European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00067.24X.0626.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
I. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
II. Der an den Obersten Gerichtshof gerichtete Antrag der beklagten Partei, „gemäß § 42 Abs 1 Z 2a EO die aufschiebende Wirkung der Exekution anzuordnen“, wird zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Zu I.:
[1] Der in Österreich wohnende Kläger hat bei der in Zypern registrierten und ansässigen Beklagten an von dieser unter der Adresse www.c*.com im deutschsprachigen Raum – so auch in Österreich – veranstalteten Online-Glücksspielen teilgenommen und zwischen Oktober 2022 und Mai 2023 insgesamt 33.028 EUR verloren. Die Beklagte verfügt über eine von einer – in Kanada etablierten, nichtstaatlichen – „Kahnawake Gaming Commission“ ausgestellte „Lizenz“ zum Online-Glücksspiel, nicht jedoch über eine österreichische Glücksspielkonzession (dass die Beklagte über eine Lizenz von Zypern verfüge, ist eine unbeachtliche Neuerung in der Revision).
[2] Die von der Beklagten gegen die übereinstimmenden (dem Begehren des Klägers auf Ersatz dieses Verlustes stattgebenden) Entscheidungen der Vorinstanzen erhobene außerordentliche Revision zeigt keine erheblichen Rechtsfragen auf und ist folglich zurückzuweisen.
[3] 1. Verweisungen in der Revision auf den Inhalt früher im Verfahren erstatteter Schriftsätze sind unbeachtlich (vgl RS0043579; RS0043616; RS0007029).
[4] 2. In zwei vergleichbaren – eine beklagte Glücksspielanbieterin aus Estland mit estnischer Glückspielkonzession betreffenden – Verfahren hat diehier wie dort einschreitende Beklagtenvertreterin unlängst völlig inhalts- und weitestgehend auch wortgleiche außerordentliche Revisionen erhoben, zu deren Unzulässigkeit der Oberste Gerichtshof bereits zu 1 Ob 195/23t und 2 Ob 254/23a Stellung genommen hat; auf diese Überlegungen ist zu verweisen, sie gelten uneingeschränkt auch für das nunmehr vorliegende Verfahren.
[5] 2.1. Zur unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d). Davon ausgehend geht der Oberste Gerichtshof – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – in ständiger Judikatur davon aus, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom Europäischen Gerichtshofs aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht (RS0130636 [T7]) und nicht gegen Unionsrecht verstößt (etwa 1 Ob 191/23d). Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst in mehreren Entscheidungen einen Verstoß gegen Unionsrecht auch für Spielverluste in vergleichbaren Zeiträumen wie hier verneint (etwa 5 Ob 13/24h; 5 Ob 20/24p; 1 Ob 1/24i; 7 Ob 199/23z; 7 Ob 202/23s; 7 Ob 203/23p; 7 Ob 204/23k). Er hat sich zudem jüngst mit einem Glücksspielanbieter mit zypriotischer Lizenz zu befassen gehabt und auch insofern an seiner Rechtsprechung festgehalten (1 Ob 7/24x).
[6] Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung.
[7] 2.2. Warum der Bund zur Erlassung des § 14 GSpG (diese Bestimmung regelt die Übertragung des Rechts zur Durchführung von dem Glücksspielmonopol unterliegenden Ausspielungen nach den §§ 6 bis 12b GSpG durch Erteilung von Konzessionen) nicht zuständig gewesen sein sollte, ist im Hinblick auf seine nach Art 10 Abs 1 Z 4 B‑VG bestehende Gesetzgebungskompetenz nicht ersichtlich; auch die Relevanz einer behaupteten Unbestimmtheit der Konzessionsbedingungen ist nicht erkennbar (1 Ob 195/23t). Soweit die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang kompetenzrechtliche Bedenken auch in Ansehung des § 7 GSpG (Toto) hegt, ist nicht erkennbar, was sich daraus für ihren Standpunkt im vorliegenden Verfahren ergeben sollte, zumal hier unstrittig weder Toto noch Sportwetten (vgl 1 Ob 176/22x), sondern Glücksspiel veranstaltet wurde (2 Ob 254/23a).
[8] 2.3. Dass es für ein Unternehmen mit einer in einem anderen Mitgliedstaat erteilten Glücksspiellizenz – abgesehen vom Umstand, dass die Beklagte kein solches Unternehmen sein dürfte – unmöglich sei, eine Konzession nach dem GSpG zu erhalten, ist nicht ersichtlich und steht im Widerspruch zu jenem Revisionsvorbringen, wonach eine solche Konzession nach Auslaufen der bestehenden Konzession beantragt werden könne. Dass das österreichische Konzessionssystem kein (faktisches) Verbot von Online-Glücksspielangeboten durch ausländische Anbieter bewirkt, wurde auch bereits zu 6 Ob 203/21b ausgesprochen.
[9] 2.4. Worauf die Behauptung abzielt, das österreichische Glücksspielsystem verstoße gegen die Grundwertungen (den ordre public) maltesischen Rechts, bleibt weitgehend unklar. Soweit auch daraus ein Verstoß gegen die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit abgeleitet werden soll, ist die Beklagte wieder auf die höchstgerichtliche Judikatur zur Kohärenz des österreichischen Glücksspielmonopols zu verweisen. Bedenken daran vermag die – in Zypern ansässige, über eine aus Kanada stammende „Lizenz“ verfügende – Revisionswerberin mit ihren Ausführungen zum maltesischen Recht nicht darzulegen.
[10] 2.5. Die Beklagte stützt sich auch auf einen Verstoß des österreichischen Konzessionssystems gegen das unionsrechtliche Beihilfenverbot des Art 107 Abs 1 AEUV. Sie legt in ihrer Revision aber nicht dar, warum sie ein solcher Verstoß – trotz des in § 3 GSpG normierten Glücksspielmonopols, welches keinesfalls gegen diese Bestimmung verstoßen kann – zum Angebot von Glücksspielen in Österreich berechtigen sollte. Insoweit wird schon aus diesem Grund keine erhebliche Rechtsfrage dargelegt.
[11] 2.6. Soweit die Beklagte behauptet, dass die derzeitige Konzessionsinhaberin für das Online-Glücksspiel ihre – aufgrund dieser Konzession – marktbeherrschende Stellung missbrauche, wäre dem gegebenenfalls mit Maßnahmen des Wettbewerbsrechts abzuhelfen. Warum sich daraus die (unionsrechtliche) Unzulässigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols ergeben sollte, wird in der Revision nicht aufgezeigt.
[12] 2.7. Der Oberste Gerichtshof sprach bereits mehrfach aus, dass § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein verbotenes Online-Glücksspiel nicht entgegensteht (3 Ob 69/23b mwN). Der Rückforderungsanspruch ist selbst durch Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld nicht ausgeschlossen (etwa 6 Ob 200/22p). Der Anspruch besteht auch dann, wenn dem Spieler das Verbot (RS0016325 [T17]) und damit die Ungültigkeit seiner Verpflichtung bekannt waren (6 Ob 216/23t mwN). Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt, konkret gegen § 52 Abs 5 GSpG verstoßen hat, kommt es daher nicht an (jüngst 7 Ob 86/24h; 7 Ob 44/24g; 5 Ob 13/24h, je mwN). Die auf die dargelegte Rechtsprechung gestützte Rückforderung der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online-Glücksspiel verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben (3 Ob 69/23b mwN) und ist per se nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 1295 Abs 2 ABGB (7 Ob 102/22h; 5 Ob 13/24h; 5 Ob 35/24v). In der Revision in diesem Zusammenhang erkennbar angesprochene rechtliche Feststellungsmängel liegen nicht vor.
[13] 2.8. Eine neuerliche Befassung des EuGH ist nicht erforderlich, weil die unionsrechtlichen Rechtsgrundsätze hinreichend geklärt sind (1 Ob 7/24x; zahlreiche Nachweise jüngst auch in 8 Ob 31/24b).
[14] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Zu II.:
[15] Die Beklagte verband ihre Revisionsanträge mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Antrag, ohne diesen zu begründen.
[16] Was es bedeuten soll, einer Exekution aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ist nicht erkennbar. Sollte die Zuerkennung aufschiebender Wirkung für die außerordentliche Revision gemeint sein, so sieht dies die ZPO nicht vor; der darauf gerichtete Antrag wäre zurückzuweisen (5 Ob 204/23w mwN; 1 Ob 195/23t; 2 Ob 254/23a). Sollte die Beklagte die Aufschiebung bestimmter Exekutionsverfahren angestrebt haben, hätte sie dem § 45 Abs 2 EO Aufmerksamkeit zu schenken gehabt; mangels Nennung eines konkreten aufzuschiebenden Exekutionsverfahrens in der Revision kommt aber auch eine Vorgangsweise nach § 44 JN nicht in Betracht. Im Hinblick darauf sowie angesichts der nunmehr erfolgenden Zurückweisung der Revision der Beklagten hat es jedenfalls bei der Zurückweisung auch ihres Antrags zu bleiben.
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