OGH 1Ob7/24x

OGH1Ob7/24x23.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch Dr. Oliver Peschel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. D* N.V., *, 2. F* Ltd., *, beide vertreten durch Mag. Marcus Marakovics, Rechtsanwalt in Wien, wegen 816.852 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 6. Dezember 2023, GZ 16 R 271/23z‑45, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00007.24X.0123.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagten sind Kapitalgesellschaften mit Sitz in Curaçao (Erstbeklagte) und in Zypern (Zweitbeklagte). Sie bieten über eine Website Dienstleistungen auf dem Gebiet des Glücksspiels auch in Österreich an. Sie verfügen über keine Konzessionen nach dem österreichischen Glücksspielrecht.

[2] Der Kläger nahm in der Zeit vom 31. August 2020 bis 24. Februar 2023 an von den Beklagten angebotenen Online‑Glücksspielen teil und verspielte abzüglich ausgezahlter Gewinne 816.852 EUR. Die Vorinstanzen gaben dem auf Ersatz dieses Betrags gerichteten Klagebegehren statt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die außerordentliche Revision des Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO auf:

[4] 1. Nach ständiger Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online‑Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen. Damit ist diese Bestimmung schon ihrem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) gegen einen Verwaltungsstraftatbestand (konkret § 52 Abs 5 GSpG) verstoßen hat, kommt es daher nicht an. Gegenteiliges kann entgegen der Annahme der Beklagten in ihrem Rechtsmittel auch den Entscheidungen 5 Ob 506/96 und 10 Ob 2429/96w nicht entnommen werden (siehe etwa 1 Ob 103/23p mwN).

[5] 2. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (1 Ob 103/23p; 7 Ob 147/23b, jeweils mwN). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung.

[6] 3. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glückspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d). Entgegen der Darstellung der Revisionswerber ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH C‑920/19 , Fluctus, kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl insbesondere Rn 58 der genannten Entscheidung des EuGH). Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, legen die Revisionswerber nicht dar (7 Ob 202/23s; 1 Ob 179/23i mwN). Der von den Beklagten behauptete Feststellungsmangel und damit eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidung, weil Feststellungen „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ fehlten, ist damit nicht zu erkennen.

[7] Einer neuerlichen Befassung des EuGH bedarf es nicht, weil die unionsrechtlichen Rechtsgrundsätze geklärt sind (1 Ob 172/22h; 7 Ob 102/22h ua).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte