatpersonen nimmt das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht Bezug, sondern beruft er sich eindeutig darauf, dass er von staatlicher Seite bedroht, festgenommen, angehalten und gefoltert worden sei. Diese behauptete staatliche Verfolgung wurde auch durch die in Vorlage gebrachte Bestätigung des irakischen Innenministeriums vom XXXX2010 untermauert. Aus dieser Bestätigung geht hervor, dass der Vorgeladene (Name des Beschwerdeführers) am XXXX2010 zum Gefängnis zurückgekehrt und am Montag, den XXXX2010, durch Stellung einer Kaution freigelassen worden sei. Auf der Bestätigung findet sich der Stempel der Republik Irak und des Ministeriums für Inneres.
Dass der Beschwerdeführer alleine wegen seiner Zugehörigkeit zur sunnitischen Religionsgemeinschaft im Zusammenhang mit seinem Wohnsitz in XXXX und des Umstandes, dass er von 2005 bis 2008 in XXXX gelebt und dort eine Schule besucht hat, von staatlichen irakischen Behörden, Sicherheitsbehörden oder Gerichten zwei Monate lang in einem Gefängnis angehalten, befragt und gefoltert worden sei, und dass er deswegen zur Zeit von staatlichen Behörden im Irak gesucht werden würde, ist mangels Nachvollziehbarkeit nicht glaubhaft.
Ferner ist es auch aus diesen Gründen nicht glaubwürdig, dass der Vater des Beschwerdeführers seit Oktober 2012 in einem staatlichen irakischen Gefängnis, nur weil er als Sunnit in XXXX, einer schiitischen Stadt, gelebt habe, gefangen gehalten werde.
Diese Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes wird auch durch den Umstand gestützt, dass der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr aus XXXXim Jahr 2008 beim staatlichen Gesundheitsamt in XXXX als Lebensmittelkontrolleur eine Beschäftigung gefunden hat, obwohl er seine schulische Ausbildung in XXXX absolviert und dort drei Jahre lang gelebt hat und Sunnit ist.
Sofern der Beschwerdeführer von irakischen Sicherheitsbehörden wegen seines Aufenthaltes in XXXX verdächtigt worden sei, den sunnitischen Wahabismus in XXXX zu verbreiten bzw. in Verdacht geraten sei, strafbare Handlungen - auch mit religiösem Hintergrund - begangen zu haben oder solche strafbaren Handlungen zu begehen, ist auszuführen, dass diesbezüglich vom Bundesverwaltungsgericht keine staatliche Verfolgung im Sinne der GFK erkannt werden kann, sondern es sich bei diesem behördlichen Maßnahmen um gewöhnliche Akte der Strafrechtspflege handelt, die die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht zu tragen vermögen.
Des Weiteren wurde vom Beschwerdeführer vorgebracht, dass er von seinen schiitischen Arbeitskollegen diskriminiert worden sei, indem er nicht gegrüßt und als "Saddams Müll" bezeichnet worden sei. Dazu ist auszuführen, dass allgemeine Diskriminierungen, etwa soziale Ächtung, für sich genommen nicht die hinreichende Intensität für eine Asylgewährung aufweisen. Bestimmte Benachteiligungen (wie etwa allgemeine Geringschätzung durch die Bevölkerung, Schikanen, gewisse Behinderungen in der Öffentlichkeit) bis zur Erreichung einer Intensität, dass deshalb ein Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Heimatland als unerträglich anzusehen wäre (vgl VwGH 07.10.1995, 95/20/0080; 23.05.1995, 94/20/0808), sind hinzunehmen.
Dass ein Bruder des Beschwerdeführers namens XXXX am XXXX2011 infolge von Schusswunden am Kopf und an der Brust verstorben sei, wurde durch die Vorlage der diesbezüglichen Sterbeurkunde vom XXXX2011 glaubhaft gemacht. Aus dieser Sterbeurkunde geht aber nicht hervor, aus welchem Grund und von wem auf den Bruder des Beschwerdeführers geschossen wurde. Da weder der Täter noch das Motiv für das Schussattentat auf den Bruder des Beschwerdeführers bekannt sind, lässt sich daraus für den Beschwerdeführer nichts gewinnen, weshalb das diesbezügliche Vorbringen ins Leere geht.
Der Beurteilung durch das Bundesverwaltungsgericht, dass die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers mangels schlüssiger Nachvollziehbarkeit und der daraus resultierenden mangelnden Glaubwürdigkeit dem Verfahren nicht zugrundezulegen waren, steht auch nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer an einer akut behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung leidet und der Gutachter im Gutachten vom 30.06.2014 zum Schluss kommt, dass aus psychiatrischer Sicht anzunehmen sei, dass die widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers ihre Ursache in der psychischen Erkrankung hätten, sowie der Ansicht des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers, dass aufgrund der im genannten Gutachten erstellten Diagnose sich eine genauere Befragung des Beschwerdeführers als unmöglich erweisen würde und deswegen eine Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht erforderlich sei, da sich das Vorbringen des Beschwerdeführers in den Grundaussagen als nicht widersprüchlich erweist und sich die Kernaussagen des Beschwerdeführers sowohl bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes als auch bei der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde sowie bei den Befragungen im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht inhaltlich decken.
Sonstige Probleme - insbesondere mit staatlichen Behörden, der Polizei, dem Militär oder mit Gerichten - wurden vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht.
Mangels Glaubwürdigkeit der vom Beschwerdeführer behaupteten Verfolgung oder Gefährdung seiner Person mussten Feststellungen darüber unterbleiben.
Der Beschwerdeführer leidet laut dem hg. eingeholten Gutachten vom 30.06.2014 an einer akut behandlungsbedürftigen Erkrankung (depressive Episode, gegenwärtig schwer mit psychotischen Inhalten; Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung).
Diesbezüglich brachte der rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers vor, dass ein Verfolgungsgrund aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der psychisch schwer Erkrankten vorliegen und der Beschwerdeführer im Irak folgender Behandlung unterworfen werden würde:
"Der Beschwerdeführer müsste nach XXXX gelangen. Der Beschwerdeführer würde gemäß der vorgelegten Auskunft des IRB vom 25.11.2013 eine Wohnsitzkarte bzw. eine Karte der Rationierung der öffentlichen Versorgung benötigen. Um diese zu erlangen, würde er zahlreiche weitere Dokumente gemäß Seite 2 der Auskunft benötigen. Auf Seite 4 der Auskunft wird darauf verwiesen, dass eine Lebensmittelversorgung ohne diese Karten nicht möglich sei. Der Beschwerdeführer sei verhaltensauffällig, wie dies auch dem Gericht selbst bekannt sei. Es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass irakische Beamte/Organwalter, seien es Sunniten oder Schiiten, das Verhalten des Beschwerdeführers nicht als Ausdruck seiner Krankheit, sondern als Feindseligkeit wahrnehmen und ihn deswegen in asylrechtlich relevanter Weise willkürlich behandeln bzw. ihm zustehende Rechte verweigern würden, wie etwa Lebensmittel bzw. Gesundheitsversorgung."
Aufgrund dessen und unter Verweis auf Suren im Koran vermeinte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass in der Atmosphäre von Gewalt im Irak die irakische Bevölkerung den Beschwerdeführer aufgrund seiner psychischen Erkrankung willkürlich behandeln würde, seine Erkrankung aber auch als Strafe Gottes ansehen würde. Der Beschwerdeführer würde deswegen ausgegrenzt, diskriminiert und aus religiösen Gründen willkürlich behandelt und bestraft werden. Aus den zitierten Suren des Koran werde leider häufig geschlussfolgert, dass jede Erkrankung vor allem die psychischen, mit Sünde und mangelnder Standfestigkeit im Glauben zu tun haben. Psychisch kranke Menschen werden als unrein angesehen und als Sünder, so dass sie deswegen von ihrer Umgebung asylrechtlich relevant verfolgt werden und sie keinen Schutz von staatlichen Organen erwarten würden.
Zur Annahme des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers, es liege ein Verfolgungsgrund aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der psychisch schwer Erkrankten vor, ist grundsätzlich festzuhalten, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe als "Auffangtatbestand" in die GFK eingefügt wurde. Art 10 Abs. 1 lit. d StatusRL erläutert den Begriff der "bestimmten sozialen Gruppe" folgendermaßen: "Eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird."
Vor dem Hintergrund dieser Definition ist die Annahme, dass psychisch schwer erkrankte Personen Mitglieder einer sozialen Gruppe im Sinne des Art 10 Abs. 1 lit. d StatusRL seien und im gegenständlichen Fall ein Verfolgungsgrund wegen der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu einer sozialen Gruppe vorliegen würde, nicht tragfähig, da es sich bei der Erkrankung des Beschwerdeführers einerseits um kein angeborenes Merkmal handelt und andererseits die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers keinen Hintergrund bildet, der nicht verändert werden kann, zumal eine psychische Erkrankung durch eine entsprechende Behandlung gemildert oder geheilt werden könnte. Ebenso stellt die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers kein Merkmal oder eine Glaubensüberzeugung dar, die so bedeutsam für seine Identität oder sein Gewissen sind, sodass er nicht gezwungen werden sollte, auf sie (die psychische Erkrankung oder die Folgen oder Auswirkungen der psychischen Erkrankung) zu verzichten. In diesem Zusammenhang kann auch nicht festgestellt werden, dass psychisch schwer erkrankte Personen oder Personen, die an sonstigen schweren Erkrankungen leiden, im Irak eine deutlich abgegrenzte Identität haben würden, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet werden würden.
Insgesamt gesehen ist der Beschwerdeführer somit keiner asylrechtlich relevanten sozialen Gruppe zurechenbar und kommt daher die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten wegen der Mitgliedschaft des Beschwerdeführers in einer bestimmten sozialen Gruppe nicht zum Tragen.
Dass der Beschwerdeführer - wie vom rechtsfreundlichen Vertreter ausgeführt - im Falle einer Rückkehr in den Irak aufgrund seiner sunnitischen Glaubensrichtung und seiner psychischen Erkrankung, die von der irakischen Bevölkerung als Strafe Gottes angesehen werden würde, und aufgrund des damit im Zusammenhang stehenden - nicht näher umschriebene - Verhaltens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sowohl von Sunniten als auch von Schiiten in asylrechtlich relevanter Weise willkürlich behandelt und ihm zustehende Rechte (wie etwa Lebensmittel bzw. Gesundheitsversorgung oder die Ausstellung von Dokumenten) verweigert werden würden, findet weder in den getroffenen Feststellungen noch in den vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers diesbezüglich in Vorlage gebrachten Dokumenten und Berichten, insbesondere die Anfragebeantwortung von ACCORD vom 11.08.2014 betreffend die gesellschaftliche Stellung von Menschen mit psychischen Erkrankungen im Irak, eine Grundlage.
In diesen Berichten ist lediglich die Rede davon, dass Personen mit nicht näher bezeichneten Beeinträchtigungen einer Diskriminierung aufgrund gesellschaftlicher Stigmatisierung ausgesetzt seien und dass Mitarbeiter des psychischen Gesundheitswesens versuchen würden, gesellschaftlicher Stigmatisierung aufgrund psychischer Gesundheitsstörungen zu begegnen. Bei Menschen mit psychischen Erkrankungen werde (gemeint: von der Bevölkerung) eine Besessenheit angenommen. Dies sei eine Art von Stigmatisierung mit der die Menschen leben müssten. Das Bewusstsein hinsichtlich psychischer Gesundheitsprobleme habe sich jedoch in den vergangenen Jahren gebessert. Auch Ärzte die psychisch erkrankte Personen behandeln würden, würden in der Öffentlichkeit stigmatisiert und oftmals sehr negative öffentliche Aufmerksamkeit erfahren. Eine große Anzahl von Personen hätte laut einer Studie angegeben, dass der Kontakt mit psychisch Kranken vermieden werden sollte. Menschen die an einer psychischen Störung leiden würden, seien selbst Schuld daran.
Aus den diversen Berichten geht hervor, dass Personen die an nach außen hin erkennbaren Erkrankungen oder an schweren psychischen Erkrankungen leiden von Teilen der Bevölkerung in einer gewissen Weise stigmatisiert und auch diskriminiert werden. Aus der Berichtslage ist aber nicht ableitbar, dass Menschen, die an psychischen Erkrankungen oder an anderen sichtbaren Erkrankungen leiden, einer systematischen Verfolgung im Irak - durch wen auch immer - ausgesetzt seien.
Die vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers beschriebenen Risiken und Gefährdungen, denen der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak ausgesetzt sein würde, stellen somit nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes lediglich reine Vermutungen und - bei weitem überzogene - Mutmaßungen dar, denen im gegenständlichen Verfahren keine Beachtung zugemessen werden kann.
Sofern sich das Vorbringen mit der allgemeinen Lage im Irak, mit der Gesundheitsversorgung, mit der Zugänglichkeit zu medizinischer Behandlung, mit der Grundversorgung der Bevölkerung und ähnlichem befasst, ist an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass dem Beschwerdeführer mit gegenständlicher Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und aus diesem Grund auf diese Ausführungen nicht weiter einzugehen war.
Der Beschwerdeführer hat somit in einer Gesamtschau keine gegen ihn persönlich gerichtete asylrelevante Verfolgugnshandlungen glaubhaft gemacht. Das Bundesverwaltungsgericht ist aufgrund obiger Ausführungen zur Ansicht gelangt, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Verlassens des Iraks keiner asylrechtlich relevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt gewesen ist und besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass derartiges im Falle seiner Rückkehr in den Irak - auch im Hinblick auf die derzeitigen Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Terrororganisation Islamischer Staat - mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintreten könnte.
Im Übrigen ergibt sich aus den länderkundlichen Informationen zum Irak auch kein maßgeblicher Hinweis auf eine systematische Verfolgung der arabisch sunnitischen Bevölkerungsgruppe im gesamten irakischen Staatsgebiet und ist eine schwierige allgemeine Lage der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft oder Volksgruppe für sich allein nicht geeignet, die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorauszusetzende Bescheinigung einer konkret gegen den Asylwerber gerichteten drohenden Verfolgungshandlung darzutun. Die bloße Zugehörigkeit zur sunnitischen Religion bildet daher noch keinen ausreichenden Grund für die Asylgewährung (vgl. VwGH vom 31.01.2002, 2000/20/0358).
Zusammenfassend war daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt gegenständlichen Verfahrens eine aktuelle und individuelle asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht hat, weshalb ihm der Status eines Asylberechtigten nicht zuzuerkennen war.
Ferner wurde in der Beschwerde moniert, dass sich das Bundesasylamt nicht ausreichend mit dem persönlichen Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass mit dem Beschwerdeführer eine ausführliche Befragung durchgeführt wurden und der aufgrund dieser ausführlichen Befragung festgestellte Sachverhalt, die Beweiswürdigung und ausführliche Länderfeststellungen zum Irak ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid finden. Zudem blieb in der Beschwerde völlig offen, mit welchen Vorbringensteilen sich die belangte Behörde nicht ausreichend auseinandergesetzt habe.
2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die allgemeinen Feststellungen resultieren aus den behördlicherseits erhobenen Fakten aufgrund vorliegender Länderdokumentationsunterlagen. Die Länderfeststellungen basieren auf mannigfaltigen Quellen, denen keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann. Den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen wurde nicht in qualifizierter Form entgegengetreten.
Insoweit zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt wurden, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation vor dem Hintergrund des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht wesentlich geändert haben. Von den zuletzt stattgefundenen Vorkommnissen im Irak im Zusammenhang mit der Terroristengruppe IS ist der Beschwerdeführer nicht betroffen, da er aus XXXX - und nicht aus einem der von der Terroristengruppe IS besetzten Gebiete - stammt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 war das vorliegende Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende zu führen, zumal es mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängig war.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;
09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;
19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;
25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).
Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).
3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist.
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Eine gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgungsgefahr aus solchen Gründen wurde im gesamten Verfahren nicht glaubhaft gemacht.
Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu
§ 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).
Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).
3.3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gegeben sind, zumal anhand des in das Verfahren eingeführten psychiatrischen und neurologischen Gutachtens vom 30.06.2014 festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer an einer akut behandlungsbedürftigen Erkrankung leidet, wobei eine intensiv fachärztlich-psychiatrische Behandlung erforderlich ist. Da vor dem Hintergrund der derzeit im Irak zur Verfügung stehenden medizinischen Versorgung psychisch erkrankter Personen eine dauerhaft angelegte intensive fachärztlich-psychiatrische Behandlung des Beschwerdeführers im Irak nicht möglich erscheint, würde dies für den Beschwerdeführer bedeuten, dass er im Falle einer Rückkehr in den Irak einer Gefährdung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt sein würde, weshalb ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war.
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt für ein Jahr.
Da im gegenständlichen Fall die "zuerkennende Behörde" das Bundesverwaltungsgericht ist, ist dieses gehalten, dem Beschwerdeführer gleichzeitig mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auch eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der gesetzlich vorgesehenen Dauer zu erteilen.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Vor allem aber war die Entscheidungsfindung im gegenständlichen Fall nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängig, sondern von der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
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