OGH 6Ob130/01p

OGH6Ob130/01p21.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Josef K*****, vertreten durch Dr. Peter Bibiza, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien I. 1. Adolfine B*****, 2. Johann B*****, II. A***** und III. Franz I*****, alle vertreten durch Dr. Dieter Beimrohr, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Feststellung und Löschung bücherlicher Servituten, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. Mai 2000, GZ 2 R 17/00i-61, womit über die Berufung des Klägers das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 15. Oktober 1999, GZ 18 C 49/99w, 18 C 50/99t, 18 C 51/99i-48, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat den beklagten Parteien die mit 13.716,-- S (darin 2.286,-- S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 45, Grundbuch T*****, auf der er einen Hotelbetrieb führt. Die Beklagten sind Eigentümer von Liegenschaften, auf denen Forstwirtschaft betrieben wird. In dem zu 16 C 2022/93v des Bezirksgerichtes Innsbruck geführten Verfahren erwirkten die Beklagten gegen den Kläger zu Gunsten ihrer Waldparzellen ein bücherliches Geh- und Fahrtrecht über das Grundstück Nr 127 der Liegenschaft des Klägers zum Zweck der Bringung der aus den berechtigten Grundstücken gewonnenen Forstprodukte mit Pferde- und Traktorfuhrwerk. Der Kläger erachtet seinen Hotelbetrieb durch die Ausübung der Dienstbarkeiten für gestört und begehrt mit seinem Klagebegehren 1. die Feststellung, dass auf einer Teilfläche von 81 m2 des Grundstücks Nr 127 die Dienstbarkeiten der Beklagten nicht lasteten und 2. die Beklagten für schuldig zu erkennen, in die Einverleibung der Löschung der Dienstbarkeiten einzuwilligen. Die Dienstbarkeiten seien nicht ersessen worden. Schon der Rechtsvorgänger des Klägers und dieser selbst hätten sich der Ausübung der Dienstbarkeiten widersetzt. Die Dienstbarkeiten seien auch zwecklos geworden, weil die Beklagten zur Erreichung ihrer Waldgrundstücke weitere Grundstücke des Klägers benützen müssten. Dies habe der Kläger aber untersagt.

Die Beklagten wandten ein, dass der Bestand ihrer Dienstbarkeiten rechtskräftig entschieden sei. Hindernisse seien erstmals 1997 errichtet worden. Eine Freiheitsersitzung sei mangels Zeitablaufs nicht erfolgt.

Die Vorinstanzen wiesen in den verbundenen Rechtssachen die Klagebegehren ab. Von den vom Berufungsgericht übernommenen erstinstanzlichen Feststellungen sind nur folgende hervorzuheben:

Im Jahr 1995 habe der Kläger ein Faltgatter errichtet, das ohne weiteres aufgeschoben habe werden können. Dies hätten die Beklagten zur Ermöglichung der Durchfahrt auch getan. Sie hätten den Weg weiterhin für forstwirtschaftliche Bringungsfahrten benutzt. Aufforderungen des Klägers, die Ausübung der Dienstbarkeiten zu unterlassen, hätten die Beklagten ablehnend beantwortet. Im Sommer 1997 habe der Kläger den Weg durch Anbringen von Metallstangen ("Stempen") versperrt. Erst dadurch sei den Beklagten das Befahren des Weges unmöglich gemacht worden.

Das Berufungsgericht erachtete die vom Kläger relevierten Fragen der Utilität der Dienstbarkeiten und der Widersetzung des Klägers gegen die Ausübung der Dienstbarkeiten vor dem 5. 10. 1994 auf Grund der materiellen Rechtskraft des Urteils im Vorprozess für abschließend erledigt. Hier sei nur der vom Kläger geltend gemachte neue Sachverhalt zu prüfen, also seine Widersetzung ab dem genannten Zeitpunkt und das Verhalten der Beklagten. Danach liege eine Freiheitsersitzung nicht vor. Ein vom Belasteten ausgesprochenes Verbot sei nur dann eine Widersetzlichkeit im Sinne des § 1488 ABGB, wenn sich der Servitutsberechtigte daran halte. Das Hindernis aus dem Jahr 1995 habe die Servitutsausübung nicht erheblich behindert. Beim Hindernis vom Sommer 1997 fehle der für eine erfolgreiche Freiheitsersitzung erforderliche Zeitablauf von drei Jahren. Auch wenn die zweitbeklagte Agrargemeinschaft in der letzten Zeit die Servitut nicht ausgeübt haben sollte, könnten die Behinderungen des Klägers nach der Entscheidung EvBl 1966/218 die Freiheitsersitzung nicht auslösen.

Das Berufungsgericht sprach erst über Antrag des Klägers gemäß § 508 Abs 3 ZPO aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Mit seiner Revision beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass den Klagebegehren stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Die Beklagten beantragen, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig (§§ 502 Abs 1, 510 Abs 3 letzter SatzZPO).

Das Berufungsgericht hat im Einklang mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung die Freiheitsersitzung verneint:

1. Voraussetzung für den Eintritt der Freiheitsersitzung ist es, dass der Verpflichtete sich fortwährend der Ausübung der Dienstbarkeit widersetzt und der Berechtigte deshalb deren Ausübung drei Jahre lang, ohne richterliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, unterlassen hat. Ein vom Verpflichteten errichtetes Hindernis muss daher drei Jahre lang fortbestanden haben (RS0034241). Entgegen dem Revisionsvorbringen war das 1995 errichtete Faltgatter keine ausreichende Widersetzlichkeit. Es war ein wahrnehmbares, die Servitutsausübung aber nur wenig beeinträchtigendes Hindernis. Die Rechtsprechung verlangt für die Freiheitsersitzung zwar kein unüberwindliches, aber immerhin ein beträchtliches Hindernis, das die ungehinderte Benützung des Dienstbarkeitsweges auf gewöhnliche und allgemein übliche Art unmöglich macht (so schon 5 Ob 544/77). Diesen Rechtssatz wiederholt auch die vom Revisionswerber für seinen Standpunkt ins Treffen geführte Entscheidung 4 Ob 562/94 = NZ 1995,

105. Mit der Anbringung eines leicht wegschiebbaren Faltgatters wurde kein beträchtliches Hindernis geschaffen. Dieses konnte keinesfalls zum Erlöschen der Servitut, sondern höchstens zu deren Einschränkung führen, dass die Beklagten künftig die Erschwernis (des Wegschiebens des Faltgatters) zu dulden haben (RS0034281).

2. Eine Freiheitsersitzung ist auch gegenüber der beklagten Agrargemeinschaft nicht erfolgt. Dazu genügt schon der fehlende Zeitablauf ab der Errichtung des beträchtlichen und auch wahrgenommenen Hindernisses aus dem Jahr 1997. Vorangehende Verbote des Klägers hat auch diese Beklagte nach den getroffenen Feststellungen zurückgewiesen. Der Nichtausübung der Servitut allein (seit der bücherlichen Einverleibung der Dienstbarkeit) kommt bei forstwirtschaftlichen Bringungsrechten kein zustimmender Erklärungscharakter zu, liegt es doch im Wesen der Waldnutzung, dass diese auch über längere Zeiträume aus wirtschaftlichen Gründen unterbleiben kann.

3. Die materielle Rechtskraft und Bindungswirkung des Urteils im Vorprozess schneidet die Geltendmachung von Rechtsgründen ab, die releviert und entschieden wurden oder deren Geltendmachung unterblieben ist. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes steht im Einklang mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung. Zum Thema der Präklusionswirkung kann auf die ausführliche Darstellung der Lehre und Rechtsprechung durch Oberhammer, Objektive Grenzen der materiellen Rechtskraft: Bindung - Präklusion, JBl 2000, 205, verwiesen werden. Das neuerlich relevierte Thema des Wegfalls der Utilität der Dienstbarkeiten und die behauptete Nichtbenützung des Weges durch die beklagte Agrargemeinschaft über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren unterliegt der Bindungswirkung des Urteils über den Bestand der Dienstbarkeiten.

4. Entgegen dem Revisionsvorbringen haben die Beklagten in der Tagsatung vom 25. 5. 1998 keineswegs konstitutiv anerkannt, sie hätten keine Benützungsrechte an einem weiteren Grundstück des Klägers, das zur Erreichung der Waldgrundstücke der Beklagten erforderlich ist. Die Beklagten haben sich ausdrücklich auf eine mehr als 30-jährige Rechtsausübung, also die Ersitzung einer Servitut an diesem Grundstück berufen (S 2 zu ON 20).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Entgegen dem Kostenverzeichnis beträgt die Kostenbemessungsgrundlage nur 240.000 S, weil auch der Streitgegenstand des führenden Verfahrens (gegen zwei Miteigentümer) vom Kläger nur mit 80.000 S bewertet wurde.

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