European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:008OBA00044.24I.0926.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Arbeitsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger war beim Beklagten als Koch beschäftigt. Am 7. 6. 2023 sendete er mittels „iMessage“ eine Nachricht an die Telefonnummer des Beklagten, dass er aufgrund einer Erkrankung nicht zur Arbeit erscheinen könne. Der Kläger hatte mit dem Beklagten bereits mehrfach auf diese Weise kommuniziert, woraufhin der Beklagte stets zurückgerufen hatte. In einer weiteren Nachricht vom selben Tag übermittelte der Kläger das Foto einer Arbeitsunfähigkeitsbestätigung und teilte mit, dass er telefonisch nicht erreichbar sei. Auch am 8., 14., 16. und 25. 6. sowie 1. 7. 2023 sendete der Kläger dem Beklagten Nachrichten über „iMessage“ und übermittelte das Foto einer weiteren Arbeitsunfähigkeitsbestätigung. Der Beklagte reagierte auf keine dieser Nachrichten. Als der Kläger sich an seine Arbeitsstätte begab, um eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbestätigung vorzulegen, übergab ihm der Beklagte eine Lohnabrechnung mit dem Vermerk „Austritt: 14. Juni 2023“.
[2] Die Vorinstanzen verpflichteten den Beklagten zur Zahlung einer Kündigungsentschädigung samt Urlaubsersatzleistung von 11.008,38 EUR brutto sA.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die außerordentliche Revision ist mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
[4] 1. Nach § 4 Abs 1 EFZG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, die Arbeitsverhinderung ohne Verzug dem Arbeitgeber bekanntzugeben und auf dessen Verlangen eine Arbeitsunfähigkeitsbestätigung vorzulegen. Kommt der Arbeitnehmer dieser Verpflichtung nicht nach, so verliert er nach § 4 Abs 4 EFZG für die Dauer der Säumnis den Anspruch auf Entgelt. Eine besondere Form der Mitteilung ist nicht vorgesehen (RS0119372). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass eine Mitteilung durch SMS (Kurzmitteilung) an die als „Diensthandy“ bekanntgegebene Mobilnummer des Arbeitgebers eine ordnungsgemäße Anzeige der Dienstverhinderung darstellt (8 ObA 92/03t = RS0118099). Entsprechendes muss für eine Nachricht über „iMessage“ gelten, wenn der Arbeitgeber diesen Dienst auf seinem Mobiltelefon verwendet.
[5] 2. Der Beklagte wendet ein, dass nicht festgestellt worden sei, dass ihm die Nachrichten des Klägers zugegangen sind. Auch für die Bekanntgabe der Arbeitsverhinderung gilt § 862a erster Satz ABGB, wonach die Erklärung dem Empfänger dann zugekommen ist, wenn seine Kenntnisnahme unter normalen Umständen erwartet und nur mehr durch Störungen in seinem Lebensbereich verhindert werden kann (RS0014071 [T7]). Dass dem Empfänger die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis gelangte, ist damit nicht erforderlich, sondern es genügt, dass der Empfänger die Möglichkeit hatte, die Erklärung zur Kenntnis zu nehmen (RS0014076).
[6] 3. Dem Beklagten ist dahin zuzustimmen, dass durch das Absenden einer Nachricht der Nachweis des Zugangs noch nicht erbracht ist (RS0014065; RS0123059). Wer sich auf eine empfangsbedürftige Mitteilung beruft, hat den Zugang dieser Erklärung zu behaupten und zu beweisen (RS0014065). Das Berufungsgericht hat aber bereits darauf hingewiesen, dass eine unverschuldete Verletzung der Verständigungspflicht nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht zum Verlust des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung führt (RS0127135). Die Ansprüche des Klägers aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen damit unabhängig davon, ob die Nachrichten dem Beklagten tatsächlich zugegangen sind oder nicht.
[7] 4. Die Rechtsansicht des Beklagten, dass sich der Kläger den Empfang der Nachrichten bestätigen lassen hätte müssen, würde die Sorgfaltspflichten des Arbeitnehmers überspannen. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Verständigung des Arbeitgebers nach § 4 Abs 1 EFZG keines besonderen Nachweises bedarf, wie er etwa mit einem Einschreibebrief verbunden wäre (8 ObA 92/03t = RS0118099). Dass der Empfänger einer Nachricht nicht antwortet, bedeutet noch nicht, dass er die Nachricht nicht erhalten hat. Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten konnte der Kläger schon deshalb keinen Rückruf erwarten, weil er telefonisch nicht erreichbar war.
[8] 5. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach den Kläger kein Verschulden treffe, weil er mit dem Beklagten bereits mehrfach über „iMessage“ kommuniziert hatte und deshalb davon ausgehen habe dürfen, dass der Beklagte die Nachrichten erhalten hat, ist damit nicht zu beanstanden. Im Übrigen richtet sich die Frage, ob ein Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass dem Arbeitgeber eine Mitteilung zugegangen ist, immer nach den Umständen des Einzelfalls und bildet deshalb für sich genommen keine Rechtsfrage, welche nach § 502 Abs 1 ZPO die Anrufung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigen könnte (RS0021095; RS0029874).
[9] 6. Das Vorbringen des Klägers zur Anwendbarkeit des Kollektivvertrags für Arbeiterinnen und Arbeiter im Hotel und Gastgewerbe ist unbestritten geblieben. Das Berufungsgericht war damit nach § 43 Abs 1 ASGG auch noch im Rechtsmittelverfahren verpflichtet, den Inhalt dieses Kollektivvertrags von Amts wegen zu ermitteln (RS0085629). Da der Beklagte nicht ausführt, welches Vorbringen er erstattet hätte, wenn ihm das Berufungsgericht eine Äußerungsmöglichkeit eingeräumt hätte, kann die Verfahrensrüge auch insofern keinen Erfolg haben (RS0037325 [T4, T5]).
[10] 7. Die außerordentliche Revision war daher mangels einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
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