BVwG W198 1427133-1

BVwGW198 1427133-118.6.2014

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W198.1427133.1.00

 

Spruch:

W198 1427133-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. SATTLER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.05.2012, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.05.2014 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste illegal am 22.12.2011 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 144/2013 (in der Folge: AsylG).

Am selben Tag fand vor einem Organ der Bundespolizei die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Der BF gab dabei an, dass er Afghanistan vor ca. 45 Tagen verlassen habe und über den Iran, die Türkei und Griechenland kommend bis nach Österreich gereist sei. Auf die Frage, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen habe (Fluchtgrund), antwortete der BF, dass er sich in ein Mädchen verliebt habe und bei dessen Eltern um seine Hand angehalten habe. Die Familie des Mädchens habe nicht zugestimmt. Aus diesem Grund hätten der BF und das Mädchen beschlossen, aus dem Dorf zu fliehen. Bei diesem Fluchtversuch seien die beiden vom Vater des Mädchens erwischt und angehalten worden. Der BF sei zur Polizei gebracht und angezeigt worden und in der Folge zwei Tage lang inhaftiert gewesen. Dann sei er freigekommen, nachdem sein Vater Geld bezahlt habe. Der Vater des BF habe den BF schließlich ins Ausland geschickt, weil er Angst vor der Familie des Mädchens gehabt habe. Befragt, was der BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätte, gab er an, dass er Angst um sein Leben hätte. Es sei eine Schande, wenn ein Mädchen ohne Erlaubnis der Eltern von zuhause weggehe und der BF sei an dieser Tat beteiligt gewesen.

In der Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Wien (im Folgenden: BAW), am 25.04.2012 führte der BF aus, dass er Afghanistan vor ca. einem halben Jahr verlassen habe. Die Eltern, mit denen der BF in telefonischem Kontakt stehe, sowie die Geschwister und ein Cousin des BF würden nach wie vor im Heimatdorf Tartar, Provinz Sar-e Pol leben. Der BF habe kurz vor seiner Ausreise geheiratet, seine Frau lebe ebenfalls in Tartar. Auf die Frage, ob es in der Heimat jemals ein Gerichtsverfahren gegen den BF gegeben habe, führte er aus, dass das nicht der Fall gewesen sei. Die Familie der Frau des BF habe jedoch vor der Hochzeit Anzeige gegen den BF erstattet, weil sie sich durch den Umstand, dass der BF und seine Frau schon vor der Hochzeit Kontakt gehabt hätten, in ihrer Ehre verletzt gefühlt habe. Der BF sei in der Folge eine Nacht lang in der Distriktpolizeistation gewesen, dann sei er wieder freigelassen worden. Zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates befragt, führte der BF aus, dass er ein Mädchen geliebt habe und es heiraten habe wollen. Am Anfang sei die Beziehung zur der Familie des Mädchens noch gut gewesen. Der BF habe um die Hand des Mädchens angehalten, doch die Familie des Mädchens sei gegen eine Hochzeit gewesen. Die Eltern hätten das Mädchen mit einem anderen Mann zwangsverheiraten wollen, woraufhin das Mädchen zum BF nachhause geflüchtet sei. Es sei in der Folge zu einer Ältestenversammlung gekommen, bei welcher entschieden worden sei, dass die Familie des BF, wenn sie das Mädchen behalten wolle, im Gegenzug ein Mädchen aus ihrer Familie hergeben müsse. Da die Familie des BF das nicht gewollt habe, sei es zu keiner Einigung gekommen und hätten die Eltern des Mädchens das Mädchen wieder mitgenommen. Die Ältesten hätten auch gemeint, dass das Mädchen nun nicht mehr zwangsverheiratet werden könnte, da es bereits mit dem BF verheiratet sei. Die Brüder und der Vater des Mädchens seien in der Folge hinter dem BF her gewesen und hätten ihn töten wollen. Eines Tages, als der BF am Heimweg von der Arbeit gewesen sei, hätten sie ihm aufgelauert. Der BF sei dann einen Umweg gegangen und habe seinem Vater von dem Vorfall erzählt, welcher schließlich gemeint habe, dass die Flucht der einzige Ausweg sei. Näher zu der Beziehung mit dem Mädchen befragt, brachte der BF vor, dass sie seit zwei Jahren diese Beziehung geführt hätten. Sie hätten sich drei oder vier Mal pro Woche getroffen. Die Familie des Mädchens habe von der Beziehung nicht gewusst. Aufgefordert, näher zu schildern, wie das abgelaufen sei, als das Mädchen zum BF nachhause gekommen sei, führte er aus, dass sie zu ihm gekommen sei und ihm erzählt habe, dass man sie gegen ihren Willen zwangsverheiraten habe wollen. Es sei dann zu der Ältestenversammlung gekommen, im Zuge derer der BF das Mädchen geheiratet habe, da dies die einzige Möglichkeit gewesen sei, die Ehre der Familie des Mädchens zu retten. Die Familie des Mädchens hätte die Heirat jedoch nur unter der Bedingung, dass sie im Gegenzug eine Schwester des BF bekomme, akzeptiert. Diese Bedingung sei für die Familie des BF aber inakzeptabel gewesen. Das Mädchen sei daher nach der Hochzeit zu seiner Familie zurückgekehrt. Nachgefragt, ob es einen konkreten Vorfall gegeben habe, bei dem man den BF töten habe wollen, gab der BF an, dass ihm drei Leute der gegnerischen Seite aufgelauert hätten. Der BF habe Angst gehabt, dass diese Leute ihn erwischen würden, wenn er auf dem normalen Weg heimgehe, deshalb sei er schließlich über Umwege nachhause gegangen. Weitere Vorfälle habe es nicht gegeben. Befragt, was der BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätte, gab er an, dass er Angst hätte, von der Familie des Mädchens oder von jener Familie, in welche das Mädchen einheiraten hätte sollen, getötet zu werden.

2. Das Bundesasylamt hat mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid, zugestellt am 15.05.2012, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.) und den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde begründete im angefochtenen Bescheid ihre abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das Vorbringen des BF aufgrund der widersprüchlichen, unplausiblen und nicht nachvollziehbaren Angaben nicht glaubhaft sei. So habe der BF beispielweise bei der Erstbefragung angegeben, dass er versucht habe, mit dem Mädchen zu fliehen, während er in der Einvernahme vor dem BAW vorgebracht habe, niemals einen Fluchtversuch unternommen zu haben. Zudem habe der BF einmal angegeben, dass die Beziehung zu der Familie des Mädchens anfangs gut gewesen sei, dann wiederum habe er widersprüchlich dazu vorgebracht, dass die Familie des Mädchens nie von der Beziehung gewusst habe. Die belangte Behörde führte noch weitere Unstimmigkeiten und Unplausibilitäten, die sich aus dem Vorbringen des BF ergeben würden, an und führte aus, dass der BF zudem eine Bedrohung seiner Person nur höchst vage und inhaltslos dargestellt habe. Der BF habe zu dem angeblichen Vorfall, bei welchem man ihm aufgelauert habe, nicht einmal ansatzweise eine substanzielle und plausible Darstellung abgeben können. In einer Gesamtschau sei die Fluchtgeschichte des BF in sich unschlüssig und voller Ungereimtheiten gewesen und habe der BF sein Vorbringen auf vage Behauptungen und Vermutungen gestützt. Der BF habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht. Es seien auch keine Gründe hervorgekommen, die eine Gewährung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. So sei der BF eine gesunde und arbeitsfähige Person, die in Gestalt ihrer Familie über ein soziales Netzwerk in Afghanistan verfüge. Es sei dem BF auch zumutbar, sich allenfalls in Kabul eine Existenz aufzubauen. Insgesamt sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in eine ausweglose Situation geraten würde, die eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK bedeuten würde.

3. Mit dem am 29.05.2012 beim Bundesasylamt eingebrachten und mit 29.05.2012 datierten Schriftsatz erhob der BF Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid. Darin wurde beantragt, eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, der Beschwerde stattzugeben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem BF Asyl gewährt oder in eventu der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde.

In der Beschwerde führte der BF aus, dass er den Bescheid wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhalts anfechte. So sei die belangte Behörde ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Dem BF sei nicht die Möglichkeit gegeben worden, die zahlreichen angeblichen Widersprüche aufzuklären. Die oberflächlich gehaltene Einvernahme und die fehlenden, tiefergehenden Fragestellungen hätten schließlich zu dem Umstand geführt, dass der belangten Behörde das Vorbringen des BF vage und inhaltslos erscheine. Der BF wiederholte in der Folge sein vor der belangten Behörde erstattetes Vorbringen und führte aus, dass die bei der Erstbefragung notierte Angabe, dass er und seine Frau bei einem Fluchtversuch erwischt und der Polizei übergeben worden seien, auf einen Übersetzungsfehler zurückzuführen sei, da dies nie geschehen sei. Der BF führte weiters aus, dass er nach der Eheschließung des Öfteren Opfer von Bedrohungen seitens der Familie seiner Frau geworden sei. Einerseits indirekt über Freunde, denen gesagt worden sei, dass sie den BF suchen und töten sollten und andererseits sei dem BF immer wieder aufgelauert worden. Der BF habe auch bemerkt, dass diese Leute teilweise Waffen bei sich gehabt hätten. Zu einem lebensbedrohlichen Schusswechsel sei es zum Glück nie gekommen, da der BF stets sehr vorsichtig gewesen sei. Er habe sich nicht mehr frei bewegen können und habe ständig auf der Hut sein müssen. Aufgrund dieser Vorfälle habe der Vater des BF beschlossen, den BF wegzuschicken. Der BF befürchte somit Verfolgung aus Gründen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie. Der BF werde verfolgt, weil er einem anderen Familienstamm angehöre als seine Frau und hätte im Falle der Rückkehr mit Verfolgungshandlungen von Seiten der Verwandtschaft seiner Frau zu rechnen. Zudem seien die afghanischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage, dem BF Schutz zu gebieten. Zu Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides (Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz) werde ausgeführt, dass sich die von der belangten Behörde getroffenen Länderfeststellungen größtenteils auf nicht aktuelle Quellen stützen würden. Der BF verwies in der Folge auf diverse Berichte zur Sicherheitslage in Afghanistan und führte aus, dass die Sicherheitslage so schlecht sei, dass im Falle der Rückkehr eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK drohen würde. Zu seiner persönlichen Situation im Falle der Rückkehr bringe der BF vor, dass er nicht in seine Heimatregion zurückkehren könnte, er in anderen Regionen jedoch keine Verwandten habe. Der BF kenne sich außerhalb seines Heimatdorfes nicht aus und wüsste nicht, wohin er gehen sollte. Außerdem fehle dem BF jede finanzielle Grundlage. Er würde im Falle einer Rückkehr aufgrund seiner persönlichen Umstände, nämlich der fehlenden Verfügbarkeit eines sozialen Netzes, dem gefährlichen Reiseweg von Kabul in die Provinz Sar-e Pol sowie der mangels Kontakte nicht vorhandenen Möglichkeit in Kabul Arbeit und Wohnung zu finden, in eine Art. 2 und 3 EMRK widerstreitende Lage geraten. Besonders die 17-stündige Reise von Kabul in das Heimatdorf des BF würde eine definitive Bedrohung seiner Sicherheit darstellen. Des Weiteren sei der BF Angehöriger der usbekischen Volksgemeinschaft, die in Afghanistan eine Minderheit darstelle, welche in einem schwerwiegenden Konflikt mit den Taliban liege. Im Heimatdorf des BF gebe es eine starke Präsenz der Taliban. Der Schwager des BF sei bereits von den Taliban getötet und sein Vater bedroht worden. Dieser Umstand sei jedenfalls ein Mitgrund für die Entscheidung des BF zur Flucht gewesen.

Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Asylgerichtshof am 11.06.2012 vom Bundesasylamt vorgelegt.

4. Mit der am 02.08.2012 beim Asylgerichtshof eingelangten und mit 31.07.2012 datierten Eingabe übermittelte der BF eine Deutschkursbestätigung vom 24.07.2012, eine Kopie seiner Tazkira, eine Kopie der behördlichen Bestätigung in Dari über das Problem sowie eine beglaubigte Übersetzung der behördlichen Bestätigung.

5. Mit dem am 10.12.2012 beim Asylgerichtshof eingelangten und mit 09.12.2012 datierten Schriftsatz des damaligen rechtsfreundlichen Vertreters des BF wurde ausgeführt, dass der Bruder des BF während der Taliban-Herrschaft mit den Taliban zusammengearbeitet habe. Nach dem Sturz der Talibanregierung sei dieser zunächst nach Pakistan gegangen, dann wieder in die Heimat zurückgekehrt und schließlich nach Saudi-Arabien geflüchtet. Der BF mache als zusätzlichen Fluchtgrund geltend, dass er wegen der Aktivitäten seines Bruders für die Taliban im Falle der Rückkehr nach Afghanistan asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt wäre. Dem Schriftsatz wurde die Kopie eines Briefes des Bruders des BF samt Übersetzung ins Deutsche beigelegt.

6. Mit der am 14.08.2013 beim Asylgerichtshof eingelangten Eingabe übermittelte der BF zwei Deutschkursbestätigung vom 24.07.2012 und 24.11.2012 sowie die Kopie seiner Geburtsurkunde von der afghanischen Botschaft in Wien.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der gegenständlichen Rechtssache am 16.05.2014 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF persönlich teilnahm. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) nahm an der Verhandlung nicht teil.

In der Verhandlung wurde vom BF im Wesentlichen ausgeführt:

[...]

R: Mit OZ 9 gibt RA XXXX, ihr ehemaliger Rechtsvertreter bekannt, dass das Vollmachtsverhältnis aufgelöst wurde. Gibt es dafür irgendeinen spezifischen Grund?

BF: Ja. Ich konnte mir die Kosten nicht mehr leisten. Ich hatte nicht genügend Geld.

Auf Frage des R nach seinem heutigen Familienstand gibt der Beschwerdeführer an, dass er verlobt sei und keine Kinder hätte.

R: Bisher haben Sie immer angegeben, dass Sie verheiratet seien. Was ist jetzt richtig?

BF: Ich meine damit, dass unsere Ehe nach islamischem Recht bereits geschlossen ist. Ich habe auch die Ehe vollzogen, aber unser

Hochzeitsfest ist noch nicht gefeiert. Das heißt: Solange man das Hochzeitsfest nicht gefeiert und die Frau nicht nach Hause geholt hat, ist man nicht verheiratet. So ist das in Afghanistan. Meine Ehefrau lebt bei ihren Eltern.

R: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Verlobten?

BF: Ja, das letzte Mal vor ca. sechs Monaten.

R: Wann hatten Sie zuletzt Kontakt zu Ihrer Verlobten und in welcher Form?

BF: Vor ca. sechs Monaten. Telefonisch erfolgte der Kontakt.

R: Wo lebt Ihre Verlobte gegenwärtig?

BF: In ihrem Dorf Tatar.

R: Lebt Ihre Verlobte bei ihrer Familie?

BF: Sie lebt bei ihren Eltern zu Hause.

R: Wie lange vor Ihrer Flucht kannten Sie Ihre Verlobte schon?

BF: Ca. 2 Jahre vor meiner Ausreise kannte ich sie schon. Jetzt bin ich seit ca. zweieinhalb Jahren hier in Österreich.

R: Wusste die Familie Ihrer Verlobten von der Beziehung? Wann wurde Ihre Beziehung bekannt? (Vorhalt AS 29, 75, 147).

BF: Ja, meine Familie wusste davon.

R wiederholt die Frage.

BF: Am Anfang nicht. Als wir noch befreundet waren, wusste ihre Familie davon nichts.

R: War die Familie Ihrer Verlobten oder der Ältestenrat gegen Ihre Hochzeit?

BF: Nein. Die Weißbärtigen wollten uns helfen, damit wir gemeinsam leben können. Sie haben versucht, eine Lösung für das Problem zu finden.

VR: Sind die Weißbärtigen der Ältestenrat?

BF: Ja, die Weißbärtigen aus dem Dorf, werden auch als Ältestenrat bezeichnet. Dort, wo wir leben, in unserer Ortschaft, sind ca. 500 Häuser.

R: Unter welche Bedingung hätte es eine Zustimmung zu Ihrer Hochzeit gegeben? (Vorhalt AS: 77).

BF: Unsere Familie kannte einander auch. Ich war ca. 2 Jahre mit diesem Mädchen befreundet. Als meine Familie um ihre Hand anhielt, sagte ihre Familie, dass sie das Mädchen nicht mit mir, sondern mit jemandem aus ihrer Verwandtschaft verheiraten wollen. Da da Mädchen es nicht wollte und mich liebte, ist sie von zu Hause weggelaufen und zu uns nach Hause gekommen. Da begann dann das Problem.

R: Trotz dieser Widerstände haben Sie bis jetzt immer angegeben, dass es zu einer Hochzeit gekommen ist?

BF: Ja, das ist richtig. Wir sind nach islamischem Recht verheiratet. Ich war mit diesem Mädchen auch intim. Das heißt, sie ist keine Jungfrau mehr. Nur das Hochzeitsfest haben wir nicht gefeiert. Da unsere Ehe geschlossen ist, sind wir verheiratet.

R: Nach islamischem Recht sind Sie verheiratet?

BF: Ja. Nur das Fest ist nicht gefeiert, deshalb sagte ich, dass ich verlobt sei.

R: Wenn Sie ursprünglich gesagt haben, dass Sie verlobt seien, meinten Sie eigentlich, dass Sie verheiratet sind. Ist das richtig?

BF: Ja. Das Gleiche meine ich, was ich zuvor gesagt habe. Die Ehe ist geschlossen und vollzogen, nur das Fest ist nicht gefeiert.

R: Gab es einen konkreten Vorfall, bei dem Sie wegen Ihrer Eheschließung bedroht worden sind? Können Sie den Vorfall genau beschreiben? (Vorhalt AS 79).

BF: Nachdem das Mädchen von zu Hause weggelaufen und bei uns war, fühlte sich ihr Vater sehr gekränkt und hat gegen uns eine Anzeige bei der Polizei erstattet. Meine Eltern sagten auch diesem Mädchen, dass sie zurück nach Hause gehen soll, aber das Mädchen wollte das nicht. Dann war die Polizei bei uns zu Hause und nahm meinen Vater und mich mit. Wir waren 1-2 Tage bei der Polizei. Nach unserer Freilassung waren wir wieder in unserem Dorf.

R wiederholt die Frage.

BF: Ich habe immer das Gleiche erzählt. Was meinen Sie damit.

R: Sie haben am 25. April 2012 bei Ihrer Einvernahme erklärt, dass Sie auf Grund Ihrer Hochzeit bedroht worden seien. Was ist vorgefallen?

BF: Ich wurde von der Familie meiner Ehefrau bedroht. Mir wurde gesagt, dass ich ihre familiäre Ehre beschmutzt hätte. Dann war ich 15 Tage in Afghanistan.

R: Als ich von der Arbeit nach Hause unterwegs war, sah ich sie auf mich lauern. Deswegen bin ich über Umwege nach Hause geflüchtet, damit ich nicht erwischt werde, dies sagten Sie bei einer früheren Einvernahme. Wer hat auf Sie gelauert? Konnten Sie die Leute erkennen?

BF: Ich konnte die Leute erkennen. Das waren Leute aus ihrer Familie. Dann erzählte ich davon meinem Vater, dass ich verfolgt werde. Da ich von ihrer Familie verfolgt wurde, konnte ich nicht mehr ohne Angst von der Arbeit nach Hause kommen. Ich erzählte das meinem Vater. Mein Vater sagte mir, dass ich nicht mehr dort leben könne. Ich soll das Land verlassen.

R: Ich möchte wissen, ob Sie bedroht wurden.

BF: Ja.

R: Bitte beschreiben Sie diesen Vorfall.

BF: Ihre Familie meinte, dass ich ihre familiäre Ehre beschmutzt hätte. Wie ich vorhin erzählte, war ich ca. zwei Jahre lang mit diesem Mädchen befreundet. Nachdem ich von ihrer Familie verfolgt war, erzählte ich das meinem Vater, er sagte, dass ich das Land verlassen soll.

R: Drei Leute haben auf Sie gelauert. Konnten Sie diese Leute erkennen? Das haben Sie beim BFA erzählt.

BF: Das waren drei Personen aus der Familie meiner Ehefrau.

R: Plötzlich können Sie diese erkennen?

BF: Ich meinte damals, dass ich sie nicht namentlich kannte. Es waren Verwandte aus ihrer Familie, die auch in unserem Dorf lebten.

R: Können Sie irgendwelche Heiratsdokumente vorlegen?

BF: Bei uns ist es anders. Es kommt ein Mullah. Es sollen auch ein paar Zeugen von beiden Seiten anwesend sein. In unserem Fall war das anders. Das Mädchen ist von zu Hause weggelaufen und ist zu uns gekommen. Dann hat ein Mullah unsere Ehe geschlossen. Darüber gibt es keine Urkunde. Der Mullah schließt die Ehe und betet mündlich.

R: Bei dieser Zeremonie vom Mullah war Ihre Familie oder die Familie Ihrer Frau anwesend?

BF: Ja, bei unserer Eheschließung war sowohl meine Familie, als auch die Eltern dieses Mädchens anwesend, obwohl sie dagegen waren, dass unsere Ehe geschlossen wurde. Da das Mädchen nicht bereit war, unser Haus zu verlassen, waren ihre Eltern gezwungenermaßen bei dieser Eheschließung dabei. Ich hatte Probleme wegen meiner Eheschließung bekommen. Wir liebten uns.

R: Ist Ihre Frau nach Ihrer Eheschließung freiwillig wieder zu ihren Eltern zurückgekehrt? (Vorhalt, AS 79, AS 29).

BF: Ja. Nach unserer Eheschließung ist das Mädchen mit ihren Eltern nach Hause gegangen. Vor der Eheschließung war das Mädchen nicht bereit, mit ihnen mitzugehen. Ihre Familie wollte dann, dass meine sehr junge Schwester in ihrer Familie verheiratet wird. Wir wollten das nicht. Meine Eltern waren auch nicht bereit, das Leben meiner Schwester meinetwegen zu zerstören.

R: In Ihrer ersten Einvernahme am 22.12.2011 haben Sie angegeben, dass Sie mit dem Mädchen gemeinsam auf der Flucht gewesen seien und dabei vom Vater des Mädchens erwischt worden wären (Vorhalt AS 29). Was ist dann weiter passiert, nachdem Sie erwischt worden sind?

BF: Das Mädchen ist von zu Hause geflohen und zu uns gekommen. Dann wollte sie mit mir das Dorf verlassen und woanders leben. Bevor es dazu gekommen ist, ist ihr Vater zu uns nach Hause gekommen, weil er erfahren hatte, dass das Mädchen bei uns ist.

R: Wie heißt Ihre Frau?

BF: XXXX.

R: Bei Ihrer 1. Einvernahme haben Sie angegeben: "Wir wurden bei unserem Fluchtversuch von ihrem Vater erwischt und angehalten". Stimmt das?

BF: Nein, das stimmt nicht. Bevor wir geflohen sind, wurden wir von ihrem Vater gestoppt.

R: Ein Fluchtversuch ist keine Flucht, sondern ein Versuch.

BF: Ja.

R: Dann sind Sie zur Polizei gebracht worden?

BF: Ja. Ihre Fragen sind so durcheinander. Wenn Sie Zeit geben, dass ich von Anfang an alles erzähle, dann tue ich mir leichter.

R bestimmt die Reihenfolge der Fragen.

R: Nennen Sie Ihre Staatsangehörigkeit.

BF: Afghanistan.

R: Nennen Sie die Volksgruppe und Konfession, der Sie angehören.

BF: Ich gehöre der Volksgruppe der Usbeken und gehöre der islamischen Glaubensgemeinschaft (Moslem/Sunnit) an.

R: Wovon leben Sie hier in Österreich?

BF: Von der Bundesbetreuung.

R: Wo haben Sie in Afghanistan zuletzt gewohnt? Geben Sie bitte die genaue Adresse an.

BF: Provinz: Sar - e - Pul, Distrikt: Gosfandi, Dorf: Tatar.

R: Wie viele Einwohner hat das Dorf Tatar?

BF: Ca. 500 Häuser.

R: Wie viele Leute sind das?

BF: Das kann ich leider nicht sagen. In jedem Haus wohnen acht bis neun Personen.

R: Lebt noch jemand von Ihrer Familie an dieser Adresse? Wenn ja, wer?

BF: Meine Eltern, meine 2 Schwestern und meine 2 Brüder. 1 Bruder von mir lebt in Saudi-Arabien. 2 andere Schwestern von mir sind bereits verheiratet. Ich habe insgesamt 4 Schwestern und 3 Brüder.

R: Haben Sie jemals an einer anderen Adresse im Herkunftsstaat gelebt, gewohnt oder sich versteckt, auch im Rahmen der Flucht oder auf Grund Ihrer Fluchtgründe?

BF: Nein. Nirgendwo. Ich habe mich immer in diesem Dorf aufgehalten. Am Basar habe ich als Schweißer gearbeitet.

R: Sie haben als Schweißer eine Berufsausbildung?

BF: Ja.

Befragt gibt der BF an, dass er auch in Österreich eine Ausbildung als Schweißer absolvieren möchte und auch hier in Österreich als Schweißer tätig sein möchte.

R: Haben Sie noch Kontakt zu Verwandten in Afghanistan? Wenn ja, wann und in welcher Form erfolgte der letzte Kontakt?

BF: Ja. Vor ein paar Tagen gab es ein Unwetter. Vielleicht haben Sie das auch im Fernsehen gesehen. Es gab Hochwasser in der Provinz Sar-e Pol. Da habe ich mit meiner Familie gesprochen. Ich habe telefoniert.

R: Wo leben Ihren Verwandten in Afghanistan?

BF: Meine gesamte Familie lebt in Tatar. Ein Bruder lebt in Saudi-Arabien. Meine 2 verheirateten Schwestern leben im Dorf Tatar bzw. in einem anderen Dorf.

R: Leben Verwandte von Ihnen außerhalb Afghanistans? Wenn ja, wo?

BF: Nein, niemand. Nur mein Bruder ist in Saudi-Arabien.

R: Haben Sie Verwandte in Österreich?

BF: Nein.

R: War das, was Sie heute erzählt haben, dass Sie wegen der Eheschließung mit dem Mädchen bedroht worden sind, ihr konkreter Fluchtgrund? (Ehre eine anderen Stammes verletzt?)

BF: Ja, das war mein eigener Fluchtgrund. Nur von meinem Bruder habe ich das bis jetzt nicht erzählt.

R: Davon, dass ihr Bruder für die Taliban gekämpft hätte, und das Sie wegen dessen Aktivitäten im Falle Ihrer Rückkehr einer Verfolgung ausgesetzt sind, haben Sie weder bei der Einvernahme durch die Polizei am 22.12.2011 noch bei Ihren Einvernahme am 25.4. 2012 etwas erwähnt. Auch in der Beschwerde haben Sie davon nichts erwähnt. Sie haben davon erstmals in der Eingabe (OZ 3) ihres damaligen Rechtsvertreters, RA XXXX, am 9.12.2012 etwas vorgebracht. Warum haben Sie das nicht bei den zahlreichen vorherigen Möglichkeiten vorgebracht?

BF: Ich wurde darüber nicht gefragt. Ich habe nur gesagt, dass mein Bruder in Saudi-Arabien ist.

R: Sie wurden mehrmals zu den Fluchtgründen befragt.

BF: Ja, da ich Probleme wegen dieses Mädchens bekommen habe, habe ich nur das Problem erwähnt.

R verliest die Beschwerdeschrift, sowie das Vorbringen in OZ 3.

BF: Ja, das stimmt, dass ich in meiner Einvernahme darüber nicht erzählt habe. Wegen der Arbeit meines Bruders hatten wir schon ein wenig Probleme mit Menschen dort. Davon habe ich in keiner Einvernahme erzählt.

R: Haben Sie zum Bruder in Saudi-Arabien Kontakt?

BF: Ja, telefonischen Kontakt.

R: Wie geht es Ihrem Bruder in Saudi-Arabien?

BF: Gut. Er lebt dort.

R: Was befürchten Sie, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?

BF: Ich habe Angst vor Verwandten meiner Ehefrau. Sie fühlen sich in ihrer familiären Ehre gekränkt.

R: Wie ist es Ihnen gelungen, Afghanistan zu verlassen?

BF: Mein Vater hat mir einen Schlepper organisiert. Ich selbst kannte mich nicht so gut aus.

R: Mit einem Schlepper sind Sie über verschiedene Länder nach Österreich gelangt?

BF: Ja. Ich war ca. 45 Tage lang von Afghanistan bis hierher unterwegs. Auf dieser Reise habe ich viel durchgemacht.

R: Wie war das mit dem Hungerstreik (Vorhalt OZ 6). Haben Sie daran teilgenommen?

BF: Nein. Ich habe mich daran nicht beteiligt. Das waren die Syrer. Ich habe schon gegessen. Ich habe damals gesagt, dass ich Bescheid wissen möchte. Sonst habe ich mit dem Pensionsbesitzer kein Problem.

R: Haben Sie weitere Beweisanträge?

BF: Ich möchte ein paar Unterlagen vorlegen.

R: Haben Sie das schon früher vorgelegt?

BF: Das sind neue Unterlagen.

Vorgelegt werden:

o) Rechnung/Kurskarte Re-Nr. XXXX (Beilage C)

o) Anmeldebestätigung der VHS XXXX vom 24.07.2012 (Beilage D)

o) Anmeldebstätigung der VHS XXXX vom 30.11.2012 (Beilage E)

o) Rechnung/Kurskarte Re-Nr. XXXX (Beilage F)

o) Anmeldebestätigung der VHS XXXX vom 18.04.2012 (Beilage G)

o) Empfehlungsschreiben der Trafik-Gasthaus XXXX vom 08.05.2014 (Beilage H)

o) Bestätigung der Burgenländischen Volkshochschulen vom 07. April 2014 (Beilage I)

o) Bestätigung vom 16. April 2014 (Beilage J)

o) Wohnsitzbestätigung der Marktgemeinde XXXX vom 14. Mai 2014 (Beilage K).

BF: Ich arbeite auch für die Freiwillige Feuerwehr in XXXX. Ich wollte eine Bestätigung mitnehmen, aber der Chef war nicht da.

[...]

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Feststellungen zur Person des BF:

Der BF heißt XXXX im Dorf Tartar, Distrikt Gosfandi, Provinz Sar-e Pol (Afghanistan) geboren. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Usbeken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensgemeinschaft des Islam. Die Muttersprache des BF ist Usbekisch.

Der BF gab zuletzt an, nach islamischem Recht verheiratet zu sein. Der BF wuchs in seinem Heimatdorf in der Provinz Sar-e Pol auf und lebte dort bis zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus Afghanistan. Der BF hat in der Heimat vier Jahre lang die Schule besucht und eine Berufsausbildung als Schweißer absolviert. Die Eltern, sechs Geschwister sowie die Frau des BF leben nach wie vor in Afghanistan.

Der BF hat bereits mehrere Deutschkurse besucht (Übungskurs Basisbildung und Deutsch mit MigrantInnen von 11.04.2012 bis 16.05.2012, Basisbildung Deutsch als Zweitsprache 1-2 von 24.04.2012 bis 27.07.2012, Basisbildung Deutsch als Zweitsprache 3 von 11.09.2012 bis 18.12.2012). Weiters nimmt der BF seit 12.06.2013 regelmäßig am Deutschunterricht in der Flüchtlingsunterkunft in Redlschlag teil. Der BF hat die Aufnahme für das Nachholen des Pflichtschulabschlusses auf der Niveaustufe Deutsch A2, Mathematik 7-8 Schulstufe und Englisch Niveaustufe A2 bestanden und wird im September 2014 mit dem Vorbereitungslehrgang zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses bei den Burgenländischen Volkshochschulen beginnen. Der BF arbeitet auch für die Freiwillige Feuerwehr in Redlschlag. Zudem ist der BF seinem Unterkunftsgeber bei diversen Arbeiten, wie zum Beispiel bei der Instandhaltung des Gebäudes, behilflich. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF verließ seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuletzt im Herbst 2011 und reiste von dort in den Iran. Der BF reiste schließlich am 22.12.2011 über die Türkei und Griechenland kommend unrechtmäßig und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein.

1.2. Feststellungen zum Fluchtgrund

Der BF ist in seinem Herkunftsstaat weder vorbestraft noch wurde er jemals inhaftiert und hatte auch mit den Behörden des Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der BF war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an.

Ein konkreter Anlass für das Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist.

1.3. Feststellungen zum Herkunftsstaat

Der allgemeine Vorhalt Afghanistan mit Stand November 2013 des vormaligen Asylgerichtshofes sowie der ANSO-Quarterly Data Report, Q. 1 2013 werden aufgrund der Hinzunahme zum Gerichtsakt in der Verhandlung vom 16.05.2014 diesem Erkenntnis zur Darstellung der aktuellen Lage zugrunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des Bundesasylamtes, des Asylgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum und Geburtsort), zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und zur Religionszugehörigkeit, zur Herkunft sowie zu den Lebensumständen des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den vom Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde und auch später nicht entgegengetreten wurde, auf den Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der vorgelegten afghanischen Geburtsurkunde, an deren Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind, sowie auf der Kenntnis und Verwendung der Sprache Usbekisch und auf der Kenntnis der geografischen Gegebenheiten Afghanistans.

Die Feststellung hinsichtlich des Besuchs mehrerer Deutschkurse beruht auf den vom BF im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Kursbestätigungen vom 18.04.2012, vom 24.07.2012, vom 30.11.2012 sowie vom 16.04.2014, an deren Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel entstanden sind. Die Feststellung hinsichtlich der Nachholung des Pflichtschulabschlusses beruht auf der Bestätigung der Burgenländischen Volkshochschulen vom 07.04.2014.

Die Feststellungen zur Ausreise des BF aus Afghanistan, zur weiteren Reiseroute sowie zur unrechtmäßigen und schlepperunterstützten Einreise in Österreich stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF sowie hinsichtlich der unrechtmäßigen Einreise in Österreich auf die Tatsache, dass der BF in Umgehung der die Einreise regelnden Vorschriften ohne die erforderlichen Dokumente in Österreich einreiste.

2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht auf den Angaben des BF in der Erstbefragung und in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt sowie auf den Ausführungen in der Beschwerde und der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 16.05.2014.

Aus einer Gesamtschau der oben angeführten Angaben des BF im gesamten Verfahren ergibt sich jedoch, dass der BF im gesamten Verfahren trotz der zahlreichen Gelegenheiten nicht imstande war, eine im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bestehende Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Es konnte weder eine konkret gegen die Person des BF gerichtete Verfolgungsgefahr festgestellt werden, noch sind im Verfahren sonst Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung im Herkunftsstaat in ausreichendem Maße für wahrscheinlich erscheinen lassen hätten.

Der BF brachte im Verfahren vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zwar übereinstimmend die Verfolgung durch die Angehörigen jenes Mädchens, mit dem der BF eine Beziehung gehabt habe, als Fluchtgrund vor, vermochte dabei aber nicht, im Rahmen des behaupteten Sachverhaltes ausreichend substanziierte, widerspruchsfreie und plausible und damit auch insgesamt als glaubhaft zu bewertende Angaben zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und zu seiner Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat zu machen.

So ist zunächst festzuhalten, dass der BF teilweise widersprüchliche und untimmige Angaben zu den konkreten Umständen der Beziehung mit dem Mädchen sowie den daraus resultierenden Vorkommnissen tätigte. Zunächst gab der BF bei der Erstbefragung an, dass er gemeinsam mit dem Mädchen einen Fluchtversuch aus dem Dorf unternommen habe, sie vom Vater des Mädchens jedoch erwischt worden seien und der BF zur Polizei gebracht worden sei. In der Einvernahme vor dem BAW erwähnte der BF einen gemeinsamen Fluchtversuch nicht einmal im Ansatz, sondern führte er widersprüchlich dazu aus, dass das Mädchen zum BF nachhause geflüchtet sei. In der Beschwerde brachte der BF dazu vor, dass dieser Widerspruch auf einen Übersetzungfehler bei der Erstbefragung zurückzuführen sei. Dieser Rechtfertigungsversuch vermag allerdings nicht zu überzeugen, zumal der BF das Protokoll der Erstbefragung nach der Rückübersetzung eigenhändig unterschrieben hat und auch die Frage, ob es Verständigungsprobleme gegeben habe, von ihm dezidert verneint wurde. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht konnte der BF diesem Widerspruch nicht substanziiert entgegentreten.

Bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer möglichen Verfolgungsgefahr des BF in Afghanistan ist des Weiteren der Umstand zu berücksichtigen, dass der BF zu den angeblichen Bedrohungen bzw. Verfolgungshandlungen nur äußerst vage und oberflächliche Angaben tätigte und weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht irgendwelche konkreten Verfolgungshandlungen oder Übergriffe vorbrachte. So stellte der BF die Behauptung, dass die Familie des Mädchens ihn töten haben wollen, lediglich in den Raum ohne diese in irgendeiner Weise konkret und substanziiert belegen zu können. Auf die Frage in der Einvernahme vor dem BAW, ob es einen konkreten diesbezüglichen Vorfall gegeben habe, führte der BF lediglich vage aus, dass ihm, als er auf dem Heimweg von der Arbeit gewesen sei, drei Leute aufgelauert hätten. Er gab an, dass diese Leite in einer kleinen Gasse gestanden seien und der BF daraufhin einen Umweg gemacht habe um nachhause zu kommen. Nachgefragt, woher der BF wisse, dass diese Leute auf ihn gewartet hätten, führte er völlig unkonkret an, dass gerade Gebetszeit gewesen sei und es sehr auffällig gewesen sei, dass diese Personen dort gestanden seien. Einen weiteren Vorfall, weitere Bedrohungen oder etwaige Übergriffe habe es den Angaben des BF in der Einvernahme vor dem BAW zufolge nicht gegeben. In der Beschwerde steigerte der BF sein Vorbringen schließlich dahingehend, als er nunmehr angab, dass er des Öfteren das Opfer von Bedrohungen geworden sei und ihm die Angehörigen seiner Frau mehrmals aufgelauert hätten und zum Teil auch Schusswaffen bei sich gehabt hätten. Diese Umstände wurden vom BF im gesamten Verfahren vor der belangten Behörde nicht erwähnt. Vielmehr gab er in der Einvernahme vor dem BAW dezidiert an, dass es nur einen einzigen Vorfall gegeben habe. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde der BF nochmals zu etwaigen Bedrohungen bzw. Verfolgungen im Herkunftsstaat befragt. Aufgefordert, den Vorfall, bei dem der BF wegen seiner Eheschließung bedroht worden sei, konkret zu schildern, führte er lediglich aus, dass die Eltern des Mädchens, nachdem das Mädchen weggelaufen sei, Anzeige gegen den BF erstattet hätten. Die Polizei habe den BF schließlich mitgenommen und nach ein bis zwei Tagen wieder freigelassen. Den Vorfall, bei welchem ihm angeblich aufgelauert worden sei, erwähnte der BF in der Verhandlung von selbst mit keinem Wort, sondern gab er erst auf entsprechenden Vorhalt an, dass es sich bei diesen Leuten um Angehörige des Mädchens gehandelt habe. Der BF konnte jedoch auch in der Verhandlung diesen Vorfall keineswegs konkret und detailliert schildern, sondern führte er abermals lediglich oberflächlich aus, dass er von dieser Familie verfolgt worden sei, weil er die Ehre dieser Familie beschmutzt habe. Eine konkrete, die Person des BF betreffende Verfolgungsgefahr durch die Familie des Mädchens ist somit aus dem gesamten Vorbringen des BF nicht ersichtlich.

Zu jenem in der Stellungnahme des damaligen rechtsfreundlichen Vertreters des BF vom 09.12.2012 völlig neu erstatteten Vorbringen, wonach der BF wegen der Aktivitäten seines Bruders für die Taliban im Falle der Rückkehr nach Afghanistan asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt wäre, ist zu sagen, dass dieser neuen Behauptung keinerlei Glaubhaftigkeit zukommen kann, zumal es sich um eine eindeutige Steigerung des Vorbringens handelt um im Hinblick auf die abweisende Entscheidung der belangten Behörde über das bisherige Vorbringen hinaus einen allenfalls asylrelevanten Sachverhalt zu konstruieren. Konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass es dem BF nämlich nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, diese Umstände bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt des Verfahrens - insbesondere in der Einvernahme vor der belangten Behörde - vorzubringen, sind weder vom BF vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen. Der BF blieb auch auf ausdrücklichen Vorhalt dieses Umstandes in der mündlichen Verhandlung eine schlüssige Erklärung schuldig, weshalb er sich erst zu einem weit fortgeschrittenen Stadium des Verfahrens dazu entschlossen hatte, diese nachgeschobenen neuen Umstände darzulegen. Ebenso verhält es sich mit der vom BF in der Beschwerde erstmals aufgestellten Behauptung, dass seine Zugehörigkeit zur usbekischen Volksgemeinschaft, die in Afghanistan eine Minderheit darstelle und in einem schwerwiegenden Konflikt mit den Taliban liege, ein Mitgrund für seine Ausreise gewesen sei.

In einer Gesamtschau der dargelegten Erwägungen war daher von der fehlenden Glaubhaftigkeit des Vorbringens des BF zur behaupteten Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat auszugehen.

Dem mit der schriftlichen Stellungnahme des damaligen rechtsfreundlichen Vertreters des BF vom 09.12.2012 gestellten Antrag auf Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens war im Hinblick auf die oben bereits dargelegten Erwägungen zur mangelnden Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens nicht zu entsprechen.

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die in der mündlichen Verhandlung erörterten Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat wurden den Parteien zur Einsicht angeboten und ihnen die Möglichkeit eingeräumt, zu den getroffenen Feststellungen eine Stellungnahme abzugeben.

Auf die Abgabe einer Stellungnahme wurde verzichtet.

Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 144/2013) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

Zu Spruchteil A):

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (in der Folge: VwGH) die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen konnte vom BF nicht glaubhaft gemacht und auch sonst nicht festgestellt werden.

Konkrete Hinweise auf eine Gefahr der Verfolgung des BF in seinem Herkunftsstaat Afghanistan sind im gesamten Verfahren vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht somit nicht hervorgekommen. Schließlich sind im Verfahren auch sonst keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen hätten.

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, war in der Folge davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht existiert.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Das Bundesverwaltungsgericht hat somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der VwGH hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zahl 95/18/0049;

05.04.1995, Zahl 95/18/0530; 04.04.1997, Zahl 95/18/1127;

26.06.1997, Zahl 95/18/1291; 02.08.2000, Zahl 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zahl 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zahl 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zahl 98/01/0122; 25.01.2001, Zahl 2001/20/0011).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zahl 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zahl 95/21/0294; 25.01.2001, Zahl 2000/20/0438; 30.05.2001, Zahl 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG (nunmehr: § 50 Abs. 1 FPG bzw. § 8 Abs. 1 AsylG 2005) gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 AsylG 1997 iVm. § 57 Abs. 1 FrG (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG 2005) die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich, Zahl 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zahl 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zahl 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB. Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK in Verbindung mit § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. § 50 Abs. 1 FPG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zahl 2000/01/0443;

13.11.2001, Zahl 2000/01/0453; 09.07.2002, Zahl 2001/01/0164;

16.07.2003, Zahl 2003/01/0059).

Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zahl 2001/21/0137).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht gegeben sind:

Dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

Selbst wenn im Herkunftsstaat die Todesstrafe als gesetzliche Strafsanktion für besonders schwere Straftaten vorgesehen ist, so hat sich auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens kein reales Risiko ergeben, dass der BF im Herkunftsstaat einer dem 6. bzw. 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen werden würde.

Aus den herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zwar, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt.

Hinsichtlich der in Afghanistan vorherrschenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, da ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die erforderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.

Beim BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der BF verfügt über eine mehrjährige Schul- sowie eine abgeschlossene Berufsausbildung als Schweißer. Er wird daher im Herkunftsstaat in der Lage sein, sich mit der bislang ausgeübten Tätigkeit oder gegebenenfalls mit anderen Tätigkeiten ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Überdies verfügt der BF in Afghanistan nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte. So gab er an, dass seine Eltern sowie sechs seiner Geschwister nach wie vor im Heimatdorf in der Provinz Sar-e Pol leben würden. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass dem BF im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan auch im Rahmen seines Familienverbandes eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteil wird, insbesondere durch Wohnraum und Nahrung. So führte der BF aus, dass seine Familie im Heimatdorf über Felder und Grundstücke verfüge, welche landwirtschaftlich genutzt werden. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der BF auch den Großteil seiner bisherigen Lebenszeit in Afghanistan verbracht hat und somit mit den dortigen örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten vertraut ist.

Es sind auch keine Umstände hervorgekommen, dass es dem BF nicht zumutbar wäre, in seine Heimatprovinz Sar-e Pol zurückzukehren. Wie sich aus den vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Informationen ergibt, kann die Sicherheitslage in der Provinz Sar-e Pol keineswegs allgemein als gefährlich bezeichnet werden. Auch der Reiseweg von Kabul in das Heimatdorf des BF in der Provinz Sar-e Pol ist dem BF zumutbar, zumal er durch keine Provinz reisen müsste, welche in dem Bericht von ANSO (Quarterly Data Report Q.1 2013) zur Situation in Afghanistan als gefährlich eingestuft wird.

Letztlich steht dem BF ergänzend auch die Möglichkeit offen, sich unmittelbar nach erfolgter Ankunft an in Kabul ansässige staatliche, nicht-staatliche oder internationale Hilfseinrichtungen, im Speziellen solche für Rückkehrer aus dem Ausland, zu wenden, wenngleich nicht verkannt wird, dass von diesen Einrichtungen individuelle Unterstützungsleistungen meist nur in sehr eingeschränktem Ausmaß gewährt werden können.

Im gegenständlichen Fall haben sich in einer Gesamtschau der Angaben des BF und unter Berücksichtigung der zur aktuellen Lage in Afghanistan herangezogenen Erkenntnisquellen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach die unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus bei objektiver Gesamtbetrachtung für den BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen und somit einer Rückführung nach Afghanistan entgegenstehen würde. Die bloße Möglichkeit einer allenfalls drohenden extremen (allgemeinen) Gefahrenlage in Afghanistan reicht nicht aus, sondern es müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; konkret zu Afghanistan: zB Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts vom 29.06.2010, Zl. BVerwG 10 C 10.09;

weiters EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff;

13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 84; 20.12.2011, J.H. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 48839/09, Rz 55).

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt nicht vor.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig):

Die relevanten Übergangsbestimmungen des § 75 Abs. 19, 20 und 23 AsylG 2005 idgF lauten wie folgt:

"§ 75. (...)

(19) Alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren sind ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

(20) Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Abs. 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz

den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,

jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

den zurückweisenden Bescheid gemäß § 4 des Bundesasylamtes,

jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4 folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder

den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 aberkannt wird,

so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen.

(...)

(23) Ausweisungen, die gemäß § 10 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 erlassen wurden, bleiben binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht. Diese Ausweisungen gelten als aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß dem 1. oder 3. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012."

Da es sich hier um einen Übergangsfall im Sinne des § 75 Abs. 19 AsylG 2005 handelt, ist nunmehr nach Maßgabe des § 75 Abs. 20 AsylG 2005 eine Entscheidung darüber zu treffen, ob die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das BFA zurückverwiesen wird.

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Ausweisungen nach § 10 Abs. 1 AsylG 2005 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 gelten gemäß § 75 Abs. 23 AsylG 2005 idgF als aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 1. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG. Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Geltung als Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 FPG.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG).

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere folgende Punkte zu berücksichtigen:

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

der Grad der Integration,

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinne wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihres Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachtteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Dauer des Aufenthaltes, das tatsächliche bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung maßgeblich. Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in eine Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (vgl. VfGH vom 29.9.2007, B 1150/07-9).

Der Verfassungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass bereits die Ausweisung, nicht erst deren Vollzug einen Eingriff in das durch Art. 8 Abs. 1 gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt (vgl. die bei Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, S 344 zitierte Judikatur des VfGH).

Entsprechend der Rechtsprechung des EGMR als auch jener des Verfassungsgerichtshofes muss der Eingriff hinsichtlich des verfolgten legitimen Ziels verhältnismäßig sein.

Die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung (Ausweisung) des BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat Afghanistan einen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellen würde:

Es wird zwar nicht verkannt, dass der BF bislang nur aufgrund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zum Aufenthalt in Österreich berechtigt war und auch schon auf Grund der kurzen Dauer des bisherigen Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet nicht davon auszugehen ist, dass dieser über eine umfassende sprachliche, gesellschaftliche und berufliche Integration in Österreich verfügt. Dennoch legte der BF seinen Integrationswillen einerseits durch die Bemühungen um das Nachholen des Pflichtschulabschlusses sowie andererseits auch durch seine Mitarbeit bei der Freiwilligen Feuerwehr dar. Ferner zeigte sich der BF gewillt, die deutsche Sprache zu lernen, was sich in der Absolvierung von mehreren Deutschkursen niedergeschlagen hat.

Schließlich ergibt sich aus den dargelegten Umständen, dass der BF zahlreiche der oben angeführten Kriterien, die bei der Abwägung der betroffenen Interessen maßgeblich zu berücksichtigen sind, erfüllt und diese besonders intensiven privaten Interessen auch die öffentlichen Interessen an einer Rückkehrentscheidung gerade noch überwiegen. So hat der BF gezeigt, dass er stets um eine möglichst umfassende und auf Dauer angelegte persönliche Integration in Österreich bemüht war und gerade deshalb auch einen entsprechend hohen Grad der Integration in sprachlicher und gesellschaftlicher Hinsicht erreicht hat. Belegt wird dieser nachhaltige Integrationswille des BF weiters durch diverse, vom BF in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegte Empfehlungsschreiben. So geht aus dem Empfehlungsschreiben der Trafik-Gasthaus XXXX vom 08.05.2014 hervor, dass der BF hilfsbereit und unproblematisch und ein sehr guter, zuverlässiger Arbeiter ist und von Anfang an bemüht war, die deutsche Sprache zu lernen. In dem Schreiben der Marktgemeinde Bernstein vom 14.05.2014 wird bestätigt, dass der BF ein sehr hilfsbereiter Mensch ist, sich nichts zu Schulden kommen hat lassen und er seinem Unterkunftsgeber bei der Instandhaltung des Gebäudes behilflich ist.

Es wird nicht verkannt, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften einer Güterabwägung grundsätzlich ein hoher Stellenwert zukommt, doch ist im gegenständlichen Fall aus den eben dargelegten Gründen in einer Gesamtschau und Abwägung aller Umstände das private Interesse an der - nicht nur vorübergehenden - Fortführung des Privatlebens des BF in Österreich dennoch höher zu bewerten, als das öffentliche Interesse an einer Rückkehrentscheidung.

Eine Aufgabe seines Lebensmittelpunktes in Österreich ist für den BF daher nicht zumutbar und steht zu den öffentlichen Interessen außer Verhältnis.

Abschließend ist auch festzuhalten, dass der BF strafgerichtlich unbescholten ist, weshalb im Fall seines Verbleibens im Bundesgebiet auch keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu erkennen ist.

Da im Hinblick auf die oben dargelegten Abwägungen zum Entscheidungszeitpunkt das Interesse des BF an der Aufrechterhaltung des Privatlebens in Österreich im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen überwiegt, erweist sich die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung (Ausweisung) aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat als unzulässig.

Daher war der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und festzustellen, dass die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 iVm. § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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