OGH 8Ob74/22y

OGH8Ob74/22y25.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn und die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* GmbH, *, vertreten durch die Dr. Borns Rechtsanwalts GmbH & Co KG in Gänserndorf, gegen die beklagte Partei Ing. J* S*, vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in Zistersdorf, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 30. März 2022, 21 R 175/21i‑49, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 27. Juli 2021, 33 C 239/20x‑40, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00074.22Y.0125.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.234,70 EUR (darin 372,45 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 2* KG 0* mit den Grundstücken Nr 9*/28 und 9*/34 und einer Gesamtfläche von 11.509 m². Eigentümer der benachbarten landwirtschaftlichen Liegenschaften EZ 1* KG 0* (mit dem Grundstück Nr 1*) und EZ 4* KG 0* (mit dem Grundstück Nr 9*/1) ist seit dem Jahr 1985 (EZ 1*) bzw 2000 (EZ 4*) der Beklagte, der diese Liegenschaften vom Landwirteehepaar F* und T* H* durch Übergabsvertrag erwarb.

[2] Im Lastenblatt der Liegenschaft der Klägerin ist zugunsten der genannten Grundstücke des Beklagten die „Dienstbarkeit der Nichtverbauung […] gem Pkt Fünftens des Kaufvertrags 1960-02-05“ eingetragen. Der Kaufvertrag war zwischen dem Ehepaar F* und T* H* als Verkäufer und dem Baumeister J* K* und dessen Ehegattin E* als Käufer abgeschlossen worden. Punkt V. des Vertrags lautete:

„Die Käufer verpflichten si ch, das Vertragsobjekt als Lagerplatz in Benützung zu nehmen und niemals in Bauplätze umzuwandeln. Sie geben ihre ausdrückliche Zustimmung zur Einverleibung dieser Dienstbarkeit der Unterlassung der Bauführung auf dem Grundstück Nr. 9*/28 Acker zu Gunsten der Grundstücke Nr. 9*/1 und 1* je Acker.

Die Käufer verpflichten sich weiters, auf ihre Kosten auf dem kaufgegenständlichen Grundstück eine 1,80 Meter hohe Ziegelmauer als Einfriedung errichten zu lassen, welche einen halben Meter von der Grenzlinie des den Verkäufern gehörigen Grundstückes entfernt ist, dies innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren. Sollten die Käufer dieser Verpflichtung nicht nachkommen, so sollen sie verpflichtet sein, den Verkäufern eine Konventionalstrafe in der Höhe von S 20.000,-, in Worten: Schilling zwanzigtausend, zu leisten.“

 

[3] Die Liegenschaft der Klägerin wurde in den 1960er‑Jahren in Bauland-Betriebsgebiet umgewidmet. Die zwei Grundstücke 9*/28 und 9*/34 gingen im Jahr 1968 durch Teilung aus dem seinerzeitigen Grundstück 9*/28 hervor. Die Liegenschaft EZ 2* KG 0* wurde im Jahr 1984 in die Klägerin, eine GmbH, eingebracht.

[4] Die Klägerin begehrt zwischen den Parteien festzustellen, dass bei ihrer Liegenschaft keine Dienstbarkeit der Nichtverbauung zugunsten der Grundstücke des Beklagten besteht (Pkt 1), und diesen schuldig zu erkennen, in die grundbücherliche Löschung der Dienstbarkeit einzuwilligen (Pkt 2). Hilfsweise zu Pkt 1 beantragt die Klägerin zwischen den Parteien festzustellen, dass bei ihrer Liegenschaft insoweit keine Dienstbarkeit der Nichtverbauung bestehe, dass die Bebauung mit Lagerhallen unzulässig sei. Die Klägerin brachte vor, ihre Rechtsvorgänger im Eigentum des Lagerplatzes hätten ab dem Jahr 1962 auf diesem mehrere Bauten errichtet. Weil nach der Servitut jegliche Bebauung unzulässig gewesen sei, die Rechtsvorgänger des Beklagten, denen die Bauführungen nicht verborgen geblieben seien, gegen diese aber nicht eingeschritten seien, sei die im Grundbuch eingetragene Dienstbarkeit bereits seit vielen Jahren erloschen. Zudem sei die Dienstbarkeit nur zum Schein vereinbart worden, um die Abwicklung bei der Grundverkehrskommission zu erleichtern; die Kaufvertragsparteien hätten auf den Inhalt der Vereinbarung nicht vertraut, folglich habe die Dienstbarkeit von Anfang an nicht gültig bestanden.

[5] Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Dienstbarkeit der Nichtverbauung bestehe weiterhin für die gesamte Liegenschaft. Die Kaufvertragsparteien hätten mit der Formulierung „niemals in Bauplätze umzuwandeln“ zum Ausdruck gebracht, dass diese Unterlassungsverpflichtung unverjährbar sei. Es sollte bloß die Bebauung des Grundes mit Wohn- und Geschäftshäusern untersagt sein, nicht eine Bebauung im Zusammenhang mit dem ursprünglichen Zweck, am kaufgegenständlichen Areal einen Lagerplatz zu errichten. Die Rechtsvorgänger der Klägerin hätten lediglich im Zusammenhang mit dem Lagerplatz Bautätigkeiten durchgeführt, insbesondere eine Abstell- und Lagerhalle errichtet bzw erneuert. Die Rechtsvorgänger des Beklagten hätten keine Veranlassung gehabt, gegen diese dem Kaufvertrag nicht widersprechenden Bauführungen vorzugehen. Es wäre widersinnig anzunehmen, dass sie mit dem Kaufvertrag aus dem Jahr 1960 die gegenständliche, nicht alltägliche Dienstbarkeit ausverhandelt und bereits zwei Jahre später einem Vertragsbruch tatenlos zugesehen hätten, dies umso mehr als sie weiterhin in unmittelbarer Nähe gewohnt hätten. Die Rechtsvorgänger des Beklagten hätten vielmehr in den jeweiligen Bauverfahren ihre Zustimmung gegeben. Deshalb könne aber auch nicht gesagt werden, dass sich die Rechtsvorgänger der Klägerin durch die Bauführungen der Dienstbarkeit iSd § 1488 ABGB widersetzt hätten.

[6] Das Erstgericht stellte mit seinem Urteil zwischen den Streitteilen fest, „dass bei der zu EZ 2* Gst‑Nr 9*/28 und Gst‑Nr 9*/34 ins Grundbuch 0* eingetragenen Liegenschaft der klagenden Partei insoweit keine Dienstbarkeit zugunsten der zu Einlagezahl EZ 4* Gst‑Nr 9*/1 und EZ 1* Gst‑Nr 1* ins Grundbuch 0* eingetragenen Liegenschaften der beklagten Partei besteht, als die Nutzung der dienenden Liegenschaft auch zur Bebauung mit Lagerhallen, sonstigen Lagergebäuden und Anlagen zur Produktion von Beton und Betonteilen, auch innerhalb von dazu dienenden Gebäuden, sowie die Errichtung solcher Anlagen und Gebäude zulässig ist“ (Spruchpunkt 1), und erkannte die Beklagte „schuldig, binnen 14 Tagen in die grundbücherliche Anpassung der unter Punkt 1 des Urteils angeführten Dienstbarkeit derart einzuwilligen, dass diese insgesamt lautet: 'Die Käufer verpflichten sich, die Liegenschaft EZ 2* Grundbuch 0* als Lagerplatz in Benützung zu nehmen und niemals in Bauplätze zu verwandeln. Davon ausgenommen ist die Nutzung der Liegenschaft EZ 2* Grundbuch 0* zur Bebauung mit Lagerhallen, sonstigen Lagergebäuden und Anlagen zur Produktion von Beton und Betonteilen, auch innerhalb von dazu dienenden Gebäuden, sowie die Errichtung solcher Anlagen und Gebäude.'“ (Spruchpunkt 2). Das „Mehrbegehren, zwischen den Streitteilen werde festgestellt, dass bei der zu EZ 2* Gst‑Nr 9*/28 und Gst‑Nr 9*/34 ins Grundbuch 0* eingetragenen Liegenschaft der klagenden Partei über Spruchpunkt 1 hinaus keine Dienstbarkeit der Nichtverbauung zugunsten der zu Einlagezahl EZ 4* Gst‑Nr 9*/1 und EZ 1* Gst‑Nr 1* ins Grundbuch 0* eingetragenen Liegenschaften der beklagten Partei besteht“, wies das Erstgericht ab (Spruchpunkt 3). Es erkannte die Klägerin schuldig, der Beklagten an anteiligen Sachverständigen- und Pauschalgebühren einen Betrag von 865 EUR binnen 14 Tagen zu ersetzen, und hob im Übrigen die Kosten gegeneinander auf (Spruchpunkt 4).

[7] Das Erstgericht ging zusammengefasst von dem eingangs wiedergegebenen und dem folgenden Sachverhalt aus:

[8] Jene Klausel, mit der die strittige Dienstbarkeit vereinbart wurde, wurde nicht zum Schein vereinbart.

[9] Am 1. 10. 1962 beantragten die Voreigentümer der Klägerin die Errichtung eines Lagerraumes, eines Lagerschuppens und einer Einfriedung bei der Marktgemeinde. Nach Durchführung der Bauverhandlung am 2. 10. 1962 wurde die Bewilligung am 11. 10. 1962 erteilt. Die Voreigentümer des Beklagten wurden nicht gesondert geladen. Diese Gebäude wurden konsensgemäß errichtet.

[10] Am 18. 7. 1969 beantragten die Voreigentümer der Klägerin die Errichtung einer Abstellhalle bei der Marktgemeinde. Die Bauverhandlung wurde am 19. 7. 1969 durchgeführt. Bei dieser war der Voreigentümer des Beklagten anwesend und brachte nichts vor. Die Baubewilligung wurde am 21. 7. 1969 erteilt. Diese Abstellhalle wurde kleiner als baubehördlich bewilligt errichtet.

[11] Am 14. 10. 1969 ersuchte der Voreigentümer der Klägerin um Erteilung der Baubewilligung für die Erweiterung der Lagerräume bei der Marktgemeinde. Nach Durchführung der Bauverhandlung am 22. 10. 1969, ohne gesonderte Ladung an die Voreigentümer des Beklagten, wurde die Bewilligung am 24. 10. 1969 erteilt. Diese Erweiterung wurde konsensgemäß errichtet.

[12] Am 15. 1. 1974 ersuchten die Voreigentümer der Klägerin um Bewilligung des Neubaus einer Lagerhalle bei der Marktgemeinde. Der Voreigentümer des Beklagten wurde geladen und war bei der Bauverhandlung am 31. 1. 1974 anwesend. Dabei wurde von diesem nichts vorgebracht. Die Baubewilligung wurde am 20. 2. 1974 erteilt. Diese Lagerhalle ist derzeit nicht vorhanden.

[13] Der Voreigentümer der Klägerin suchte bei der Bezirkshauptmannschaft um die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung einer Betonmischanlage an. Zur Verhandlung am 28. 1. 1974 erschienen die Voreigentümer des Beklagten nicht. Es gab keine gesonderte Ladung. Die Genehmigung zur Errichtung wurde am 30. 1. 1974 erteilt. Die Betonmischanlage wurde konsensgemäß errichtet und zeitnah in Betrieb genommen. Dies nahmen die Voreigentümer des Beklagten spätestens im Jahr 1976 wahr.

[14] Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten die Voreigentümer des Beklagten bei allen Bauten schon ab dem Zeitpunkt des Beginns der Bauarbeiten die Möglichkeit zur Kenntnisnahme gehabt.

[15] In weiterer Folge beantragte der Voreigentümer der Klägerin die wasserrechtliche Bewilligung zur Grundwasserentnahme aus zwei Schachtbrunnen zum Betrieb von Betonmischanlagen bei der Bezirkshauptmannschaft. Dazu wurden die Voreigentümer des Beklagten gesondert geladen. Die Bewilligung wurde am 23. 10. 1976 erteilt.

[16] Der Errichtungszeitpunkt der Gebäude entspricht dem jeweiligen Bewilligungsdatum. Zusätzlich befinden sich noch eine weitere Lagerhalle mit einer Kranbahn und ein kleines Nebengebäude auf den Grundstücken Nr 9*/28 und 9*/34, zu denen es keine Unterlagen im Bauakt gibt.

[17] Ab den 1960er‑Jahren und jedenfalls bis in die 1990er‑Jahre wurden auf der Liegenschaft der Klägerin auch Betonteile und Transportbeton produziert. Ob noch heute eine solche Produktion erfolgt, konnte nicht festgestellt werden.

[18] Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Voreigentümer des Beklagten oder der Beklagte selbst nach Eigentumsübertragung gegen die Bauführung vorgegangen sind. Die Bautätigkeit war von außen ersichtlich.

[19] Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt zusammengefasst wie folgt: Der Passage in Pkt V. des Kaufvertrags, wonach sich die Käufer verpflichteten, den gekauften Grund „niemals in Bauplätze umzuwandeln“, sei ein zeitgenössisches Verständnis der Vertragsparteien zugrundezulegen. § 6 der damaligen niederösterreichischen Bauordnung habe nämlich die „Abteilung eines Grundes auf Bauplätze“ geregelt und der VwGH zu einer ähnlichen Bestimmung in einer anderen BauO bereits vor langem geurteilt, eine Abteilung auf Bauplätze liege dann vor, „wenn eine größere Grundfläche, die bisher unverbaut war und anderen wirtschaftlichen Zwecken diente, nunmehr durch Verbauung verwertet und ausgenützt werden soll, sei es unmittelbar durch Aufführung einer Mehrzahl von Gebäuden, sei es durch Verkauf von Bauparzellen“. Damit sei Punkt V. insgesamt dahin zu verstehen, dass er die Bauführung in dem Ausmaß zulässt, wie es für einen Lagerplatz notwendig ist, und die Errichtung von Bauten, welche nach dem allgemeinen Sprachgebrauch keinen Lagerzwecken dienen, sowie die Unterteilung in Bauparzellen verbietet. Erst mit Bau und Verwendung der Betonmischanlage ab dem Jahr 1974 hätten die Rechtsvorgänger der Klägerin der Servitut zuwidergehandelt, weil erst diese Anlage mit einer Benützung des Grundes als Lagerplatz nicht vereinbar gewesen sei. Die Freiheit sei aber nur in dem Ausmaß ersessen worden, in dem der Servitut zuwidergehandelt wurde. Daher könne die Liegenschaft seit Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist nicht nur als Lagerplatz benützt werden, sondern auch als Produktionsort für Transportbeton und verschiedene Betonteile im Rahmen der baumeisterlichen Tätigkeit. Die Klägerin habe ihr Klagebegehren mit einem Eventualbegehren erweitert. Daher sei der Zuspruch eines Minus zulässig. Es bestehe kein Zweifel, dass die Klägerin auch an der Feststellung einer eingeschränkten Dienstbarkeit und an einer entsprechend verminderten Unterlassungspflicht interessiert sei.

[20] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge, der Berufung der Klägerin hingegen Folge und änderte das Urteil dahin ab, dass zwischen den Parteien festgestellt wird, „dass bei der zu EZ 2* GSt‑Nr. 9*/28 und GSt‑Nr. 9*/34 im Grundbuch 0* eingetragenen Liegenschaft der klagenden Partei keine Dienstbarkeit der Nichtverbauung des Grundstücks zugunsten der zu EZ 4* GSt‑Nr. 9*/1 und EZ 1* GSt‑Nr. 1* im Grundbuch 0* eingetragenen Liegenschaften der beklagten Partei besteht“ (Spruchpunkt 1). Der Beklagte wurde für schuldig erkannt, binnen 14 Tagen in die grundbücherliche Löschung der unter Spruchpunkt 1 angeführten Dienstbarkeit einzuwilligen (Spruchpunkt 2) und der Klägerin die mit 16.707,96 EUR (hierin 2.239,66 EUR USt und 3.270 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu Handen der Klagevertreterin binnen 14 Tagen zu ersetzen (Spruchpunkt 3). Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, nach dem Wortlaut des Kaufvertrags dürften die Grundstücke nur als Lagerplatz benützt werden und sei jegliche Bauführung ausgeschlossen. Dass eine eingeschränkte Bauführung – etwa mit für einen Lagerplatz nützlichen Bauten – zulässig sei, lasse sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Solches könne auch nicht der damaligen niederösterreichischen Bauordnung oder der vom Erstgericht zitierten Rechtsprechung des VwGH entnommen werden. Zur Parteienabsicht und zum Zweck der Vereinbarung im Zeitpunkt der Vertragserrichtung lasse sich evidentermaßen aus den Beweisergebnissen bzw dem festgestellten Sachverhalt nichts Konkretes ableiten, zumal alle am Verfahren Beteiligten bei Errichtung des Kaufvertrags nicht anwesend bzw noch Kinder gewesen seien. Insgesamt verbiete die gegenständliche Dienstbarkeit jegliche Bebauung. Der Lauf der Verjährungsfrist des § 1488 ABGB beginne mit der Inanspruchnahme des Vollrechts durch den Eigentümer der belasteten Liegenschaft in Verbindung mit einer manifesten Beeinträchtigung des Servitutsrechts durch ein Hindernis für die umfassende Ausübung der Dienstbarkeit. Auch nur ein Unterlassen zum Gegenstand habende Servituten verjährten gemäß § 1488 ABGB, wenn auf dem dienenden Grundstück der Verpflichtung entgegengehandelt und vom Eigentümer des herrschenden Grundstücks über drei Jahre nicht dagegen eingeschritten wird. Ausgehend vom richtigen Verständnis des Punktes V. des Kaufvertrags dahin, dass jegliche Bebauung verboten sei, habe schon das Bebauen der Liegenschaft mit Lagergebäuden ein Widersetzen gegen die Servitut dargestellt. Die Freiheit sei insgesamt nach § 1488 ABGB ersessen worden.

[21] Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit mehr als 30.000 EUR. Die ordentliche Revision ließ es mit der Begründung, es liege keine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualifikation vor, nicht zu.

[22] Gegen das Berufungsurteil richtet sich die aus den Revisionsgründen nach § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO erhobene außerordentliche Revision des Beklagten mit einem auf gänzliche Klageabweisung und hilfsweise auf Wiederherstellung des Ersturteils gerichteten Abänderungsantrag.

[23] Die Klägerin beantragt in der ihr vom Senat freigestellten Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision, hilfsweise ihr den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

[24] Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) – wie vom Beklagten im Rechtsmittel zutreffend aufgezeigt – zulässig, weil keine gesicherte Rechtsprechung zur Frage vorhanden ist, ob bei einer eine Unterlassung gebietenden (sogenannten „negativen“ oder „verneinenden“) Servitut ein Zuwiderhandeln mit Ablauf von drei Jahren zur gänzlichen Freiheitsersitzung oder nur zu einem partiellen, dem Ausmaß oder der Art des Zuwiderhandelns entsprechenden Verlust der Servitut führt.

[25] Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

[26] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[27] 2. Nach § 1488 ABGB verjährt das Recht der Dienstbarkeit durch den Nichtgebrauch, wenn sich der verpflichtete Teil der Ausübung der Servitut widersetzt und der Berechtigte durch drei aufeinander folgende Jahre sein Recht nicht geltend macht (Freiheitsersitzung; usucapio libertatis). Dabei handelt es sich um einen Sonderfall der Verjährung (1 Ob 166/19x [Pkt 2.1] = immolex 2020/37 [Streller]; M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1488 Rz 1).

[28] Da es sich um einen Verjährungstatbestand handelt, ist auf der Seite des sich Widersetzenden weder Redlichkeit noch Rechtmäßigkeit erforderlich. Die kurze Verjährung des § 1488 ABGB hat vor allem den Zweck, die rasche Klärung einer strittigen Rechtslage herbeizuführen. Ob ein vom Verpflichteten nicht (mehr) geduldetes Servitutsrecht besteht oder nicht, soll im Interesse der Beteiligten, aber auch der Verkehrssicherheit möglichst schnell gerichtlich geklärt werden (8 Ob 124/19x [Pkt 2.1] = JBl 2021, 46 [Holzner] mwN).

[29] Weil es sich bei der Freiheitsersitzung um einen Fall der Verjährung handelt, kann auf ihre Geltendmachung nach § 1502 ABGB im Voraus nicht verzichtet werden (vgl allgemein Dehn in KBB6 [2020] § 1502 Rz 1 mwN). Bereits aus diesem Grund ist auf den Einwand des Beklagten, durch das Wort „niemals“ in der Kaufvertragsklausel hätten die Kaufvertragsparteien die Unverjährbarkeit der Servitut vereinbart, nicht einzugehen.

[30] 3. Auch Servituten, die nur ein Unterlassen zum Gegenstand haben (vgl Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 [2012] § 1488 Rz 4), unterliegen der Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB und verjähren demnach, wenn auf dem dienenden Grundstück der Verpflichtung entgegengehandelt, von den Eigentümern des herrschenden Grundstücks dagegen aber über den Zeitraum von drei Jahren nicht eingeschritten wird (grundlegend 1 Ob 202/55 = SZ 28/94 [unter Berufung auf Randa, Besitz4 784 ff]; RS0034381; Ehrenzweig, System I/22 [1957] 353 f; Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 [2012] § 1488 Rz 4 und 12; Mader/Janisch in Schwimann/Kodek, ABGB4 [2016] § 1488 Rz 2 und 4; R. Madl in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.07 [2022] § 1488 Rz 4). Eine solche Servitut stellt die grundsätzlich zulässige und einverleibungsfähige Dienstbarkeit, das eigene Grundstück nicht zu bebauen, dar (vgl 2 Ob 484/53 = SZ 26/183; 7 Ob 569/79 [unveröff]; vgl auch 5 Ob 281/00k = SZ 73/175).

[31] 4. Für die Auslegung des Dienstbarkeitsbestellungsvertrags ist der Wortlaut der Urkunde maßgeblich, solange nicht behauptet und bewiesen wird, dass sich aufgrund außerhalb der Urkunde liegender Umstände ein übereinstimmender Parteiwille oder ein vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichender objektiver Sinn der Erklärung ergibt (RS0107851 [T3]).

[32] Ein vom Wortlaut abweichender übereinstimmender Parteiwille kam im Verfahren nicht hervor. Es ist daher mit dem Berufungsgericht davon auszugehen, dass es den Käufern des Grundes (jetzt: Klägerin) – abgesehen von der in Punkt V. des Kaufvertrags auferlegten Verpflichtung zur Errichtung einer Ziegelmauer als Einfriedung des gekauften Grundes – verboten war, den Grund wie auch immer zu bebauen. Aus der Formulierung, dass die Käufer das Vertragsobjekt niemals in Bauplätze umwandeln dürfen, ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht abzuleiten, es wäre allein die Errichtung von Wohn- und Geschäftshäusern verboten gewesen. Ebenso wenig kann aus dem vom Erstgericht erwähnten § 6 der seinerzeitigen niederösterreichischen Bauordnung (abgedruckt bei Krzizek, Die Bauordnung für Niederösterreich [1964] 20) und dem zu einer ähnlichen Bestimmung ergangenen Erkenntnis des VwGH SlgNr 9071/A (= Krzizek aaO § 6 Anm 1) abgeleitet werden, die Kaufvertragsparteien des Jahres 1960 hätten ein abweichendes – das Bebauungsverbot einschränkendes – Verständnis von Punkt V. des Kaufvertrags gehabt. Ein solches lässt sich auch nicht daraus entnehmen, dass die Errichtung eines Lagerplatzes vereinbart war. Ein Lagerplatz ist nach allgemeinem Sprachgebrauch ein „Platz zum Lagern, Rasten, Übernachten im Freien“ (Wahrig – Deutsches Wörterbuch9 [2011] 914; Duden – Deutsches Universalwörterbuch9 [2019] 1106 f), somit grundsätzlich eine unbedachte (und auch sonst unbebaute, also „freie“) Fläche (vgl auch § 15 Abs 1 Z 16 NÖ BauO). Zahlreiches Lagergut kann auch ohne Weiteres im Freien gelagert werden, zB verschiedene Baustoffe, Steine oder Holz.

[33] Wie vom Berufungsgericht zutreffend erkannt wurde demnach bereits mit der Errichtung eines Lagerraumes und eines Lagerschuppens im Jahr 1962 der Nichtbebauungsverpflichtung iSd § 1488 ABGB zuwidergehandelt. Gleiches gilt für die danach erfolgten Errichtungen weiterer Bauten.

[34] 5. Nachdem damit die Voraussetzungen der Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB vorliegen, ist zu klären, inwieweit – zur Gänze oder teilweise – die Klägerin durch die verschiedenen Bebauungen ihrer Liegenschaft die Freiheit von der Dienstbarkeit der Nichtbebauung ersaß.

5.1. Der Oberste Gerichtshof sprach bereits wiederholt aus, dass die Freiheitsersitzung – je nach dem Umfang der Nichtausübung – auch bloß eine Einschränkung der Servitut bewirken kann (RS0034281). Bei den im genannten Rechtssatz indexierten und veröffentlichten Entscheidungen ging es aber regelmäßig um positive Servituten, konkret um Fälle, in denen Wegedienstbarkeiten beeinträchtigt wurden (siehe 2 Ob 632/87; 2 Ob 529/90; 1 Ob 622/95; 6 Ob 130/01p; 7 Ob 146/01y; 3 Ob 47/07v; 6 Ob 2/09a; 4 Ob 93/13z; 9 Ob 40/15w; 9 Ob 63/18g; 1 Ob 95/19f; 10 Ob 17/21d; 7 Ob 78/22d; siehe darüber hinaus auch 4 Ob 190/13i = EvBl 2014/80 [Brenn]), weiters um Fälle der Beeinträchtigung von Fischereirechten (nämlich in den Entscheidungen 1 Ob 96/75 und 1 Ob 15/94).

[35] 5.2. Einzig die in RS0034281 weiters angeführte Entscheidung 1 Ob 642/89 betraf eine verneinende Dienstbarkeit. Ihr lag ein Verkauf eines etwa 100 m vom Neusiedler See entfernten Grundstücks zugrunde, bei dem sich der Verkäufer verpflichtet hatte, zulasten seiner ihm weiter gehörenden Nachbarliegenschaft dem verkauften Grundstück in einer Breite von 20 m zum Seeufer das Licht, die Luft und die Aussicht in keiner Weise zu entziehen oder, sei es durch Errichtung von Gebäuden und Einzäunungen oder Anpflanzungen von Bäumen und Sträuchern, auch nur zu schmälern. Als die Verkäuferin später einen 1,2 m hohen Drahtmaschenzaun errichtete, unternahmen die Käufer nichts. Ihre erst zehn Jahre später eingebrachte, auf Beseitigung des Zaunes gerichtete Klage, hatte auch vor dem Obersten Gerichtshof schon deshalb keinen Erfolg, weil festgestellt worden war, dass der Zaun keine nennenswerte Beeinträchtigung der Dienstbarkeit der freien Aussicht zum Seeufer bewirkte. „Im übrigen“ wäre nach der damaligen Ansicht des Obersten Gerichtshofs „ein Zuwiderhandeln der erstbeklagten Partei gemäß § 1488 ABGB aber auch verjährt“. Auch Dienstbarkeiten, die nur ein Unterlassen zum Gegenstand haben, verjährten gemäß § 1488 ABGB, wenn auf dem dienenden Grundstück für den Berechtigten wahrnehmbar der Verpflichtung zuwidergehandelt wird, ohne dass von den Eigentümern des herrschenden Grundstücks das Recht auf Beseitigung geltend gemacht wird. Werde ein Hindernis errichtet, das die Ausübung der Dienstbarkeit nur beschränkt, „so führt die Freiheitsersitzung zu einer Einschränkung der Servitut“. Der Zaun sei bereits 1974 errichtet worden, ohne dass die Kläger oder ihre Rechtsvorgänger gerichtlich geltend gemacht hätten, seine Errichtung verstoße gegen die Aussichtsdienstbarkeit. Die Voraussetzungen nach § 1488 ABGB lägen daher vor.

[36] Obgleich der Oberste Gerichtshof auch in dieser Entscheidung aussprach, bei einem die Ausübung der Dienstbarkeit nur beschränkenden Hindernis führe die Freiheitsersitzung zu einer Einschränkung der Servitut, nahm er ohne Weiteres an, die Voraussetzungen des § 1488 ABGB hätten – offenbar zur Gänze – vorgelegen; die Entscheidung ist insofern nicht eindeutig.

[37] 5.3. In der aktuellen Literatur wird auf die Frage, ob auch bei einer verneinenden (negativen) Dienstbarkeit eine partielle Freiheitsersitzung möglich ist, oder ob die Freiheit von der Dienstbarkeit nur zur Gänze ersessen werden kann, kaum eingegangen. Einzig Rainer (Aussicht und Fensterrechte: Zu Problemen der Gebäudedienstbarkeiten, NZ 1990, 248 [250]) merkt in einer Besprechung der Entscheidung 1 Ob 672/80 (sie erging zu einer Servitut, die Liegenschaft in keiner Weise so zu verbauen oder zu verwenden, dass dadurch die Aussicht für den benachbarten Servitutsberechtigten beeinträchtigt werde) kurz an, es wäre zu prüfen gewesen, ob die Dienstbarkeit überhaupt noch existierte oder durch Verschweigung nach § 1488 ABGB untergegangen war. Es wäre unter anderem konkret zu prüfen gewesen, ob Pflanzen über drei Jahre hinweg ohne Einspruch des Berechtigten die Aussicht schmälerten. Durch Ersitzung der Freiheit gemäß § 1488 ABGB könnte die Dienstbarkeit in einem gewissen Ausmaße eingeschränkt werden.

[38] 5.4. Die Frage einer gänzlichen oder bloß teilweisen Freiheitsersitzung wurde demgegenüber in der alten Literatur eingehend erörtert:

[39] 5.4.1. Elvers (Die römische Servitutenlehre [1856] 777 ff) führte zur Freiheitsersitzung bei einer negativen Servitut drei Möglichkeiten an: dass die Freiheit von der Servitut teilweise ersessen wird; dass die Servitut sogleich ganz untergehe, wenn sie auch nur zu einem geringen Teil durch die betreffenden Vorrichtungen unausführbar geworden ist; und dass die Servitut ganz erhalten bleibt, solange ihre Ausübung nicht ganz und gar unmöglich ist. Bei Annahme von letzterem bestehe zB bei der servitus altius non tollendi (Dienstbarkeit des Nichthöherbauens, siehe § 476 Z 8 ABGB) die Schwierigkeit zu bestimmen, wann die Servitut gänzlich vereitelt sei. Man könnte dahin kommen, „einen Bau zu fordern, der bis in die Wolken reicht, denn jede Erhöhung schadet dem Nachbar, und solange sie nicht geschieht, nutzt er seine servitus altius non tollendi“. Wolle man dagegen den Untergang der Servitut, sobald sie auch nur zum Teil verletzt ist, so komme man zu Resultaten, die den Verkehrsanschauungen und Interessen wesentlich widerstritten. „Denn ein Ziegel des dienenden Hauses so gerückt, dass er die Aussicht etwas mehr schmälert, die geringste derartige Veränderung am Schornstein vermöchte die ganze Servitut zu untergraben.“Nach richtiger Ansicht komme es zu einem teilweisen Untergang der Servitut, „wenn nur die selbstständige Benutzung der übrigbleibenden noch gedacht werden kann“. Wie Grundstücke nur soweit ersessen würden, als sie besessen werden, werde auch die in gleicher Weise zerlegbare Freiheit von der Servitut nur soweit erworben, als von derselben durch bauliche Einrichtungen Besitz ergriffen sei. Elvers kam zum Ergebnis, „dass die betreffenden Servituten in Folge einer usucapio libertatis immer nur soweit erlöschen, als es durch die Beschaffenheit der dienenden Sache unmöglich geworden ist, sie die Verjährungszeit hindurch auszuüben“.

[40] 5.4.2. Randa (Der Besitz nach österreichischem Rechte mit Berücksichtigung des gemeinen Rechtes4 [1895] 784 ff) lehrte, dass bei den negativen Servituten der Verhinderungsakt in der Vornahme derjenigen Handlung oder der Errichtung desjenigen Werkes, auf deren Unterbleiben der Inhalt derselben gerichtet ist, bestehe. Dabei verwies er auf § 351 ABGB, wonach der Besitz solcher Rechte verloren geht, wenn der Gegenteil „das Verbot, etwas zu unterlassen, nicht mehr achtet“. So werde zB die Servitut der Nichterhöhung des Nachbarhauses verloren durch die wirkliche Erhöhung desselben, die Servitut der Aussicht durch die Errichtung eines Werkes, welches dieselbe tatsächlich nimmt. Kein Besitzverlust erfolge, wenn die entgegenstehenden Handlungen die Servitut zwar teilweise beeinträchtigen, aber nicht unmöglich machen. Ein teilweiser Besitzverlust der Servitut im Sinne einer Einschränkung ihres Umfanges sei juristisch möglich. „Denn zum Besitzverlust einer negativen Servitut einerseits, beziehungsweise zum unbeschränkten Rechtsbesitze andererseits ist ein Akt oder eine Anlage erforderlich, welche die Ausübung des Rechtes völlig unmöglich macht; ist die Unmöglichkeit nur eine teilweise, so geht auch nur insoweit, als sie reicht, der Rechtsbesitz verloren, beziehentlich wird nur soweit die bisher dienende Sache als frei besessen.“ Wurde zB nur auf einem Teil des dienenden Grundes ein Gebäude erbaut, „so hört allerdings der Besitz der Servitut der Aussicht, des Lichtes bezüglich dieses Teiles auf, nicht aber bezüglich des übrigen Grundes“. Ist auf dem mit der Aussichtsdienstbarkeit belasteten Grund eine Stallung erbaut worden, welche lediglich die Aussicht des Erdgeschosses des herrschenden Gebäudes stört, so gehe damit noch nicht der Besitz des Aussichtsrechts aus dem ersten und zweiten Stockwerk verloren. Dass jede, auch die geringste Veränderung im Zustand des dienenden Grundes den Besitz der entgegenstehenden Servitut aufheben müsste, zB die Errichtung einer fußhohen Sommerterrasse, welche allenfalls nur die Aussicht aus einigen Fenstern des Erdgeschosses beeinträchtigt, wäre unhaltbar. Bei der Frage, ob eine teilweise Erlöschung der Servitut möglich sei, müsse man sich jedoch den konkreten Inhalt der Servitut vor Augen halten, der eine derartige Einschränkung geradezu ausschließen könne. Ist zB das dienende Grundstück mit der Servitut des Bauverbotes oder des Nicht-Höherbauens beschwert, so werde deren Besitz durch jedweden auf demselben aufgeführten Bau aufgehoben.

5.5. Der Senat hat erwogen:

[41] Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass auch Servituten, die nur ein Unterlassen zum Gegenstand haben, der Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB unterliegen beruht – wie aus der Leitentscheidung 1 Ob 202/55 (SZ 28/94) ersichtlich – auf den Ausführungen Randas. Dessen Argument, dass bei Bebauung einer Liegenschaft entgegen einem bestehenden Bauverbot dieses zur Gänze verletzt werde – und demnach sich der Verpflichtete zur Gänze der Servitut iSd § 1488 ABGB „widersetzt“ – ist nicht zu widerlegen (siehe im Übrigen auch Berger, Glosse zu OLG Schleswig 7 U 75/21 in ZfIR 2022, 354 f: […] eine gegen ein Bauverbot errichtete Anlage steht nicht nur teilweise, sondern vollauf mit einer entsprechenden Dienstbarkeit in Widerspruch [...]“). Wer entgegen einem Bauverbot baut, widersetzt sich mithin dem subjektiven Recht des Servitutsberechtigten selbst und zur Gänze (vgl auch Welser, Vertragsauslegung, Gutglaubenserwerb und Freiheitsersitzung bei der Wegeservitut, JBl 1983, 4 [17]).

[42] Anzunehmen, dass bei Verletzung einer negativen Servitut wie dem Bauverbot oder der Servitut, nicht höher zu bauen, nur eine teilweise Freiheitsersitzung stattfände, hätte zur Konsequenz, dass hier eine gänzliche Freiheitsersitzung überhaupt nie stattfinden könnte. Denn wenn bei der vereinbarten Servitut, das eigene Gebäude nicht über das bestehende Maß von 10 m zu erhöhen, das Gebäude auf 12 m erhöht wird, so würde die Freiheit nur bis 12 m ersessen; weil immer noch höher gebaut werden kann, würde die Servitut immer nur bis zur tatsächlichen Bauhöhe erlöschen, darüber hinaus aber weiterbestehen. Ebenso hätte die Verletzung eines Bauverbots dadurch, dass (sogar) die gesamte Liegenschaft zB mit einer Lagerhalle bebaut wird, wohl bloß zur Konsequenz, dass das Verbot für den errichteten Bau erloschen ist, nicht aber hinsichtlich der Errichtung von Baulichkeiten anderen Typs, zB der Errichtung einer Fabrik oder Müllverbrennungsanlage. Die Unterlassung der Errichtung eines noch beschwerlicheren Gebäudes wäre immer im Interesse des Bauverbotsberechtigten.

[43] Anzunehmen, dass bei einem Bauverbot oder der servitus altius non tollendi eine gänzliche Freiheitsersitzung praktisch unmöglich ist (zumal grundsätzlich immer noch beschwerlicher bzw immer noch höher gebaut werden kann), stände mit der ständigen Rechtsprechung, dass § 1488 ABGB auch für negative Servituten gilt, in Widerspruch. Der Gesetzgeber geht lege non distinguente davon aus, dass jede Servitut – gleichgültig ob positive oder negative – nach § 1488 ABGB zur Gänze erlöschen kann.

[44] Der Senat tritt daher der Ansicht bei, dass die auch wie immer geartete Bebauung eines Grundstücks entgegen einem bestehenden Bauverbot eine ungeteilte Servitutswidersetzung iSd § 1488 ABGB darstellt und der Servitutsberechtigte – möchte er die Servitut nicht nach drei Jahren verlieren – gehalten ist, gegen diese gerichtlich vorzugehen. Dies entspricht auch dem vom Senat zu 8 Ob 124/19x dargelegten Zweck der kurzen Verjährung des § 1488 ABGB, die rasche Klärung einer strittigen Rechtslage herbeizuführen.

[45] Ist dem Servitutsberechtigten die konkrete Bebauung gleichgültig, so steht es ihm frei, mit dem Servitutsverpflichteten eine entsprechende Einschränkung des Bauverbots zu vereinbaren. Ohne eine solche Vereinbarung führt sein Hinnehmen des bauverbotswidrigen Zustands über mehr als drei Jahre ohne Erhebung der Klage aber zum Rechtsverlust nach § 1488 ABGB. Der – auch nur konkludente – Abschluss einer solchen Vereinbarung kann dem festgestellten Sachverhalt nicht entnommen werden.

[46] Es war daher der Revision des Beklagten der Erfolg zu versagen.

[47] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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