AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W159.1437110.1.00
Spruch:
W159 1437110-1/27E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXX, geb. XXX, StA XXX, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.07.2013, Zl. 12 13.315-BAS, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG idgF als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 10 iVm. § 75 Abs. 20 Asylgesetz idgF wird das Verfahren insoweit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Text
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, gelangte am 24.09.2012 gemeinsam mit seiner Ehegattin XXX und seinen beiden minderjährigen Töchtern XXX und XXX unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte noch am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 25.09.2012 stattgefundenen Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Wien, Abteilung Fremdenpolizei, gab er als Fluchtgrund an, dass er im Jahre 2003 zusammen mit seinem Bruder XXX von unbekannten, maskierten Männern entführt und 1 1/2 Monte lang in einem Keller festgehalten worden sei. Die Männer seien Angehörige irgendwelcher tschetschenischen Sonderheiten gewesen. Näheres wisse er nicht. Sein Bruder sei am 24.11.2003 und am 26.11.2003 von diesen Männern mitgenommen worden. Bei der Mitnahme hätten sie ihn geschlagen und hätten ihm einen Sack auf dem Kopf gesetzt und an verschiedene Orte gebracht. Vom 26.11.2003 bis Ende Dezember 2003 sei er festgehalten worden und jeden Tag aus dem Keller geholt, geschlagen und gedemütigt worden, sie hätten ihn über seinen Bruder XXX und über seinen Cousin väterlicherseits XXX ausgefragt. Nachdem er überhaupt nichts erzählt habe, sei er dann in einer Abteilung des Innenministeriums in Grosny überstellt worden, wo er ein Geständnis habe unterschreiben müssen. Er habe auch unterschreiben müssen, dass er eine Waffe abgegeben habe, obwohl er gar keine gehabt und sei dann zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt worden. 6 Monate lang sei er in Strafhaft gesessen. Seine Verwandten hätte dann Geld bezahlt und sei er dann bedingt aus der Strafhaft entlassen worden. Er habe sein Heimatland deswegen verlassen, weil jetzt hervorgekommen sei, dass er seinem Cousin XXX im Jahre 2006 oder 2007 bei der Flucht nach Österreich geholfen habe. Die Mutter seines Cousins, deren älterer Bruder sei 2002 oder 2003 verschleppt worden und sei seither nicht mehr aufgetaucht.
Seit Herbst 2010 seien immer wieder unbekannt bewaffnete Männer zu ihm nach Grosny gekommen, hätten ihn mitgenommen und zusammengeschlagen. Das letzte Mal sei dies im März 2012 gewesen. Von Herbst 2010 bis Mai 2012 sei er ca. 10 Mal mitgenommen und geschlagen worden. Er sei deswegen aber weder in Spitälern noch bei der Polizei gewesen. Im Jahr 2010 sei für 3 Monate nach Kurgan geflüchtet und sei aber von diesen Männer wieder nach Grosny zurückgeholt worden. Da er immer wieder von unbekannten Männern abgeholt und geschlagen worden sei, habe er beschlossen, sein Heimatland zu verlassen.
Am 26.09.2012 wurde der Antragsteller im Krankenhaus XXX stationär aufgenommen, wo er bis zum 01.10.2012 verblieb.
Nach Zulassung zum Asylverfahren erfolgt am 14.01.2013 eine ausgiebige Einvernahme durch das Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg. Dabei gab er an, dass er ein Dokument über seine Namensänderung und ein Haftentlassungsschein aus seiner Heimat zugeschickt erhalten habe. Das Original seines russischen Inlandspasses habe er unterwegs verloren. Er habe nur eine Kopie, die er schon vorgelegt habe. Er sei Staatsangehöriger der Russischen Föderation, Tschetschene und Moslem. In Tschetschenien sei er auf Baustellen beschäftigt gewesen und habe eine eigene Bautruppe gehabt und für Private gearbeitet. Zu den Fluchtgründen gefragt, gab er an, dass er 2007 oder 2008 nachts von unbekannten Männern aufgesucht worden sei, welche ihm einen Sack über den Kopf gezogen hätten und ihn einem unbekannten Ort gebracht hätten. Sie hätten ihn gefragt, wo er an einem bestimmten Datum gewesen sei. Er habe 2 seiner Verwandten geholfen, die Heimat zu verlassen und habe sich an eine Rechtsschutzorganisation in Grosny gewandt, wobei er auch mit einer Mitarbeiterin aus Wien gesprochen habe, welche die Angelegenheit weiter nach Moskau geleitet habe. Die Männer, welche sie mitgenommen hätten, sagten, dass sie deswegen Probleme bekommen hätten, weil aus Moskau ein Schreiben eingelangt sei. Sie hätten ihn auch wegen seines Bruders, der 2006 nach Wien gekommen sei, befragt. Bei diesem Vorfall sei er von den Behörden mehrmals mitgenommen und geschlagen worden. Er könne nicht sagen, wie oft. Beim letzten Mal hätten sie ihm auch seine Hose heruntergezogen. Er habe sich dann gewehrt, dann hätten sie aufgehört, ihn jedoch geschlagen. Es sei im Mai 2012 gewesen. Er wisse nicht genau wann. Dann habe er sich entschlossen zu fliehen. Die Rechtsschutzorganisation, mit der er Kontakt gehabt habe, sei Memorial gewesen. Er habe mit XXX gesprochen. Sie sei vor 2 oder 3 Jahren tot aufgefunden worden. Den Namen der österreichischen Mitarbeiterin wisse er jedoch nicht.
Am 24.11.2003 sei sein Bruder mitgenommen worden und am 26.11. der Beschwerdeführer selbst. Sein Bruder hätte an Kampfhandlungen teilgenommen. Er hätte aber nichts getan und habe aber trotzdem ein Geständnis unterschreiben müssen und sei wegen Waffenbesitz verurteilt worden und zwar zu einem Jahr Haft. Nach 6 Monaten sei er aber gegen Bezahlung freigelassen worden.
Er sei niemals politisch tätig gewesen und habe alle seiner Fluchtgründe angegeben. Wenn er in die Russische Föderation zurückkehren müsste, wisse er nicht genau, was geschehen würde. Seine Brüder würden seinetwegen nicht belangt. Diese würden in Ruhe gelassen werden, weil sie noch jung und zwar zwischen 14 und 18 Jahren seien. In Österreich habe er einen Bruder, was dieser genau mache, wisse er nicht. Er glaube, dass er noch eine Ausbildung mache oder Sozialhilfe beziehe. Er sei in Österreich wegen eines Schattens auf der Lunge behandelt worden, habe aber keine Medikamente einnehmen müssen. Seine Kinder seien gesund, die Ältere habe jedoch öfters Albträume.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Salzburg, vom 18.07.2013, Zahl: XXX, wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 25.09.2012 bezüglich der Anerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 Asylgesetz abgewiesen, unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 dieser Antrag auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen und unter Spruchteil III. der Antragsteller gemäß § 10 Absatz 1 leg. cit aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.
In der Begründung des Bescheides wurde der bisherige Verfahrensgang einschließlich der oben bereits im Wesentlichen Inhalt wiedergegeben Einvernahmen dargestellt sowie nach Auflistung der Beweismittel, Feststellungen zum Herkunftsstaat getroffen. Beweiswürdigend wurde insbesondere ausgeführt, dass die Angaben des Bruders des Beschwerdeführers in seinem Asylverfahren in keiner Weise mit seinen nunmehrigen Darstellungen im Einklang zu bringen seien. Auch hätten sein Cousin und seine Cousine bei der Schilderung ihrer Fluchtgründe in keiner Weise erwähnt, dass er sie bei der Flucht maßgeblich unterstützt hätte. Auf Grund der divergierenden Angaben sei davon auszugehen, dass es sich bei dem Vorbringen zur Gänze um ein Konstrukt handle.
In der rechtlichen Beurteilung wurde zu Spruchteil I. insbesondere ausgeführt, dass ein Familienverfahren vorliege, jedoch keinem anderen Familienangehörigen der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Der Beschwerdeführer habe eine Verfolgung seiner Person und eine wohlbegründeter Furcht vor einer solchen aus den Gründen der GFK in keinster Weise glaubhaft machen können, auch sonst sei nichts zu erkennen gewesen, das auf eine Verfolgungsgefahr im gegenständlichen Fall hindeuten könnte, sodass der Asylantrag abzuweisen gewesen sei. Zu Spruchteil II. wurde nach Darlegung der bezughabenden Rechtslage und Judikatur nochmals festgehalten, dass im vorliegenden Fall von einer Glaubhaftmachung einer Bedrohung oder Verfolgung der Person des Antragstellers nicht gesprochen werden könne. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass in der Russischen Föderation eine nichtsanktionierte ständige Praxis grober offenkundiger massenhafter Menschrechtsverletzungen herrschen würde und hätten sich auch keine Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage des Beschwerdeführers ergeben. Vielmehr sei dieser vor der Ausreise in der Lage gewesen, seine primären Lebensbedürfnisse einschließlich jener seiner Familienangehörigen in der Russischen Föderation zu befriedigen. Weiters würde er an keiner schwerwiegenden in der Russischen Föderation nicht behandelbaren Erkrankung leiden. Es sei auch keinem Familienangehörigen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden, sodass auch eine Schutzgewährung aus den Gründen des Familienverfahrens nicht in Betracht komme. Aus dem sonstigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hätten sich bei Berücksichtigung sämtlicher Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würde, ergeben.
Zu Spruchteil III. wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer wohl gemeinsam mit seiner Kernfamilie in Österreich aufhältig sei, diese jedoch im selben Umfang wie er potentiell von aufenthaltsbeenden Maßnahmen betroffen sei, weshalb eine Ausweisung keinen Eingriff in das Familienleben darstelle. In Bezug auf die sonstigen Verwandten sei keine derartige Beziehungsintensität festgestellt worden, dass im Falle einer Ausweisung ein unzulässiger Eingriff in ein schützenswertes Familienleben vorliegen würde. Der Antragsteller sei nach illegaler Einreise erst kurze Zeit in Österreich und werde von der öffentlichen Hand erhalten. Bei Berücksichtigung sämtlicher Tatsachen hätten keine Hinweise gefunden werden können, welchen den Schluss zulassen würden, dass durch eine Ausweisung auf unzulässige Weise in das Recht des Antragstellers auf Schutz des Privat- und Familienlebens eingegriffen würden, sodass die Ausweisung zulässig sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller fristgerecht gegen alle 3 Spruchteile Beschwerde an den Asylgerichtshof. Darin wurde das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde gerügt. Insbesondere wurde ausgeführt, dass diese den Sachverhalt unzureichend ermittelt habe. Der Bruder XXX sowie die Cousins XXX und die Cousine XXX sowie ein Bekannter namens XXX könnten die Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers bestätigen und wurde beantragt die in Österreich lebenden Zeugen im Rahmen einer Beschwerdeverhandlung, die im Herkunftsland befindlichen durch einen Vertrauensanwalt vor Ort zu befragen. Rechtlich wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Tschetschenien auf Grund seiner (unterstellten) politischen Gesinnung sowie wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Familie) verfolgt werde und eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht gegeben sei. In eventu wurde die Gewährung subsidiären Schutzes beantragt und weiters bemängelt, dass die Interessensabwägung zu Spruchteil III. ebenfalls mangelhaft und die Integration und das Familienleben des Beschwerdeführers unzureichend berücksichtigt worden sei. Schließlich wurde nochmals die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, um seine Fluchtgeschichte nochmals ausführlich vor unabhängigen Richtern vorzubringen und glaubhaft zu machen, beantragt.
Der Asylgerichtshof beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 05.11.2013 an und räumte das Parteiengehör zu aktuellen Feststellungen zu Tschetschenien mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme bis längstens in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ein und ersuchte den Beschwerdeführer die beantragten Zeugen XXX zur Verhandlung mitzubringen, da diese im Zentralen Melderegister nicht gefunden werden konnten. Weiters wurde versucht den beantragten Zeugen XXX XXX unter der angegebenen Adresse zu laden, die zuständige Polizeiinspektion stellte jedoch dazu fest, dass weder Ortsanwesenheit noch eine postalische Erreichbarkeit besteht, dass es sich lediglich um eine Obdachlosenmeldung/Briefkastenadresse handelt und der Zeuge die Polizeiinspektion nicht kontaktiert hat und auch keine zweckdienliche Hinweise hinsichtlich eines möglichen Aufenthaltes in Erfahrung gebracht werden konnten, sodass letztlich eine Abmeldung seitens des Unterkunftsgebers durchgeführt wurde. Von den Zeugen erschien lediglich XXX. Der Beschwerdeführer merkte an, dass er derzeit wegen seiner Lunge nicht aktuell in Behandlung stehe.
Er hielt sein bisheriges Vorbringen aufrecht und verwies darauf, dass beim Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, protokolliert worden sei, dass sein Bruder und er am gleichen Tage festgenommen worden seien, in Wirklichkeit sei er jedoch am 26. und sein Bruder am 24. November 2003 festgenommen worden. Er habe seine Verwandten XXX, welche derzeit in Österreich aufhältig seinen, zur Flucht verholfen und sich wegen der Probleme seiner Verwandten an Memorial gewandt. 2 seiner Cousins seien in den Jahren 2007 oder 2008 in XXX in Haft gewesen, sie seien mit Hilfe dieser Organisation freigelassen worden und würden sich jetzt in Frankreich befinden.
Er sei Tschetschene und Moslem und am 22.11.1979 in Grosny geboren, wo er auch (vor der Ausreise) sein ganzes Leben verbracht habe. Er sei nur im Jahre 2011 für ca. 1 1/2 Monate im Gebiet XXX aufhältig gewesen, sonst sei er niemals länger als einige Wochen außerhalb von Tschetschenien, aber innerhalb der Russischen Föderation gewesen. Über Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung (AS 25) angegeben habe, dass er schon 2010 im Gebiet XXX gewesen sei, gab er an, dass er sich nicht genau erinnern könne, ob es 2010 oder 2011 gewesen sei.
Er habe 11 Jahre lang die Mittelschule besucht und dann einen Buchhaltungskurs absolviert, vor dem Krieg habe er auch eine Koranschule absolviert. Gelebt habe er jedoch die meiste Zeit davon, dass er privat Bauarbeiten verrichtet habe, manchmal sei er auch Taxi gefahren und eine Zeit lang habe er auch für eine Möbelfirma gearbeitet. Er könne aber nicht mehr sagen, wann das gewesen sei. Über Vorhalt, dass er bei der Ersteinvernahme gesagt habe, als selbständiger Bauarbeiter gearbeitet zu haben (AS 15) bestritt er dies, ebenso dass er auch beim BAS (AS 255) angegeben habe, eine eigene Bautruppe gehabt zu haben.
Er sei mit seiner Frau sowohl standesamtlich als traditionell verheiratet und zwar seit 2007 oder 2008, genauer könne er dies nicht angeben. Er habe sich in Tschetschenien nicht politisch betätigt und nur insofern Kontakt zu Menschenrechtsorganisationen gehabt, als er um Hilfe gebeten habe, als seine Verwandten mitgenommen worden seien, sonstige Kontakte zu Menschenrechtsorganisationen habe er nicht gehabt. Er habe sich wegen seiner Verwandten XXX in den Jahre 2006 oder 2007 am Memorial gewandt und wegen beiden Cousins 2007 oder 2008. Beim ersten Mal habe er mit XXX geredet, beim zweiten Mal mit einer Mitarbeiterin vom Memorial aus Österreich, deren Namen er jedoch nicht wisse. Auf die Frage, warum er sich nicht wegen seiner eigenen Probleme an Memorial gewandt habe, gab er an, dass er nach dem Tod von XXX nicht mehr bei Memorial gewesen sei und sich wegen seiner Probleme "nicht an die Regierung" habe wenden wollen...." Auf die Frage, wann Frau XXX getötet worden sei, gab er an, dass er sich nicht daran erinnern könne. Auch auf die Frage, ob das zeitlich vor Beginn seiner Probleme oder nachher gewesen sei, gab er an, dass er sich nicht genau daran erinnern könne, er habe auch keinen Nachweis, dass er persönlich mit Memorial Kontakt gehabt habe.
Er habe wegen seiner Kontakte zu Memorial Probleme mit den Behörden in Tschetschenien gehabt, denn die Mitarbeiterin aus Österreich habe eine Anfrage an einen Staatsanwalt in Moskau organisiert und sei ein Befehl von Moskau zur Polizei im Bezirk XXX, wo seine beiden Cousins in Haft gewesen seien, geschickt worden und seien dann Behördenvertreter zu ihm gekommen und hätten seine Familie zwingen wollen zu unterschreiben, dass beide auf Urlaub seien. Das hätten sie jedoch nicht gemacht. Wegen dieser Anfrage hätten die Behördenvertreter Probleme bekommen und nach kurzer Zeit hätten ihn unbekannte Personen mitgenommen.
Er habe in keinem der beiden Tschetschenienkriege gekämpft. Sein Cousin XXX sei jedoch ein aktiver Kämpfer gewesen, er wisse jedoch über seine Kämpfertätigkeit nichts, er könne nur sagen, dass dieser 2002 getötet worden sei. Über Vorhalt, dass er beim Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, (AS 227) gesagt habe, dass sein Bruder an Kampfhandlungen teilgenommen habe, bestätigt er dies, über Vorhalt, dass er auf die Frage, ob nahe Verwandte von ihm Kämpfer gewesen seien, lediglich seinen Cousin, nicht jedoch seinen Bruder angegeben habe, gab er an, dass sein Bruder aus Sicherheitsgründen in Österreich nicht angegeben habe, selbst gekämpft zu haben.
Er habe die tschetschenischen Kämpfer auch in keiner Weise unterstützt und auch keine Probleme mit den russischen Behörden, sondern lediglich mit den tschetschenischen gehabt. Nachdem seine Tante, die Mutter seiner beiden Cousins, aufgefordert worden sei, eine Falschaussage zu unterschreiben, sei er von zu Hause mitgenommen worden. Davor sei er auch schon mitgenommen, in einem Wald gebracht und geschlagen worden. Ihm sei nicht erklärt worden, warum er mitgenommen worden sei, dies sei in den Jahren 2007/2008 gewesen, er könne sich nicht mehr erinnern, in welcher Jahreszeit dies gewesen sei.
Über Vorhalt, dass er bei der Ersteinvernahme bei der Polizei (AS 23) angegeben habe, dass er 2003 gemeinsam mit seinem Bruder XXX festgenommen worden sei, in der Beschwerde hingegen ausdrücklich ausgeführt habe, dass er nicht mit diesem gemeinsam festgenommen und dann angehalten worden sei und dass auch sein Bruder bei der Schilderung seiner Fluchtgründe ihn in keinster Weise erwähnt habe, gab er an, dass er am Beginn der Verhandlung angegeben habe, dass sein Bruder am 24.11. und er am 26.11. mitgenommen worden seien. Sie seien auch von unterschiedlichen Organisationen festgenommen worden, er von der OMON und hinsichtlich seines Bruders wisse er die Organisation nicht. Über Vorhalt, dass aus der vorgelegten Haftbestätigung zu entnehmen sei, dass er im Jahre 2004 in Haft gewesen sei, er jedoch von 2003 spreche, gab er an, dass er eine Zeit lang im Keller der OMON angehalten worden sei und dann in einer Polizeiabteilung. Trotz seiner Freilassung sei dann ein Verfahren eingeleitet worden und sei er offiziell zu einer Haftstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Gegen Lösegeld sei er nach 6 Monaten Haft freigelassen worden. Nachgefragt, ob ein- und zweimal für ihn Lösegeld bezahlt worden sei, gab er an, dass er dies nicht wisse. Offiziell hab er 6 Monate in Haft verbracht und inoffiziell 7 1/2 bis 8 Monate.
Das Urteil habe er nicht hier, nur die Haftentlassungsbestätigung. Auf die Frage, wer ihm diese gegeben habe, gab er an, dass jeder bei der Haftentlassung eine solche bekomme. Über Vorhalt, dass er in der Erstbefragung (AS 23) angegeben habe, im Mai oder Juni freigelassen worden sei, bestätigt er dies zunächst, über weiteren Vorhalt, dass sich das nicht rechnerisch ausgehe, wenn er insgesamt 8 Monate in Haft gewesen sei und die Haft erst im Jänner begonnen haben soll, bestätigt er dies nochmals, bei weiterem Vorhalt, dass in der Bestätigung der 11. Juli stehe, gab er dies zu. Über Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung (AS 53) angegeben hat, dass er von einer unbekannte Sondereinheit mitgenommen worden sei und dann direkt in das Innenministerium in Grosny überstellt worden sei, während er nunmehr angebe, dass er von OMON festgenommen worden sei und dann in eine Polizeiabteilung überstellt worden sei, gab er an, dass dies falsch übersetzt worden sei. Er sei wegen Artikel 222 (illegaler Waffenbesitz) verurteilt worden. Seinen Verwandten XXX und XXX habe er ungefähr 2006 oder 2007 zur Flucht verholfen und zwar hätten sich die beiden bei ihnen versteckt, hätten sie dann Geld für die Ausreise gesammelt, nachdem Frau XXX ihnen empfohlen habe, ins Ausland zu flüchten. Diese seien Kinder seiner Tante väterlicherseits. Über Vorhalt, dass er bei der Ersteinvernahme angegeben habe, dass der älterer Bruder der XXX mit dem Namen XXX im Jahre 2002 oder 2003 verschleppt worden sei und seither nicht mehr aufgetaucht sei (AS 25), ein solcher jedoch als Unterkunftgeber seiner Verwandten aufscheine, gab er an, dass er darüber nichts wisse. Auf die konkrete Frage, ob die "Fluchthilfe" seiner Verwandten XXX irgendwelche Folgen gehabt habe, gab er an, dass er alleine wegen der Verwandtschaft zu XXX Probleme gehabt habe. Über Vorhalt, dass dieser bereits 2002 verstorben sei, warum er deswegen Jahre später noch von Interesse gewesen sei, gab er an, dass sie von ihm hätten wissen wollen, wer mit ihm in Kontakt gestanden sei und wo er die Waffen versteckt habe. Konkret gefragt, ob er Nachweise darüber habe, dass er mit der Familie XXX verwandt sei, antwortete zunächst mit der Gegenfrage, wie er dies nachweisen könne. Er habe keine Geburtsurkunden von ihnen, er werde jedoch versuchen, Fotos aus Tschetschenien nachzureichen. Über Vorhalt, dass er bei der Ersteinvernahme durch die Polizei (AS 25) angegeben habe, dass er seit Herbst 2010 immer wieder mitgenommen worden sei, beim BAA jedoch, dass er schon ab 2007 oder 2008 mitgenommen worden sei (AS 225,) gab er an, nicht sagen zu können, dass er ab Herbst 2010 immer wieder mitgenommen worden sei und auch nicht, dass er ab 2007 oder 2008 mitgenommen worden sei, sondern dass es auch davor Mitnahmen gegeben habe. Es habe auch eine längere Pause gegeben. Er könne aber nicht genau sagen, wann. Nochmals konkret gefragt, wann er keine Probleme gehabt habe, gab er an, dass er irgend eine Zeit nennen könne, über die weitere Frage, warum er so konkret wisse, dass er 2003 mitgenommen worden sei, gab er an, dass es 2003 viele Ereignisse gegeben habe, worauf er spontan den Verhandlungsraum verließ. Wieder in den Verhandlungsraum zurückgekehrt, gab er auf die Frage, wie oft er insgesamt mitgenommen worden sei, an, dass er es nicht gezählt habe, er sei nur immer für einige Stunden im Freien angehalten worden und nicht eingesperrt, er sei aber geschlagen und mit Strom gefoltert worden. Er sei von uniformierten maskierten Leuten von zu Hause mitgenommen worden; gefragt, wann die letzte Mitnahme gewesen sei, gab er nach Überlegen an, dass dies im Jahre 2011 oder 2012 gewesen sei und auf die Frage, wie lange nach dieser Mitnahme er dann ausgereist sei, gab er an, dass er sich daran nicht erinnern könne, er sei aber nicht mehr lange in seiner Heimat gewesen. Aufgefordert die letzte Mitnahme zu schildern gab er an, dass er von zu Hause mitgenommen worden sei, es sei ihm ein Sack über den Kopf gestülpt worden und er sei in den Wald gebracht worden, dort sei er verhört und geschlagen worden, dann sei er am Stadtrand von Grosny aus dem Auto geworfen worden. Sie hätten ihn nach unbekannten Personen gefragt. Als er mitgenommen worden sei, hätten schon alle geschlafen, die Tür in den Hof sei aufgebrochen worden, sie seien einfach hereingekommen, er wisse nicht genau, wie viele Personen eingedrungen seien, er könne auch nicht genau sagen, wie lange er konkret weggewesen sei, er sei einige Zeit geschlagen und verhört worden. Es seien ihm unterschiedlich Fragen gestellt worden. Als er heim gekommen sei, habe seine Frau natürlich nicht mehr geschlafen. Er habe maximal blaue Flecken und ein schmutziges Gewand gehabt, offene Wunden habe er nicht gehabt. Auf die Frage, warum die Eltern seiner ersten Frau diese im Jahre 2006 abgeholt hätten (AS 13), wenn nach seiner Freilassung aus der Haft im Jahre 2004 nach seinen eigenen Angaben offenbar ein längerer verfolgungsfreier Zeitraum vorgelegen sei, gab er an, dass er dies nicht wisse, warum sie abgeholt worden sei.
Auf die Frage, warum er 2008 seinen Familienname von XXX auf XXX habe ändern lassen, gab er an, dass er sich damit in Sicherheit habe bringen wollen, aber die Namensänderung diesen Zweck nicht erfüllt habe. Seine Familie habe ursprünglich den Namen XXX getragen, nun würden seine Onkel väterlicherseits alle unterschiedliche Familiennamen tragen. Die Namensänderung sei nach der Eheschließung erfolgt, er habe nach der Namensänderung eine Zeit lang bei einem Freund und dann bei Verwandten geschlafen. Er habe aber jedes Mal nach Hause zurückkehren müssen, weil Personen seine Familie aufgefordert hätten, ihn zurückzuholen. Er habe bis August 2012, wenn es Arbeit gegeben habe, normal gearbeitet. Er habe nach der letzten Mitnahme mit Frau und Kind bei Verwandten gewohnt. Auf die Frage, ob er vielleicht deswegen bei Verwandten gewohnt habe, weil er so näher zur Baustelle gehabt hätte, gab er an, dass allen bekannt gewesen sei, dass er sich mit Bauarbeit auskenne.
Sein Eltern, 2 Brüder, 1 Schwester und zahlreiche weitere Verwandten würden noch in Tschetschenien leben. Kontakte habe er lediglich mit seiner Mutter. Seine Familienangehörigen würden normal leben. Sein Vater befinde sich in XXX und sein Bruder in XXX, er komme jedoch immer wieder nach Tschetschenien zurück. Sie hätten weder für XXX noch für XXX eine Propiska. Er habe auch noch Verwandten im Gebiet XXX. Auf die Frage, ob er bei seinem Vater in XXX oder bei seinem Bruder in XXX leben könnte, gab er an, dass er einmal in XXXgelebt habe und zurückkehren habe müssen, weil seine Familie aufgefordert worden sei, dass er zurückkehren solle. Seit er in Österreich lebe, gebe es derartige Aufforderungen seines Wissens jedoch nicht mehr.
Er besuche in Österreich einen Deutschkurs und habe auch beim Magistrat um eine Arbeit angesucht, dieser Antrag sei aber abgelehnt worden. Er habe wohl gesundheitliche Probleme, er sei jedoch deswegen nicht zu Ärzten gegangen. In Behandlung bei einem Psychologen bzw. Psychiater sei er schon und zwar habe er manchmal alle 2 Wochen, manchmal wöchentlich einen Termin, er bekomme auch Medikamente. Er könne sich jedoch nicht erinnern, wie lange schon. Sein Bruder XXXund seine Tante XXX lebten in Österreich und auch noch ein Onkel väterlicherseits sowie Cousins. Sie würden oft miteinander telefonieren. Er sei auch schon zum dritten Mal zu ihnen nach Wien gekommen. Er könne sich nicht vorstellen, in die Russische Föderation zurückzukehren.
In der Folge wurde nach Wahrheitserinnerung und Belehrung über die Entschlagungsgründe die Zeugin XXX befragt.
Sie sei die Tante väterlicherseits des Beschwerdeführers und lebe seit April 2003 in Österreich. Sie sei anerkannter Flüchtling. Sei habe immer zu ihren Verwandten in Tschetschenien Kontakt gehabt und zB von ihrer Nichte XXX über den Beschwerdeführer Informationen erhalten. Aus eigenem Erleben wisse sie jedoch nichts von den Problemen des Beschwerdeführers, da sie zu diesem Zeitpunkt schon in Österreich gewesen sei. Sie habe gehört, dass ihr Mann, seine Schwester, ein Neffe sowie der Beschwerdeführer und sein Bruder mitgenommen worden seien, und zwar im Mai 2003. Der Bruder des Beschwerdeführers XXX sei verletzt ins Krankenhaus gekommen. Dies habe die Nichte der Zeugin vom früheren Nachbarn erfahren. Sie habe auch gehört, dass der Beschwerdeführer nach 2003 immer wieder mitgenommen worden sei, sie habe alles bei der Zentrale des Roten Kreuzes erfahren. Sie könne sich aber nicht mehr genau erinnern, wann dies gewesen sei, 2003 oder 2004. Auch der Sohn der Zeugin XXXsei anerkannter Flüchtling. Dieser sei deswegen nach Traiskirchen gefahren, weil er gehört habe, dass sein Vater in Traiskirchen angekommen sei, sie glaube aber, dass das nur Gerüchte seien. Auch XXX sei in Österreich. Die Zeugin habe nicht gewusst, dass dieser vorgeladen worden sei.
Nach Befragung der Ehefrau des Beschwerdeführers gab der Vorsitzende Richter bekannt, dass beabsichtigt sei, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten insbesondere zur der Frage, ob ein Zusammenhang zwischen der beim Beschwerdeführer diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung und dem fast völligen Fehlen von zeitlichen Angaben bei den Fluchtgründen des Beschwerdeführers bestehe, und dass als Sachverständiger Herr XXX in Aussicht genommen werde. Der Beschwerdeführer hatte weder zu der beabsichtigten Vorgangsweise noch gegen den in Aussicht genommen Sachverständigen irgendwelche Einwände. Die Beschwerdeführer gaben an, dass ihnen die vorgehaltene Länderberichte nicht von der Caritas übersetzt worden seien.
In der Folge wurden Ambulanzberichte der CXXX in Salzburg hinsichtlich einer Behandlung des Beschwerdeführers mit der Diagnose posttraumatische Belastungsstörung vorgelegt, diese wurden dem mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 06.11.2013 bestellten Sachverständigen auch übermittelt.
Mit Datum 22.11.2013 erstattete der Beschwerdeführer unter Anführung von zum Teil englischsprachigen Länderberichten eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen. Weiters wurden Fotos, auf denen der Beschwerdeführer gemeinsam mit XXX abgebildet sei, vorgelegt.
Mit Datum 30.11.2013 erstattete der bestellte Sachverständige ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten, bei dem er zur Diagnose gelangte, dass eine leichtgradige Anpassungsstörung mit längerdauernder depressiver Reaktion vorliege, jedoch es keine Hinweise auf das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung gebe. Es habe sich diese im Laufe der Behandlung auch gebessert und bestehe nur mehr eine leichtgradige Symptomatik. Bei dem Betroffenen sei keine psychische Erkrankung oder psychische Störung fassbar, die zu einer Beeinträchtigung im Alltag oder beim Verrichten von Arbeitstätigkeiten führen würde; es sei auch keine psychische Erkrankung oder psychische Störung fassbar, die den Beschwerdeführer in der Fähigkeit beeinträchtigen würde, Erlebtes nachvollziehbar und widerspruchsfrei wiederzugeben und auch Ereignisse zeitlich einzuordnen.
Dieses Gutachten wurde im schriftlichen Wege dem Parteiengehör unterzogen. Nach Fristerstreckung legte der Beschwerdeführer schließlich eine psychotherapeutische Stellungnahme seiner Psychotherapeutin XXX vor, wonach er unter Symptomen einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung leide und dass eine Abschiebung nach Tschetschenien eine massive Verschlechterung seines Zustandes bedeuten würde. Außerdem legte der Beschwerdeführer ein Empfehlungsschreiben des städtischen Kindergartens und Hortes XXX über die gute Integration der Tochter XXX vor. In der Folge legte der Beschwerdeführer auch einen aktuellen Ambulanzbericht der XXX mit der Diagnose posttraumatische Belastungsstörung, eine Bestätigung über einen Deutschkurs für Anfänger sowie ein Schreiben von XXX, dass sein Fluchtvorbringen der Wahrheit entspreche, vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers wird Folgendes festgestellt:
Er ist Staatsbürger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe und wurde am XXX in Grosny geboren, wo er auch bis auf einen Aufenthalt von 1 bis 3 Monaten in XXX bis zu einer Ausreise immer gelebt hat. Nach der Pflichtschule und einem Buchhaltungskurs hatte er in verschiedenen Berufen gearbeitet, z.B. (hauptsächlich) Bauarbeiten verrichtet, ist Taxi gefahren und hat auch in einer Möbelfirma gearbeitet. Er ist etwa seit 2007/2008 mit XXX traditionell (religiös) und standesamtlich verheiratet; der Ehe sind die Kinder XXX, geb. XXXund XXX, geb. XXXentsprungen. Er hat sich in Tschetschenien nicht politisch betätigt und war auch nicht bei Menschenrechtsorganisationen aktiv, sondern hat lediglich XXX um Hilfe gebeten, als seine Verwandten mitgenommen worden sind. Er hat in keinen der beiden Tschetschenienkriege selbst gekämpft. Lediglich sein Cousin war ein aktiver Kämpfer, wobei er nicht Näheres über die Kämpfertätigkeit angeben konnte. Auch sein Bruder XXX hat angeblich gekämpft. Er selbst hat jedoch nicht einmal die tschetschenischen Kämpfer in irgendeiner Weise unterstützt. Zu den Fluchtgründen können mangels glaubhafter Angaben keine Feststellungen getroffen werden.
Er ist am 18./19.09.2012 von Grosny mit dem Zug zunächst nach Moskau gefahren und dann weiter nach XXX und von dort mit Schlepperhilfe in einem LKW über die Slowakei nach Österreich, wo er am 24.09.2012 - unter Umgehung der Grenzkontrolle - einlangte und sogleich einen Antrag auf internationalen Schutz stellte (ebenso wie seine nächsten Familienangehörigen). Er leidet unter keinen dokumentierten organischen Problemen und auch nicht an einer psychischen Erkrankung oder Störung, die ihn beeinträchtigen würden Erlebtes nachvollziehbar, widerspruchsfrei, chronologisch und mit Zeitangaben widerzugeben. Sein Bruder XXX, geb. XXX, ist seit 07.12.2005 in Österreich anerkannter Flüchtling, verfügte jedoch (im Zeitpunkt der Beschwerdeverhandlung des Asylgerichtshofes) lediglich über eine Obdachlosenmeldung, welche in der Folge annulliert wurde, sowie eine Tante, die ZeuginXXX und deren Sohn XXX, welche beide ebenfalls anerkannte Flüchtlinge sind. Der Beschwerdeführer ist jedoch von keinen dieser Verwandten abhängig und hat lediglich telefonischen Kontakt und sieht diese nur gelegentlich bei Wienaufenthalten. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig, sondern lebt von der Grundversorgung und hat lediglich einen Anfängerdeutschkurs besucht. Weitere Hinweise auf eine Integration in Österreich bestehen derzeit nicht.
Zu Tschetschenien und eine allfälligen inländischen Fluchtalternative von Tschetschenien in die Russische Föderation wird Folgendes festgestellt.
Die Tschetschenische Republik ist eines der 83 Subjekte der Russischen Föderation. Die sieben mehrheitlich moslemischen Republiken im Nordkaukasus wurden jüngst zu einem neuen Föderationsbezirk mit der Hauptstadt Pjatigorsk zusammengefasst. Die Tschetschenen sind bei weitem die größte der zahlreichen kleinen Ethnien im Nordkaukasus. Tschetschenien selbst ist (kriegsbedingt) eine monoethnische Einheit (93% der Bevölkerung sind Tschetschenen), fast alle sind islamischen Glaubens (sunnitische Richtung). Die Tschetschenen sind das älteste im Kaukasus ansässige Volk und nur mit den benachbarten Inguschen verwandt. Freiheit, Ehre und das Streben nach (staatlicher) Unabhängigkeit sind die höchsten Werte in der tschetschenischen Gesellschaft, Furcht zu zeigen gilt als äußerst unehrenhaft. Sehr wichtig ist auch der Respekt gegenüber älteren Personen und der Zusammenhalt in der (Groß‑)Familie, den Taips (Clans) und Tukkums (Tribes). Eine große Bedeutung hat auch das Gewohnheitsrecht Adat. Es gibt sprachliche und mentalitätsmäßige Unterschiede zwischen den Flachland- und den Bergtschetschenen.
In Tschetschenien hatte es nach dem Ende der Sowjetunion zwei Kriege gegeben. 1994 erteilte der damalige russische Präsident Boris Jelzin den Befehl zur militärischen Intervention. Fünf Jahre später begann der zweite Tschetschenienkrieg, russische Bodentruppen besetzten Grenze und Territorium der Republik Tschetschenien. Die Hauptstadt Grosny wurde unter Beschuss genommen und bis Januar 2000 fast völlig zerstört. Beide Kriege haben bisher 160.000 Todesopfer gefordert. Zwar liefern sich tschetschenische Rebellen immer wieder kleinere Gefechte mit tschetschenischen und russischen Regierungstruppen, doch seit der Ermordung des früheren Präsidenten Tschetscheniens, Aslan Maschadow, durch den russischen Geheimdienst FSB im März 2005 hat der bewaffnete Widerstand an Bedeutung verloren.
Laut Ministerpräsident Putin ist mit der tschetschenischen Parlamentswahl am 27.11.2005 die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in Tschetschenien abgeschlossen worden. Dabei errang die kremlnahe Partei "Einiges Russland" die Mehrheit der Sitze. Beobachter stellten zahlreiche Unregelmäßigkeiten fest. Hauptkritik an der Wahl war u.a. die anhaltende Gewaltausübung und der Druck der Miliz (sog. "Kadyrowzy") gegen Wahlleiter und Wahlvolk. Nach dem Rücktritt seines Vorgängers Alu Alchanow im Februar 2007 hat der bisherige Ministerpräsident Ramzan Kadyrow am 05.04.2007 das Amt des tschetschenischen Präsidenten angetreten. Er hat seine Macht in der Zwischenzeit gefestigt und zu einem Polizeistaat ausgebaut "(Kadyrow'scher Privatstaat" Uwe Halbach). Seit 2. September 2010 trägt Kadyrow den Titel "Oberhaupt" Tschetscheniens.
Bis Februar 2011 wurde Russland vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg bereits in 162 Fällen für schwerste Menschenrechtsverletzungen während des zweiten Tschetschenien-Kriegs verurteilt. Im Februar 2011 wurde Ramzan Kadyrow von Präsident Medwedew zu einer zweiten fünfjährigen Amtszeit als Republiksoberhaupt ernannt. Der von Russland unterstützte Präsident Ramzan Kadyrow verfolgt offiziell das Ziel Ruhe, Frieden und Stabilität in Tschetschenien zu garantieren und den Einwohnern seines Landes Zugang zu Wohnungen, Arbeit, Bildung, medizinischer Versorgung und Kultur zu bieten. Der russische Präsident Medwedew versucht Tschetschenien auch durch Wirtschaftshilfe zu "befrieden".
Neben der endgültigen Niederschlagung der Separatisten und der Wiederherstellung bewohnbarer Städte ist eine wichtige Komponente dieses Ziels die Wiederbelebung der tschetschenischen Traditionen und des tschetschenischen Nationalbewusstseins. Kadyrow fördert das Bekenntnis zum Islam, warnt allerdings vor extremistischen Strömungen wie dem Wahhabismus. Viele Moscheen wurden wiederaufgebaut, die Zentralmoschee von Grosny ist die größte in Russland. Jeder, der in Verdacht steht, ihn und seine Regierung zu kritisieren, wird verfolgt. Eine organisierte politische Opposition gibt es daher nicht. Die 16.000 Mann starken Einheiten Kadyrows sind für viele Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien bis heute verantwortlich.
(Tschetschenien, http://de.wikipedia.org/wiki/Tschetschenien , Zugriff 11.01.2011, Ramzan Kadyrow, http://de.wikipedia.org/wiki/Ramsan_Achmatowitsch_Kadyrow , Zugriff 11.01.2011, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nordkaukasus:
Sicherheits- und Menschenrechtslage vom 25.11.2009, Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 07.03.2011, Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation/Tschetschenien, Adat-Blutrache vom 5.11.2009, Martin Malek, Understanding Chechen Culture, Der Standard vom 19.01.2010, Eurasisches Magazin vom 03.05.2010, Analyse der Staatendokumentation zur Situation der Frauen in Tschetschenien vom 08.04.2010, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nordkaukasus: Sicherheits- und Menschenrechtslage vom 12.09.2011, Seite 20, The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 8, Issue 42, 02.03.2011)
1. Allgemeine Situation
In Tschetschenien hat Oberhaupt Ramzan Kadyrow ein repressives, stark auf seine Person zugeschnittenes Regime etabliert, was die Betätigungsmöglichkeiten für die Zivilgesellschaft auf ein Minimum reduziert. Trotz deutlicher Wiederaufbauerfolge ist die ökonomische Lage in Tschetschenien desolat, es gibt kaum Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb des staatlichen Sektors. Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle ging nach einem relativen Höchststand 2009 wieder zurück. Dennoch kam es 2010 und 2011 zu einigen ernsthaften Vorfällen. Im gesamten Nordkaukasus soll es nach Angaben des FSB 600 bis 700 aktive Rebellen geben.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 07.03.2011, Seite 21, Council of Europe - Commissioner for Human Rights: Report by Thomas Hammarberg Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Following his visit to the Russian Federation from 12 to 21 May 2011, 6.9.2011)
Den Machthabern in Russland ist es gelungen, den Konflikt zu "tschetschenisieren", das heißt, es kommt nicht mehr zu offenen Kämpfen zwischen russischen Truppen und Rebellen, sondern zu Auseinandersetzungen zwischen der Miliz von Ramzan Kadyrow und anderen "pro-russischen" Kräften/Milizen - die sich zu einem erheblichen Teil aus früheren Rebellen zusammensetzen - einerseits sowie den verbliebenen, eher in der Defensive befindlichen Rebellen andererseits. Die bewaffnete Opposition wird mittlerweile von islamistischen Kräften dominiert, welche allerdings kaum Sympathien in der Bevölkerung genießen. Die bewaffneten Auseinandersetzungen konzentrierten sich auf entlegene Bergregionen.
Seit Jahresbeginn 2010 ist es in Tschetschenien jedoch zu einem spürbaren Rückgang von Rebellen-Aktivitäten gekommen. Diese werden durch Anti-Terror Operationen in den Gebirgsregionen massiv unter Druck gesetzt, was teilweise ein Ausweichen der Kämpfer in die Nachbarrepubliken Dagestan und Inguschetien bewirkt. Die Macht von Ramzan Kadyrow, ist in Tschetschenien unumstritten. Politische Beobachter meinen, Ersatz für Kadyrow zu finden wäre sehr schwierig, da er alle potentiellen Rivalen ausgeschalten habe, über privilegierte Beziehungen zum Kreml und zu Ministerpräsident Putin verfüge und sich großer Beliebtheit unter der Bevölkerung erfreue.
(Asylländerbericht Russland der Österreichischen Botschaft in Moskau, Stand 21.10.2010, Seite 15)
Der stetige Rückgang der föderalen Streitkräfte nach Ende der "heißen" Phase des zweiten Krieges ab 2002 kann als Zeichen für die verbesserte Sicherheitslage verstanden werden. Der Rückzug der russischen Truppen war nicht nur durch die Stabilisierung der Sicherheitslage, sondern auch durch die sukzessive Übergabe der Verantwortung auf lokale tschetschenische Streitkräfte, die erst in den letzten Jahren anwuchsen, möglich. Die andauernde Stationierung föderaler Sicherheitskräfte in Tschetschenien und der trotz der Beendigung der von 1999 bis 2009 dauernden Anti-Terror-Organisation (ATO) nicht erfolgte Abzug zeigen, dass die tschetschenischen Sicherheitskräfte weiterhin föderale Unterstützung im Kampf gegen die Rebellen benötigen. Andererseits kann auch davon ausgegangen werden, dass Moskau seine Truppen vermutlich aus mangelndem Vertrauen in Kadyrow weiterhin dort stationiert lässt. Die in den letzten Monaten ergriffenen Maßnahmen und die Wortwahl der Präsidenten Medwedew und Kadyrow sowie des Ministerpräsidenten Putin zeigen jedenfalls, dass man zur Bekämpfung des "Terrorismus" im Nordkaukasus insgesamt weiterhin eher auf militärische Gewalt setzt, und soziale und wirtschaftliche Maßnahmen eine untergeordnete Rolle spielen.
Medwedew fordert weiterhin "brutale Maßnahmen" gegen Terroristen und spricht von einem "schonungslosen Kampf" gegen die Rebellengruppen. Auch in Zusammenhang mit den Anschlägen auf die Moskauer U-Bahn im März 2010 oder den Anschlag auf ein Kaffeehaus in Pjatigorsk im August 2010 sprach sich Medwedew für die "Zerstörung" der Kämpfer aus. In Anbetracht der 2014 in Sotschi stattfindenden olympischen Winterspiele wird gemutmaßt, dass Medwedew meinen könnte, allein die Anwendung roher Gewalt könne die Region genügend stabilisieren um die Abhaltung der Spiele nicht zu gefährden.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 14)
Zusammenfassend ist auszuführen, dass nach Beendigung der Anti-Terror-Organisation 2009 temporär wieder vermehrt Anschläge in Tschetschenien zu verzeichnen waren. Die 2009 sprunghaft angestiegene Anzahl an Selbstmordanschlägen ist 2010 wieder stark eingebrochen. Der jüngste Angriff auf die Heimatstadt Kadyrows Zenteroi am 29. August 2010 lässt keine Zweifel, dass die tschetschenischen Rebellen auch zu taktisch herausfordernden Aktionen fähig sind. Von einer Stärkung der Widerstandsbewegung, die in der nächsten Zeit zu einem Ausbruch größerer Kamphandlungen führen könnte, ist jedoch nicht auszugehen.
Anders als im übrigen Nordkaukasus gingen die Angriffe bewaffneter Gruppen in Tschetschenien zurück.
(Amnesty International: Jahresbericht 2012 ,24.5.2012)
2011 gab es in Tschetschenien mindestens 201 Opfer des bewaffneten Konflikts, darunter 95 Tote und 106 Verwundete. 2010 waren es noch 250 Opfer gewesen (127 Tote, 123 Verletzte). Damit liegt Tschetschenien betreffend Opferzahlen hinter Dagestan an zweiter Stelle der nordkaukasischen Republiken. Gemäß Polizeiberichten wurden 2011 in Tschetschenien 62 Mitglieder des bewaffneten Untergrunds getötet (2010: 80), weitere 159 vermeintliche Kämpfer wurden festgenommen (2010: 166). 21 Sicherheitskräfte kamen bei Schießereien und Explosionen 2011 ums leben (2010: 44), 97 wurden verletzt (2010: 93). Des Weiteren wurden 2011 bei Terrorakten, Bombardierungen und Schießereien 12 Zivilisten getötet (2010: 3) und 9 verwundet (2010: 30).
2011 kam es in Tschetschenien zu mindestens 26 Explosionen und Terrorakten, 2010 waren es noch 37 gewesen. Unter den Explosionen und Terrorakten waren sieben Selbstmordanschläge.
(Caucasian Knot: In 2011, armed conflict in Northern Caucasus killed and wounded 1378 people, 12.1.2012, http://abhazia.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/19641/ , Zugriff 3.12.2012)
2012 wurden zwischen Jänner und Mitte Oktober nach Angaben des Innenministeriums der Republik Tschetschenien 35 Kämpfer des bewaffneten Untergrunds in Tschetschenien getötet und weitere 80 verhaftet. Im selben Zeitraum seien 9 gemeinsame große Sonderoperationen gegen die Kämpfer durchgeführt worden.
(Caucasian Knot: The Ministry of Interior Affairs: 35 gunmen killed in Chechnya since the beginning of the year, 17.10.2012, http://www.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/22579/ , Zugriff 3.12.2012)
Wenngleich sich die Sicherheitslage im Sinne dessen, dass keine großflächigen Kampfhandlungen stattfinden und es zu keiner Vertreibung der Zivilbevölkerung kommt, stabilisiert hat, so zeigt sich also, dass dies nicht zuletzt auf die repressive Machtausübung Ramzan Kadyrows und seiner Sicherheitskräfte zurückzuführen ist. Allgemein ist nach wie vor ein hohes Maß an Gewalt feststellbar, vor allem außerjudizielle Tötungen und Kollektivstrafen. Das teilweise brutale und in einigen Fällen als menschenrechtswidrig zu bezeichnende Vorgehen der Sicherheitskräfte (für das diese kaum belangt werden) bringt zwar auch Resultate mit sich, da immer wieder auch führende Kämpfer "neutralisiert", also getötet oder verhaftet, werden und die Sicherheitslage in Tschetschenien dadurch weitgehend stabilisiert werden konnte, andererseits trägt dieses Vorgehen dazu bei, dass sich auch junge Menschen, die sich zunächst nicht mit radikal-islamischem Gedankengut identifizieren, der Widerstandsbewegung anschließen. Deshalb wird die Rebellenbewegung auch in nächster Zeit nicht an Schlagkraft verlieren. Eine nachhaltige Befriedung ist also weiterhin nicht absehbar, die in Zusammenhang mit Tschetschenien so oft zitierte Gewaltspirale dreht sich weiter.
In Tschetschenien kam es im Sommer 2010 zu einer Spaltung innerhalb des bewaffneten Widerstands, als sich ein Teil der bewaffneten Kämpfer vom bis dahin einflussreichsten Anführer Doku Umarow und seiner Doktrin der Schaffung eines islamischen "Emirat Kaukasus" lossagte. Dieser Zwist führte, zusammen mit dem harten Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen "Terroristen" und deren Angehörige, zu einer Abnahme der direkten gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Widerstandskämpfern und Sicherheitskräften, ohne dass die Gewalt insgesamt weniger wurde. Die rund 20.000 "Kadyrowzy" sind nach wie vor aktiv. Die Jamestown Foundation schätzt, dass beinahe 90 Prozent der tschetschenischen islamistischen Gruppierungen nun dem Kommando von Emir Hussein unterstehen, während ein Großteil der dagestanischen, inguschetischen und kabardino-balkarischen "Jamaats" nach wie vor Umarow treu sind. Dieser wurde schon mehrmals totgesagt, was sich bis heute als falsch erwiesen hat.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation:
Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 4-5, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nordkaukasus: Sicherheits- und Menschenrechtslage vom 12.09.2011, Seite 6, 8 und 9; Russia, Freedom in the World 2012)
Im Ergebnis kann gesagt werden, dass Teile der Russischen Föderation, vor allem im Nordkaukasus, von hohem Gewaltniveau betroffen sind. Der relative Erfolg des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, bedeutende Rebellenaktivität in seinem Herrschaftsbereich einzuschränken, ging einher mit zahlreichen Berichten über außergerichtliche Tötungen und Kollektivbestrafung. Zudem breitete sich die Rebellenbewegung in den umliegenden russischen Republiken, wie Inguschetien, Dagestan und Kabardino-Balkarien aus. Hunderte Beamte, Aufständische und Zivilisten sterben jedes Jahr durch Bombenanschläge, Schießereien und Morde. Wenn auch die Gewalt im Nordkaukasus, angefacht von Separatismus, interethnischen Konflikten, dschihadistischen Bewegungen, Blutfehden, Kriminalität und Exzessen durch Sicherheitskräfte weiter geht, ging die Gewalt in Tschetschenien jedoch 2011 im Vergleich zu 2010 zurück.
(Freedom House: Freedom in the World 2013 - Russia, Jänner 2013, U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia)
2.1. Sicherheitslage
Vertreter russischer und internationaler NROs (Memorial, Human Rights Watch, amnesty international, Danish Refugee Council) zeichnen ein insgesamt düsteres Lagebild für Tschetschenien. Es herrscht ein Klima der Angst und Einschüchterung.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 07.03.2011, Seite 22)
Bei Sondereinsätzen der Anti-Terror-Organisation geraten gelegentlich auch Zivilisten ins Schussfeld, wie etwa ein Vorfall im inguschetisch-tschetschenischen Grenzgebiet im Februar 2010 zeigt:
Bei diesem Sondereinsatz kamen je nach Angaben zwischen vier und 14 Zivilisten ums Leben. Zudem steht der Vorwurf im Raum, dass Sicherheitskräfte getötete Zivilisten manchmal als Kämpfer bezeichnen würden, um die Statistik zu schönen. Die derzeit stattfindenden Kämpfe führen jedoch nicht zu einer Vertreibung der Zivilbevölkerung.
Bis Mai 2011 hatte der EGMR in rund 180 Fällen Verletzungen der Artikel 2 und 3 der EMRK bei Einsätzen der Sicherheitskräfte in Tschetschenien festgestellt. 60% der Beschwerden betrafen das Verschwinden von Personen. [...] Die andauernden Muster der Straffreiheit für solch ernsthafte Verletzungen zählen zu den hartnäckigsten Menschenrechtsproblemen im Nordkaukasus. Es gab sicherlich mehrere positive Schritte wie die Einrichtung von Untersuchungskomitees, die Unterstützung der Teilnahme von Opfern bei der strafrechtlichen Verfolgung und die Verkündung mehrerer Direktiven hierzu. Viele Untersuchungen ergeben jedoch keinerlei Ergebnisse; in Fällen, in denen Behörden selbst in Verbrechen involviert waren bestehen Zweifel, inwieweit diese mit den Untersuchungsbehörden die notwendige Kooperation ermöglichen können.
(Council of Europe - Commissioner for Human Rights: Report by Thomas Hammarberg Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Following his visit to the Russian Federation from 12 to 21 May 2011, 6.9.2011)
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) will sicherstellen, dass die Polizei und Truppen des Innenministeriums, welche Sicherheitsoperationen durchführen, die Gesetze kennen. Daher führte das Komitee zwischen Juni 2010 und Jänner 2011 Informationsveranstaltungen für Sicherheitskräfte durch. Zudem führt das IKRK regelmäßigen Dialog mit föderalen und lokalen Exekutivbehörden über Festnahmen, Inhaftierungen und Gewaltanwendung.
(ReliefWeb: Russian Federation/Northern Caucasus: ICRC maintains aid effort, 1.3.2011,
http://www.reliefweb.int/rw/rwb.nsf/db900SID/JARR-8EJHNK?OpenDocument&rc=4&emid=ACOS-635PN7 )
In den letzten Jahren kehrten nicht nur tausende Binnenflüchtlinge in ihre Häuser zurück, sondern auch Tschetschenen, die nach Europa flüchteten. Das subjektive Unsicherheitsgefühl verhindert eine solche Rückkehr scheinbar nicht. Dennoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass in Tschetschenien weiterhin Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Verhaftungen oder unmenschliche Behandlung durch Sicherheitskräfte stattfinden und fragwürdige Maßnahmen wie die Kollektivbestrafung von Kadyrow und anderen tschetschenischen Amtsträgern gutgeheißen werden.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 5)
Nach wie vor finden im Nord-Kaukasus zahlreiche außergesetzliche Tötungen durch Behördenorgane und Angehörige bewaffneter Gruppierungen statt.
Obwohl es 2012 weniger Vorfälle gegeben hat als die Jahre zuvor, bleiben Landminen nach wie vor ein Problem( U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia).
2.2. Die Rebellen
Die tschetschenische Rebellenbewegung entwickelte sich bereits vor Ausbruch des zweiten Krieges immer mehr von einer separatistischen hin zu einem islamistischen Netzwerk und radikalisierte sich im Verlauf der Kriegsjahre erheblich. Damit einher ging die Ausbreitung der Gewalt auf die Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan, wo die Sicherheitslage mittlerweile als prekärer als in Tschetschenien gilt, sowie in geringerem Ausmaß auch auf Kabardino-Balkarien, Karatschajewo-Tscherkessien und Nordossetien. Durch die Ausrufung des "Kaukasus Emirats" durch Doku Umarow (Emir Abu Usman) Ende Oktober 2007 wurde offensichtlich, dass sich der tschetschenische Widerstand nunmehr als Teil einer pankaukasischen islamischen Bewegung betrachtet, deren Ziel nicht die Unabhängigkeit der Republik, sondern vielmehr die "Befreiung" der derzeit "von den Russen besetzten" "islamischen Lande" von "Ungläubigen" ist. Grundsätzlich kann die tschetschenische Rebellenbewegung daher heute nicht mehr losgelöst von den im gesamten Nordkaukasus agierenden Rebellengruppen betrachtet werden. Die einzelnen Gruppen des die Republiksgrenzen überschreitenden Netzwerks stehen zwar miteinander in Verbindung, handeln jedoch weitgehend autonom und dürften einzelne Angriffe auch nicht miteinander koordinieren.
Die tatsächliche Anzahl der Kämpfer ist unklar, Schätzungen reichen von 50 bis 60 (Aussagen Kadyrows) über rund 500 (FSB) bis zu 1.500 Mann (einzelne unabhängige Beobachter in Tschetschenien). Doku Umarow gab im März 2010 an, die Anzahl der Mudschaheddin im gesamten Nordkaukasus läge zwischen 10.000 und 30.000 Mann, bei entsprechenden Ressourcen könnte er fünf- bis zehnmal so viele anführen. Während die Angaben Kadyrows zu niedrig angesetzt sind (allein 2009 sollen offiziellen Angaben zufolge 190 Kämpfer in Tschetschenien ums Leben gekommen sein, in den ersten sieben Monaten 2010 51), sind jene Umarows sicherlich stark übertrieben.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 14-15)
2.2.1. Das Vorgehen der Rebellen
In den ersten Jahren des zweiten Krieges kämpften ganze Armeedivisionen und Brigaden russischer Truppen gegen die Rebellen. Nachdem es den föderalen Truppen gelungen war, große Kampfverbände zu besiegen, gingen die Auseinandersetzungen in einen Guerillakrieg über. In den ersten Monaten des zweiten Tschetschenienkrieges waren die russischen Truppen, die sich vor allem auf die als Hochburgen der Rebellen geltenden südlichen Regionen der Republik konzentrierten, beinahe täglich Bombenanschlägen und Angriffen durch Heckenschützen ausgesetzt. Die Stärke und Kräfte der Kämpfer nahmen ab 2002 und deutlich mit 2004 ab, die Häufigkeit militärischer Aktionen ging zurück. Nachdem viele hochrangige Kommandeure der ersten Generation liquidiert worden waren, - nämlich im März 2002 Ibn al-Chattab, im Jänner 2003 Ruslan Gelajew, im März 2005 Aslan Maschadow, im Juni 2006 Abdul-Chalim Sadulajew und im Juli 2006 Schamil Bassajew - verlor die Rebellenbewegung in Tschetschenien insgesamt an Schlagkraft. Die jüngsten Anschläge im russischen Kernland - jener auf den Zug Newski-Express im November 2009 und die Moskauer U-Bahn im März 2010 - gingen Bekennerschreiben zufolge zwar ebenfalls auf das Konto nordkaukasischer Rebellen, allerdings vermutlich nicht tschetschenischer.
Heutzutage teilt sich die Rebellenbewegung in Tschetschenien in kleine, extrem mobile und unabhängige Gruppen von Kämpfern, die sich im gesamten Nordkaukasus praktisch mehr oder weniger frei bewegen können.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 16)
2.2.2. Neuerliche Gewalt durch Rebellengruppen
Als Gründe für den neuerlichen Gewaltausbruch werden nicht nur religiöser Extremismus und ethnischer Separatismus genannt. Auch die autoritäre Politik Kadyrows und die durch russische und tschetschenische Sicherheitskräfte begangenen Menschenrechtsverletzungen werden als Auslöser genannt. Wie bereits erwähnt werden Armut und die schlechte wirtschaftliche Lage sowie die weit verbreitete Korruption und Clanwirtschaft ebenso dafür verantwortlich gemacht, den Zulauf aus der tschetschenischen Bevölkerung zur Widerstandsbewegung nicht abreißen zu lassen.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 14-18)
Am 19.10.2010 drangen Terroristen sogar bis zum schwer bewachten Parlament in Grosny vor. Aus bisher ungeklärten Gründen gelang es drei Terroristen die Sperre vor dem Parlamentsgebäude zu passieren. Einer der Angreifer sprengte sich davor in die Luft, zwei Untergrundkämpfer drangen in das Gebäude ein, lieferten sich im Erdgeschoss ein Feuergefecht mit den tschetschenischen Sicherheitskräften und sprengten sich dann selbst in die Luft. Außer den Terroristen wurden bei dem Überfall drei Personen getötet, darunter zwei Polizisten und ein tschetschenischer Zivilist. 17 Personen, darunter sechs Polizisten und elf Zivilisten, wurden verletzt. Mit dem Überfall zeigten die Separatisten, dass sie auch in Tschetschenien, wo es in den letzten Jahren weit weniger Anschläge gegeben hatte, als in den Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan, noch handlungsfähig sind.
(Eurasisches Magazin: Der Terror in Tschetschenien ist zurück vom 06.12.2010)
Am 6. Juli 2010 forderte Putin im südrussischen Kislowodsk eine Amnestie für die Untergrundkämpfer im Nordkaukasus. Damit bewies er, dass man mit allen Mitteln Frieden erreichen will.
(Informationszentrum Asyl & Migration: Russische Föderation, Länderinformation und Pressespiegel zur Menschenrechtslage und politischen Entwicklung, Lage im Nordkaukasus vom September 2010, Seite 5)
2.3.1. Menschenrechte allgemein
Russland befindet sich seit dem Ende der Sowjetunion in einem umfassenden und schwierigen Transformationsprozess. Formal garantiert Russland in der Verfassung von 1993 alle Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten. Präsident und Regierung bekennen sich immer wieder zur Einhaltung von Menschenrechten. Menschenrechtler kritisieren jedoch Mängel bei der praktischen Umsetzung der verbrieften Rechte. Repressive Traditionen und ein Mangel an Erfahrungen mit Rechtsstaatlichkeit verbinden sich mit einem teilweise immer noch fehlenden Bewusstsein für individuelle Rechte und Freiheiten. Hinzu kommen Mängel bei der Unabhängigkeit der Judikative und die verbreitete Korruption. Seit Mai 2012 werden ein wachsender staatlicher Druck auf die kritische Zivilgesellschaft und einzelne Akteure beobachtet. Bei der Terrorismusbekämpfung, insbesondere im Nordkaukasus, sind auch autoritäre Einschränkungen der Grundrechte zu beobachten. Trotz einiger Reformbemühungen unter dem damaligen Präsidenten Medwedew, namentlich im Strafvollzugsbereich, bestehen bei der Menschenrechtslage im Land in einigen Bereichen erhebliche Defizite fort.
(Deutsches Auswärtiges Amt: Länder, Reise, Sicherheit - Russische Föderation - Innenpolitik, Stand Oktober 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html , 6.2.2013)
Die wichtigsten Menschenrechtsverletzungen 2011 betrafen Verstöße gegen demokratische Prozesse, die Justizverwaltung und den Rechtsstaat, sowie die Meinungsäußerungsfreiheit. Weitere beobachtete Probleme umfassten physische Misshandlung von Wehrdienern durch Militärs; Einschränkungen der Versammlungsfreiheit; weit verbreitete Korruption auf allen Ebenen der Staatsführung und im Gesetzesvollzug; Gewalt gegen Frauen und Kinder; xenophobische Angriffe und Hassverbrechen; gesellschaftliche Diskriminierung, Schikane und Angriffe auf religiöse und ethnische Minderheiten und Immigranten; gesellschaftliche und behördliche Einschüchterung der Zivilgesellschaft und von Gewerkschaftern; Diskriminierung von Homosexuellen; und Einschränkungen der Arbeiterrechte.
(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia)
2.3.2. Die Menschenrechtslage in Tschetschenien
Die Regierung von Ramsan Kadyrow in Tschetschenien verletzt weiterhin Grundfreiheiten, ist in Kollektivbestrafungen von Familien vermeintlicher Rebellen involviert und fördert insgesamt eine Atmosphäre der Angst und Einschüchterung. Der tschetschenische Ombudsmann Nurdi Nukhazhiyev zeigte sich der wichtigsten NRO in der Region, Memorial, gegenüber unkooperativ. Die Behörden weigerten sich gelegentlich mit NRO, die ihre Aktivitäten kritisierten, zusammenzuarbeiten. Menschenrechtsgruppen beschwerten sich, dass Sicherheitskräfte unter dem Kommando Kadyrows eine bedeutende Rolle bei Entführungen spielten, entweder auf eigene Initiative oder in gemeinsamen Operationen mit föderalen Kräften. Darunter waren Entführungen von Familienmitgliedern von Rebellenkommandanten und -kämpfern.
Wie berichtet wird, wird Folter sowohl von lokalen Behördenorganen als auch von föderalen Kräften angewendet.
(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia)
Es werden weiterhin Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit den "anti-terroristischen" Operationen der Regierung berichtet. Anwälte, Journalisten und Menschenrechtsorganisationen berichten über Entführungen, willkürliche Verhaftungen, Folter, "Verschwindenlassen" und widerrechtliche Tötungen. Der russische Ombudsmann hat mehrfach über Verstöße im Nordkaukasus berichtet, ebenso wie der Menschenrechtskommissar des Europarates. Solche Berichte scheinen vor Ort aber wenige Auswirkungen zu haben.
(Council of Europe - Parliamentary Assembly: The situation of IDPs and returnees in the North Caucasus region, 5.3.2012)
Berichten zufolge verübten Beamte mit Polizeibefugnissen nach wie vor schwere Menschenrechtsverletzungen. Menschenrechtsverletzungen durch föderale oder tschetschenische Sicherheitskräfte werden in den seltensten Fällen strafrechtlich verfolgt. In einigen Fällen wurden Opponenten und Kritiker Kadyrows in Tschetschenien und anderen Gebieten der Russischen Föderation, aber auch im Ausland durch Auftragsmörder getötet (darunter Mord an Umar Israilow in Wien im Jänner 2009). Keiner dieser Mordfälle konnte bislang vollständig aufgeklärt werden.
(Amnesty International: Jahresbericht 2012 [Beobachtungszeitraum 2011], 24.5.2012, ÖB Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, Stand September 2012)
Der relative Erfolg des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow bei der Unterdrückung größerer Rebellenaktivitäten in seinem Einflussbereich wird begleitet von zahlreichen Berichten über außergerichtliche Hinrichtungen und Kollektivbestrafungen.
(Freedom House: Freedom in the World 2012 - Russia, März 2012)
Im Nordkaukasus finden die schwersten Menschenrechtsverletzungen in der Russischen Föderation statt. Hierzu sind seit 2005 auch zahlreiche Urteile des EGMR gegen Russland ergangen, der insbesondere Verstöße gegen das Recht auf Leben festgestellt hat. Wiederholte Äußerungen von Präsident Medwedew und anderen Funktionsträgern deuten darauf hin, dass Recht und Gesetz hinreichend eingehalten und die Menschenrechte respektiert werden sollen. Die Urteile des EGMR werden von Russland nicht vollständig umgesetzt. 2011 wurden in Tschetschenien 20 Fälle registriert, in denen Personen entführt wurden, verschwanden oder gesetzwidrig verhaftet wurden (2010: 6). Memorial dokumentierte zwischen Jänner und September 2011 elf Fälle von Entführungen lokaler Einwohner durch Sicherheitskräfte. Opfer weigern sich aus Angst vor behördlicher Vergeltung zusehends über Verstöße zu sprechen. In einem Brief an eine russische NRO im März 2011 sagten die föderalen Behörden, dass die tschetschenische Polizei Untersuchungen von Entführungen sabotierten und manchmal die Täter deckten. In einem Schreiben an die NGO "Interregionales Komitee gegen Folter" bestätigte ein hochrangiger tschetschenischer Staatsanwalt, dass die Ermittlungen zu den Fällen von Verschwindenlassen in Tschetschenien ineffektiv seien. Vertreter russischer und internationaler NRO zeichnen ein insgesamt düsteres Lagebild. Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bleiben dort an der Tagesordnung, es herrscht ein Klima der Angst und Einschüchterung. Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist völlig unzureichend.
(Caucasian Knot: In 2011, armed conflict in Northern Caucasus killed and wounded 1378 people, 12.1.2012, http://abhazia.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/19641/ , Zugriff 3.12.2012, Human Rights Watch: World Report 2012, 22.1.2012, Amnesty International: Jahresbericht 2012 24.5.2012; (Auswärtiges Amt:
Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand Juni 2012), 6.7.2012)
2.3.3. Menschenrechtsaktivisten und Gegner Kadyrows:
Immer wieder kam es zu Zusammenstößen zwischen verschiedenen offiziellen tschetschenischen Einheiten, insbesondere zwischen solchen unter der Kontrolle Kadyrows und jenen unter der Kontrolle von Personen, die gemeinhin als seine persönlichen Gegner bezeichnet wurden, wie zum Beispiel der mittlerweile ermordete Sulim Jamadajew und der nunmehr aus Tschetschenien vertriebene Said-Magomed Kakijew. Bei diesen Zusammenstößen kam es auch zu Todesfällen.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 10)
Seit 2009 wurde eine zunehmende Zahl von Menschenrechtsverteidigern aus dem Nordkaukasus drangsaliert, geschlagen, entführt und getötet. Auch der tschetschenische Präsident Ramzan Kadyrow beschuldigte am 3. Juli 2010 in einem Fernsehinterview Journalisten und Menschenrechtsaktivisten, vom Ausland bezahlt zu sein, und bezeichnete sie als "Verräter, welche "die Idee des Mutterlands verkauft" hätten, zudem als "Feinde des Volkes, Feinde des Gesetzes, Feinde des Staates".
(Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nordkaukasus: Sicherheits- und Menschenrechtslage vom 12.09.2011, Seite 14-15)
Einer der zuletzt bekannt gewordenen Fälle betrifft den kritischen politischen Journalisten der Tageszeitung "Kommersant" Oleg Kaschin, der am 06.11.2010 vor seinem Haus von Unbekannten zusammengeschlagen und schwer verletzt wurde.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 07.03.2011, Seite 9)
Die Verfolgung von Familienmitgliedern und Unterstützern von Widerstandskämpfern ist in der Russischen Föderation eine der Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus im Nordkaukasus. Grundsätzlich können Personen, die den Widerstand in Tschetschenien unterstützen - sei es dadurch Rebellen Lebensmittel, Kleidung oder Schlafstätten zur Verfügung zu stellen oder sei es durch Waffen - in der Russischen Föderation strafrechtlich verfolgt werden. Es kommt regelmäßig zu Verhaftungen aufgrund von Hilfeleistung an die Rebellen. Ob Personen, die unter diesem Vorwurf vor Gericht gestellt werden mit einem fairen Verfahren rechnen können ist aufgrund der im Justizbereich verbreiteten Korruption und der bekannten Einflussnahme der Exekutive auf richterliche Entscheidungen fraglich. Das Strafmaß beträgt 8 bis 20 Jahre Freiheitsentzug.
In deutsch- und englischsprachigen Medien und Berichten von russischen und anderen Menschenrechts- und Nichtregierungsorganisationen finden sich keine Hinweise, dass in den letzten Jahren oder derzeitig, Personen, die den Widerstand in den Jahren vor der letzten offiziellen Amnestie 2006 unterstützt oder selbst gekämpft und eine Amnestie in Anspruch genommen haben, oder die mit einer solchen Person verwandt sind, nunmehr allein deshalb verfolgt würden. Betroffen sind hauptsächlich Unterstützer und Familienmitglieder gegenwärtig aktiver Widerstandskämpfer. Um unbehelligt leben zu können müssen sich amnestierte Kämpfer und Unterstützer und deren Familien Ramsan Kadyrow gegenüber sicherlich weiterhin loyal zeigen. Ein Austritt aus den lokalen Sicherheitskräften, in denen viele der Amnestierten nunmehr arbeiten (müssen) wird nur bedingt möglich sein.
Obwohl eine strafrechtliche Verfolgung von Unterstützern des Widerstandskampfes möglich ist, greifen die tschetschenischen Sicherheitskräfte in ihrem Kampf gegen den Terrorismus weiterhin auf Mittel ohne rechtliche Grundlage zurück. Einerseits gibt es vereinzelte Berichte, dass Unterstützer ohne jegliches Verfahren für ihre vermeintliche Hilfeleistung "bestraft" werden. Andererseits finden sich zahlreiche Berichte über Formen der Kollektivbestrafung von Familienmitgliedern (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer. Betroffen ist vorwiegend der engere Familienkreis, also Eltern, Onkeln, Cousins und Ehefrauen. Die tschetschenischen Behörden gehen aufgrund der traditionell sehr engen Familienbande davon aus, dass Familien ihre im Wald lebenden Angehörigen unterstützen, vor allem aber davon, dass diese Familien im Stande sind, ihre Angehörigen zu einer Rückkehr aus dem Wald zu bewegen. Die Verfolgung beginnt mit dem Einsatz von Druckmitteln wie der Streichung von Sozialbeihilfen, und führt bis zur Niederbrennung der Wohnhäuser der betroffenen Familien. Offizielle Beschwerden oder Anzeigen hiergegen sind kaum möglich.
(BAA/Staatendokumentation: Analyse der Staatendokumentation - Russische Föderation - Unterstützer und Familienmitglieder (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer in Tschetschenien, 20.4.2011)
2012 wurden ab Jahresbeginn bis September rund 40 Personen festgenommen, um auf die Rebellen Druck auszuüben. Die meisten der Verhafteten sind Frauen, die beschuldigt werden, den Rebellen Nahrung gekauft oder Unterkunft gegeben zu haben. Die offiziellen Statistiken können jedoch nicht für bare Münze genommen werden. Tschetschenische Exekutiv- und Sicherheitsbehörden unter der de-facto Kontrolle von Ramsan Kadyrow wenden gegenüber Verwandten und mutmaßlichen Unterstützern vermeintlicher Rebellen Kollektivstrafen an. Das Niederbrennen von Häusern vermeintlicher Rebellen, ein Mechanismus der Kollektivbestrafung, der seit 2008 angewandt wird, ging Berichten zufolge weiter. Im Juli 2011 berichtete Caucasian Knot über mehrere Häuser, die niedergebrannt wurden, die Familien junger Leute gehörten, die sich dem Widerstand angeschlossen hatten. Im April 2012 wurde Rechtsaktivisten von Bewohnern des Dorfes Komsomolskoye/Bezirk Gudermes berichtet, dass Personen in Uniform die Häuser von den Eltern und Großeltern eines wenige Tage zuvor getöteten Rebellen niedergebrannt hatten. Kadyrow und andere tschetschenische Beamten haben bei mehreren Gelegenheiten ausgesagt, dass Angehörige von Aufständischen für ihre Rebellen-Verwandten zur Verantwortung gezogen werden müssen.
(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 176, 27.9.2012, U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia, Human Rights Watch: World Report 2012, 22.1.2012, The Jamestown Foundation: North Caucasus Weekly -- Volume 13, Issue 10, 18.5.2012 / Caucasian Knot: Chechnya: houses of relatives of Bantaev, killed in special operation, burnt down, locals say, 5.5.2012, http://www.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/20948/ , Zugriff 3.12.2012)
Es kann von niemandem mit Sicherheit gesagt werden, wie viele Rebellen heutzutage in Tschetschenien aktiv sind. Rekrutierung findet konstant statt. Rebellen und jene die aktive Rebellen unterstützen sind Hauptziel der tschetschenischen Behörden, während ehemalige tschetschenische Rebellen für die Behörden von weniger Interesse sein dürften. Aktive Rebellen werden für gewöhnlich während Sonderoperationen getötet, während Unterstützer festgenommen werden. Bei der Befragung von Personen, die der Zusammenarbeit mit Rebellen bezichtigt werden, soll es zu Folter kommen. In einer Reihe von Fällen wurden Personen für verschiedenartige Unterstützung der Rebellen zu Haftstrafen verurteilt.
(Landinfo: Tsjetsjenia: Tsjetsjenske myndigheters reaksjoner mot opprørere og personer som bistår opprørere, 26.10.2012, http://www.landinfo.no/asset/2200/1/2200_1.pdf , Zugriff 3.12.2012)
2.3.4.Haftbedingungen
Die Situation im Strafvollzug ist unbefriedigend. Übergriffe von Wärtern auf Gefangene kamen weiterhin vor, ebenso wie Übergriffe von Gefangenen untereinander.
Die meisten Strafanstalten und Untersuchungsgefängnisse sind veraltet und überbelegt. Bausubstanz und sanitäre Bedingungen in den russischen Haftanstalten entsprechen nicht westeuropäischen Standards. Die Unterbringung der Häftlinge erfolgt oft in Schlafsälen von über 40 Personen und ist häufig sehr schlecht. Duschen ist vielfach nur gelegentlich möglich. Das Essen ist einseitig und vitaminarm. Die medizinische Versorgung ist ebenfalls unbefriedigend. Ein Großteil der Häftlinge bedarf medizinischer Versorgung. Sowohl von TBC- als auch HIV-Infektionen in bemerkenswertem Umfang wird berichtet. Problematisch ist ebenso die Zahl der drogenabhängigen oder psychisch kranken Inhaftierten. Den Ärzten mangelt es im Allgemeinen an geeigneter Qualifizierung, Medikamente sind begrenzt verfügbar und Geräte sind alt. Spezialisten sind in den Haftanstalten nicht verfügbar, oftmals war nur eine Krankenschwester eingestellt.
(Deutsches Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Juni 2012, 6.7.2012, U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia, )
Die Bedingungen in den Haftanstalten haben sich in den letzten zehn Jahren langsam, aber kontinuierlich verbessert. Allerdings entsprechen die Haftbedingungen im Hinblick auf Verpflegung und medizinische Versorgung der Häftlinge sowie hygienische Einrichtungen nicht immer allgemein anerkannten Mindeststandards. Gerade in Jugendhaftanstalten und in Untersuchungsgefängnissen sind die Haftbedingungen besonders harsch.
(Österreichische Botschaft Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, September 2012)
Ein Vertreter einer NRO gab 2011 an, dass die Anwendung von Folter in Tschetschenien in den letzten Jahren anstieg. Gewöhnlich umfasst diese Folter starke Schläge und im Falle längerer Haftzeiten auch Elektroschocks, so dass bei einer Entlassung keine physischen Zeichen sichtbar sind. Memorial gab an, dass die Mehrheit der Personen, die in Haft sind oder von den tschetschenischen Behörden befragt werden, physischen Misshandlungen wie starken Schlägen, Verbrennungen, Ausreißen von Nägeln und Elektroschocks ausgesetzt ist.
(Danish Immigration Service: Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, 11.10.2011)
3. Versorgungslage
Die Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich nach Angaben von internationalen Hilfsorganisationen in den Jahren seit 2007 deutlich verbessert. Die Staatsausgaben in Tschetschenien pro Einwohner sind doppelt so hoch wie im Durchschnitt des südlichen Föderalen Bezirks. Durch die in den letzten zehn Jahren - großteils durch föderale Gelder - durchgeführten Programme und Projekte konnte der Wiederaufbau in der Tschetschenischen Republik vorangetrieben werden. Kadyrow möchte eine Art "Dubai des Kaukasus"(Uwe Halbach) aus Tschetschenien machen. Sowohl in die soziale, als auch in die technische Infrastruktur wurde investiert: In den Bau und die Renovierung von Wohnungen, medizinischen Einrichtungen, Schulen, Kaufhäusern, Straßen, Kanalisation, Stromversorgung u. ä. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Tschetscheniens Grosny ist inzwischen fast vollständig wieder aufgebaut - dort gibt es mittlerweile auch wieder einen Flughafen. Nach Angaben der EU-Kommission findet der Wiederaufbau überall in der Republik, insbesondere in Gudermes, Argun und Schali, statt. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen melden, dass selbst in kleinen Dörfern Schulen und Krankenhäuser aufgebaut werden. Die Infrastruktur (Strom, Heizung, fließendes Wasser, etc.) und das Gesundheitssystem waren nahezu vollständig zusammengebrochen, doch zeigen Wiederaufbauprogramme und die Kompensationszahlungen Erfolge. Der Wiederaufbau geht unter hohem Einsatz staatlicher Mittel rasch voran, die Arbeitslosigkeit bleibt aber nach wie vor ein schweres Problem. Missmanagement, Kompetenzgemenge und Korruption verhindern in vielen Fällen, dass die Gelder für den Wiederaufbau sachgerecht verwendet werden. Die humanitären Organisationen reduzieren langsam ihre Hilfstätigkeiten; sie konstatieren keine humanitäre Notlage, immer noch aber erhebliche Entwicklungsprobleme. Der Schulbesuch ist grundsätzlich möglich und findet unter zunehmend günstigen Bedingungen statt.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 07.03.2011, Seite 23, Bericht der Staatendokumentation zum Forschungsaufenthalt, Russische Föderation - Republik Tschetschenien, Dezember 2011, Seite 5; Amnesty International, Annual Report 2012)
Trotz der Bemühungen die notwendige Infrastruktur zu verbessern, haben die meisten gewöhnlichen Bürger keinen Nutzen aus den Wiederaufbaubemühungen in Tschetschenien gezogen. Für den Wiederaufbau wurden ausländische Arbeiter und Firmen herangezogen; Fabriken und andere Initiativen, die Arbeitsplätze in größerem Umfang schaffen könnten, wurden nicht wiederhergestellt. Deshalb sind viele gewöhnliche Bürger weiterhin von Sozialbeihilfen als Haupteinkommensquelle abhängig. Die Lebensqualität ist weiterhin schlecht, es besteht ein Mangel an leistbarem Wohnraum und medizinischen Einrichtungen, sowie eingeschränkter Zugang zu Wasser, Sanitäranlagen und anderen Betriebsmitteln und eine ungeeignete Transportinfrastruktur. Wo Bildung verfügbar ist, sind die Standards niedrig.
Dennoch gibt es Grund für Optimismus. Laut Aleksandr Khloponin [Bevollmächtigter Vertreter des Präsidenten im Föderationskreis Nordkaukasus] dauerte es mehr als zehn Jahre, um die Sicherheitslage in Tschetschenien zu verbessern, die Infrastruktur und Wohnraum wieder aufzubauen, vermisste Personen zu suchen, ethnische Gruppen zusammenzubringen und vieles anderes. Um diese Bemühungen weiterführen zu können, wurde 2010 eine "Strategie für die sozioökonomische Entwicklung des Föderationskreises Nordkaukasus bis 2025" beschlossen. Diese sieht für die kommenden Jahre größere Investitionen in den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung, Baumaterialien, Tourismus, Industrieanlagen und Logistik vor. Jedoch wird es noch mehr Zeit brauchen, um die Situation für jedermann zu verbessern. Die Arbeitslosigkeit anzupacken ist sowohl für die föderale als auch die regionale Regierung die erste Priorität. In Tschetschenien ist die Arbeitslosigkeit von 45% 2010 auf 30% im August 2011 gesunken.
(Council of Europe - Parliamentary Assembly: The situation of IDPs and returnees in the North Caucasus region, 5.3.2012)
3.1. Wohnsituation
Laut Beurteilung des tschetschenischen Eigentumsministeriums sowie des Wohnungsministeriums ist das Privateigentum anderer für Tschetschenen unantastbar. Aus diesem Grunde werden Häuser von Tschetschenen, die ausgereist sind, nicht von anderen Personen oder vom Staat in Besitz genommen. Es wurde in den diesbezüglichen Stellungnahmen sogar soweit ausgeholt, dass Häuser so lange leer stehen würden, bis der Besitzer zurückkäme.
(Bericht der Staatendokumentation zum Forschungsaufenthalt, Russische Föderation - Republik Tschetschenien, Dezember 2011, Seite 23-24)
Wohnraum bleibt ein großes Problem. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden während der kriegerischen Auseinandersetzungen seit 1994 über 150.000 private Häuser sowie ca. 73.000 Wohnungen zerstört. Die Auszahlung von Kompensationsleistungen für kriegszerstörtes Eigentum ist noch nicht abgeschlossen. Nichtregierungsorganisationen berichten, dass nur rund ein Drittel der Vertriebenen eine Bestätigung der Kompensationsberechtigung erhalte. Viele Rückkehrer bekämen bei ihrer Ankunft in Grosny keine Entschädigung, weil die Behörden sich weigerten, ihre Dokumente zu bearbeiten, oder weil ihre Namen von der Liste der Berechtigten verschwunden seien. Verschiedene Schätzungen, u.a. des ehemaligen Menschenrechtsbeauftragten des Europarates Gil Robles, gehen davon aus, dass 30-50% der Kompensationssummen als Schmiergelder gezahlt werden müssen.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand Juni 2012, 06.07.2012)
3.2. Nahrungsversorgung
Hinsichtlich der Verfügbarkeit und der Kosten von Grundnahrungsmitteln ist auf die Mentalität des tschetschenischen Volkes zu verweisen, diese hat es laut Einschätzung des tschetschenischen Landwirtschaftsministeriums ermöglicht, dass die Menschen selbst während der beiden Kriege genug zu essen hatten. Laut Beurteilung des Landwirtschaftsministeriums gibt es aufgrund der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung der tschetschenischen Bevölkerung auch heutzutage keine Familie in Tschetschenien, die sich nicht die Lebensmittel kaufen kann, welche sie benötigt.
(Bericht zum Forschungsaufenthalt der Staatendokumentation, Russische Föderation - Republik Tschetschenien, Dezember 2011, Seite
23)
Das Notfall- und Rehabilitationsprogramm im Nordkaukasus soll für die Ernährungssicherheit und Ernährung durch "Empowerment" gefährdeter Bevölkerungsgruppen sorgen. Diese Ziele sollen dadurch erreicht werden, indem man die landwirtschaftliche und die auf Viehzucht basierende Produktion wieder aufnimmt und gleichzeitig verstärkt neue Kenntnisse über Ernährung und Klein-Farmbetriebe anwendet.
Die FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation) nahm am Inter-Agency-Transitional-Arbeitsplan für den Nordkaukasus 2007 teil, der die Durchführung von Aktivitäten zur Verbesserung der Ernährungssicherheit und Stärkung ländlicher Existenzmöglichkeiten in der Region beabsichtigt. Insbesondere gehören zu den wichtigsten Zielen der FAO im Bereich der Wiederaufnahme der landwirtschaftlichen Produktion die Wiedereingliederung von sozial benachteiligten Gruppen, die Bereitstellung von landwirtschaftlichen Betriebsmitteln für Einkommen schaffende Maßnahmen, der Wiederaufbau der wichtigen landwirtschaftlichen Infrastruktur, die Gewährung von Dienstleistungen sowie die Stärkung der institutionellen Kapazitäten in der Landwirtschaft.
(Homepage der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation), Zugriff am 11. Jänner 2011,
http://www.fao.org/countries/55528/en/rus/ )
3.3. Arbeitslosigkeit und soziale Lage
Wichtigstes soziales Problem ist die Arbeitslosigkeit und große Armut weiter Teile der Bevölkerung. Nach Schätzungen der UN waren 2008 ca. 80% der tschetschenischen Bevölkerung arbeitslos und verfügen über Einkünfte unterhalb der Armutsgrenze (in Höhe von 2,25 USD/Tag). Der Durchschnittsgehalt lag in Tschetschenien laut Bundesstatistikdienst Ende 2011 bei RUB 13.919 RUB und somit über jenem der nordkaukasischen Nachbarrepubliken. Die durchschnittlichen monatlichen Lebenshaltungskosten in Grosny betragen laut statistischen Angaben der Russischen Föderation vom Dezember 2011 pro Person ca. 6.559 RUB (ca. 158 EUR).
Haupteinkommensquelle ist der Handel. Andere legale Einkommensmöglichkeiten gibt es kaum, weil die Industrie überwiegend zerstört ist. Minen verhindern die Entwicklung landwirtschaftlicher Aktivitäten. Geld wird mit illegalem Verkauf von Erdöl und Benzin verdient; zahlreiche Familien leben von Geldern, die ein Ernährer aus dem Ausland schickt.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 07.03.2011, Seite 23, IOM: Länderinformationsblatt Russische Föderation, Juni 2012, BAMF: IOM Individualanfrage ZC7, 18.01.2012)
Die offizielle Arbeitslosenrate ist in den letzten Jahren gesunken, ist aber nach wie vor ein großes Problem. Die inoffizielle Arbeitslosenrate wird weit höher geschätzt, ein nicht unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung dürfte aber im informellen Sektor Einkommen schöpfen, bzw. aus landwirtschaftlichem Eigenanbau konsumieren. Unterstützung aus der Familie hat in der Republik große Tradition. Wenngleich Korruption auch im Bereich der Sozialbeihilfen bestehen dürfte, so sind in der Tschetschenischen Republik grundsätzlich dieselben föderalen sozialen Unterstützungen wie in der gesamten Russischen Föderation verfügbar. Zudem gibt es Sozialbeihilfen auf Ebene der Republik, wie beispielsweise finanzielle Unterstützung zur Gründung eines Kleinunternehmens oder Finanzhilfen für Behinderte.
Putin rief dazu auf, die Wirtschaft der Nordkaukasus-Region anzukurbeln. Um den Rückstand gegenüber anderen Regionen aufzuholen, brauche der Nordkaukasus laut Aussagen Putins rund zehn Prozent Wirtschaftswachstum jährlich und sei die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit äußerst wichtig. Innerhalb von zehn Jahren sollen laut Putin mindestens 400.000 neue Arbeitsplätze im Nordkaukasus entstehen. Beim Wiederaufbau gibt es bereits Erfolge zu verzeichnen. In den vergangenen zwei Jahren sind in Tschetschenien beispielsweise 53 Schulen und 35 medizinische Einrichtungen in Betrieb genommen worden, deren Bau der Staat finanziert hat.
Im Rahmen eines seit 2008 laufenden Programms werden Personen unterstützt, die sich selbst einen Arbeitsplatz schaffen:
Arbeitslose, die einen kleinen Betrieb eröffnen, werden mit einer einmaligen Zahlung von 58.000 Rubel gefördert. Stellt man Arbeiter ein, erhält man für jeden Angestellten wiederum 58.000 Rubel. Insgesamt wurde das Programm bislang von 5.481 Personen in Anspruch genommen, 3.498 davon kamen aus dem ländlichen Raum. Zudem gibt es ein Programm zur Weiterbildung oder Umschulung - das "Programm für zusätzliche Maßnahmen für die Entwicklung von Arbeitsstellen". Hier werden für Personen, die sich weiterbilden wollen, Stipendien in der Höhe von 850 Rubel pro Monat vergeben. Diese Maßnahmen sollen zusätzlich die Arbeitslosenrate senken, um die soziale und wirtschaftliche Stabilität der Bevölkerung zu fördern. Zur Unterstützung von Arbeitslosen wurde in Stawropol ein Ressourcen-Zentrum errichtet, wo verfügbare Arbeitsstellen bestimmt und die Daten der Arbeitslosen im Nordkaukasus gesammelt werden. Die Bewohner des Nordkaukasus können sich dort melden und um Arbeitsplätze in anderen Regionen der Russischen Föderation ansuchen.
Für Alte und Invalide gibt es auch Unterstützung in Form von Lebensmittelhilfe. In jeder Region der Republik gibt es mittlerweile lokale Zentren, die sich mit diesen Fragen vor Ort beschäftigen. Diese Stellen suchen auch selbst bedürftige Personen, die sich nicht von selbst bei ihnen melden. Hierbei handelt es sich vor allem um alte und invalide Menschen. Diese Zentren machen auch ein Monitoring, wer was in welchem Umfang benötigt. Gemäß der Notwenigkeit werden dann finanzielle Hilfe, ärztliche Versorgung und materielle Unterstützung zur Verfügung gestellt. Zudem gibt es stationäre Einrichtungen für Personen, die in vollem Umfang versorgt und gepflegt werden müssen (z. B. Altenheime).
(Informationszentrum Asyl & Migration: Russische Föderation, Länderinformation und Pressespiegel zur Menschenrechtslage und politischen Entwicklung, Lage im Nordkaukasus vom September 2010, Seite 4, Bericht der Staatendokumentation zum Forschungsaufenthalt, Russische Föderation - Republik Tschetschenien, Dezember 2011, Seite 5, 6, 37, 38)
3.4. Medizinische Versorgungssituation
Medizinische Grundversorgung ist in Tschetschenien flächendeckend gewährleistet. Spezialisierte Kliniken sind nur in der Hauptstadt Grosny verfügbar, was aber in Anbetracht der Größe der Republik (ungefähr der Steiermark) zu verstehen ist. Grundsätzlich ist medizinische Versorgung kostenlos, auf die allseits verbreitete Korruption muss aber auch hier hingewiesen werden. Für Behandlungen, die in Tschetschenien nicht verfügbar sind, besteht die Möglichkeit, zur Behandlung nach Stawropol (Distanz zu Grosny ca. 450 km), nach Moskau oder in andere russische Städte zu reisen.
(BAA Staatendokumentation: Bericht zum Forschungsaufenthalt Russland 2011, Dezember 2011)
Zur aktuellen Lage der medizinischen Versorgung liegen unterschiedliche Einschätzungen vor. Durch die Zerstörungen und Kämpfe - besonders in der Hauptstadt Grosny - waren medizinische Einrichtungen weitgehend nicht mehr funktionstüchtig. Nach Angaben der VN-Entwicklungshilfeorgansiation UNDP entspricht die Dichte der Polikliniken in einigen Bezirken nur 20 % des russischen Durchschnitts. Dabei treten einige stressbedingte Krankheiten laut tschetschenischem Gesundheitsministerium zehn- bis fünfzehnmal häufiger auf als vor dem Krieg. Nach Angaben des IKRK soll die Situation der Krankenhäuser für die medizinische Grundversorgung dank internationaler Hilfe inzwischen aber ein Niveau erreicht haben, das dem durchschnittlichen Standard in der Russischen Föderation entspricht. Problematisch bleibt jedoch auch laut IKRK die Personallage im Gesundheitswesen, da viele Ärzte und medizinische Fachkräfte Tschetschenien während der beiden Kriege verlassen haben.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 07.03.2011, Seite 24)
Es gibt derzeit nach Auskunft des Gesundheitsministers insgesamt rund 368 medizinische Einrichtungen, wie (Rajon- und Republiks‑)Krankenhäuser und Polykliniken. Die Polykliniken sind Ambulanzen, in denen (Vorsorge‑)Untersuchungen und ambulante Behandlungen durchgeführt werden. Der Auskunft des Gesundheitsministeriums zufolge gibt es in jeder Siedlung der Republik medizinische Einrichtungen. Es gibt drei Krankenhäuser für psychisch Kranke sowie weitere Krankenhäuser, die sich mit Personen, welche an der Schwelle zu psychischen Krankheiten stehen, beschäftigen. Es gibt unter anderem 22 Rajons- und 32 Republikseinrichtungen für medizinische Behandlung und Prophylaxe in der Republik sowie in Grosny allein weitere 26 medizinische Einrichtungen
(Bericht zum Forschungsaufenthalt der Staatendokumentation, Russische Föderation - Republik Tschetschenien, Dezember 2011, Seite
48)
Diverse Erkrankungen wie Hepatitis C, Coronare Herzkrankheiten, Posttraumatische Belastungsstörungen und sogar DES-Stent-Implantationen etc. können laut Anfragebeantwortung der Staatendokumentation in der Russischen Föderation (und in der Tschetschenischen Republik) behandelt und nachversorgt werden. In Tschetschenien ist die Versorgung mit medizinischen Spezialisten noch immer unzureichend und komplizierte Fälle werden für die Behandlung und Nachsorge von ihren örtlichen Kliniken in die nächsten Städte (Krasnodar, Rostov-on-Don, Machatschkala) überwiesen.
(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Russische Föderation vom 10.08.2010, Seite 2)
Es gibt außerdem eine Vereinbarung mit China zur Behandlung von Kindern mit Geburtsfehlern und wurden in diesem Rahmen bereits einige Behandlungen durchgeführt.
(Bericht zum Forschungsaufenthalt der Staatendokumentation, Russische Föderation - Republik Tschetschenien, Dezember 2011, Seite
46)
Die offiziellen Statistiken zeigen, dass der Wiederaufbau der Infrastruktur für medizinische Versorgung in den letzten Jahren fortgeschritten ist. Krankenhäuser und Polikliniken wurden wieder aufgebaut. Auch psychologische Behandlungsmöglichkeiten bestehen grundsätzlich, wobei bei der Betreuung von traumatisierten Kindern besonders UNICEF engagiert tätig ist. Internationale Organisationen stellen mittlerweile nicht mehr nur Nothilfe zur Verfügung, sondern fachmedizinische Versorgung sowie auch Schulungsmaßnahmen für medizinisches Personal vor Ort. Einzelne von Organisationen unterstützte Programme, wie etwa das Tuberkuloseprogramm von Ärzte ohne Grenzen, werden schrittweise an lokale Stellen übergeben. Diese nachhaltigen Maßnahmen sind weitere Hinweise darauf, dass sich die Lage in gewissen Bereichen auch nach Einschätzung dieser Organisationen mittlerweile so weit gebessert hat, dass solch nachhaltige Maßnahmen bzw. sogar ein Rückzug ihrerseits möglich sind.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation/Tschetschenien, medizinische Versorgung vom 30.11.2009, Seite 10)
Durch die Erhöhung der Quoten auf medizinischen Bildungseinrichtungen versucht man dem Personalmangel entgegenzuwirken. Auch die von elf Internationalen Organisationen durchgeführten Schulungsmaßnahmen können zu einer sukzessiven Besserung des Personalmangels beitragen. Zumindest die medizinische Grundversorgung hat bereits wieder das Vorkriegsniveau erreicht. Dies ist in Anbetracht der Tatsache, dass Monate nach Ausbruch des zweiten Tschetschenienkrieges rund 70% der medizinischen Infrastruktur als zerstört galten, nicht unbeachtlich.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation/Tschetschenien, medizinische Versorgung vom 30.11.2009, Seite 10-11)
Das Föderale Gesetz Nr. 326 über die medizinische Pflichtversicherung in der RF legt fest, dass jeder russische Staatsbürger eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen kann. Bei Anmeldung in der Klinik muss die Krankenversicherungskarte vorgelegt werden, womit der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der RF, unabhängig von der Meldeadresse, gewährleistet ist.
Allerdings gibt es Einschränkungen bei der freien Wahl der Klinik und des Arztes. Ein Wechsel der Klinik, bei der man sich als Patient angemeldet hat, ist nur einmal im Jahr möglich, ebenso ein Wechsel des Arztes. Außerdem kann ein Arzt einen Patienten wegen Überlastung ablehnen.
(IOM Länderinformationsblatt Russische Föderation Juni 2011; Antwort der ÖB in Moskau vom 13.04.2012)
3.4.1. Psychologische Bertreuung in Tschetschenien
Der Nichtregierungsorganisation Vesta zufolge können psychische Erkrankungen beispielsweise in dem Republiksambulatorium für Neuropsychologie (Grosny), in dem Republikskrankenhaus "Samaschkin" (Zakan-Jurt im Bezirk Atschchoi-Martan) und im Darbachin-Republikskrankenhaus (Braguny im Bezirk Gudermes) behandelt werden. Auch Internationale und Nichtregierungsorganisationen sind im Bereich der psychiatrischen Versorgung tätig.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation/Tschetschenien, medizinische Versorgung vom 30.11.2009, Seite 9)
UNICEF entwickelte in Tschetschenien ein neues Programm, um Posttraumatische Belastungsstörung bei Kindern und ihren Familien zu behandeln. In einer ersten Phase wurden 14 psychosoziale Rehabilitierungszentren in sieben tschetschenischen Bezirken eröffnet. UNICEF arbeitete mit lokalen Behörden und NRO zusammen, um passende Räumlichkeiten zu finden, Psychologen und andere Mitarbeiter auszubilden, und Studien über die Auswirkungen des Konfliktes auf Kinder durchzuführen. 50 lokale Kinderfachkräfte wurden mit Hilfe von Psychotherapeuten aus Israel und St. Petersburg ausgebildet. Zur Koordinierung des Programms wurde ein psychosoziales Führungskomitee mit den tschetschenischen Behörden eingerichtet. Der Psychosoziale Aktionsplan 2008-2012 soll ein Schlüsselinstrument zur Linderung der Konfliktauswirkungen auf Kinder werden.
(UNICEF: Russian Federation - Projects in the North Caucasus - Psycho-social recovery, ohne Datum, http://eng.unicef.ru/program_unicef/north_caucasus/recovery/ , Zugriff 1.6.2011)
Mit Stand März 2008 wurden 19 solcher von UNICEF unterstützten psychosozialen Zentren in Tschetschenien betrieben, im Jänner 2009 waren es bereits 29. Für 2009 war die Errichtung 17 weiterer Zentren geplant. In den Zentren wurden neben Psychologen auch jugendliche Freiwillige sowie Praktikanten von den tschetschenischen Universitäten beschäftigt.
(UNICEF: Russian Federation - Newsline - Help for children psychologically affected by war in Chechnya, 04.03.2008, http://www.unicef.org/infobycountry/russia_43075.html , Zugriff 1.6.2011 / UNICEF New Zealand: UNICEF will open 17 new psychosocial recovery centres in Chechnya, 11.02.2009 http://www.unicef.org.nz/article/680/UNICEFwillopen
17newpsychosocialrecoverycentresinChechnya.html, Zugriff 1.6.2011)
3.5. Rückkehrer
3.5.1. Derzeitige Situation von Rückkehrern
Eine Rückkehr von Tschetschenen in die Russische Föderation ist möglich, die meisten tschetschenischen Rückkehrer aus dem Ausland kehren in die Tschetschenische Republik zurück. Da in der Russischen Föderation Bewegungsfreiheit gilt, können sich aber ethnische Tschetschenen auch in jedem anderen Teil Russlands niederlassen.
Laut einem Vertreter der Internetzeitschrift "Kaukasischer Knoten" können Rückkehrer nach Tschetschenien mit verschiedenen Problemen konfrontiert sein. Einerseits stehen Rückkehrer, ebenso wie die restliche Bevölkerung vor den alltäglichen Problemen der Region. Dies betrifft in erster Linie die hohe Arbeitslosigkeit, die Wohnungsfrage und die Beschaffung von Dokumenten sowie die Registrierung. Viele Häuser wurden für den Neubau von Grosny abgerissen und der Kauf einer Wohnung ist für viele (auch im Fall von Kompensationszahlungen) unerschwinglich, die Arbeitslosigkeit ist um einiges höher als in den offiziellen Statistiken angegeben und bei der Beschaffung von Dokumenten werden oft Schmiergeldzahlungen erwartet. Darüber hinaus stellen Rückkehrer eine besonders verwundbare Gruppe dar, da sie ein leichtes Opfer im Antiterrorkampf darstellen. Um die Statistiken zur Verbrechensbekämpfung aufzubessern, werden zum Teil Strafverfahren fabriziert und ehemaligen Flüchtlingen angelastet. Andererseits können Rückkehrer auch ins Visier staatlicher Behörden kommen, weil vermutet wird, dass sie tatsächlich einen Grund zur Flucht aus Tschetschenien hatten, d.h. Widerstandskämpfer waren oder welche kennen. Manchmal werden Rückkehrer gezwungen, für staatliche Behörden zu spionieren. Eine allgemein gültige Aussage über die Gefährdung von Personen nach ihrer Rückkehr nach Tschetschenien kann nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall und von der individuellen Situation des Rückkehrers abhängt.
(ÖB Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, Stand September 2012)
IOM Wien führt von 1.7.2010 bis 30.6.2013 (mit Verlängerungsmöglichkeit) das Projekt "Unterstützung der Freiwilligen Rückkehr und Reintegration von Rückkehrenden in die Russische Föderation/Republik Tschetschenien" durch. Im Rahmen des Projekts werden Russische Staatsangehörige aus der Republik Tschetschenien, die freiwillig in ihre Heimat zurückkehren möchten, nicht nur bei der Rückkehr, sondern auch bei ihrer Reintegration im Herkunftsland unterstützt. Sie erhalten nach ihrer Rückkehr Unterstützung von einer lokalen Partnerorganisation (NGO Vesta), die sie rechtlich und sozial berät und gemeinsam mit ihnen individuelle Reintegrationsmaßnahmen (z.B. Weiterbildungskurse, Geschäftsgründung, Erwerb von Werkzeug oder Materialien, etc.) auswählt. Diese Reintegrationsmaßnahmen werden in Form von Sachleistungen im Wert von bis zu max. EUR 2.000 unterstützt (pro Familie kann nur eine Person - in der Regel der Haushaltsvorstand - teilnehmen). Zusätzlich werden die Rückkehrer/innen bei der Deckung der Lebenserhaltungskosten während der ersten sechs Monate nach der Rückkehr mit EUR 500,- pro Fall unterstützt.
Die Reintegrationsunterstützung kann z.B. für die folgenden Maßnahmen genutzt werden: Berufsausbildung; Ankauf von für die Ausübung eines Berufes benötigtem Werkzeug und geeigneter Ausrüstung; Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens (in Sachleistungen); Organisation von Kinderbetreuung und medizinischer Versorgung für Rückkehrer mit besonderen Bedürfnissen.
Zielgruppe des Projekts sind Asylwerber/innen, Asylberechtigte, subsidiär Schutzberechtigte sowie nicht oder nicht mehr aufenthaltsberechtigte Personen, die freiwillig aus Österreich in die Russische Föderation / Republik Tschetschenien zurückkehren möchten. Im Rahmen des Projekts werden im Zeitraum von 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 bis zu 95 Teilnehmer/innen (pro Familie ist nur eine Person teilnahmeberechtigt) mit den benötigten Mitteln und Know-how ausgestattet, um sich in der Republik Tschetschenien eine neue wirtschaftliche Existenz aufzubauen.
(IOM Wien: Unterstützung der Freiwilligen Rückkehr und Reintegration von Rückkehrenden in die Russische Föderation/Republik Tschetschenien, ohne Datum,
Mit Unterstützung von IOM sind in den letzten Jahren zahlreiche Personen (2010 waren es 606, 2011 waren es 528 und 2012 waren es insgesamt 525) von Österreich in die Russische Föderation zurückgekehrt. 2012 sind 381 Personen nach Grosny mit Hilfe von IOM zurückgekehrt. Der endgültige Rückkehrort ist IOM allerdings nicht immer bekannt.
(Beantwortung einer Anfrage des AsylGH an IOM Wien vom 20.03.2013)
Dem BMI-Verbindungsbeamten der ÖB Moskau liegt eine - nicht offizielle - Information vor, wonach Rücküberstellte von Charterflügen und in Einzelfällen solche von Linienmaschinen von Beamten des Föderalen Migrationsdienstes einen Fragebogen erhalten. Das Ausfüllen des Fragebogens beruht auf Freiwilligkeit. U.a. wird darin die Frage gestellt, wo man in der RF wohnhaft ist, aber auch, warum man in das Land, aus welchem man ausgewiesen wurde, überhaupt eingereist ist, warum man nicht mehr im Besitz seiner eigentlichen Reisedokumente ist, bzw. auch, ob man im Land, aus dem man ausgewiesen wurde, "ordentlich" behandelt worden ist.
Nach Auskunft des Vertrauensanwalts kann, wenn ein Haftbefehlt aufrecht ist, eine Person in Untersuchungshaft genommen werden. U-Haft kann vor allem dann verhängt werden, wenn Fluchtgefahr besteht. U-Haft wird zunächst für zwei Monate verhängt und kann dann um jeweils zwei Monate verlängert werden. Während der Untersuchungshaft gibt es auch Haftprüfungstermine, wo u.a. auch geprüft wird, ob noch Fluchtgefahr besteht.
(ÖB Moskau, Anfragebeantwortung zu Rückkehr nach Russland, Tschetschenien vom 15.01.2013
4. Innerstaatliche Relokationsmöglichkeit
Es ist grundsätzlich möglich, von und nach Tschetschenien ein- und auszureisen und sich innerhalb der Republik zu bewegen. An den Grenzen zu den russischen Nachbarrepubliken befinden sich jedoch nach wie vor - wenn auch in stark verringerter Zahl - Kontrollposten der föderalen Truppen oder der sog. "Kadyrowzy", die gewöhnlich eine "Ein- bzw. Ausreisegebühr' erheben. Sie beträgt für Bewohner Tschetscheniens in der Regel zehn Rubel, also ungefähr 25 Cent; für Auswärtige - auch Tschetschenen - liegt sie höher, z.B. an der inguschetisch-tschetschenischen Grenze bei 50 - 100 Rubel, etwa 1‚25 - 2,50 Euro.
(Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 07.03.2011)
Grundsätzlich ist die Bewegungsfreiheit innerhalb Russlands gesetzlich gewährleistet, Bürger können ihren Wohn- und Aufenthaltsort frei wählen. Jedoch sind Bürger der Russischen Föderation gesetzlich verpflichtet, sowohl ihren vorübergehenden gegenwärtigen Aufenthaltsort, als auch ihren dauerhaften Wohnsitz den zuständigen Stellen des Innenministeriums zu melden. Der Registrierungsprozess stellt sich in der ganzen Russischen Föderation gleich dar. Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses und ein nachweisbarer Wohnraum, eine Arbeitsstelle oder der Bezug von Einkommen müssen nicht nachgewiesen werden. Die Registrierung und damit einhergehende Aufgaben fallen in den Zuständigkeitsbereich des Föderalen Migrationsdienstes (FMS), seiner territorialen Behörden (UFMS) und weiterer Behörden für innere Angelegenheiten. 2010 kam es zu einer Vereinfachung des Registrierungsprozesses, insbesondere hinsichtlich temporärer Registrierungen. Um sich temporär zu registrieren, muss man nunmehr lediglich einen Brief an die lokale Stelle des FMS, also den jeweiligen UFMS, schicken, in dem die vorübergehende Adresse angegeben wird, das persönliche Erscheinen beim UFMS ist keine Voraussetzung mehr. Obwohl das Gesetz festschreibt, dass eine temporäre Registrierung ein Jahr Gültigkeit besitzt, stellen manche lokale Behörden vorübergehende Registrierungen lediglich für einen Zeitraum von drei Monaten aus.
Eine dauerhafte Registrierung wird durch einen Stempel im Inlandspass vermerkt, eine temporäre Registrierung durch einen in den Inlandspass eingelegten Zettel. Für einen Aufenthalt bis zu 90 Tage ist keine Registrierung verpflichtend, jedoch kann es notwendig werden, bei einer Dokumentenkontrolle nachzuweisen, dass man sich noch nicht länger als 90 Tage in dem Gebiet aufhält, beispielsweise durch die Vorlage einer Zug- oder Busfahrkarte. Die Behörden haben laut FMS sogar ein eigenes Verfahren, um die Identität von Personen, die nicht im Besitz von Identitätsdokumenten sind, festzustellen. Der Name der zu registrierenden Person wird in derartigen Fällen in Datenbanken gesucht und es erfolgen Einvernahmen der jeweiligen Person sowie von ihren in der Russischen Föderation aufhältigen Verwandten. Sobald die Identität der Person festgestellt wurde, werden die erforderlichen Unterlagen ausgestellt.
(Danish Immigration Service: Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, 11.10.2011)
Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen hat etwas abgenommen, wenngleich russische Menschenrechtsorganisationen nach wie vor von einem willkürlichen Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit berichten.
Vor allem Kaukasier und Einwanderer aus Zentralasien sind in Russland mit ethnischen Diskriminierungen und einem grassierenden Rassismus konfrontiert. Kaukasisch aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen (Ausweis, Fingerabdrücke) auf der Straße, in der U-Bahn und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden statt, haben aber an Intensität abgenommen. Laut Auskunft des Auswärtigen Amtes sind keine Anweisungen der russischen Innenbehörden zur spezifischen erkennungsdienstlichen Behandlung von Tschetschenen bekannt. Kontrollen von kaukasisch aussehenden oder aus Zentralasien stammenden Personen erfolgen seit Jahresbeginn 2007 zumeist im Rahmen des verstärkten Kampfes der Behörden gegen illegale Migration und Schwarzarbeit. Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern das Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Diese Rechte sind in der Verfassung verankert. Jedoch wird an vielen Orten (u.a. in großen Städten wie Moskau und St. Petersburg) der legale Zuzug von Personen aus den südlichen Republiken der Föderation durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert. Diese Zuzugsbeschränkungen wirken sich im Zusammenhang mit anti-kaukasischer Stimmung besonders stark auf die Möglichkeit von aus anderen Staaten zurückgeführten Tschetschenen aus, sich legal dort niederzulassen. Die Rücksiedlung nach Tschetschenien wird von Regierungsseite nahegelegt.
Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen, nach dem Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort ("vorübergehende Registrierung") und ihren Wohnsitz ("dauerhafte Registrierung") melden müssen. Die Registrierung legalisiert den Aufenthalt und ermöglicht den Zugang zu Sozialhilfe, staatlich geförderten Wohnungen und zum kostenlosen Gesundheitssystem sowie zum legalen Arbeitsmarkt. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen. Kaukasier haben jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden. Viele Vermieter weigern sich zudem, entsprechende Vordrucke auszufüllen, u.a. weil sie ihre Mieteinnahmen nicht versteuern wollen.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 07.03.2011, Seite 35 und 36; Fragenbeantwortung der ÖB in Moskau vom 13.04.2012)
Der Föderale Migrationsdienst (FMS) bestätigte in diesem Zusammenhang, dass alle Staatsbürger der Russischen Föderation, auch Rückkehrer, am Aufenthaltsort registriert werden. Gesetzlich ist vorgesehen, dass die Registrierung ab Einlangen der Unterlagen bei der zuständigen Behörde drei Tage dauert. Eine Registrierung ist für einen legalen Aufenthalt in der Russischen Föderation unabdingbar. 2010 kam es zu einer Vereinfachung des Registrierungsprozesses, insbesondere für temporäre Registrierungen (Registrierungen für einen nicht länger als 90 Tage dauernden Zeitraum). Für eine solche muss man nunmehr lediglich einen Brief an die lokale Stelle des Föderalen Migrationsdienstes (FMS) bzw. an die jeweiligen territorialen Behörden (UFMS) schicken, in dem die vorübergehende Adresse angegeben wird, und muss nicht mehr persönlich beim UFMS erscheinen.
(Bericht zum Forschungsaufenthalt der Staatendokumentation, Russische Föderation - Republik Tschetschenien, Dezember 2011, Seite 6, 14-15, 58)
Laut Auskunft des Föderalen Migrationsdienstes (FMS) bestehen für Tschetschenen keine Einschränkungen der Bewegungsfreiheit oder hinsichtlich der Ausstellung von innerstaatlichen Reisepässen oder anderen offiziellen Dokumenten. Auch laut Einschätzung eines Anwalts der Memorial Migration & Rights Programme and Civic Assistance Committee (CAC) haben Tschetschenen bei einer Registrierung in St. Petersburg nicht mehr Probleme als andere russische Bürger. Nichtregistrierte Tschetschenen können innerhalb Russlands allenfalls in der tschetschenischen Diaspora untertauchen und dort überleben. Ihr Lebensstandard hängt stark davon ab, ob sie über Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse verfügen. Eine Vertreterin von House of Peace and Non-Violence, verwies darauf, dass viele Tschetschenen in St. Petersburg keinerlei dauerhafte oder vorübergehende Registrierung besitzen. Diese Personen besorgen sich immer wieder neue Zug- oder Bus-Tickets, um damit darzulegen, dass sie sich nicht länger als 90 Tage in St. Petersburg befinden.
Ein Vertreter des föderalen Ombudsmannes hält fest, dass Tschetschenen im Allgemeinen die gleichen Rechte besitzen wie alle anderen Gruppen in der Russischen Föderation, dies gilt hinsichtlich Beschäftigung, Wohnungsbeschaffung, Gesundheitsvorsorge sowie Pensionsansprüche. Die tschetschenische Bevölkerung außerhalb von Tschetschenien pflegt sehr enge Beziehungen zueinander, versucht nahe beisammen zu leben und sich gegenseitig zu unterstützen. Laut seiner Einschätzung sind Tschetschenen sowie einige andere Gruppen außerhalb des Nordkaukasus gelegentlich mit Anfeindungen lokaler Gemeinschaften konfrontiert.
Eine Registrierung ist für einen legalen Aufenthalt in der Russischen Föderation unabdingbar, da sie den Zugang zu Sozialhilfe und staatlich geförderten Wohnungen, zum kostenlosen Gesundheitssystem sowie zum legalen Arbeitsmarkt ermöglicht. Grundsätzlich hat man in der Russischen Föderation am Ort der Registrierung Zugang zur medizinischen Versorgung, medizinische Notfallhilfe wird jedoch in der russischen Verfassung garantiert und völlig unabhängig von Registrierung und Aufenthaltsort jedem Menschen, unabhängig von dessen Staatsbürgerschaft, gewährt. Die ethnische Zugehörigkeit würde auch nach Auskunft von IOM an Dänemark beim Zugang zur medizinischen Versorgung keine Rolle spielen.
(Danish Immigration Service: Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, 11.10.2011)
Diesbezüglich ist auch auf die Änderungen im Gesundheitswesen der Russischen Föderation zu verweisen und hervorzuheben, dass das Föderale Gesetz Nr. 326 über die medizinische Pflichtversicherung in der Russischen Föderation festschreibt, dass jeder russische Staatsbürger eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen kann. Bei Anmeldung in der Klinik muss die Krankenversicherungskarte (oder die Polizze) vorgelegt werden, womit der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation, unabhängig von der Meldeadresse, gewährt wird. (Schreiben der österreichischen Botschaft in Moskau an den Asylgerichtshof vom 13.04.2012, IOM Länderinformationsblatt Russische Föderation, Juni 2012)
IOM Russland erklärte, dass die Russische Föderation eine föderale Struktur hat und falls eine verdächtige Person von einer Verwaltungseinheit ausgeforscht wird, könnte nach dieser Person in der gesamten Russischen Föderation behördlich gesucht werden. Ob eine bundesweite Suche nach einer Person durch die Behörden eingeleitet wird, hängt davon ab, aufgrund welchen Verdachts die jeweilige Person ausfindig gemacht werden soll. Falls der Fall irgendwie im Zusammenhang mit internationalem Terrorismus steht, ist es sehr wahrscheinlich, dass die tschetschenischen Behörden eine bundesweite Suche nach dem Verdächtigten einleiten.
Khamzat Gerikhanov (Chechen Social and Cultural Association) erklärte, es sei üblich, dass tschetschenische Rebellen aus benachbarten Republiken im Nordkaukasus zurückgeschickt werden, um (strafrechtlicher) Verfolgung in Tschetschenien ausgesetzt zu sein. Ein Vertreter des föderalen Ombudsmannes erklärte demgegenüber, dass ihm keine Fälle bekannt wären, in denen russische Behörden auf Anfrage der tschetschenischen Behörden Tschetschenen verhaftet und zwecks Strafverfolgung zurück nach Tschetschenien überstellt hätten. Zumindest würden tschetschenische Behörden das russische föderale Justizwesen jedoch bei der Suche nach einer Person, die unter Verdacht steht, Mitglieder illegaler bewaffneter Gruppierungen zu unterstützen, in Anspruch nehmen. Die Entscheidung, ob eine Anfrage von tschetschenischen Behörden zu Recht besteht, trifft dabei die Bundesbehörde. Khamzat Gerikhanov gab weiters an, dass Unterstützer oder Verwandte von Anhängern der illegalen bewaffneten Gruppen, die in eine andere Region der Russischen Föderation gezogen sind, aufgefunden werden, falls nach diesen Personen offiziell auf Bundesebene gesucht wird. Wenn jemand illegale bewaffnete Gruppen zum ersten Mal oder schon vor vielen Jahren mit Nahrung, Unterkunft oder Transport unterstützt hat und sich in der Folge außerhalb von Tschetschenien niederlässt, würden die tschetschenischen Behörden keine bundesweite Suche nach diesen Personen einleiten oder große Anstrengungen unternehmen, um derartige Personen wieder zurück nach Tschetschenien zu überstellen.
Der föderale Ombudsmann hat nach eigenen Angaben noch keine Beschwerden über Belästigungen bzw. Bedrohungen von Tschetschenen durch andere Tschetschenen erhalten, die in der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus wohnhaft sind. In dieser Hinsicht ist die Unterscheidung zwischen "high profile persons" und "low profile persons" wichtig. Personen, die von Kadyrow als Außenseiter oder Gegner seiner Regierung bzw. als Rivale seines Clans betrachtet werden, könnten Bedrohungen durch andere Tschetschenen ausgesetzt sein. Sogenannte "high profile persons" sind der Gefahr von Racheakten durch Mitglieder von Kadyrows Geheimdienst in der Russischen Föderation als auch im Ausland ausgesetzt. Demgegenüber werden "low profile persons", die nicht offiziell gegen Kadyrow eingestellt sind, in der Regel nicht belangt. Bereits das Bekanntwerden kleinster kritischer Äußerungen betreffend die Regierung Kadyrows würde jedoch zu einer Rüge durch die tschetschenischen Behörden führen. Ekaterina Sokiryanskaya von Memorial in St. Petersburg gab in diesem Zusammenhang an, dass in den meisten Fällen tschetschenische Behörden nach einer Person nicht offiziell suchen, sondern in der Lage sind, (inoffiziell) Personen in der Russischen Föderation und in vielen europäischen Ländern ausfindig zu machen und gegebenenfalls auch zu töten.
(Danish Immigration Service: Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, 11.10.2011)
Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass im Einzelfall zu prüfen ist, ob eine Ansiedlung von Tschetschenen in anderen Teilen der Russischen Föderation möglich ist. Den wesentlichsten Punkt stellt die Frage dar, ob diese Personen von Kadyrow als Außenseiter oder Gegner seiner Regierung bzw. als Rivale seines Clans betrachtet werden und kann man diesbezüglich eine Unterscheidung in "high profile persons" und "low profile persons" treffen. Angesichts von möglichen Schwierigkeiten bei der Registrierung, die jedoch in den letzten Jahren wesentlich vereinfacht wurde, spielen überdies ein Netzwerk von Verwandten und Bekannten sowie die Möglichkeit der Kontaktierung von NGOs eine Rolle.
5. Weitere Erkenntnisse über asyl- und abschiebungsrelevante Vorgänge
5.1. Echtheit von Dokumenten
Die von den staatlichen Behörden ausgestellten Dokumente, welche die betreffenden Staatsangehörigen mit sich führen (insbesondere Reisedokumente), sind nicht selten mit unrichtigem Inhalt ausgestellt. Rund 20% der bei der Botschaft zur Echtheitsüberprüfung vorgelegten Dokumente sind Fälschungen. In Russland ist es möglich, Personenstands- und andere Urkunden zu kaufen, wie z.B. Staatsangehörigkeitsausweise, Geburts- und Heiratsurkunden, Vorladungen, Haftbefehle oder Gerichtsurteile. Asylsuchende aus der Russischen Föderation, insbesondere aus den russischen Kaukasusrepubliken, führen mitunter gefälschte Dokumente (z.B. unzutreffende Haftbefehle) oder unwahre Zeitungsmeldungen mit sich, mit denen staatliche Repressionsmaßnahmen dokumentiert werden sollen. Die Verwaltungsstrukturen in Tschetschenien sind größtenteils wieder aufgebaut, sodass die Echtheit von Dokumenten aus Tschetschenien grundsätzlich überprüft werden kann. Probleme ergeben sich allerdings dadurch, dass bei den kriegerischen Auseinandersetzungen viele Archive zerstört wurden.
5.2. Ausreisekontrollen und Ausreisewege
Die Grenz- und Zollkontrollen eigener Staatsangehöriger durch russische Behörden an den Außengrenzen entsprechen in der Regel internationalem Standard. Es liegen Hinweise vor, dass die Sicherheitsdienste einige Personen mit besonderer Aufmerksamkeit u. a. bei Ein- und Ausreisen überwachen und dunkelhäutige Personen aus dem Kaukasus häufig zu Dokumentenüberprüfungen herausgeholt werden.
Reisende müssen ihren Inlandspass vorweisen, wenn sie Fahrkarten oder Flugtickets kaufen.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 07.03.2011, Seite 38-39; U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia )
Beweis wurde erhoben durch die Einvernahme des Asylwerbers durch die Landepolizeidirektion Wien, Abteilung Fremdenpolizei, am 25.09.2012 und durch das Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, am 14.01.2013 sowie durch Befragung im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung des Asylgerichtshofes vom 05.11.2013, im Zuge derer auch die Ehefrau des Beschwerdeführers sowie dessen Tante XXX befragt wurden; durch Vorweis einer Kopie seines russischen Inlandsreisepasses, eine Haftbestätigung sowie eine Schreiben über eine Namensänderung, mehrere Ambulanzberichte der XXX in Salzburg sowie einer psychotherapeutischen Stellungnahme der XXX sowie diverse Internetausdrucke, Bestätigungsschreiben von Verwandten und einer Teilnahmebestätigung über einen Anfängerdeutschkurs durch den Beschwerdeführer sowie durch Einholung eines psychiatrisch-neurologischen Gutachtens bei XXX, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger und Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, durch den Asylgerichtshof und schließlich durch Vorhalt aktueller Länderfeststellungen zu Tschetschenien ebenfalls durch diesen.
2. Die Beweise werden wie folgt gewürdigt:
Die Feststellungen zu Tschetschenien sind einer Zusammenstellung des Asylgerichtshofes (nunmehr Bundesverwaltungsgerichtes) entnommen, in der sämtliche Originalquellen zitiert wurden, wobei es sich um eine ausgewogene Zusammenstellung staatlicher und nichtstaatlicher seriöser Quellen handelt.
Diese Feststellungen sind auch nach wie vor aktuell und wurde auch im Zuge des Parteiengehörs nichts Gegenteiliges behauptet, vielmehr wurden noch andere Dokumente angeführt und die für die Stützung des Rechtsstandpunktes der beschwerdeführenden Partei dienlichen Passagen hervorgestrichen, die Länderfeststellungen jedoch nicht inhaltlich kritisiert. Von Seiten des Bundesamtes ist keine Äußerung eingelangt.
Zur Frage allfälliger psychischer Erkrankungen, insbesondere aber auch zur Frage, ob der Beschwerdeführer in seiner Fähigkeit Erlebtes nachvollziehbar, konkret und widerspruchsfrei anzugeben und auch Ereignisse zeitlich einzuordnen, beeinträchtigt sei, wurde seitens des Asylgerichtshofes ein Gutachten bei XXX, welcher nicht nur Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, sondern allgemeinen beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger in diesem Fachgebiet ist, eingeholt. Dieser Sachverständige hat jahrelange Erfahrung bei der Beurteilung psychischer Beeinträchtigungen von Asylwerbern und wurde jahrelang vom Asylgerichtshof zur vollsten Zufriedenheit als Sachverständiger in zahlreichen Asylverfahren herangezogen. Von seiner Ausbildung her steht er jedenfalls über der Diplomsozialarbeiterin und Verhaltenstherapeutin XXX. Wenn auch dem genannten Sachverständigen die Befunde mit der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung bei Erstellung seines Gutachtens bekannt waren und er trotzdem - begründet - nicht zu einer derartigen Diagnose gelangt ist, so kann es doch letztlich dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer an einer derartigen krankheitswerten psychischen Störung leide, wie dies auch in Ambulanzberichten der XXX einer Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie jüngsten Datum ausgeführt wurde. Unwidersprochen und zentral festzuhalten ist jedenfalls der Umstand, dass der Beschwerdeführer in der Lage ist, Erlebtes nachvollziehbar und widerspruchsfrei wiederzugeben und diese Ereignisse auch zeitlich einzuordnen und zeitlich konkret zu bezeichnen. Wenn die bereits genannte Verhaltenstherapheutin behauptet, dass eine Abschiebung nach Tschetschenien eine massive Verschlechterung des Zustandes des Beschwerdeführers bedeuten würde, so wäre dies allenfalls vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bei der von diesem zu treffenden allfälligen Rückkehrentscheidung bzw. Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung (siehe Spruchteil II.) zu berücksichtigen.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers wird wie folgt gewürdigt:
Das Vorbringen eines Asylwerbers ist dann glaubhaft, wenn es vier Grunderfordernisse erfüllt (diesbezüglich ist auf die Materialien zum Asylgesetz 1991 [RV 270 BlgNR 18. GP; AB 328 BlgNR 18. GP] zu verweisen, die wiederum der VwGH-Judikatur entnommen wurden).
1. Das Vorbringen des Asylwerbers ist genügend substantiiert. Dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen.
2. Das Vorbringen muss, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Der Asylwerber darf sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.
3. Das Vorbringen muss plausibel sein, d.h. mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Diese Voraussetzung ist u. a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen und
4. Der Asylwerber muss persönlich glaubwürdig sein. Das wird dann nicht der Fall sein, wenn sein Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt ist, aber auch dann, wenn er wichtige Tatsachen verheimlicht oder bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet einsilbig und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in zahlreichen Erkenntnissen betont, wie wichtig der persönliche Eindruck, den das zur Entscheidung berufene Mitglied der Berufungsbehörde im Rahmen der Berufungsverhandlung von dem Berufungswerber gewinnt, ist (siehe z. B. VwGH vom 24.06.1999, 98/20/0435, VwGH vom 20.05.1999, 98/20/0505, u.v.a.m.).
Vorausgeschickt wird, dass im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muss (so schon VwGH vom 16.01.1987, Zl. 87/01/0230, VwGH vom 15.03.1989, Zl. 88/01/0339, UBAS vom 12.05.1998, Zahl:
203.037-0/IV/29/98 uva.m.)
Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist über weite Strecken sehr vage geblieben und zeichnet sich durch das fast völlige Fehlen näherer zeitlicher Angaben aus:
Er konnte beispielsweise nicht einmal das Jahr der Eheschließung angeben (weder traditionell noch standesamtlich), noch das Jahr angeben, als er sich angeblich wegen seiner Verwandten an Memorial um Hilfe gewandt hat. Weiters konnte er nichts zur angeblichen Kämpfertätigkeit seines Cousins XXXausführen, auch nicht die Höhe des bezahlten Lösegeldes konnte er angeben und auch nicht, wie oft für ihn Lösegeld bezahlt wurde; weiters konnte er auch nicht angeben, ab wann er erstmals von der Polizei mitgenommen worden sei (obwohl dies wohl ein einschneidendes Erlebnis gewesen sein muss) und nicht einmal das Jahr der letzten Mitnahme. Schließlich konnte er auch nicht sagen, wie viel Zeit zwischen der letzten Mitnahme und seiner Ausreise vergangen ist.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist auch in zahlreichen Punkten widersprüchlich:
Während er in der Beschwerdeverhandlung angab, im Jahre 2011 für lediglich 1 1/2 Monate im Gebiet XXX aufhältig gewesen zu sein, gab er bei der Erstbefragung an (AS 25), dass er 2010 für 3 Monate dort gewesen sei. Während er weiters bei der Ersteinvernahme angab, dass er als selbständiger Bauunternehmer gearbeitet habe (AS 15), bestritt er dies in der Beschwerdeverhandlung, sondern gab an, lediglich als unselbständiger Bauarbeiter gearbeitet zu haben. Während er in der Beschwerdeverhandlung zunächst lediglich seinen Cousin als Verwandten, der gekämpft hat, angab, räumte er erst über Vorhalt, dass er schon beim Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, angegeben hat, dass sein Bruder an Kampfhandlungen teilgenommen habe (AS 227) ein, dass auch dieser gekämpft habe. Während er bei der Ersteinvernahme durch die Polizei (AS 23) angab, dass er im Jahre 2003 gemeinsam mit seinem Bruder XXX festgenommen worden sei, führte er in der Beschwerde widersprüchlich dazu aus, dass er nicht mit ihm gemeinsam festgenommen und dann angehalten worden sei, wobei er am Beginn der Beschwerdeverhandlung darauf hinwies, dass er am 26.11.2003 und sein Bruder am 24.11.2003 mitgenommen worden seien, beharrte aber darauf, dass sie von unterschiedlichen Organisationen mitgenommen worden seien. Während aus der vorgelegten Haftbestätigung zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer im Jahre 2004 in Haft gewesen sei, sprach er selbst widersprüchlich dazu von 2003. Auch lässt sich das sonstige Vorbringen nicht mit der Haftbestätigung vereinbaren, da er einerseits angab, dass er im Jänner verhaftet worden sei und insgesamt 8 Monate in Haft gewesen sei, in der Haftbestätigung jedoch steht, dass er am 11. Juli freigelassen worden sei. Durch das Nichtübereinstimmen des Vorbringens mit der vorgelegten Haftbestätigung wird auch deren Beweiswert stark herabgesetzt.
Weiters gab der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung (AS 53) an, dass er von einer unbekannten Sondereinheit am 26.11.2003 mitgenommen worden sei und später in das Innenministerium in Grosny überstellt worden sei, während er in Beschwerdeverhandlung vorbrachte, dass er von der OMON mitgenommen worden sei und später dann in eine Polizeiabteilung überstellt worden sei.
Während der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung durch die Polizei (AS 25) behauptete, erst seit Herbst 2010 immer wieder mitgenommen worden zu sein, gab er beim Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, am 14.01.2013 (AS 225), schon ab 2007 oder 2008 an, um dann wiederum widersprüchlich dazu in der Beschwerdeverhandlung anzugeben, dass er nicht genau wisse, ab wann er immer wieder mitgenommen worden sei, aber dass er schon vor 2007 bereits diese Probleme gehabt habe.
Schließlich ist das Vorbringen des Beschwerdeführers auch in zahlreichen Punkten unplausibel: So ist zunächst einmal unlogisch und unplausibel, dass der Beschwerdeführer sich wohl wegen seiner Verwandten an die bekannte Menschenrechtsorganisation Memorial gewandt habe, nicht jedoch - obwohl er Kontakte zu dieser Organisation gehabt habe - als er eigene Probleme gehabt habe. Auch erscheint es nicht sehr plausibel, dass der Beschwerdeführer gerade deswegen Probleme gehabt habe, weil er eine Mitarbeiterin von Memorial (angeblich aus Österreich?) eine Anfrage an den Staatsanwalt in Moskau organisiert habe, welche die beiden Cousins des Beschwerdeführers betroffen hätte und gerade deswegen der Beschwerdeführer selbst Probleme bekommen hat. Noch unplausibler ist die Antwort des Beschwerdeführers, dass er Memorial (einer der bekanntesten Nichtregierungsorganisationen) deswegen nicht kontaktiert habe, weil er sich wegen seiner Probleme nicht an die Regierung wenden wollen hat. Wenn der Beschwerdeführer bei der Ersteinvernahme angegeben hat, dass der älterer Bruder der XXX mit dem Namen XXX im Jahre 2002 oder 2003 verschleppt worden sei und seither nicht mehr aufgetaucht sei, so erscheint dieser Umstand in Anbetracht dessen, dass als Unterkunftsgeber der XXX in Wien 10 gerade XXX aufscheint und der Beschwerdeführer dazu nichts angeben konnte, das Verschwinden des Genannten reichlich unplausibel. Weiters erscheint es unplausibel, dass die Eltern seiner ersten Frau diese im Jahre 2006 abgeholt hätten (AS 13), ohne zu sagen, warum und obwohl nach den Angaben des Beschwerdeführers nach seiner Freilassung aus der Haft im Jahre 2004 ein offenbar längerer verfolgungsfreier Zeitraum vorgelegen sei.
Auch fallen einige unpassende Antworten auf die klaren und konkreten Fragen (dem Beschwerdeführer durch eine erfahrene muttersprachliche Dolmetscherin in seiner Muttersprache übersetzt) auf: Beispielsweise gab der Beschwerdeführer auf die konkrete Frage der beisitzenden Richterin, ob er deswegen bei Verwandten gewohnt habe, weil er so näher zu einer Baustelle gehabt habe, völlig unpassend "es war allen bekannt, dass ich mich gut mit Bauarbeiten auskenne." Es ist darauf hinzuweisen, dass auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes es den Behörden nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden (siehe z.B. VwGH vom 29.06.2000, 2000/01/0093).
Die vom Beschwerdeführer namhaft gemachte Zeugin XXX wusste nichts über die Probleme des Beschwerdeführers aus eigenem Erleben, weil sie zu diesem Zeitpunkt schon in Österreich gewesen sei, sondern lediglich vom Hörensagen von anderen Verwandten. Die übrigen vom Beschwerdeführer in der Beschwerde geltend gemachten Zeugen konnten entweder nicht geladen werden oder sind nicht zur Beschwerdeverhandlung erschienen, sodass jedenfalls festzuhalten ist, dass durch die angebotenen Zeugen auch keine Bestätigung des vom Beschwerdeführer angegebenen Fluchtvorbringens erfolgen konnte. Eine Befragung von Zeugen in Tschetschenien durch einen Vertrauensanwalt war mangels eines solchen nicht möglich.
Auf die vorgelegte Haftbestätigung wurde bereits eingegangen, weitere Beweismittel zum Fluchtvorbringen (aus der Kopie eines russischen Inlandsreisepasses) wurden nicht vorgelegt.
Wie sich leicht aus dem durch zahlreiche Widersprüche sowie vagen und unplausiblen Angaben gekennzeichneten Vorbringen des Beschwerdeführers entnehmen lässt, machte dieser auch auf den zur Entscheidung berufenen Richter als Person keinen glaubwürdigen Eindruck, wobei in diesem Zusammenhang nochmals auf das vom Asylgerichtshof eingeholte Gutachten des renommierten Psychiaters XXX hinzuweisen ist, wonach beim Beschwerdeführer keineswegs eine psychische Störung oder Erkrankung vorliegt, die ihn darin hindert, Erlebtes konkret widerspruchsfrei, chronologisch und mit Daten versehen wiederzugeben.
Das Bundesverwaltungsgericht gelangte daher zum Schluss, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen nicht glaubwürdig ist.
3. Rechtlich folgt:
Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 7 B-VG wird der Asylgerichtshof mit 01.01.2014 zum Verwaltungsgericht des Bundes und hat daher das vorliegende Beschwerdeverfahren zu führen.
Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 ist das Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 144/2013,am 01.01.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.
Gemäß § 75 Abs. 19 Asylgesetz 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen.
Gemäß § 3 Abs. 7 Z 1 Verwaltungsgerichtsbarkeitsübergangsgesetz (VwGbk-ÜG) können mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängige Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht weitergeführt werden, wenn die Rechtssache in diesem Zeitpunkt zur Zuständigkeit eines Senates des Asylgerichtshofes gehört hat, danach zur Zuständigkeit des Senates oder des Einzelrichters des Bundesverwaltungsgerichtes gehört und alle Mitglieder dieses Senates bzw. der Einzelrichter dem Senat des Asylgerichtshofes angehört haben bzw. angehört hat.
Im vorliegenden Fall war der nunmehr zuständige Einzelrichter Mitglied des seinerzeit zuständigen Senates des Asylgerichtshofes (Vorsitzender Richter) und hat die Rechtssache zur Zuständigkeit eines Senates des Asylgerichtshofes gehört und gehört nunmehr zur Zuständigkeit des Einzelrichters des Bundesverwaltungsgerichtes.
A)
Zu I.:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Statusrichtlinie] verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Die vom Asylwerber vorgebrachten Eingriffe in seine vom Staat zu schützende Sphäre müssen in einem erkennbaren zeitlichen Zusammenhang zur Ausreise aus seinem Heimatland liegen. Die fluchtauslösende Verfolgungsgefahr bzw. Verfolgung muss daher aktuell sein (VwGH 26.06.1996, Zl. 96/20/0414). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass als Fluchtgründe unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes nur solche Maßnahmen in Betracht kommen, die einen weiteren Verbleib im Heimatland aus objektiver Sicht unerträglich erscheinen lassen (VwGH vom 16.09.1992, 92/01/0544, VwGH vom 07.10.2003, 92/01/1015, 93/01/0929, u.a.).
Zunächst ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Unabhängigen Bundesasylsenates, aber auch des Verwaltungsgerichtshofes nicht von einer Gruppenverfolgung (generelle asylrelevante Verfolgung nur allein wegen der Zugehörigkeit zur tschetschenischen Ethnie) gesprochen werden kann (z.B. UBAS vom 24.01.2007, Zl. 254.119/0-VIII/22/04, UBAS vom 27.01.2007, Zl. 256.753/5E-VIII/22/05, u.v.a.m.; VwGH vom 19.12.2007, Zl. 2006/20/0771, VwGH vom 26.06.2008, Zl. 2006/20/0685, u. a.).
Es sei weiters betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung einnimmt (VwGH vom 20.06.1990, 90/01/0041).
Wie in der obigen Beweiswürdigung ausführlich dargelegt, fehlt es den vom Beschwerdeführer angegebenen Fluchtgründen an der Glaubwürdigkeit.
Wenn auch der Beschwerdeführer angegeben hat, dass er 2010 oder 2011 einige Zeit (Näheres konnte er offenbar nicht angeben) in XXX gelebt hat, wo er auch über Verwandte verfügt, so hat er doch angegeben, dass von Seiten der Behörden Druck auf seine Familie ausgeübt wurde, dass er wieder zurückkehrt. Wenn auch dieses Vorbringen - ebenso wie das gesamte Fluchtvorbingen - nicht sehr überzeugt; vor allem in Hinblick auf die eigene Aussage des Beschwerdeführers, dass seit seiner Ausreise offenbar auf seine Familie nicht mehr Druck ausgeübt wird, dass er zurückkehren möge, so erscheint es, in Anbetracht des Umstandes, dass die Flüchtlingseigenschaft bei dem Beschwerdeführer auf Grund seiner völligen unglaubwürdigen Angaben verneint wurde, nicht erforderlich, sich noch näher mit der Frage einer allfälligen inländischen Fluchtalternative auseinanderzusetzen.
Die Beschwerde zu Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides war daher abzuweisen.
Wird ein Antrag auf internationalen Schutz "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden (Abs. 2 leg. cit.).
§ 8 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300).
Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG 1997 iVm § 57 FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.1.2001, 2001/20/0011).
Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (nach der Rechtslage nach dem AsylG 1997 musste sich die Gefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen; zB VwGH 26.6.1997, 95/21/0294; 25.1.2001, 2000/20/0438; 30.5.2001, 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000;
VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586; 21.9.2000, 99/20/0373; 25.1.2001, 2000/20/0367;
25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 16.4.2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FremdenG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427; 20.6.2002, 2002/18/0028).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FremdenG hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0443; 26.2.2002, 99/20/0509; 22.8.2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG 2005) zu beachten (VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).
Im gegenständlichen Fall liegt die vorgebrachte Bedrohung iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 schon deshalb nicht vor, weil der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte. Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden.
Nach den obigen Feststellungen herrscht in Tschetschenien derzeit keine Bürgerkriegssituation mehr und droht auch nicht jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird (automatisch) eine Gefahr für Leib und Leben in einem Maße, die eine Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK von vorn herein als unzulässig erscheinen würde (vgl. auch AsylGH v. 03.06.2009, Zl. D3 307975-1/2008/20E, AsylGH v. 26.05.2009, Zl.
D3 266048-2/2008/11E, AsylGH v. 03.06.2009, Zl. D11 265-0/2008/4E, AsylGH v. 21.10.2008, Zl. C5 251069-0/2008/25E u.a.).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war die im Lichte des § 8 zu beurteilende Bedrohungssituation nach § 57 Fremdengesetz (nunmehr § 50 FPG) durch ein konkretes, personenbezogenes, glaubwürdiges und mit allfälligen Bescheinigungsmitteln untermauertes Vorbringen darzutun.
Auf die konkrete Frage des vorsitzenden Richters in der Beschwerdeverhandlung vom 05.11.2013, was mit ihm geschehen würde, wenn er in die Russische Föderation zurückkehren würde, gab der Beschwerdeführer an, dass er sich das nicht vorstellen könne und dass er nicht in die Russische Föderation zurückkehren könne. Damit machte er jedoch kein konkretes personenbezogenes glaubwürdiges und mit allfälligen Bescheinigungsmitteln untermauertes Vorbringen hinsichtlich des Bestehens einer aktuellen Bedrohungssituation geltend, sondern lediglich seinen subjektiven Unwillen in das Herkunftsland zurückzukehren.
Der Beschwerdeführer behauptet wohl, gesundheitliche Probleme zu haben, gibt jedoch gleichzeitig an, dass er deswegen nicht zu den Ärzten gegangen sei und legt daher keinerlei Befunde vor, sodass der erkennende Einzelrichter auf Grund der unspezifischen und vagen Angaben des Beschwerdeführers daraus jedenfalls nicht das Vorhandensein einer schweren Erkrankung ableiten kann. Der Beschwerdeführer hat jedoch angegeben und durch zahlreiche Bescheinigungen auch untermauert, dass er immer wieder in der XXX in Salzburg wegen psychischer Probleme in Behandlung ist, wobei als Diagnose posttraumatische Belastungsstörung angenommen wurde, (wenn auch dies dem eingeholten Gutachten XXX widerspricht).
Bei dem Beschwerdeführer bestehen demnach keine derart schweren Erkrankungen, die die hohe Schwelle des Art. 3 EMRK, wie sie von der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte festgesetzt wird, erreichen (vgl. etwa EGMR 2.5.1997, 30.240/96, Fall D. v. Vereinigtes Königreich, wo die Abschiebung eines an AIDS im Endstadium erkrankten Staatsangehörigen von St. Kitts nicht bloß wegen dessen Krankheit, sondern aufgrund des Risikos eines Todes unter äußerst schlimmen Umständen als Verletzung von Art. 3 EMRK qualifiziert wurde; in anderen Fällen hatte der EGMR keine derart außergewöhnliche Situation angenommen: vgl. EGMR 29.6.2004, 7702/04, Fall Salkic ua v. Schweden [psychische Beeinträchtigungen bzw. Erkrankungen]; 31.5.2005, 1383/04, Fall Ovdienko v. Finnland [Erkrankung an schwerer Depression mit Suizidgefahr]; 27.9.2005, 17416/05, Fall Hukic v. Schweden [Erkrankung an Down-Syndrom];
22.6.2004, 17.868/03, Fall Ndangoya v. Schweden [HIV-Infektion];
zuletzt auch zurückhaltend EGMR 27.5.2008, 26.565/05, Fall N. v. Vereinigtes Königreich [AIDS-Erkrankung]).
Ein Abschiebehindernis aufgrund gesundheitlicher Probleme liegt demnach nicht vor. Im Übrigen ist zu bemerken, dass gemäß den Länderberichten und dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes in der Russischen Föderation und insbesondere auch in Tschetschenien eine medizinische Grundversorgung gewährleistet ist und im Übrigen fast alle Erkrankungen (auch psychischer Natur) behandelt werden können.
Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes übersieht nicht, dass das russische bzw. tschetschenische Gesundheitssystem österreichischen Standards nicht entsprechen mag. Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jener des Verfassungsgerichtshofes hat jedoch - aus dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK - im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden; dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich und kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gäbe (siehe VfGH 6.3.2008, B 2400/07).
Der Unabhängige Bundesasylsenat hat mehrfach ausgesprochen, dass das Fehlen der Voraussetzungen für eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung und das Fehlen der Sicherstellung des überlebensnotwendigen Existenzminimums (siehe UBAS vom 15.12.1999, 208.320/0-IX/25/99; UBAS vom 17.07.2000, 212.800/0-VIII/22/99; UBAS vom 12.06.2002, 216.594/0-VIII/22/02, UBAS vom 22.10.2004, 227.507/0-VIII/22/02, u.a.) für ein Refoulementverbot spricht. Unter diesem Gesichtspunkt kann auch eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Zielstaat einer Abschiebung im Einzelfall entgegenstehen (vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059; 09.07.2002, 2001/01/40164; 13.11.2001 2000/01/0453).
Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können (vgl. auch VwGH vom 15.03.1989, 88/01/0339).
Der Beschwerdeführer hat in Tschetschenien bereits in verschiedenen Berufen, insbesondere als Bauarbeiter gearbeitet (wenn er auch da etwas unklare und widersprüchliche Angaben gemacht hat) und verfügt im Herkunftsstaat überdies noch über seine Eltern, 2 Brüder, 1 Schwester und zahlreiche andere Verwandte. Darüber hinaus ist es gerade zu notorisch, dass in Tschetschenien die Angehörigen eines Tejps zur gegenseitigen Unterstützung verpflichtet sind. Die Mitglieder eines Tejps funktionieren wie ein Staat im Staat und zeichnen sich durch solidarisches Verhalten und einem Unterstützungsnetzwerk aus. Der Tejp funktioniert wie eine Familie, in der alle Mitglieder die notwendige Unterstützung erhalten.
Auch heute noch kennen so gut wie alle Tschetschenen ihre Wurzeln und den Ort an dem ihr Tejp ursprünglich entstanden ist. Besonderer Respekt und Unterstützung wird den alten Tejp-Mitgliedern gezollt. Im Übrigen versuchen die Kinder, für ihre Eltern die besten Lebensbedingungen zu schaffen. Insbesondere treffen Kinder Vorsorge, wenn ihre Eltern älter werden. In den Länderinformationen wird auch dargelegt, dass es in den letzten Jahren zu einer starken Rückbesinnung auf tschetschenische Traditionen gekommen ist. (Aufsatz von Martin Malek "Understandig chechen culture" vom 20.02.2009) Diese Ausführungen runden das Bild ab, wonach der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat über ein soziales Netzwerk verfügt und in keine ausweglose Situation geraten würde (siehe auch BVwG vom 12.03.2014, W189 1410743-2/14E).
Es ist daher auf Grund der persönlichen Umstände und des bisherigen Lebenslaufes des Beschwerdeführers nicht zu erwarten, dass er bei einer Rückkehr in die Russische Föderation in eine derartige existenzbedrohende Notlage geraten würde, die in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK fallen würde.
Es war daher auch die Beschwerde zu Spruchteil II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
Es wurde auch keinem Mitglied der Kernfamilie der Status eines Asylberechtigten oder eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, sodass die Verleihung dieses Status auch nicht im Wege des Familienverfahrens gemäß § 34 AsylG 2005 in Frage kommt.
Zu II.:
Gemäß § 75 Abs. 20 1. Satz, 2. Fall und 2. Satz AsylG 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Übergangsverfahren nach Abs. 19 leg. cit. in dem es den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes bestätigt (Z1), zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesasylamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen.
Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
"Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."
§ 75 Abs. 20 AsylG normiert, dass, wenn das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Abs. 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz
den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,
jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,
den zurückweisenden Bescheid gemäß § 4 des Bundesasylamtes,
jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4 folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,
den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder
den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 aberkannt wird,
bestätigt, so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen.
Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Unter Volljährigen reicht das rechtliche Band der Blutsverwandtschaft allein nicht, um ein Familienleben iSd. Art 8 MRK zu begründen. Hier wird auf das tatsächliche Bestehen eines effektiven Familienlebens abgestellt, darüber hinaus müssen zusätzliche Merkmale einer Abhängigkeit gegeben sein, die über die sonst üblichen Beziehungen hinausgehen. Vgl. ua. EGMR 30.11.1999 (Baghli gegen Frankreich) Ziff 35; EGMR Ezzouhdi (FN 9) Ziff 34; EGMR 10.07.2003 (Benhebba gegen Frankreich); EGMR 17.01.2006 (Aoulmi gegen Frankreich).
Der Beschwerdeführer verfügt wohl in Österreich über einen asylberechtigten Bruder sowie eine Tante und einen Cousin mit Flüchtlingsstatus, ist von diesen jedoch nicht abhängig und wohnt auch mit diesen nicht gemeinsam, sondern hat nur telefonischen Kontakt und sieht diese nur in unregelmäßigen Abständen.
Hinsichtlich der Mitglieder der Kernfamilie (Ehefrau und Töchter) ist festzuhalten, dass diese ebenso wie der Beschwerdeführer Asylwerber sind und gleicher Maßen potentiell von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen bedroht sind, sodass bei einer allfälligen gemeinsamen Ausreise kein Eingriff in das Familienleben vorliegt.
Der Beschwerdeführer ist nach illegaler Einreise seit erst etwas mehr als 1 1/2 Jahre in Österreich aufhältig und hat hier seinen Aufenthalt ausschließlich auf einen letztlich unbegründeten Asylantrag gestützt. (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 26.06.2007, 2007/01/0479, "... der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte..." und zu diesem Erkenntnis: Gruber, "Bleiberecht" und Artikel 8 EMRK, in Festgabe zum 80. Geburtstag von Rudolf MACHACEK und Franz MATSCHER
(2008) 166," ... Es wird im Ergebnis bei einer solchen (zu kurzen)
Aufenthaltsdauer eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zur "Bindung zum Aufenthaltsstaat" als nicht erforderlich gesehen...").
Weiteres sind auch sonst keine besonderen Hinweise auf eine Integration zu verzeichnen, der Beschwerdeführer hat während seines Aufenthaltes in Österreich laufend Grundversorgung bezogen und ist keineswegs als selbsterhaltungsfähig anzusehen und ist auch der deutschen Sprache nicht mächtig. Auch sonstige Aktivitäten (zB bei Vereinen und Institutionen), die auf eine besondere Integration in Österreich hindeuten würden, wurden seitens des Beschwerdeführers nicht vorgebracht.
Der Beschwerdeführer hat lediglich einen Anfängerkurs der deutschen Sprache absolviert und eine Bestätigung des Kindergartens, den seine Tochter besucht, vorgelegt.
Dem gegenüber bestehen nach wie vor intensive Bindungen zum Herkunftsstaat, wo der Beschwerdeführer sein ganzes bisheriges Leben verbracht hat und nach wie vor seine Eltern, Geschwister und weitere Verwandten leben. Darüber hinaus spricht der Beschwerdeführer Russisch und seine Muttersprache Tschetschenisch und ist auf Grund der persönlichen Verhältnisse und des vorhandenen "verwandtschaftlichen Netzes" ein Neustart im Herkunftsstaat durchaus möglich.
Den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH v. 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, u.v.a.).
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes überwiegen daher derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und des Schutzes des österreichischen Arbeitsmarktes die privaten Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Bundesgebiet (vgl. dazu VfSlg. 17.516/2005 sowie ferner VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).
Da sich verfahrensgegenständlich demnach nicht ergeben hat, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, war gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird daher nach der nunmehr geltenden Rechtslage die Erlassung einer Rückkehrentscheidung neu zu prüfen haben.
Bloß am Rande verweist der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes darauf, dass § 10 AsylG 2005 idgF auf das vorliegende Verfahren nicht angewendet werden kann, weil dieser mit der Rückkehrentscheidung einen anderen Inhalt hat als der im angefochtenen Bescheid angewendete § 10 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011 (Ausweisungsentscheidung). Bei Ausspruch einer Rückkehrentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht würde der Beschwerdeführer einer Beschwerdemöglichkeit verlustig gehen, was im Prinzip auch Grund für die Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 20 AsylG idgF war.
Sollte das Bundesamt zu einer Rückkehrentscheidung gelangen, hätte es sich auch mit der Frage in wie weit eine Außerlandesschaffung eine massive Verschlechterung des psychischen Zustandes des Beschwerdeführers bedeuten würde (wie das in der psychotherapeutischen Stellungnahme behauptet wurde), auseinander zu setzen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im vorliegenden Fall erweist sich die ordentliche Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG insofern als nicht zulässig, als der gegenständliche Fall ausschließlich tatsachenlastig ist und die Beweiswürdigung den entscheidenden Punkt darstellt, sodass dieser keinerlei Rechtsfragen - schon gar nicht von grundsätzlicher Bedeutung - aufwirft. Wie unzweifelhaft der rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (noch von jener des Asylgerichtshofes) ab, noch fehlt es zu irgendeinem Sachverhaltsaspekt des gegenständlichen Falles an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf den gegenständlichen Fall uneinheitlich zu beurteilen wäre. Im Übrigen liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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