VwGH Ra 2016/11/0024

VwGHRa 2016/11/002430.6.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Finanzamts Innsbruck gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 16. Dezember 2015, Zl. LVwG- 2015/29/3066-1, betreffend Erlag einer Sicherheitsleistung nach § 7m AVRAG (belangte Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck; mitbeteiligte Partei: T GmbH in I, vertreten durch Dr. Odo Schrott, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andechsstraße 65), zu Recht erkannt:

Normen

AVRAG 1993 §7m;
B-VG Art130 Abs1 Z1;
B-VG Art130 Abs4;
B-VG Art130;
B-VG Art131 Abs3;
B-VG Art132;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §28;
VwGVG 2014 §50;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016110024.L00

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, der belangten Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht (iF auch: BH), vom 19. Oktober 2015 war der Mitbeteiligten gemäß § 7m Abs. 2 und 3 AVRAG über Antrag der Revisionswerberin der Erlag einer Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 13.000,-- aufgetragen worden.

2 Diese Entscheidung stützte die BH auf folgende Erwägungen:

Im Zuge einer Kontrolle einer näher genannten Baustelle in S am 14. Oktober 2015 durch Organe der Abgabenbehörde seien Arbeitnehmer der Firma B s.r.o. mit Sitz in der Slowakei (iF: B) einer Kontrolle unterzogen worden, bei der festgestellt worden sei, dass näher genannte Bestimmungen des AVRAG missachtet worden seien, weil auf der Baustelle keine Lohnunterlagen gemäß § 7d AVRAG betreffend sechs dort angetroffene, näher genannte Arbeitnehmer sowie keine Sozialversicherungsdokumente gemäß § 7b AVRAG betreffend einen dieser Arbeitnehmer aufgelegen seien. Die Mitbeteiligte habe B mit der Ausführung von Trockenbauarbeiten beauftragt und sei folglich Auftraggeber dieses Unternehmens. Ein Organ der Finanzpolizei habe nach der Kontrolle, am 16. Oktober 2015, der Mitbeteiligten gemäß § 7m Abs. 1 AVRAG ("Zahlungsstopp") aufgetragen, den noch zu leistenden Werklohn oder Teile davon bis zu einer Höhe von EUR 13.000,-- (zwischen den Vertragspartnern sei eine Auftragssumme in Höhe von EUR 31.080,00 netto vereinbart gewesen) nicht zu zahlen. Die B habe ihren Sitz in der Slowakei, eine Strafvollstreckung sei voraussichtlich nicht möglich.

3 Nach einer Wiedergabe des § 7m AVRAG folgerte die BH, es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

4 Mit dem nun in Revision gezogenen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2015 wurde der von der Mitbeteiligten gegen den Bescheid vom 19. Oktober 2015 erhobenen Beschwerde gemäß § 31 VwGVG Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit an die BH zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen; die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

5 Begründend wurde vom Verwaltungsgericht, abgesehen von einer Wiedergabe des Bescheids und des verfahrenseinleitenden Antrags des Finanzamts Innsbruck und der Beschwerde, lediglich Folgendes ausgeführt:

6 Gemäß § 7m Abs. 3 AVRAG könne die Bezirksverwaltungsbehörde der Auftraggeberin durch Bescheid auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder einen Teil davon als Sicherheit binnen einer angemessenen Frist zu erlegen. Ein Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung komme daher nur dann in Betracht, "wenn überhaupt noch ein zu leistender Werklohn gegeben ist". § 7m Abs. 6 AVRAG sehe in diesem Zusammenhang vor, dass die Auftraggeberin verpflichtet sei, auf Anfrage der Bezirksverwaltungsbehörde die Höhe und Fälligkeit des Werklohns bekannt zu geben. Aus dem vorgelegten Akt der Behörde ergebe sich kein konkreter Hinweis dafür, dass B gegenüber der Mitbeteiligten einen Anspruch auf noch zu leistenden Werklohn habe, der zumindest EUR 13.000,-- betrage. In diesem Zusammenhang habe es die BH unterlassen, die Auftraggeberin, also die Mitbeteiligte, dazu iSd § 7m Abs. 6 AVRAG zu Höhe und Fälligkeit des noch ausstehenden Werklohns zu befragen. Vollständigkeitshalber sei darauf zu verweisen, dass nach § 7m Abs. 5 AVRAG die Überweisung bzw. der Erlag der Sicherheitsleistung gegenüber der Auftragnehmerin in diesem Ausmaß schuldbefreiend wirke. Damit hätte diese Frage geklärt werden müssen, wobei die BH eine Anfrage nach § 7m Abs. 6 AVRAG veranlassen hätte können.

7 Abschließend folgerte das Verwaltungsgericht: "Somit war der Beschwerde Folge zu geben, der angefochtene Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck zurückzuverweisen."

8 Die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, weil sich schon aus dem klaren Gesetzeswortlaut des § 7m Abs. 3 AVRAG ergebe, dass eine Sicherheitsleistung nur dann in Betracht komme, wenn überhaupt noch ein entsprechender Betrag an Werklohn zu leisten sei.

 

9 Über die gegen diesen Beschluss gerichtete Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verfahrensakten und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die Mitbeteiligte - die belangte Behörde hat sich innerhalb der ihr gesetzten Frist zur Revision nicht geäußert - in dem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

10 Gemäß § 7m Abs. 2 letzter Satz AVRAG kann die Abgabenbehörde gegen Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichts betreffend den Erlag einer Sicherheit nach § 7m Abs. 3 AVRAG Revision beim Verwaltungsgerichtshof erheben.

11 Die Revision begründet die ihres Erachtens entgegen dem Zulässigkeitsausspruch des Verwaltungsgerichts doch gegebene Zulässigkeit (zusammengefasst) damit, dass die angefochtene Entscheidung von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Sachentscheidungspflicht nach § 28 VwGVG abweiche und Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Reichweite des § 50 VwGVG fehle.

12 Die Revision ist aus den dafür in der Revision geltend gemachten Gründen zulässig; sie ist auch begründet.

13 Während § 28 VwGVG unter engen (hier nicht näher darzustellenden) Voraussetzungen dem Verwaltungsgericht erlaubt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückzuverweisen, anstatt selbst die Sachentscheidung zu treffen, verpflichtet § 50 VwGVG das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist), über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

14 § 50 VwGVG ist Teil des mit "Verfahren in Verwaltungsstrafsachen" überschriebenen 2. Abschnitts des 3. Hauptstücks ("Besondere Bestimmungen") des VwGVG und demnach "in Verwaltungsstrafsachen" anzuwenden.

15 Handelt es sich bei der vom Verwaltungsgericht getroffenen, nun in Revision gezogenen Entscheidung nach § 7m AVRAG um eine solche "in Verwaltungsstrafsachen", wäre die vorgenommene Aufhebung und Zurückverweisung jedenfalls verfehlt:

In "Verwaltungsstrafsachen" iSd § 50 VwGVG wäre für eine Aufhebung des mit Beschwerde angefochtenen Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde schon deshalb kein Raum, weil § 50 VwGVG für Verfahren in Verwaltungsstrafsachen eine unbedingte Sachentscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts normiert, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

16 In den Materialien zu § 50 VwGVG (Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 2009 BlgNR 24. GP ) wird lediglich ausgeführt, der "vorgeschlagene § 50 wiederholt die in Art. 130 Abs. 4 erster Satz B-VG vorgesehene Verpflichtung zur Entscheidung in der Sache". Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber des VwGVG das verfassungsrechtlich vorgegebene Verständnis des Begriffs "Verwaltungsstrafsachen" beibehalten wollte, zumal es für ein davon abweichendes Begriffsverständnis keinen Anhaltspunkt gibt.

17 Art. 130 B-VG (idF der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012 - die hier maßgebenden Teile erfuhren durch die Novellen BGBl. I Nr. 115/2013 und BGBl. I Nr. 101/2014 keine Änderung), lautet - auszugsweise - wie folgt:

"Artikel 130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

...

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

...

(3) Außer in Verwaltungsstrafsachen und in den zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Bundes für Finanzen gehörenden Rechtssachen liegt Rechtswidrigkeit nicht vor, soweit das Gesetz der Verwaltungsbehörde Ermessen einräumt und sie dieses im Sinne des Gesetzes geübt hat.

(4) Über Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 1 in Verwaltungsstrafsachen hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Über Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 1 in sonstigen Rechtssachen hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

  1. 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
  2. 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

    ..."

    18 In der Regierungsvorlage (1618 BlgNR 24. GP ) wird dazu - unter anderem - Folgendes ausgeführt (Hervorhebungen nur hier):

    "Zu Art. 130:

    Der vorgeschlagene Art. 130 Abs. 1 enthält jene Zuständigkeiten, die den Verwaltungsgerichten von Verfassung wegen zukommen sollen.

    ...

    Im Gegensatz zu Art. 129a Abs. 1 Z 4 und Art. 132 B-VG kann nach der vorgeschlagenen Z 3 eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht grundsätzlich auch in Verwaltungsstrafsachen erhoben werden. An die Wiedereinführung eines umfassenden verwaltungsgerichtlichen Säumnisschutzes in Verwaltungsstrafsachen ist dabei freilich nicht gedacht. Vielmehr soll - nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Erkenntnisses VfSlg. 18.609/2008 - eine differenzierte Regelung auf einfachgesetzlicher Ebene ermöglicht werden, die das Bedürfnis der Partei nach Rechtsschutz gegen Säumnis bei der Erlassung von bestimmten im Verwaltungsstrafverfahren ergehenden verfahrensrechtlichen Bescheiden (etwa bei Anträgen auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; vgl. zur Problemstellung Walter/Thienel, Die Verwaltungsverfahrensnovellen 1998 (1999), 172 f, 196 ff) ebenso berücksichtigt wie Fälle, in denen ihrem Rechtsschutzbedürfnis bereits durch ein ex-lege-Außerkrafttreten des Strafbescheides Genüge getan ist (vgl. § 51 Abs. 7 VStG). ...

    Nach dem vorgeschlagenen Art. 130 Abs. 4 haben die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 in Verwaltungsstrafsachen meritorisch (‚in der Sache selbst') zu entscheiden, über Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 1 in anderen Rechtssachen dagegen nur unter bestimmten Voraussetzungen. Zu dieser Bestimmung sei Folgendes ausdrücklich klargestellt:

    Der Anwendungsbereich des Art. 130 Abs. 4 beschränkt sich voraussetzungsgemäß auf Bescheidbeschwerden.

    In Art. 130 Abs. 4 ist abschließend geregelt, in welchen Fällen das Verwaltungsgericht meritorisch zu entscheiden hat; in diesen Fällen darf es daher nicht kassatorisch entscheiden. Einfachgesetzliche Regelungen, wonach das Verwaltungsgericht in bestimmten anderen Fällen meritorisch entscheiden kann oder meritorisch zu entscheiden hat (dies soll der Vermeidung von ‚Kassationskaskaden' dienen), sind jedoch zulässig.

    ..."

    19 Die Art. 129a, 131 und 132 B-VG (idF vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit-Novelle 2012) lauteten - auszugsweise - wie folgt:

    "Artikel 129a. (1) Die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern erkennen nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt,

    1. in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes,

    ...

    4. über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheiten der Z 1, soweit es sich um Privatanklagesachen oder um das landesgesetzliche Abgabenstrafrecht handelt, und der Z 3.

    ...

    Artikel 131. (1) Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben:

    1. wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges;

    ...

(3) Der Verwaltungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates, des unabhängigen Finanzsenates oder einer Behörde gemäß Art. 20 Abs. 2 Z 2 oder 3 durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Bescheid von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, in Verwaltungsstrafsachen und Finanzstrafsachen jedoch nur dann, wenn eine geringe Geldstrafe verhängt wurde.

Artikel 132. Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate kann erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. In Verwaltungsstrafsachen ist eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nicht zulässig; dies gilt nicht für Privatanklage- und für Finanzstrafsachen."

20 Gemäß § 33a VwGG (idF vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit-Novelle 2012) konnte - entsprechend Art. 131 Abs. 3 B-VG - der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates, des unabhängigen Finanzsenates oder einer Behörde gemäß Art. 20 Abs. 2 Z 2 oder 3 B-VG durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhing, der grundsätzliche Bedeutung zukam, insbesondere weil der Bescheid von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abwich, eine solche Rechtsprechung fehlte oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wurde, in Verwaltungsstrafsachen und Finanzstrafsachen jedoch nur dann, wenn eine Geldstrafe von höchstens 1500 Euro verhängt wurde.

21 Dem Begriff "Verwaltungsstrafsachen" iSd Art. 131 Abs. 3 bzw. 132 B-VG (alt) wurde in der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ein umfassender Bedeutungsinhalt beigemessen: Danach schließt der genannte Begriff auch rein verfahrensrechtliche Entscheidungen mit ein, die in einem Verwaltungsstrafverfahren ergehen, und erstreckt sich auf alle Verfahren vor den Verwaltungsbehörden wegen Verwaltungsübertretungen einschließlich der Verfahren über Wiederaufnahme und Wiedereinsetzungsanträge (vgl. den hg. Beschluss vom 27. Juni 1990, Zl. 90/03/0160). Auch bei der Entscheidung über eine Beschlagnahme iSd § 39 Abs. 1 VStG handelt es sich um eine solche (vgl. den hg. Beschluss vom 25. Februar 1992, Zl. 92/04/0020). Der umfassende Begriff "Verwaltungsstrafsache" in Art. 132 B-VG schließt auch den gemäß § 17 Abs. 3 VStG iVm § 28 Abs. 2 FernmeldeG ausgesprochenen (objektiven) Verfall mit ein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1992, Zl. 92/03/0006). Gleiches gilt für die Verhängung einer Ordnungsstrafe in einem Verfahren wegen einer Verwaltungsübertretung (vgl. den hg. Beschluss vom 25. März 1992, Zl. 92/03/0038). Auch ein Antrag auf Aufhebung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung ist mit dem zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahren untrennbar verbunden und stellt eine "Verwaltungsstrafsache" iSd Art. 132 B-VG dar (vgl. den hg. Beschluss vom 25. November 1994, Zl 94/02/0428). Auch der Ausspruch über den Verfall einer Sicherheitsleistung gemäß § 37a Abs. 5 iVm § 37 Abs. 5 VStG, die wegen einer Verwaltungsübertretung eingehoben wurde, weil sich die Strafverfolgung des Beschuldigten bzw. der Vollzug der Strafe als unmöglich erwiesen hat, ist diesem weiten Begriff der "Verwaltungsstrafsache" zuzuordnen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Juni 2003, Zl. 2003/03/0090, und vom 27. Februar 2008, Zl. 2007/03/0135). Gleiches gilt für Bescheide betreffend die Beschlagnahme von Verfallsgegenständen und deren Ausfolgung iSd § 39 VStG (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 2012, Zl. 2009/02/0343, und Zl. 2009/02/0337). Fehlt allerdings ein Zusammenhang mit einem Verwaltungsstrafverfahren, wie bei einer ausschließlich verwaltungspolizeilichen Zwecken (Sicherungsmaßnahme ohne Strafcharakter) dienenden Beschlagnahme nach dem Saatgutgesetz bzw. dem Pflanzenschutzmittelgesetz, ergehen derartige Verwaltungsakte nicht in einem "Verwaltungsstrafverfahren" (vgl. den hg. Beschluss vom 16. Juli 1999, Zl. 99/07/0083, und die hg. Erkenntnisse vom 27. März 2008, Zl. 2007/07/0038, und vom 17. Dezember 2009, Zl. 2009/07/0158). Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof auch Bescheide über die Einziehung nach § 54 GSpG als "Verwaltungsstrafsachen" qualifiziert, wiewohl diese unabhängig von der Bestrafung eines Beschuldigten vorgesehen ist, weil sie (zumindest) die objektive Verwirklichung eines Verwaltungsstraftatbestands zur Voraussetzung hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. August 2012, Zl. 2011/17/0323).

22 Hervorzuheben ist aus dieser Judikatur, dass die Qualifikation als "Verwaltungsstrafsache" nicht davon abhängt, dass die betreffende Entscheidung gegenüber dem einer Verwaltungsübertretung Beschuldigten ergeht; sie erfasst vielmehr auch zum Beispiel die gegen einen Dritten, einen Zeugen, der die Aussage im Verwaltungsstrafverfahren ungerechtfertigt verweigert hatte, gerichtete Ordnungsstrafe (vgl. den hg. Beschluss vom 25. März 1992, Zl. 92/03/0038). Das zu Grunde liegende Verwaltungsstrafverfahren muss auch nicht notwendigerweise noch anhängig sein, um eine damit in Zusammenhang stehende Angelegenheit, die selbst nicht die Ahndung einer Verwaltungsübertretung betrifft, als "Verwaltungsstrafsache" zu qualifizieren (vgl. die hg. Beschlüsse vom 27. Juni 1990, Zl. 90/03/0160 (Anträge auf Wiederaufnahme bzw. Wiedereinsetzung), und vom 25. November 1994, Zl. 94/02/0428 (Aufhebung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung)).

23 Diese auf die Rechtslage vor dem 1. Jänner 2014 bezogene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum umfassenden Begriff "Verwaltungsstrafsache", der also weit zu verstehen ist, wurde auch schon auf den identen Begriff nach der neuen Rechtslage übertragen (vgl. die hg. Beschlüsse vom 10. Oktober 2014, Zl. Ra 2014/02/0093, vom 5. März 2015, Zl. Ra 2015/02/0012, vom 16. Juni 2015, Zl. Ra 2015/02/0106, und vom 1. Dezember 2015, Zl. Ra 2015/02/0223).

24 Dass auch der Verfassungsgesetzgeber der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 von einem weiten Verständnis des Begriffs "Verwaltungsstrafsache" ausgegangen ist, zeigen die - oben wiedergegebenen - Materialien: So soll eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht "grundsätzlich auch in Verwaltungsstrafsachen" erhoben werden können, um dem Bedürfnis nach "Rechtsschutz gegen Säumnis bei der Erlassung von bestimmten im Verwaltungsstrafverfahren ergehenden verfahrensrechtlichen Bescheiden" (beispielsweise genannt werden Anträge auf Wiederaufnahme oder Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) Rechnung zu tragen; auch derartige verfahrensrechtliche Bescheide werden vom Verfassungsgesetzgeber also zu den "Verwaltungsstrafsachen" gezählt.

25 Vor dem dargestellten Hintergrund ist die Frage, ob es sich bei der Vorschreibung von Sicherheitsleistungen nach § 7m AVRAG um eine Entscheidung in einer "Verwaltungsstrafsache" iSd § 50 VwGVG handelt, zu bejahen:

26 Das AVRAG (Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, BGBl. Nr. 459/1993 idF BGBl. I Nr. 152/2015) regelt in seinen §§ 7 bis 7b Ansprüche von Arbeitnehmern gegenüber ihren Arbeitgebern (im Wesentlichen in Abhängigkeit vom Sitz des Arbeitgebers).

27 § 7c bestimmt eine "Haftung des Generalunternehmers", § 7d die "Verpflichtung zur Bereithaltung von Lohnunterlagen"; durch § 7e wird ein "Kompetenzzentrum LSDB" eingerichtet, dem bestimmte (Verfahrens-)rechte übertragen werden; § 7f überträgt den Organen der Abgabenbehörden näher genannte (Erhebungs)-aufgaben; die §§ 7g und 7h normieren Verpflichtungen und Rechte der Träger der Krankenversicherung bzw. der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse bei Feststellung bestimmter Übertretungen.

28 § 7i enthält einzelne Strafbestimmungen (im Wesentlichen betreffend Nichtübermittlung bzw. Nichtbereithaltung erforderlicher Unterlagen und Verweigerung der Einsicht in dieselben, Behinderung von Kontrollen, Beschäftigung von Arbeitnehmern ohne Leistung des zustehenden Entgelts) und Regelungen betreffend das Verwaltungsstrafverfahren; § 7j normiert Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Bestellung verantwortlicher Beauftragter nach § 9 Abs. 2 und 3 VStG und mit Verwaltungsstrafe sanktionierte Verpflichtungen von Arbeitgebern und Beschäftigern in Zusammenhang mit verantwortlichen Beauftragten; § 7k regelt die "Untersagung der Dienstleistung" durch Arbeitgeber bzw. Überlasser seitens der Bezirksverwaltungsbehörde.

29 Die §§ 7l und 7m lauten:

"Vorläufige Sicherheit

§ 7l. Liegt der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs. 8, 7i oder 7k Abs. 4 vor und ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, sind die Organe der Abgabenbehörden ermächtigt, eine vorläufige Sicherheit bis zum Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe festzusetzen und einzuheben. Soweit der Tätigkeitsbereich der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse betroffen ist, ist diese über die Einhebung einer vorläufigen Sicherheit zu verständigen. Der/Die im § 7b Abs. 1 Z 4 genannte Beauftragte gilt als Vertreter/in des/der Arbeitgeber/in, falls dieser/diese oder ein von ihm/ihr bestellter Vertreter bei der Amtshandlung nicht anwesend ist. Auf nach dem ersten Satz eingehobene vorläufige Sicherheiten sind die §§ 37a Abs. 3 bis 5 und 50 Abs. 6 erster Satz und Abs. 8 VStG sinngemäß anzuwenden. Mit der Überweisung nach § 7m Abs. 3 oder der Erlegung einer Sicherheit nach § 7m Abs. 8 ist eine Beschlagnahme aufzuheben.

Sicherheitsleistung - Zahlungsstopp

§ 7m. (1) Liegt der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs. 8, 7i oder 7k Abs. 4 vor und ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, können die Organe der Abgabenbehörden in Verbindung mit den Erhebungen nach § 7f sowie die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse dem/der Auftraggeber/in, bei einer Überlassung dem/der Beschäftiger/in schriftlich auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder Teile davon nicht zu zahlen (Zahlungsstopp). § 50 Abs. 6 erster Satz VStG findet sinngemäß Anwendung. Der Zahlungsstopp ist in jenem Ausmaß nicht wirksam, in dem der von ihm genannte Betrag höher ist als der noch zu leistende Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt. Der Zahlungsstopp darf nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe. Leistet der/die Auftraggeber/in oder der/die Beschäftiger/in entgegen dem Zahlungsstopp den Werklohn oder das Überlassungsentgelt, gilt im Verfahren nach Abs. 3 der Werklohn oder das Überlassungsentgelt als nicht geleistet. Die Organe der Abgabenbehörden sowie die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse dürfen einen Zahlungsstopp nur dann auftragen, wenn eine vorläufige Sicherheit nach § 7l nicht festgesetzt oder nicht eingehoben werden konnte. Leistet der/die Auftragnehmer/in oder der/die Überlasser/in die vorläufige Sicherheit nachträglich oder eine Sicherheit, ohne dass eine solche festgesetzt wurde, aus eigenem, ist der Zahlungsstopp von der Bezirksverwaltungsbehörde durch Bescheid aufzuheben; ein allfälliges Verfahren nach Abs. 3 ist einzustellen.

(2) Die Abgabenbehörden und die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse haben nach Verhängung eines Zahlungstopps nach Abs. 1 binnen drei Arbeitstagen bei der Bezirksverwaltungsbehörde die Erlegung einer Sicherheit nach Abs. 3 zu beantragen, widrigenfalls der Zahlungsstopp außer Kraft tritt. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat darüber innerhalb von zehn Arbeitstagen ab Einlangen des Antrages zu entscheiden, widrigenfalls der Zahlungsstopp außer Kraft tritt. In diesen Verfahren haben die im ersten Satz genannten Einrichtungen Parteistellung, soweit diese den Antrag auf Erlegung einer Sicherheit gestellt haben. Diese können gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde Beschwerde beim Verwaltungsgericht und gegen das Erkenntnis oder den Beschluss eines Verwaltungsgerichts Revision beim Verwaltungsgerichtshof erheben.

(3) Liegt der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs. 8, 7i oder 7k Abs. 4 vor und ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde, kann die Bezirksverwaltungsbehörde dem/der Auftraggeber/in, bei einer Überlassung dem/der Beschäftiger/in durch Bescheid auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder einen Teil davon als Sicherheit binnen einer angemessenen Frist zu erlegen. Die §§ 37 und 37a VStG sind in diesen Fällen, sofern in dieser Bestimmung nichts anderes vorgesehen ist, nicht anzuwenden. Mit Erlassung eines Bescheides fällt der Zahlungsstopp weg.

(4) Als Werklohn oder als Überlassungsentgelt gilt das gesamte für die Erfüllung des Auftrages oder der Überlassung zu leistende Entgelt.

(5) Die Überweisung nach Abs. 3 wirkt für den/die Auftraggeber/in oder den/die Beschäftiger/in gegenüber dem/der Auftragnehmer/in oder dem/der Überlasser/in im Ausmaß der Überweisung schuldbefreiend.

(6) Die Sicherheitsleistung darf nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe. Der/die Auftraggeber/in oder der/die Beschäftiger/in ist verpflichtet, auf Anfrage der Bezirksverwaltungsbehörde die Höhe und Fälligkeit des Werklohnes oder des Überlassungsentgeltes bekannt zu geben. Können aus dem noch zu leistenden Werklohn oder Überlassungsentgelt die Sicherheitsleistung sowie der sich aus § 67a ASVG und § 82a EStG ergebende Haftungsbetrag nicht bedeckt werden, kann der/die Auftraggeber/in oder der/die Beschäftiger/in von seinem Recht zur Leistung des Werklohns an das Dienstleistungszentrum (§ 67c ASVG) jedenfalls Gebrauch machen.

(7) Beschwerden gegen Bescheide nach Abs. 3 haben keine aufschiebende Wirkung.

(8) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat die Sicherheit für frei zu erklären, wenn das Verfahren eingestellt wird oder die gegen den/die Auftragnehmer/in oder den/die Überlasser/in verhängte Strafe vollzogen ist, oder nicht binnen eines Jahres der Verfall ausgesprochen wurde. In Verfahren nach § 7i Abs. 5 findet der erste Satz Anwendung mit der Maßgabe, dass die Sicherheit für frei zu erklären ist, wenn nicht binnen zwei Jahren der Verfall ausgesprochen wurde. Die Sicherheit ist auch dann für frei zu erklären, wenn sie vom/von der Auftragnehmer/in oder dem/der Überlasser/in erlegt wird. Frei gewordene Sicherheiten sind an den/die Auftraggeber/in oder den/die Beschäftiger/in auszuzahlen.

(9) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat die Sicherheit für verfallen zu erklären, sobald sich die Strafverfolgung des Auftragnehmers oder der Aufragnehmerin oder des Überlassers oder der Überlasserin oder der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist. § 17 VStG ist sinngemäß anzuwenden.

(10) Für die Verwertung verfallener Sicherheiten gilt § 37 Abs. 6 VStG sinngemäß, wobei ein allfälliger Restbetrag an den/die Auftraggeber/in oder den/die Beschäftiger/in auszuzahlen ist."

30 § 7n regelt eine "Evidenz über Verwaltungs(straf)verfahren nach den §§ 7b Abs. 8, 7i, 7k und 7m" und lautet (auszugsweise):

Evidenz über Verwaltungs(straf)verfahren nach den §§ 7b Abs. 8, 7i, 7k und 7m

§ 7n. (1) Für Zwecke der Beantragung eines Strafausmaßes, der Strafbemessung, der Untersagung der Dienstleistung nach § 7k Abs. 1 und der Feststellung der Ausübung einer Dienstleistung trotz Untersagung sowie für die Zwecke der Evaluierung der Strafverfolgung oder des Strafvollzugs sowie für die Zwecke der Beauskunftung öffentlicher Auftraggeber/innen hat das Kompetenzzentrum LSDB eine Evidenz über rechtskräftige Bescheide und Erkenntnisse in Verwaltungs(straf)verfahren nach den §§ 7b Abs. 8, 7i, 7k und 7m zu führen. Diese kann automationsunterstützt geführt werden.

(2) Die Bezirksverwaltungsbehörden und die Verwaltungsgerichte der Länder haben Ausfertigungen rechtskräftiger Bescheide und Erkenntnisse, die sie oder der Verwaltungsgerichtshof in Strafverfahren oder Verfahren gemäß den §§ 7b Abs. 8, 7i, 7k und 7m erlassen haben, in automationsunterstützter Form unverzüglich dem Kompetenzzentrum LSDB zu übermitteln. Desgleichen haben sie Ausfertigungen rechtskräftiger Bescheide und Erkenntnisse, mit denen eine Strafe gemäß den §§ 7b Abs. 8 oder 7i gegen verantwortliche Beauftragte im Sinne von § 9 Abs. 2 letzter Satz und Abs. 3 VStG verhängt wurde, jenem Unternehmen zuzustellen, dem diese Bestrafung gemäß Abs. 4 zweiter Satz zuzurechnen ist. Im Bescheid oder im Erkenntnis ist ein Hinweis darauf aufzunehmen, dass mit der rechtskräftigen Bestrafung die Eintragung des/der Beschuldigten und jenes Unternehmens, dem die Bestrafung zuzurechnen ist, in die Evidenz verbunden ist.

..."

31 § 7o schließlich enthält besondere Regelungen betreffend die Zustellung im Verfahren nach §§ 7 bis 7m und 7o Abs. 2.

32 Die Zusammenschau der §§ 7 bis 7o AVRAG zeigt folgendes Bild: Die in Rede stehenden Bestimmungen dienen augenscheinlich der Durchsetzung von Arbeitnehmeransprüchen gegenüber Arbeitgebern insbesondere durch Normierung von Parteirechten der Abgabenbehörden und Sozialversicherungsträger und der Normierung von Strafbestimmungen sowie von Regelungen zu deren Durchsetzung:

33 § 7l AVRAG ermächtigt die Organe der Abgabenbehörden zur Festsetzung und Einhebung einer vorläufigen Sicherheit - gegenüber dem Beschuldigten, also dem Arbeitgeber bzw. Überlasser - bei Vorliegen des begründeten Verdachts bestimmter Verwaltungsübertretungen (nach den §§ 7b Abs. 8, 7i oder 7k Abs. 4) und Gründen für die Annahme, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus in der Person des Arbeitgebers bzw. Überlassers liegenden Gründen unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird.

34 Unter den gleichen Voraussetzungen (begründeter Verdacht einer Verwaltungsübertretung; Erschwernisse bei Strafverfolgung oder -vollzug) ermächtigt § 7m AVRAG die Organe der Abgabenbehörden sowie die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse zur Verhängung eines Zahlungsstopps bzw. die Bezirksverwaltungsbehörden zur Erlassung eines Auftrags zum Erlag einer Sicherheitsleistung gegenüber einem von dem der Verwaltungsübertretung Verdächtigen verschiedenen Dritten, nämlich dessen Vertragspartner (Auftraggeber bzw. Beschäftiger).

35 § 7m AVRAG setzt also einen begründeten Verdacht einer Verwaltungsübertretung und das Bestehen konkreter Gründe für die Annahme, Strafverfolgung bzw. -vollzug seien aus in der Person des Arbeitgebers bzw. Überlassers (mithin: des Beschuldigten) liegenden Gründen unmöglich oder erheblich erschwert, voraus und dient - explizit (vgl. Abs. 3) - der Sicherung der Strafverfolgung bzw. des Strafvollzugs. Die Verhängung eines Zahlungsstopps nach § 7m Abs. 1 AVRAG ist subsidiär gegenüber § 7l AVRAG, setzt also voraus, dass (vom Beschuldigten) eine vorläufige Sicherheit nicht eingehoben werden kann. Auch das weitere Schicksal der Sicherheitsleistung spiegelt diesen Zusammenhang wieder: Sie ist für frei zu erklären, wenn das Verfahren eingestellt wird, wenn die verhängte Strafe vollzogen ist oder wenn nicht binnen eines Jahres der Verfall ausgesprochen wurde (Abs. 8); sie ist hingegen für verfallen zu erklären, sobald sich Strafverfolgung oder - vollzug als unmöglich erweisen (Abs. 9).

36 Der bestehende Zusammenhang zwischen Sicherheitsleistung nach § 7m AVRAG und Verwaltungsstrafverfahren wird auch in den Materialien deutlich gemacht, wenn etwa in der Regierungsvorlage (RV 1076 BlgNR, 24. GP ) zur AVRAG - Novelle BGBl. I Nr. 24/2011 ("Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz - LSDB-G"), mit der das Instrument der Sicherheitsleistung (damals in § 7k) eingeführt wurde, ausgeführt wird, es handle sich dabei um eine Maßnahme "zur Sicherstellung des Verwaltungsstrafverfahrens und des Vollzugs einer Verwaltungsstrafe." bzw. es heißt:

"Um die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens und den Vollzug einer Geldstrafe sicherzustellen, sieht § 7k in Anlehnung an § 37 Abs. 1 2. Satz VStG die Möglichkeit der Einhebung einer Sicherheitsleistung mittels Bescheid durch die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde vor."

37 Durch die Novelle BGBl. I Nr. 94/2014 (Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 2014, ASRÄG 2014) erhielten die §§ 7d bis 7o AVRAG die für den Revisionsfall maßgebliche Fassung. Damit wurde insoweit eine "Nachschärfung" (RV 319 BlgNR, 25. GP ) vorgenommen, als der Katalog der Verwaltungsübertretungen, deren Ahndung durch den Erlag einer Sicherheitsleistung gesichert werden kann, erweitert wurde (auf die Fälle des § 7b Abs. 8 , § 7i und § 7k Abs. 4 AVRAG), und nunmehr eine Sicherheitsleistung bis zur Gesamthöhe des Werklohns bzw. Überlassungsentgelts zulässig ist, während diese früher nur einen Teil des noch zu leistenden Werklohns bzw. Überlassungsentgelts erfassen konnte.

38 An der durch BGBl. Nr. 24/2011 geschaffenen (in den diesbezüglichen Materialien betonten) Grundkonzeption der Sicherheitsleistung als Maßnahme zur Sicherung der Durchführbarkeit der jeweiligen Verwaltungsstrafverfahren wurde durch die Novelle BGBl. I Nr. 94/2014 aber insoweit nichts geändert; vielmehr sollte - ausweislich der Materialien - die Effektivität der diesbezüglichen Regelungen erhöht werden.

39 Zwar könnte gegen die Qualifikation des Auftrags zum Erlag einer Sicherheitsleistung nach § 7m AVRAG als "Verwaltungsstrafsache" ins Treffen geführt werden, dass der Gesetzgeber der Novelle BGBl. I Nr. 94/2014 bei Neufassung der Regelungen über die gemäß § 7n vom Kompetenzzentrum LSDB zu führende "Evidenz über Verwaltungs(straf)verfahren nach den §§ 7b Abs. 8, 7e, 7k und 7m" (vormals: § 7l - "Evidenz über Verwaltungsstrafverfahren nach den §§ 7i und 7j") in den Erläuterungen (RV 319 BlgNR, 25. GP ) zu § 7n einerseits "Verwaltungsstrafverfahren nach § 7b Abs. 8 AVRAG" und andererseits "Verwaltungsverfahren nach § 7m AVRAG" als für die Evidenz maßgeblich nennt:

"Zu § 7n AVRAG:

Der bisherige § 7l AVRAG erhält die Bezeichnung § 7n AVRAG. In der Überschrift sowie in den Abs. 1, 2 und 4 wird sprachlich

berücksichtigt, dass Bescheide zur Untersagung ... der

Dienstleistung nicht in einem Verwaltungsstrafverfahren erlassen werden. Zugleich werden aufgrund des Umstands, dass die Untersagung der Dienstleistung nunmehr im § 7k Abs. 1 AVRAG (anstelle im § 7j Abs. 1 AVRAG) geregelt ist, die entsprechenden Verweise geändert.

In der Überschrift und den Abs. 1, 2, 4 und 5 werden auch Bescheide, die in Verwaltungsstrafverfahren nach § 7b Abs. 8 AVRAG oder in Verwaltungsverfahren nach § 7m AVRAG (bislang § 7k) erlassen wurden, als für die Evidenz maßgeblich normiert. Zu den für die Evidenz maßgeblichen Bescheiden gehören auch solche, mit denen von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abgesehen und die Einstellung verfügt bzw. eine Ermahnung erteilt wurde."

40 Dagegen spricht aber schon die Einleitung der diesbezüglichen Erläuterungen, wonach durch die Neufassung "sprachlich berücksichtigt (werden soll), dass Bescheide zur Untersagung der Dienstleistung nicht in einem Verwaltungsstrafverfahren erlassen werden" (für die in Rede stehenden Aufträge nach § 7m wird eine derartige Qualifikation also nicht getroffen); vor allem aber lässt der Wortlaut des Gesetzes selbst keinen derartigen Rückschluss (Aufträge nach § 7m seien nicht dem "Verwaltungsstrafverfahren" zuzuordnen) zu, wird doch darin (vgl. § 7n Abs. 1 AVRAG) neben der "Untersagung der Dienstleistung nach § 7k Abs. 1 und der Feststellung der Ausübung einer Dienstleistung trotz Untersagung" nur auf einzelne Aspekte des Strafverfahrens Bezug genommen, ohne etwa daneben den Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung anzuführen; insoweit wird also offenbar auch der Erlag einer Sicherheitsleistung nach § 7m AVRAG zu den Verwaltungsstrafverfahren gezählt.

41 Zusammengefasst erscheint nach dem oben Gesagten entscheidend, dass Aufträge zum Erlag einer Sicherheit nach § 7m AVRAG in einem engen Zusammenhang zu einem Verwaltungsstrafverfahren stehen, dessen Durchführung bzw. Vollzug sie sichern sollen: Ein derartiger Auftrag ergeht zwar gegenüber dem Vertragspartner des Beschuldigten und nicht gegenüber diesem selbst, erfasst aber dessen Forderung auf Werklohn bzw. Überlassungsentgelt und damit unmittelbar Vermögenswerte (Forderungsvermögen) des einer Verwaltungsübertretung verdächtigen Beschuldigten. Der aufgezeigte enge Konnex zwischen der auf Vermögen des Beschuldigten zielenden Sicherheitsleistung und dem zu Grunde liegendem Strafverfahren rechtfertigt es vor dem dargestellten Hintergrund, den Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung nach § 7m AVRAG als Entscheidung "in Verwaltungsstrafsachen" iSd. § 50 VwGVG zu qualifizieren, sodass eine Aufhebung des vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheids samt Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheids schon aus diesem Grund nicht in Betracht kommt (auf die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 VwGVG - vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Zl. Ro 2014/03/0063 - war hier daher nicht einzugehen).

42 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 30. Juni 2016

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