OGH 9Ob38/23p

OGH9Ob38/23p27.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Dr. Annerl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*, vertreten durch MMag. Florian Horn, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. R*, 2. C*, 3. P*, alle vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, MMag. Maja Ranc, Mag. Matej Zenz, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Leistung (Streitwert 12.000 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 20. April 2023, GZ 3 R 31/23b‑26.3, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 8. Dezember 2022, GZ 9 C 661/22t‑20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0090OB00038.23P.0927.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird in ihrem Punkt 2. dahin abgeändert, dass die Entscheidung einschließlich des bestätigten Teils insgesamt lautet:

1. Die beklagten Parteien sind schuldig, binnen 14 Tagen den Zustand der Gräber 16 und 17/XXI des Friedhofs der r* zum April 2021 derart wiederherzustellen, dass das Grabdenkmal und die Einfriedung beider Gräber an die vorhergehende Position, sohin in Sichtrichtung auf das Grab von vorne um etwa 60 cm nach links versetzt wird.

2. Die Begehren,

a) die erstbeklagte Partei sei schuldig, binnen 14 Tagen die Wiederherstellung nach Punkt 1 i m Gräberbuch und Gräberplan zu vermerken und dabei die unrichtig vermerkte Auflassung des Grabes 16/XXI rückgängig zu machen, sowie

b) die zweit- und drittbeklagten Parteien seien schuldig, den unter Punkt 2.a) genannten Änderungen i m Gräberbuch und Gräberplan binnen 14 Tagen zuzustimmen,

werden abgewiesen.

3. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei 455,40 EUR an anteiligen Barauslagen binnen 14 Tagen zu ersetzen; im Übrigen werden die Kosten des Verfahrens erster Instanz gegenseitig aufgehoben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei 700,95 EUR an anteiligen Barauslagen des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen; im Übrigen werden die Kosten des Berufungsverfahrens gegenseitig aufgehoben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien jeweils ein Drittel der anteiligen Barauslagen des Revisionsverfahrens von 763 EUR binnen 14 Tagen zu ersetzen; im Übrigen werden die Kosten des Revisionsverfahrens gegenseitig aufgehoben.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Erstbeklagte ist Rechtsträgerin des Friedhofs, auf dem sich das gegenständliche Familiengrab der Familie J* befindet. Zu dieser Familie gehören die Klägerin, die Zweitbeklagte und der Drittbeklagte.

[2] Die unstrittig geltende Friedhofsordnung lautet auszugsweise (./B):

„[…]

§ 43. Zur Erfassung und Evidenzhaltung der Gräber sind zu führen:

1. ein Gräberbuch oder eine Gräberkartei mit der Bezeichnung der Lage und Nummer des Grabes und den Namen der beigesetzten Verstorbenen;

2. weiters ist bei der betreffenden Grabstelle der Name, Stand, Religionsbekenntnis, Wohnort, Tag der Geburt, des Todes und der Beerdigung jedes dort Beerdigten einzutragen. Ferner ist darin die Ruhefrist und jede Verlängerung des Nutzungsberechtigten sowie Name und genaue Anschrift des Nutzungsberechtigten festzuhalten;

3. Friedhofs- bzw. Gräberplan.

4. Die Führung der Verzeichnisse etc. obliegt dem Pfarrvorsteher, der jedoch in Absprache mit dem AVF eine andere Person damit beauftragen kann.

[…]

§ 51. 

[…]

3. Wenn die Planung, Gestaltung und Ordnung des Gräberfeldes es erfordern, kann die Friedhofsverwaltung die Versetzung von Grabmälern sowie Grabanlagen vom Nutzungsberechtigten verlangen und auch die Auflassung von Gräbern (gemäß § 3) verfügen bzw. eine Verlängerung des Nutzungsrechtes nur unter bestimmten Bedingungen gewähren (z. B. bei Gräbern an Kirchenmauern u. a.).

[3] Das Familiengrab der Familie J* besteht aus den Gräbern 16 und 17 der Reihe XXI am Friedhof der Erstbeklagten. Für beide Gräber besteht ein gemeinsamer Grabstein. Zuletzt wurde im Grab 16/XXI (in Blickrichtung das linke der beiden Gräber) im Jahr 2019 die Mutter der Klägerin beerdigt. Danach errichteten die Klägerin und ihre Geschwister im April 2021 eine behelfsmäßige Einfriedung aus Holz, das in weiterer Folge nach Setzung des Grabes durch eine Steineinfriedung ersetzt werden sollte.

[4] Im Jahr 2021 wollte die Erstbeklagte am gesamten Friedhof eine Bereinigung im Sinne von Begradigungen zur Verbreiterung des Zufahrtswegs zur Kirche durchfahren. Da bei der Zweitbeklagten ohnehin der Wunsch nach einer Neufassung des Grabes der Familie J* bestand und gleichzeitig rechts neben dem Grab bei der Friedhofsmauer ein Grab aufgelassen worden war, erklärte sich die Zweitbeklagte mit einer Begradigung und damit mit der klagsgegenständlichen Verlegung einverstanden. Die Zweitbeklagte beauftragte daraufhin im Einvernehmen mit dem Drittbeklagten, ihrem Sohn, einen Steinmetzmeister mit der Verlegung des Grabes, der diese zwischen April 2021 und Sommer 2021 durchführte. Die Grabeinfriedung, inklusive des Grabsteins, wurde um ca 60 cm nach rechts (in Blickrichtung des Grabes) versetzt und anstelle der Holzeinfriedung eine Steineinfriedung errichtet. Da durch diese Versetzung die Beisetzungsstelle der Mutter der Klägerin (zumindest zum Teil) nunmehr außerhalb der Steineinfriedung liegt, errichteten die Klägerin und ihre Geschwister auf der linken Seite außerhalb der steinernen Grabeinfriedung ein Holzkreuz, pflanzten in diesem Bereich Blumen und stellten dort ein Kerzenblech auf.

[5] Die Klägerin begehrt von den Beklagten den Zustand zum April 2021 derart wiederherzustellen, dass das Grabdenkmal und die Einfriedung beider Gräber an die vorhergehende Position in Sichtrichtung auf das Grab von vorne und mit etwa 60 cm nach links versetzt werde, sowie von der Erstbeklagten, diese Wiederherstellung im Gräberbuch und Gräberplan zu vermerken und dabei die unrichtig vermerkte Auflassung des Grabes 16/XXI rückgängig zu machen, und von der Zweit- und dem Drittbeklagten, diesen Änderungen im Gräberbuch und Gräberplan zuzustimmen. Die Klägerin sei durch Zahlung der Grabgebühren Mitbenützungsberechtigte des Familiengrabes, gemeinsam mit der Zweit- und dem Drittbeklagten. Die Zweitbeklagte sei mit dem 2014 verstorbenen und im Familiengrab beigesetzten Bruder der Klägerin verheiratet gewesen. Der Drittbeklagte sei der gemeinsame Sohn der Zweitbeklagten und dieses Bruders und dessen Alleinerbe. Die Beklagten hätten gemeinschaftlich in die Würde der Verstorbenen und in das dingliche Nutzungsrecht der Klägerin eingegriffen und seien daher auch gemeinschaftlich verpflichtet, den Zustand der Gräber vor deren Verlegung im Jahr 2021 wiederherzustellen.

[6] Die Beklagten bestritten. Das Kirchengebäude sei im Jahr 1972 abgebrannt und es habe sich herausgestellt, dass die Zufahrt zur Kirche mit Einsatzfahrzeugen, nicht nur für Fahrzeuge der Feuerwehr, sondern auch der Rettung, erschwert sei. Es sei daher im Jahr 1974 die Auflassung einiger Gräber beschlossen worden. Diese seien aber nicht sofort aufgelassen worden, sondern nach und nach, wenn die Grabstelle ohnehin aufgelassen worden oder aber eine benachbarte Grabstelle freigeworden sei und das Grab entsprechend verlegt werden habe können. Von der geplanten Auflassung sei auch das Grab 16/XXI betroffen. Eine solche Auflassung sei in der Friedhofsordnung vorgesehen. Es sei eine Grabstelle rechts vom Familiengrab aufgelassen worden, sodass die Möglichkeit entstanden sei, das Doppelgrab nach rechts zu verschieben und das auf der linken Seite in den Zufahrtsweg hineinragende Grab, wie schon seit Jahrzehnten geplant, aufzulassen. Die Nutzungsberechtigte der Grabstelle, die Zweitbeklagte, habe sich über Ersuchen der Erstbeklagten mit der Verlegung des gesamten Doppelgrabes nach rechts einverstanden erklärt. Die Klägerin habe durch ihre Zahlung kein Nutzungsrecht erworben; durch die Zahlung einer Grabgebühr könne man den bisherigen Berechtigten nicht verdrängen. Im Übrigen werde die Passivlegitimation der Zweit- und des Drittbeklagten bestritten, weil die Erstbeklagte an die Zweitbeklagte zwecks Verlegung der Gräber herangetreten sei. Die Zweitbeklagte habe keinen Grund gehabt, sich dem aus Sicherheitsgründen nachvollziehbaren Wunsch der Erstbeklagten zu widersetzen. Warum der Drittbeklagte verklagt werde, sei überhaupt nicht nachvollziehbar.

[7] Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Durch die Zahlung der Grabgebühr allein habe die Klägerin kein Nutzungsrecht erworben, weil dazu auch ihre Eintragung in den Unterlagen der Erstbeklagten nach der Friedhofsordnung erforderlich gewesen wäre.

[8] Das Berufungsgerichtänderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es den Klagebegehren stattgab, und ließ die Revision zu. Dass ein Mitbenützungsrecht, sohin ein Recht mehrerer Familienangehöriger an der Nutzung der (Familien‑)Grabstätte, nach der Friedhofsordnung nicht zulässig wäre, könne diesem Regelungswerk nicht entnommen werden. Die Klägerin habe unter Berücksichtigung der Vertrauenstheorie davon ausgehen können, dass ihr ein Nutzungsrecht am Familiengrab eingeräumt worden sei. Ungeachtet dessen seien darüber hinaus immaterielle Rechte bzw über den Tod hinaus wirkende Persönlichkeitsrechte der Verstorbenen sowie Pietätspflichten zwischen deren Angehörigen zu beachten, sodass Verfügungen über die gemeinsame Familien-Grabstätte ungeachtet des im Verhältnis zur Erstbeklagten Nutzungsberechtigten jedenfalls das Einverständnis aller Angehörigen der im Grab Ruhenden erfordern würden. Zur Frage, ob für die Verlegung einer (Familien‑)Grabstätte das Einvernehmen aller nahen Angehörigen der beerdigten Personen bzw die Zustimmung all dieser Personen gegenüber dem Friedhofseigentümer bzw ‑verwalter erforderlich sei, liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor.

[9] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des Ersturteils anstreben, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[10] In der Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die Revision ist zulässig und teilweise berechtigt.

[12] 1.1. Das Berufungsgericht bejahte in den Entscheidungsgründen ausdrücklich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für diese Streitigkeit (unter Hinweis auf die vorhandene höchstgerichtliche Rechtsprechung: RS0009730; RS0046162). Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung ist für eine bindende Entscheidung über eine Prozessvoraussetzung iSd § 42 Abs 3 JN nicht erforderlich, dass das Gericht über ihr Vorliegen ausdrücklich und spruchmäßig entschieden hat (RS0114196; RS0039811 [T8]). Zwar wird eine bloß implizite Bejahung der Prozessvoraussetzung durch meritorische Behandlung nicht als ausreichend erachtet (RS0114196 [T4, T8]; RS0039857 [T1]), sehr wohl aber eine bindende Entscheidung dann angenommen, wenn das Gericht sich – wie hier – mit dem Vorliegen der Prozessvoraussetzung in den Entscheidungsgründen auseinandergesetzt hat (RS0039774; RS0114196 [T6, T7]).

[13] Da diese Beurteilung im Revisionsverfahren nicht in Zweifel gezogen wird, liegt eine iSd § 42 Abs 3 JN bindende Entscheidung darüber vor, sodass die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht weiter zu prüfen ist.

[14] 1.2. Die Klägerin dehnte die Klage im Rahmen der mündlichen Verhandlung erster Instanz auch um ein Feststellungsbegehren aus, worüber im Ersturteil nicht abgesprochen wurde. Der Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das Feststellungsbegehren aus dem Verfahren ausgeschieden ist, weil die Klägerin dagegen Abhilfe weder durch prozessordnungsgemäße Bekämpfung in der Berufung noch durch Ergänzungsantrag gesucht habe (RS0041490; RS0042365 [T2, T3, T4]), wird im Revisionsverfahren nicht entgegen getreten. Darauf ist somit nicht weiter einzugehen.

[15] 2.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Bestimmung des § 16 ABGB, wonach jeder Mensch angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte hat und daher als Person zu betrachten ist, nicht als bloßer Programmsatz, sondern als Zentralnorm unserer Rechtsordnung anzusehen ist. Diese Norm anerkennt die Persönlichkeit als Grundwert und schützt in seinem Kernbereich die Menschenwürde (RS0008993). Zu deren Schutz gewährt die Bestimmung absolute, gegenüber jedermann wirkende Persönlichkeitsrechte, die auf die Wahrung der Würde des Menschen in seinem sozialen Umfeld gerichtet sind. Dieser Schutz kann auch nach dem Tod als sogenanntes postmortales Persönlichkeitsrecht fortwirken (RS0116720).

[16] 2.2. Dies betrifft auch die Frage, welche Veränderungen am Grab und Grabstein zulässig sind. Darüber entscheidet nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Rahmen öffentlich-rechtlicher Vorschriften und der guten Sitten aufgrund seines – nach dem Gesagten über den Tod hinaus fortwirkenden – Persönlichkeitsrechts der Verstorbene selbst, sodass auch im Fall einer beabsichtigten Umbettung, Exhumierung oder dergleichen aufgrund des fortwirkenden Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen dessen ausdrücklicher oder hypothetischer Wille maßgeblich ist (1 Ob 222/12x ErwGr 3; 7 Ob 225/99k).

[17] 2.3. Soweit ein erkennbarer Wille des Verstorbenen über Art und Ort der Bestattung etc nicht vorliegt oder aus öffentlich-rechtlichen Gründen undurchführbar ist, treten in das Recht und die Pflicht, über den Leichnam zu bestimmen (1 Ob 222/12x ErwGr 3; 7 Ob 225/99k), die nächsten Angehörigen des Verstorbenen – ohne Rücksicht auf ihre Erbenstellung – ein. Die Frage, welche Angehörige vor anderen berechtigt seien, die Art der Ausübung der Totenfürsorge zu bestimmen, richtet sich grundsätzlich nach dem „wirklich bestandenen Näheverhältnis“ im einzelnen Fall (RS0014951 [T1]). Durch die Beisetzung in einem Grab wird sowohl die Frage der Gestaltung des Grabes als auch jene des Grabsteins zu einer – ungeachtet ihrer erbrechtlichen Stellung – gemeinsamen Angelegenheit der jeweiligen nächsten Angehörigen der beigesetzten Personen, deren Bedeutung und Ausformung für beide Beteiligte vom Standpunkt der Pietät, aber auch der gepflogenen Übereinstimmung geprägt ist (RS0014951 [T2]). Wenn diese Übereinstimmung nicht erzielt werden kann, dann ist es Sache derjenigen Person, die eine Änderung herbeiführen will, analog § 835 ABGB die Entscheidung des Außerstreitrichters herbeizuführen (RS0014951).

[18] 2.4. Im vorliegenden Fall geht es der Klägerin nach ihrem Vorbringen um die Totenfürsorge hinsichtlich des Leichnams ihrer Mutter. Die Beklagten bestreiten nicht, dass die Klägerin als nächste Angehörige ihrer Mutter anzusehen ist, der nach der Rechtsprechung – mangels erkennbarem oder behauptetem Willen der Verstorbenen – die Berechtigung zukommt, die Art der Ausübung der Totenfürsorge (gemeinsam mit den anderen nächsten Angehörigen der im Familiengrab beigesetzten Personen) zu bestimmen. Die Beklagten stehen in der Revision aber auf dem Standpunkt, dass lediglich die Einfriedung verlegt und das Familiengrab nach rechts verschoben worden sei und diese – im Vergleich zu den von der Rechtsprechung behandelten Fällen – „wesentlich mildere Maßnahme“ keine Verletzung der postmortalen Persönlichkeitsrechte darstelle.

[19] 2.4.1. Es trifft zwar zu, dass den in der Revision genannten höchstgerichtlichen Entscheidungen andere (drohende) Veränderungen an den bestehenden Grabanlagen zugrunde lagen, nämlich eine Entfernung der Inschrift am Grabstein (7 Ob 285/03t), eine Enterdigung und Öffnung der Familiengruft (1 Ob 445/54) oder eine Entfernung des Grabsteins (2 Ob 70/54). In keinem Fall wurde jedoch geprüft, ob die konsenslose Maßnahme als mehr oder weniger „mild“ anzusehen ist, sondern es ging um die Berechtigung zur Veränderung oder Gestaltung des Grabes an sich (7 Ob 285/03t; 2 Ob 70/54). Dass es sich um eine solche Veränderung bzw Gestaltung des Grabes der Mutter der Klägerin handelte, wird von den Beklagten nicht in Zweifel gezogen; sie hätte daher der Zustimmung (auch) der Klägerin bedurft.

[20] 2.4.2. Unabhängig davon handelt es sich bei der hier vorliegenden Maßnahme nicht um eine bloß „milde“, die nach der Rechtsansicht der Beklagten nicht geeignet wäre, das postmortale Persönlichkeitsrecht der Mutter der Klägerin zu verletzen. Unstrittig ist nämlich, dass die Versetzung der Einfriedung und des Grabes dazu führte, dass die Beisetzungsstelle der Mutter der Klägerin nunmehr (zumindest zum Teil) außerhalb der (das Familiengrab kennzeichnenden) Steineinfriedung liegt. Dieser Zustand, der auch den vorliegenden – von den Beklagten in der Revision selbst als unstrittig bezeichneten – Lichtbildern (./A) zu entnehmen ist, bewirkt im Ergebnis gleichermaßen, dass sich die Beisetzungsstelle nunmehr – wie bei einer Entfernung – außerhalb des Familiengrabes befindet, und widerspricht dem schutzwürdigen Interesse der Mutter der Klägerin, im Familiengrab beerdigt zu sein (und zu bleiben). Inwiefern die von den Beklagten geforderte Güter- und Interessenabwägung dazu führen könnte, dass die räumliche Trennung des Leichnams vom Familiengrab gerechtfertigt wäre, zeigt die Revision nicht auf. Unter Berücksichtigung der Pietät und der Wahrung ihres Andenkens wurde das Persönlichkeitsrecht der Mutter der Klägerin vielmehr eklatant verletzt.

[21] 2.4.3. Die Beklagten orten in diesem Zusammenhang einen sekundären Feststellungsmangel darin, dass nicht festgestellt worden sei, dass das Grab eindeutig als solches zu erkennen sei. Dem ist zunächst zu erwidern, dass – was sie in der Revision selbst erkennen – unstrittig ist, dass die Grabstelle (behelfsmäßig) gesichert wurde, indem die Klägerin und ihre Geschwister ein Holzkreuz aufgestellt und in diesem Bereich Blumen gepflanzt haben, woraus sich die Erkennbarkeit der Beisetzungsstelle des Leichnams der Mutter der Klägerin ergibt. Entsprechende Feststellungen mussten daher nicht getroffen werden. Im Übrigen legen die Beklagten in der Revision nicht nachvollziehbar dar, warum der Umstand, dass das Grab der Mutter der Klägerin als solches erkennbar ist, etwas an der Unzulässigkeit der räumlichen Trennung des Leichnams vom Familiengrab ändern können soll.

[22] 2.5.1. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass die eigenmächtige Verlegung der Steineinfriedung und des Familiengrabes weg von der Beisetzungsstelle des – ursprünglich im Familiengrab beerdigten – Leichnams der Mutter der Klägerin eine Verletzung des nach dem Tod fortwirkenden Persönlichkeitsrechts der Mutter der Klägerin bewirkte, zu deren Geltendmachung die Klägerin als nächste Angehörige berechtigt ist.

[23] 2.5.2. Auf die Fragen, ob die Klägerin nach der gegenständlichen Friedhofsordnung als Nutzungsberechtigte des gegenständlichen Familiengrabes (bzw der betroffenen Grabstellen) anzusehen ist und ob die gegenständliche Maßnahme auch aufgrund eines Eingriffs in ein solches Nutzungsrecht unzulässig wäre, muss mangels Entscheidungswesentlichkeit nicht eingegangen werden.

[24] 3. Die Klägerin begehrt zunächst die Wiederherstellung des Zustands, der vor dem Eingriff bestanden hatte.

[25] 3.1. Die grundsätzliche Berechtigung dieses Begehrens ergibt sich aus der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts der Mutter der Klägerin. Dieses beruht auf § 16 ABGB und genießt als absolutes Recht somit Schutz gegen Eingriffe Dritter (RS0008999; Posch in Schwimann/ Kodek, ABGB Praxiskommentar5 [2018] § 16 ABGB Rz 12; Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 [2017] § 16 Rz 10; Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 [2015] § 16 Rz 8; Meissel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 [2014] § 16 ABGB Rz 48), insbesondere also auch gegen Eingriffe der Beklagten, und zwar auch ohne vertragliche oder familienrechtliche Sonderbeziehung.

[26] 3.1.1. Soweit die Erstbeklagte dagegen einwendet, nach § 51 Z 3 der Friedhofsordnung zu diesem Eingriff berechtigt zu sein, ist ihr nicht zu folgen.

[27] 3.1.2. Im Verfahren erster Instanz brachten die Beklagten in diesem Zusammenhang lediglich vor, dass sich im Jahr 1972 herausgestellt habe, dass die Zufahrt zur Kirche mit Einsatzfahrzeugen „erschwert“ sei, weil entlang der Zufahrt zur Kirche auf beiden Seiten die Gräber zu weit in den Zufahrtsweg hineinragten. Dass sich daraus (nach knapp einem halben Jahrhundert) eine feuerpolizeiliche Notwendigkeit zu einer solchen Begradigung ergebe, lässt sich dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten demgegenüber nicht entnehmen. Dieser erstmals in der Berufungsbeantwortung erhobene und in der Revision wiederholte Einwand verstößt daher gegen das Neuerungsverbot und ist somit unbeachtlich.

[28] 3.1.3. Ob die (seit knapp einem halben Jahrhundert) „erschwerte“ Zufahrt zum Kirchengebäude der Erstbeklagten eine Versetzung oder Auflassung des Grabes iSd § 51 Z 3 der Friedhofsordnung rechtfertigen könnte, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil die Beisetzungsstelle der Mutter der Klägerin nach dem – auch von den Beklagten in der Revision als solchen bezeichneten – unstrittigen Sachverhalt in der Natur weder verlegt noch aufgelassen wurde. Die Beklagten verweisen in der Revision selbst auf den unstrittigen (aus den Lichtbildern ./A ersichtlichen) Zustand dieser Beisetzungsstelle, die weiterhin an der bisherigen Stelle als Grab besteht. Die Verlegung bloß der Grabeinfriedung und des Grabsteins könnte die Möglichkeit der Zufahrt zum Kirchengebäude somit gar nicht erleichtern (sofern dabei nicht über das weiter an dieser Stelle befindliche und erkennbare Grab der Mutter der Klägerin gefahren werden sollte, was auch die Beklagten – zu Recht – nicht in Betracht ziehen). Die konkret gesetzte Maßnahme könnte somit durch § 51 Z 3 der Friedhofsordnung nicht gerechtfertigt werden. Die Fragen, ob diese Bestimmung der Friedhofsordnung überhaupt einen eigenmächtigen Eingriff in die Totenruhe rechtfertigen könnte und ob eine solche Klausel in diesem Fall als missbräuchlich iSd § 879 Abs 3 ABGB anzusehen wäre (was auch noch im Revisionsverfahren von Amts wegen aufgegriffen werden könnte: RS0016435 [T19]), stellen sich somit nicht.

[29] 3.2.1. Die Beklagten bestreiten in der Revision die Passivlegitimation der Zweit- und des Drittbeklagten mit dem Vorbringen, dass sich die Zweitbeklagte mit der „Bereinigung und Begradigung“ einverstanden erklärt und daraufhin die entsprechende Vollziehung und Anpassung in Natura beauftragt habe, sowie, dass der Drittbeklagte überhaupt nur in das Einvernehmen einbezogen worden sei. Eine Pflicht der Angehörigen oder Nutzungsberechtigten, also der Zweit- oder des Drittbeklagten, sich aktiv gegen die Bereinigung und Begradigung zu wehren, bestehe nicht.

[30] 3.2.2. Damit übersehen die Beklagten, dass der sie treffende Vorwurf nicht darin liegt, sich nicht aktiv gegen die von der Erstbeklagten gewünschte Maßnahme gewehrt zu haben, sondern darin, dass sie an der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts (aktiv) teilnahmen. Die Haftung der Erstbeklagten ergibt sich daraus, dass sie die Zweitbeklagte zur Setzung der das Persönlichkeitsrecht verletzenden Maßnahme (durch Auftragserteilung an den Steinmetz) veranlasste. Nach § 1301 ABGB können für einen widerrechtlich zugefügten Schaden mehrere Personen verantwortlich werden, indem sie gemeinschaftlich, unmittelbarer oder mittelbarer Weise, insbesondere durch Verleiten oder Helfen dazu beigetragen haben. Dass der Repräsentant der Erstbeklagten die Zweitbeklagte zur konkreten – den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellenden – Maßnahme veranlasste und die Zweitbeklagte die Vollziehung beauftragte, lässt sich den Revisionsausführungen selbst entnehmen. Dass die Zweitbeklagte den zugefügten Schaden (mit-)verursachte, kann danach nicht fraglich sein.

[31] 3.2.3. Auch der Drittbeklagte wurde psychisch kausal für die vorliegende Schädigung, weil er – wie in der Revision zugestanden wird – ins Einvernehmen gesetzt wurde. Ein Tatbeitrag kann auch im bloßen Bestärken des Täters in seinem Entschluss gelegen sein (RS0026674). Der psychisch Einwirkende wäre nur freizustellen, wenn er beweisen könnte, dass sein Verhalten keine conditio sine qua non für den Schadenseintritt war, dass also der andere auch ohne psychische Unterstützung den Schaden herbeigeführt hätte (RS0026674 [T2, T4]). Diesen Beweis hat der Drittbeklagte, dessen Einvernehmen die Zweitbeklagte unstrittig suchte, nicht angetreten.

[32] 3.3. Soweit die Beklagten erstmals in der Revision ein Verschulden der Zweit- und des Drittbeklagten mit dem Argument bestreiten, dass sie auf die „Notwendigkeit“ der von der Erstbeklagten gewünschten Maßnahme vertrauen durften, handelt es sich um eine unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung. Abgesehen davon ist der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Mutter der Klägerin durch die vorliegende Maßnahme offensichtlich und legen die Beklagten nicht dar, aus welchen Gründen die Verleitung durch einen Mittäter die anderen – die das Persönlichkeitsrecht gleichermaßen zu achten gehabt hätten – auf der Verschuldensebene entlasten könnte.

[33] 3.4. Das Begehren auf Wiederherstellung des vor dem unzulässigen Eingriff bestehenden Zustands ist somit grundsätzlich berechtigt. Der Einwand der Beklagten, dass sie nur zur Beseitigung und nicht zur Wiederherstellung verpflichtet seien, übersieht, dass es hier nicht nur um einen eigentumsrechtlichen Beseitigungsanspruch, sondern um einen Schadenersatzanspruch geht. Da sich einzelne Anteile an der Schädigung nicht bestimmen lassen, haften die Beklagten für die Wiederherstellung – wie die Klägerin zutreffend geltend machte – solidarisch.

[34] 4. Hingegen ist die Revision der Beklagten hinsichtlich des Begehrens auf eine Aufnahme dieser Wiederherstellung im Gräberbuch und im Gräberplan berechtigt.

[35] 4.1. Die Klägerin stützte sich insofern (nur) auf § 43 der Friedhofsordnung, wonach ein Gräberbuch und ein Gräberplan zu führen und darin bestimmte Informationen aufzunehmen sind.

[36] 4.2. Diese – mit „Verwaltung des Friedhofs“ betitelte – Bestimmung dient aber schon nach ihrem klaren Wortlaut bloß der Erfassung und Evidenzhaltung der Gräber und schafft keinen im Klageweg durchsetzbaren Anspruch einzelner Personen darauf, dass bestimmte Informationen darin aufgenommen oder richtig gestellt werden. Auch die Zweit- und der Drittbeklagte müssen einer solchen Aufnahme oder Richtigstellung daher nicht zustimmen. Die Verpflichtung der Erstbeklagten nach § 26a des Kärntner Bestattungsgesetzes bleibt von dieser Beurteilung freilich unberührt.

[37] 5.1. Aus diesen Gründen war die Stattgabe des Wiederherstellungsbegehrens durch das Berufungsgericht zu bestätigen, das weitere Klagebegehren hingegen abzuweisen.

[38] 5.2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs 1 ZPO, für das Berufungs- und das Revisionsverfahren iVm § 50 ZPO.

[39] Die Klägerin hat die beiden Begehren jeweils mit 6.000 EUR bewertet, sodass sie letztlich zur Hälfte unterlag. Zwar dehnte sie die Klage in der Tagsatzung, in der die Verhandlung geschlossen wurde, um ein (mit 3.000 EUR bewertetes) Feststellungsbegehren aus, weswegen sie rein rechnerisch in diesem Verfahrensabschnitt als mit 60 % unterliegend anzusehen wäre. Berücksichtigt man jedoch, dass das Feststellungsbegehren insgesamt, insbesondere auch in der Tagsatzung, in der es verfahrensgegenständlich war, einen vernachlässigbaren Verfahrensaufwand verursachte, ist insgesamt davon auszugehen, dass die Klägerin in etwa zur Hälfte unterlag (vgl in diesem Sinn 9 ObA 284/00f). Es ist daher insgesamt mit Kostenaufhebung vorzugehen.

[40] Die Barauslagen gebühren jedoch im Ausmaß des tatsächlichen Obsiegens (§ 43 Abs 1 Satz 3 ZPO), sodass die Klägerin von den Beklagten die Hälfte der von ihr verzeichneten Pauschalgebühren erster und zweiter Instanz erhält, während die Beklagten die Hälfte der für die Revision verzeichneten Pauschalgebühr nach Kopfteilen (jeweils ein Drittel) erhalten.

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